Verwaltungsrecht

Erfüllung der Passpflicht als Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis

Aktenzeichen  10 C 19.2214

Datum:
14.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9499
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 3, § 5 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 2, § 25a Abs. 1, Abs. 2
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Die Regelerteilungsvoraussetzung der Erfüllung der Passpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) wird nur durch den Besitz eines anerkannten und gültigen Passes oder Passersatzes erfüllt (Rn. 4). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 6 K 19.505 2019-10-14 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, mit der die Kläger den in erster Instanz abgelehnten Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe für ihre auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 22. März 2019 und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 1 AufenthG (Kläger zu 3) bzw. Neubescheidung der entsprechenden Anträge (§ 25a Abs. 2 AufenthG, weitere Kläger) gerichtete Klage weiterverfolgt, bleibt ohne Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sind nicht erfüllt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung – wie sich aus den nachstehenden Gründen ergibt – zum für die Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe maßgeblichen Zeitpunkt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Für die Beurteilung hinreichender Erfolgsaussichten bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt es grundsätzlich auf die Auffassung des verständigen, unbemittelten Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags und damit auf eine ex-ante-Betrachtung an (stRspr, vgl. zuletzt BVerfG, B.v. 22.8.2018 – 2 BvR 2647/17 – NVwZ-RR 2018, 873 Rn. 18).
Das Verwaltungsgericht hat eine hinreichende Erfolgsaussicht der Verpflichtungsklage des inzwischen volljährigen Klägers zu 3 zu Recht verneint, weil unabhängig von der – zwischen den Parteien nach wie vor streitigen – notwendigen positiven Integrationsprognose (§ 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG) einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG entgegenstehe, dass die erforderliche allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG wegen Nichterfüllung der Passpflicht nach § 3 AufenthG nicht vorliege. Einen jordanischen Reisepass habe der Kläger zu 3 weder selbst beantragt noch durch seine Eltern (Kläger zu 1 und 2) beantragen lassen. Es sei auch nicht ermessensfehlerhaft, dass der Beklagte von der Passpflicht nicht nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abgesehen habe. Sämtliche Familienangehörigen hätten bei der Einreise ins Bundesgebiet im Jahr 2013 über jordanische Reisepässe verfügt. Zudem besitze der Kläger zu 3 wohl auch nach seiner Mutter die jordanische Staatsangehörigkeit.
Soweit mit der Beschwerde eingewandt wird, der Kläger zu 3 habe, wie dem Verwaltungsgericht bereits mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2019 mitgeteilt, nach seiner Volljährigkeit am 18. September 2019 bei der Botschaft Jordaniens vorgesprochen und einen Reisepass beantragt und es sei auch nicht ersichtlich, dass dieser Antrag nicht erfolgversprechend sei, wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt. Denn die hier anzuwendende Regelerteilungsvoraussetzung der Erfüllung der Passpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG; vgl. BVerwG, U.v. 14.5.2013 – 1 C 17.12 – juris Rn. 18 ff.) wird nur durch den Besitz eines anerkannten und gültigen Passes oder Passersatzes erfüllt (vgl. Maor in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand 1.8.2019, AufenthG § 5 Rn. 19), was beim Kläger zu 3 bis heute offensichtlich nicht der Fall ist. Dass hinsichtlich der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG aufgrund atypischer Umstände des konkreten Einzelfalls ein Ausnahmefall vorliegt, bei dem das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigt wird, oder im Ermessenswege nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG hätte abgesehen werden müssen (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 26 und 29 ff.), ist weder mit der Beschwerde dargelegt noch für den Senat sonst ersichtlich. Mit Blick auf die Vorgeschichte mit dem nach Angaben der Kläger zu 1 und 2 (fahrlässigen) Verlust der jordanischen Reisepässe und Personalausweise nach erfolgter Einreise ins Bundesgebiet, die erfolglosen mehrfachen Aufforderungen des Beklagten zur Mitwirkung an der Beschaffung und Vorlage von Identitätspapieren für die Familienmitglieder und das bis zuletzt andauernde Bestreiten einer jordanischen Staatsangehörigkeit gerade auch des Klägers zu 3 genügt es entgegen der im Beschwerdeverfahren geäußerten Auffassung der Kläger nicht, lediglich eine „auf Wunsch des Antragstellers“ ausgestellte Bescheinigung der jordanischen Botschaft vom 18. September 2019 vorzulegen, wonach der Kläger einen Antrag auf Ausstellung eines neuen Reisepasses eingereicht habe, der zur Bearbeitung an die zuständigen jordanischen Behörden weitergeleitet werde (Bl. 46 der VG-Akte). Mangels näherer Darlegungen zu diesem Antrag, den dabei gemachten persönlichen Angaben und dem weiteren Fortgang der Bearbeitung durch die „zuständigen jordanischen Behörden“ sind damit jedenfalls noch keine ausreichenden Bemühungen glaubhaft gemacht, um die Passpflicht des Klägers zu 3 zu erfüllen oder von einer unverschuldeten Passlosigkeit ausgehen zu können. Nach der vom Beklagten vorgelegten Mitteilung des Bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführungen vom 5. Dezember 2019 (Bl. 20 der VGH-Akte) spricht im Übrigen alles dafür, dass es sich beim Kläger zu 3 um einen jordanischen Staatsangehörigen mit der erforderlichen Nationalnummer handelt.
Liegen aber beim Kläger zu 3 nicht sämtliche (allgemeinen und besonderen) Erteilungsvoraussetzungen für die Aufenthaltsgewährung gemäß § 25a Abs. 1 AufenthG vor und bleibt deshalb seine Verpflichtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg, gilt mangels dessen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach Abs. 1 das gleiche für die Rechtsschutzbegehren der übrigen Familienmitglieder mit ihrem auf § 25a Abs. 2 AufenthG gestützten Anspruch. Insofern bedarf es keiner weitergehenden Erörterung, ob einem Erfolg dieser Klagen daneben die Nichterfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG entgegensteht, weil auch von den übrigen Klägern die Passpflicht nicht erfüllt wird. Ungeachtet dessen geht der Verwaltungsgerichtshof mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass die Beschaffung der jordanischen Pässe auch allen übrigen Klägern möglich und zumutbar ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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