Verwaltungsrecht

Erfordernis eines vorherigen Antrags auf Aussetzung der Vollziehung eines Gebührenbescheids

Aktenzeichen  M 10 S 19.4080

Datum:
18.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 28043
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 6 S. 1, § 88

 

Leitsatz

Ein Antrag gegenüber der Behörde auf Aussetzung der Vollziehung eines Gebührenbescheids kann im gerichtlichen Verfahren nicht nachgeholgt werden. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 189,16 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Erhebung von Sondernutzungsgebühren durch die Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin erhebt für die Ausübung einer Sondernutzung an ihren öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen Sondernutzungsgebühren auf Grundlage ihrer Satzung über die Erhebung von Sondernutzungsgebühren an öffentlichem Verkehrsraum (Sondernutzungsgebührensatzung – SNGS) vom 27. Oktober 2010.
Der Antragsteller war Halter eines Altfahrzeugs (Peugeot 607) mit dem amtlichen Kennzeichen … …, das nach Aktenlage seit Ende des Jahres 2015 im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin zwischen der Staats straße … und der Gemeinde straße neben dem Anwesen … Str. 1 auf einer Grünfläche, die zur (öffentlichen) Straßenfläche gehört, abgestellt war. Mittels einer am 23. März 2018 an diesem Fahrzeug angebrachten Klebeplakette wurde der Verfügungsberechtigte des Kraftfahrzeugs aufgefordert, sein unerlaubt abgestelltes Fahrzeug sofort zu entfernen. Bei einem Überprüfungstermin am 23. Januar 2019 wurde das Kraftfahrzeug ohne Kennzeichen vorgefunden und nochmals eine Plakette angebracht. Am 3. April 2019 wurde das Fahrzeug entfernt.
Wegen der unerlaubten Sondernutzung im Zeitraum 23. Januar 2019 bis 3. April 2019 setzte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 9. Juli 2019, zugestellt ausweislich der Postzustellungsurkunde am 10. Juli 2019, gegenüber dem Antragsteller Sondernutzungsgebühren in Höhe von 700 EUR sowie Auslagen und interne Personalkosten in Höhe von 56,65 EUR, insgesamt also 756,65 EUR, fest.
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 10. August 2019, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am gleichen Tag, Klage gegen diesen Bescheid erhoben und beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen diesen Bescheid und damit verbundene Sondernutzungsgebühren mit Zahlungsaufforderung zum 26. Juli 2019 wiederherzustellen.
Zur Begründung wird ausgeführt, das Fahrzeug sei nicht im öffentlichen Verkehrsraum, sondern auf einem Privatgrundstück abgestellt gewesen. Der Antragsteller bestreite das Abmontieren des amtlichen Kennzeichens mit Nichtwissen; er habe den Pkw verkauft. Das Fahrzeug sei bis 1. April 2019 zugelassen gewesen und dann vom Käufer zur Verschrottung gebracht worden.
Mit Schreiben vom 9. Oktober 2019 hat die Antragsgegnerin zum Antrag Stellung genommen.
Mit Beschluss vom 17. Oktober 2019 hat das Gericht den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorgelegte Behörden- sowie die Gerichtsakte verwiesen.
II.
1. Der gestellte Antrag ist nach dem erkennbaren Rechtsschutzbegehren (§ 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO zu verstehen.
Der so verstandene Antrag hat keinen Erfolg, da er mangels vorheriger Durchführung eines behördlichen Aussetzungsverfahrens nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO unzulässig ist.
Gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO der Antrag nach Abs. 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat.
Nach überwiegender Auffassung normiert § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO eine Zugangsvoraussetzung, die bereits bei Rechtshängigkeit des gerichtlichen Aussetzungsverfahrens vorliegen muss und – anders als bei sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen – nicht nachholbar ist (Hoppe in Eyermann, 15. Aufl. 2019, VwGO § 80 Rn. 74 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO nach Aktenlage nicht vor. Es ist weder vom Antragsteller vorgetragen noch lässt sich aus den vorgelegten Behördenakten entnehmen, dass ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des streitgegenständlichen Bescheids gestellt worden ist. Eine diesbezügliche telefonische Nachfrage des Gerichts bei der Antragsgegnerin hat vielmehr ergeben, dass ein solcher Antrag nicht erfolgt ist.
Eine Antragstellung nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO war auch nicht gemäß § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO entbehrlich, weil nach Aktenlage keine Vollstreckung droht. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin bereits Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen hat oder vorbereitet.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (1/4 der in der Hauptsache angegriffenen Gebührenfestsetzung).


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