Verwaltungsrecht

Erfolgreiche Neubescheidungsklage: Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis zur Berufsausbildung

Aktenzeichen  M 4 K 17.2394

Datum:
5.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 61 Abs. 2
VwGO VwGO § 114

 

Leitsatz

Nach der aktuellen Weisungslage des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr (IMS) vom 27. Januar 2017 ist es ermessenfehlerhaft, afghanischen Staatsangehörigen während des laufenden Asylverfahrens grundsätzlich eine Beschäftigungserlaubnis oder Erlaubnis zur Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung zu versagen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid vom 12. Mai 2017 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, über die beantragte Ausbildungsgenehmigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage konnte nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte ist zur Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten (§§ 113 Abs. 5 Satz 2, 114 Satz 1 VwGO).
Nach § 61 Abs. 2 AsylG kann einem Asylbewerber, der sich seit 3 Monaten gestattet im Bundesgebiet aufhält, die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist.
Nach § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Die Behörde hat sich bei ihrer durch das Gericht nur eingeschränkt überprüfbaren (§ 114 VwGO) Ermessensentscheidung wohl inhaltlich auf die Weisung im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr (IMS) vom 1. September 2016 über die Beschäftigung und Berufsausbildung von Asylbewerbern, geändert durch IMS vom 19. Dezember 2016, gestützt. Danach ist bei Asylbewerbern aus sonstigen Herkunftsstaaten, zu denen auch Afghanistan gehört, bei der Ermessensausübung die aktuelle Anerkennungsquote des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge für den Herkunftsstaat des jeweiligen Asylbewerbers ein wesentlicher Gesichtspunkt. In Fällen geringer Anerkennungsquote und damit verbunden geringer Bleibewahrscheinlichkeit spreche die Überlegung, dass aussichtslose Asylanträge nicht mit dem Ziel einer Beschäftigung in Deutschland verfolgt werden sollten, für eine Ablehnung der Ausbildungserlaubnis.
Dieses Schreiben ist zwar grundsätzlich als ermessenslenkende Verwaltungs-vorschrift zu sehen, um das Ermessen der verschiedenen Ausländerbehörden im Sinne einer landeseinheitlichen, gleichmäßigen Anwendung zu steuern. Solche Weisungen sind zulässig, da das ausländerbehördliche Ermessen dem Grunde nach durch Verwaltungsvorschriften gelenkt und gebunden werden darf (BVerwG, B.v. 27.12.1990 – 1 B 162/90).
Es gilt aber – und galt auch bei Bescheidserlass – die aktuelle Weisungslage aufgrund des IMS vom 27. Januar 2017. Danach hielten sich insbesondere für Afghanistan anerkennende und ablehnende Asylentscheidungen in etwa die Waage, weshalb es rechtlich unzulässig sei, Afghanen während des laufenden Asylverfahrens grundsätzlich eine Beschäftigungserlaubnis oder Erlaubnis zur Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung zu versagen; es seien verstärkt andere Ermessenskriterien in den Blick zu nehmen.
Unter Berücksichtigung dieser aktualisierten Weisungslage konnte die Entscheidung keinen Bestand mehr haben und war aufzuheben.
Sonstige Ermessenserwägungen wurden rudimentär angestellt; aber der Verwaltungsakt würde durch den Wegfall der unzulässigen Ermessenserwägung in seinem Wesen verändert (vgl. BVerwG, NVwZ 2007,470; Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 90). Ohne dass es entscheidungserheblich ist, weist das Gericht darauf hin, dass es problematisch sein könnte, die Ablehnung nur auf den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes zu stützen, wenn die Identität des Antragstellers zwar nicht geklärt ist, aber der Antragsgegner offensichtlich auch keinen Zweifel an den Angaben des Antragstellers hat. Für den Antragsteller sprechende Gesichtspunkte (vgl. die Weisungslage) wurden offensichtlich nicht in die Erwägungen eingestellt.
Der Beklagte war daher zur Neuverbescheidung des Antrags unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
Das Verfahren ist als Streitigkeit nach dem Asylgesetz gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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