Verwaltungsrecht

Erfolgreicher Eilantrag gegen die Ablehnung eines Asylfolgeantrags als unzulässig (Äthiopien)

Aktenzeichen  W 3 S 18.32398

Datum:
29.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 3502
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwVfG § 51
AsylG § 71
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines Folgeantrags nach § 71 AsylG als unzulässig wird im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gewährt; dies gilt auch für den Fall, dass das Bundesamt in Anwendung des § 71 Abs. 5 S. 1 AsylG keine neue Abschiebungsandrohung erlassen hat. (Rn. 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die derzeitige politische Lage in Äthiopien erfordert eine Neubewertung sämtlicher exilpolitischer Aktivitäten; darin liegt ein Wiederaufgreifensgrund jedenfalls hinsichtlich der Ablehnung des Vorliegens von Abschiebungsverboten im Sinne von § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG. (Rn. 29 – 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im Verfahren W 3 K 18.30828 gegen die Ablehnung des Folgeantrags vom 26. November 2016 mit Bescheid vom 7. August 2017 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtkosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der zur Person nicht ausgewiesene Antragsteller, nach seinen eigenen Angaben ein am … … 1931 geborener äthiopischer Staatsangehöriger christlich-orthodoxen Glaubens, beantragte am 25. April 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) die Gewährung politischen Asyls.
Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt am 9. Oktober 2013 trug der Antragsteller vor, er habe in Äthiopien immer Artikel über die Regierung geschrieben. Er sei deswegen oft bedroht und eingeschüchtert, öfter auch verhaftet worden. Ihm und anderen sei vorgeworfen worden, kritische Artikel geschrieben zu haben. In Deutschland habe er Kontakte zur EPPF und sei deren Mitglied. Er habe auch den Parteivorsitzenden Leul Keskis, den er bereits aus Äthiopien kenne, getroffen. Für die EPPFG habe er sich an verschiedenen Protest- und Informationsveranstaltungen der äthiopischen Exilopposition beteiligt; in verschiedenen Zeitschriften habe er verschiedene regimekritische Artikel veröffentlicht.
Mit Bescheid vom 13. August 2014 erkannte das Bundesamt dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Ziffer 1.), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2.) und erkannte dem Antragsteller den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3.). Zudem wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4.) und der Antragsteller unter Abschiebungsandrohung nach Äthiopien zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung aufgefordert (Ziffer 5.). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Vortrag des Antragstellers sei hinsichtlich seines Vorfluchtvorbringens nicht glaubhaft. Die politische Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland gehe über ein bloßes Mitläufertum nicht hinaus.
Im gegen den Bescheid vom 13. August 2014 erhobenen Klageverfahren W 3 K 14.30488 wies das Gericht mit Urteil vom 2. August 2016 die Klage ab. Das Urteil wurde am 25. Oktober 2016 rechtskräftig.
Am 26. November 2016 ließ der Antragsteller beim Bundesamt beantragen, unter Wiederaufnahme des Verfahrens für den Antragsteller ein Abschiebungsverbot im Sinn des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Äthiopiens festzustellen sowie die mit Bescheid vom 13. August 2014 erlassene Abschiebungsandrohung aufzuheben. Dies ließ der Antragsteller damit begründen, er sei weiterhin für die EPPFG politisch aktiv. Seine gesundheitliche Lage habe sich erheblich verschlechtert. Dies betreffe insbesondere eine erhebliche Einschränkung der geistigen Fähigkeiten. Eine Behandlung in Äthiopien und eine entsprechende familiäre Betreuung sei nicht möglich, dies auch deswegen, weil er in Äthiopien keinerlei familiäre Bindungen mehr habe. In Äthiopien habe sich die innenpolitische Lage dramatisch zum Schlechten geändert.
Mit Bescheid vom 7. August 2017 lehnte das Bundesamt den „Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 13.08.2014 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes“ ab. Dies wurde damit begründet, die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG seien nicht gegeben; gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG müsse sich die Sach- oder Rechtslage zugunsten des Antragstellers geändert haben oder neue Beweismittel vorliegen oder Wiederaufnahmegründe bestehen. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da sich die Sachlage auch aufgrund der nunmehr vorgetragenen Argumente und des vorgelegten Attestes nicht zugunsten des Antragstellers geändert habe.
Unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG lägen Gründe, die eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG gemäß § 49 VwVfG rechtfertigten, ebenfalls nicht vor. Der Antragsteller habe bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit Verfolgung aufgrund seiner exilpolitischen Tätigkeit für die EPPF zu rechnen. Er habe keine herausgehobene, exponierte Stellung. Unabhängig hiervon werde der Antragsteller aufgrund seiner abnehmenden geistigen Fähigkeiten nicht mehr seitens des äthiopischen Regimes als Gegner wahrgenommen. Der Antragsteller könne zu einem seiner vier in Äthiopien lebenden Kinder zurückkehren. Eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liege auch deshalb nicht vor, weil keine im Zielstaat drohende Beeinträchtigung der Verschlimmerung einer Krankheit drohe. Der Bescheid wurde an den Bevollmächtigten des Antragstellers am 8. August 2017 zur Post gegeben.
Am 16. August 2017 ließ der Antragsteller im Verfahren W 3 K 17.33129 (nunmehr W 3 K 18.30828) Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben. Am 25. November 2018 ließ er im vorliegenden Verfahren im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 16. August 2017 gegen den Bescheid vom 7. August 2017 anzuordnen.
Zur Begründung wurde vorgetragen, die Verhältnisse in Äthiopien hätten sich seit Ende 2015 maßgeblich geändert, sodass auch bloße (vermeintliche) Mitläufer der EPPFG mit Verfolgung rechnen müssten. Der Antragsteller habe sich in einer auffälligen Art und Weise bei der EPPFG betätigt und habe sich dort in der Rolle des „elder statesman“ eingebracht. In der traditionell geprägten äthiopischen Gesellschaft sei das Alter ein Grund an sich, Anerkennung und Respekt zu zollen. Äthiopischen Sicherheitsbehörden sei es egal, was gesundheitlich mit ihren Gefangenen passiere; deshalb könne die Antragsgegnerin nicht mit der eingeschränkten geistigen Fähigkeit des Antragstellers argumentieren.
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
Im Übrigen ergebe sich auch aus dem vorgelegten ärztlichen Attest nichts anderes.
Im Übrigen wird auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien, auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten des Bundesamtes, welche dem Gericht in elektronischer Form vorliegen, sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte W 3 K 14.30488 und W 3 K 18. 0828 Bezug genommen.
II.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Begehren des Antragstellers, auf der Grundlage von § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage vom 16. August 2017 im Verfahren W 3 K 18.30828 (vormals W 3 K 17.33129) anzuordnen.
Denn der Antragsteller begehrt der Sache nach vorläufigen Rechtsschutz gegen den Bescheid vom 16. August 2017.
Dieser lehnt der Sache nach das mit Schreiben vom 28. November 2016 geltend gemachte Begehren des Antragstellers auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 VwVfG, beschränkt auf die im Bescheid vom 13. August 2014, Ziffer 4., enthaltene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, ab. Zwar enthält der Bescheid vom 7. August 2017 in seinem Tenor nicht die eigentlich diesbezüglich erforderliche Tenorierung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG, dass der Antrag unzulässig ist; vielmehr enthält der Tenor lediglich die in § 31 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative AsylG vorgegebene weitere Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG. Allerdings sind in der Begründung des Bescheides vom 7. August 2017 unter dessen Ziffer 1. Ausführungen zu finden, die sich mit den Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 VwVfG hinsichtlich § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG beschäftigen; hier wird klar und eindeutig erkennbar ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG abgelehnt, dies mit der Begründung, die Sachlage habe sich nicht zugunsten des Antragstellers geändert.
Die hiergegen gerichtete Klage im Verfahren W 3 K 18.30828 hat die Ablehnung des Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote zum Gegenstand. Dies hat der Bevollmächtigte des Antragstellers im Schriftsatz vom 24. August 2017 klargestellt.
Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines Folgeantrags nach § 71 AsylG als unzulässig wird im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gewährt. Dies gilt auch für den Fall, dass das Bundesamt in Anwendung des § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG keine neue Abschiebungsandrohung erlassen hat. Denn die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes (G. vom 31.7.2016, BGBl. S. 1939) als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrages nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar, die mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 15 ff.). Diese Anfechtungsklage hat keine aufschiebende Wirkung, denn § 71 Abs. 4 AsylG verweist auf § 36 AsylG. Es liegt damit kein „sonstiger Fall“ im Sinne des § 38 Abs. 1 AsylG vor, bei dem eine Anfechtungsklage gemäß § 75 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung hätte. Ist nunmehr gegen die Ablehnung eines Folgeantrages nach § 71 AsylG in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft, dann muss vorläufiger Rechtsschutz gegen eine drohende Abschiebungsmaßnahme hinsichtlich der Ablehnung des Folgeantrags auch dann in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gewährt werden, wenn das Bundesamt anlässlich der Entscheidung über den Folgeantrag keine erneute Abschiebungsandrohung erlassen hat. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO richtet sich in diesem Fall auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig. Wird diesem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprochen, dann dürfen aus der Ablehnung des Folgeantrags einstweilen keine Folgen mehr gezogen werden; der betroffene Ausländer ist so zu stellen, als sei über seinen Folgeantrag noch nicht entschieden worden (vgl. VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris Rn. 13 und 14; VG Würzburg, B.v. 10.10.2017 – W 8 E 17.33483 – juris; VG Gelsenkirchen, B.v. 21.12.2018 – 9a L 2160/18.A – juris Rn. 9; VG Augsburg, B.v. 28.2.2018 – Au 6 E 18.30245 – juris Rn. 23).
Demgegenüber kann das Gericht der gegenteiligen Meinung nicht folgen; diese hält ein Verfahren nach § 123 VwGO für richtig mit der Argumentation, die ablehnende Entscheidung im Folgeverfahren berühre grundsätzlich nicht die Vollziehbarkeit der bestandskräftigen Abschiebungsandrohung aus dem Erstverfahren. Diese dürfe vor der Entscheidung im Folgeverfahren nicht vollzogen werden, lebe aber wieder auf, wenn das Bundesamt nach § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG mitteile, dass ein erneutes Asylverfahren nicht durchgeführt werde. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO berühre die Bestandskraft der bereits vollziehbaren Abschiebungsandrohung nicht. Da ohnehin eine Mitteilung des Bundesamtes an die Ausländerbehörde erforderlich sei, sei die Verpflichtung im Rahmen eines Verfahrens nach § 123 VwGO, die entsprechende Mitteilung zu unterlassen, gemäß Art. 19 Abs. 4 GG der effektivste Rechtsschutz (so VG Ansbach, B.v. 11.10.2018 – AN 3 E 18.31175 – juris Rn. 26 m.w.N.).
Dem kann das Gericht aus systematischen Gründen jedoch nicht folgen, da mit dieser Rechtsmeinung der in § 123 Abs. 5 VwGO zwingend vorgegebene Zusammenhang zwischen Anfechtungsklage im Hauptsacheverfahren und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes aufgelöst werden würde. Konsequenterweise hat der Gesetzgeber in § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG geregelt, dass die Abschiebung aus der bestandskräftig bzw. rechtkräftig gewordenen Abschiebungsandrohung des Erstverfahrens erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen, vollzogen werden darf. Damit ist die Vollziehbarkeit dieser Abschiebungsandrohung gehemmt (vgl. hierzu Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2018, § 80 Rn. 10 bis 12 zur Theorie der Vollziehbarkeitshemmung im Gegensatz zur Theorie der Wirksamkeitshemmung), wie § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG wörtlich vorgibt (… darf erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes … vollzogen werden …).
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig und insbesondere nicht verfristet, da wegen des Fehlens einer erneuten Abschiebungsandrohung nicht die Wochenfrist des § 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gilt (Dickten in BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.11.2018, § 71 AsylG Rn. 38).
Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
Prüfungsmaßstab ist gemäß § 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 AsylG derjenige des „ernstlichen Zweifels“ (vgl. VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris Rn. 21 m.w.N.). Solche ernstlichen Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfGE 94, 166, 197).
Im vorliegenden Fall bestehen derartige ernstliche Zweifel an der Entscheidung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis Abs. 3 VwVfG nicht vorliegen.
Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG müssen sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Antragstellers geändert haben (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO bestehen (Nr. 3). § 51 Abs. 1 VwVfG fordert einen schlüssigen Sachvortrag, der nicht von vorneherein nach jeder vertretbaren Betrachtung ungeeignet sein darf, zum begehrten Schutz zu verhelfen. Es genügt schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe (BVerfG, B.v. 3.3.2000 – 2 BvR 39/98 – juris Rn. 32 m.w.N.).
So liegt der Fall hier.
Die ernstlichen Zweifel des Gerichts beruhen darauf, dass das Bundesamt den Sachvortrag des Antragstellers und insbesondere die neu benannten Beweismittel nicht als Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens anerkannt hat.
Zwar hat das Gericht in anderen Verfahren schon entschieden, dass kein neuer Sachverhalt oder Beweismittel vorliegen, wenn sich lediglich die Qualität der Aktivitäten eines Asylbewerbers ändert, sich aber insgesamt das Engagement nicht wesentlich von dem unterscheidet, das bereits im Erstverfahren vorgetragen wurde.
Der vorliegende Sachvorhalt unterscheidet sich jedoch dadurch, dass der Antragsteller eine Änderung der Sachlage vorgetragen hat. Gegenüber dem mit Urteil vom 2. August 2016 abgeschlossenen Asylerstverfahren neu ist, dass sich die politische Lage in Äthiopien deutlich verändert hat. Zunächst ist am 9. Oktober 2016 und erneut am 16. Februar 2018 der Ausnahmezustand ausgerufen worden. Hierdurch hat sich die politische Situation und damit auch die Gefahr für exilpolitisch tätige Äthiopier deutlich verschärft. Weiterhin hat am 2. April 2018 Dr. A. A. das Amt des Premierministers angetreten; in diesem Zusammenhang kam es zur Aufhebung des Ausnahmezustandes und zu überraschenden Massenfreilassungen. Allerdings ist die Schweizerische Flüchtlingshilfe in ihrer Auskunft vom 5. Oktober 2018 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof der Meinung, dass zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu beurteilen ist, inwieweit die neuere politische Entwicklung die Behandlung von politisch Oppositionellen und exilpolitisch aktiven Personen beeinflussen wird. Nach dieser Auskunft ist das Anti-Terrorismusgesetz weiterhin gültig und liefert die Grundlage für die Überwachung exilpolitisch tätiger Äthiopier im Ausland. Die breitgefasste Definition von Terrorismus wird willkürlich auf Personen angewendet, die sich der Regierungspolitik auf irgendeine Art und Weise entgegensetzten. Dies betrifft auch exilpolitische Aktivitäten. Nach wie vor findet eine umfangreiche und systematische Überwachung von äthiopischen Staatsbürgern durch den äthiopischen Sicherheitsdienst im Ausland statt. Für die Regierung spielt es – so die Schweizerische Flüchtlingshilfe – bei der Überwachung keine Rolle, ob Position und Tätigkeit einer Person innerhalb der oppositionellen Organisation exponiert sind oder nicht.
Damit hat sich die Sachlage gegenüber dem Vorbringen des Antragstellers im Erstverfahren geändert.
Nach wie vor steht die EPPFG der von der äthiopischen Regierung als terroristische Vereinigung eingestuften EPPF nahe; es ist wahrscheinlich, dass auch sie als Terrorgruppe eingestuft wird (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 9.12.2016 an das VG Gießen).
Das Gericht geht zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) davon aus, dass – nach der deutlichen Verschärfung der politischen Lage und der sich anschließenden Unklarheit über weitere Veränderungen – die politische Lage in Äthiopien eine Neubewertung sämtlicher exilpolitischer Aktivitäten erfordert. Somit hat der Antragsteller Wiederaufgreifensgründe im Sinn des § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG, beschränkt auf § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG, geltend gemacht, die eine dem Antragsteller günstigere Entscheidung als möglich erscheinen lassen. Auf den Vortrag zu den gesundheitlichen Problemen des Antragstellers kommt es daher nicht mehr an.
Weil damit die Voraussetzungen für die Durchführung eines Folgeverfahrens voraussichtlich vorliegen, erweist sich der Bescheid vom 7. August 2017 wohl als rechtswidrig. Bei dieser Sachlage erfordert es das Gebot effektiven Rechtsschutzes, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Damit war dem Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 VwGO, § 83b AsylG stattzugeben.

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