Verwaltungsrecht

Erhebung von Friedhofsbenutzungsgebühren, Wirksamkeit der Gebührensatzung, wegen Äquivalenzgebot erforderliche Bildung verschiedener Kostenstellen, Umlageschlüssel für Gemeinkosten

Aktenzeichen  4 ZB 20.199

Datum:
17.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6561
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 2 Abs. 1, 8

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 12 K 18.6314 2019-08-01 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 1. August 2019 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 1.041,41 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen einen Gebührenbescheid der Beklagten betreffend das Nutzungsrecht für ein Urnengrab auf einem kommunalen Friedhof.
Mit Bescheid vom 26. März 2018 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Gebühr für die Nutzung eines Urnengrabes während einer Nutzungszeit von 7 Jahren und 303 Tagen in Höhe von 1.041,41 Euro fest. Ein Widerspruch des Klägers vom 2. Mai 2018 gegen den Gebührenbescheid wurde mit Bescheid des Landratsamtes Berchtesgadener Land vom 26. November 2018 zurückgewiesen.
Am 27. Dezember 2018 erhob der Kläger Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 26. März 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2018. Mit Urteil vom 1. August 2019 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung.
Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
a) Der Kläger macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Sein Vorbringen ist jedoch nicht geeignet, einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151,173 Rn. 32 m.w.N.).
aa) Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, die dem Bescheid vom 26. März 2018 zugrundeliegende Friedhofsgebührensatzung sei nicht ordnungsgemäß beschlossen worden, da dem Stadtrat der Beklagten bei der Beschlussfassung die Gebührenkalkulation nicht vorgelegen habe. Das angefochtene Urteil beruhe zudem auf einer fehlerhaften Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes und des Äquivalenzprinzips. Verschiedene Arten von Urnengräbern würden sich insbesondere hinsichtlich der Herstellungs- und Unterhaltungskosten erheblich unterscheiden, weshalb die Bildung selbständiger Kostenmassen für diese Gräberarten erforderlich sei. Auch die verwaltungsgerichtliche Bewertung der Umlageschlüssel für die Kostenstellen der Erdgräber einerseits und der Urnengräber andererseits widerspreche den tatsächlichen Gegebenheiten. So sei es nicht zwingend, dass Erdgräber mehr Platz in Anspruch nähmen als Urnengräber. Die Pflege der Oberfläche der einzelnen Grabstätten obliege den Nutzungsberechtigten, sodass größere Gräber den Friedhofsträger tendenziell entlasten würden und insoweit entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts kein Zuschlag wegen eines erhöhten Aufwands gerechtfertigt sei. Größere Gräber seien im Übrigen für die Nutzungsberechtigten nicht wegen eines höheren Pflegeaufwands nachteilig. Urnengräber seien gegenüber Urnennischen auch nicht mit weit höheren Kosten verbunden. Die unterschiedliche Belegungsmöglichkeit von Grabstätten sei kein geeignetes Differenzierungskriterium für eine sachgerechte Kostenaufteilung. Schließlich habe der Kläger den vom Verwaltungsgericht angesprochenen Abzug des Anteils für öffentliches Grün in der Widerspruchs- und Klagebegründung nicht gerügt; es sei fraglich, ob das Verwaltungsgericht insoweit vom richtigen Sachverhalt ausgegangen sei.
bb) Das Verwaltungsgericht (UA S. 8 f. Rn. 40) hat die Annahme des Klägerbevollmächtigten, dem Stadtrat der Beklagten habe bei der Beschlussfassung über die Friedhofsgebührensatzung die Gebührenkalkulation nicht vorgelegen, als nicht nachvollziehbar bezeichnet. Es hat angenommen, dass sich die Stadtratsmitglieder mithilfe der betreffenden Beschlussvorlage und im Rahmen der Beratung im Stadtrat Klarheit über die maßgebliche Sach- und Rechtslage verschaffen konnten. Der Kläger hat keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass diese Annahme des Verwaltungsgerichts unzutreffend sein könnte. Er hat lediglich behauptet, dem Stadtrat habe die der Gebührensatzung zugrunde gelegte Gebührenbedarfsberechnung zu keiner Zeit vorgelegen. Im Übrigen hat die Beklagte in der Antragserwiderung vom 15. Mai 2020 unter Vorlage der entsprechenden Sitzungsniederschrift ausgeführt, dass in der Stadtratssitzung am 13. November 2012, in der über die am 20. November 2012 bekannt gemachte Änderung der Friedhofsgebührensatzung entschieden wurde, die für die Entscheidungsfindung erforderlichen Grundlagen und Ergebnisse der Gebührenkalkulation ausführlich dargestellt worden seien. Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten.
In der Antragsbegründung wird auch nicht aufgezeigt, weshalb die nach Bewertung des Verwaltungsgerichts erfolgte Befassung des Stadtrats zur Änderung der Gebührensatzung keine rechtmäßige Beschlussfassung erlaubt haben sollte. Insbesondere ist aufgrund der Antragsbegründung nicht nachvollziehbar, weshalb es insoweit entscheidend auf die schriftliche Vorlage eines bestimmten Dokuments mit dem Titel „Gebührenkalkulation“ oder „Gebührenbedarfsberechnung“ ankommen sollte, worauf der Kläger wohl abzielt.
Es mag sein, dass in den vom Kläger zitierten obergerichtlichen Entscheidungen verschiedentlich die Ansicht vertreten wird, dass eine ordnungsgemäße Beschlussfassung über eine Gebührensatzung die Kenntnis der jeweiligen kommunalen Entscheidungsorgane zumindest von Teilen der Kalkulationsgrundlagen erfordert. Das kann indes schon deshalb keine Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils wecken, weil der Kläger keine Anhaltspunkte dafür benennt, dass – entgegen der Bewertung des Verwaltungsgerichts – bei der Beschlussfassung im Stadtrat insoweit Informationsdefizite bestanden haben könnten. Im Übrigen betrafen die vom Kläger in diesem Zusammenhang angeführten Entscheidungen keine Benutzungsgebührensatzungen, die wie hier auf der Ermächtigung in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 8 KAG beruht hätten. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. U.v. 2.4.2004 – 4 N 00.1645 – BayVBl 2004, 724 Rn. 21; U.v. 29.3.1995 – 4 N 93.3641 – BayVBl 1996, 532 Rn. 22 m.w.N.) hängt die Wirksamkeit einer solchen Benutzungsgebührensatzung nicht davon ab, ob im Zeitpunkt ihres Erlasses eine Gebührenkalkulation vorlag. Das betrifft entgegen der Rechtsauffassung des Klägers gerade auch die Vorlage einer solchen Kalkulation im Rahmen der Beschlussfassung des Gemeinderats.
cc) Das Verwaltungsgericht (UA S. 11 f. Rn. 46) hat zutreffend angenommen, dass eine einheitliche Regelung in der Gebührensatzung für verschiedene gebührenpflichtige Sachverhalte nur dann im Hinblick auf die Abgabengerechtigkeit rechtlich zu beanstanden wäre, wenn der Verzicht auf eine differenzierende Regelung als willkürlich erscheinen würde. Ihr Gestaltungsspielraum ermögliche es der Beklagten, es bei den Kostenstellen „Erdgräber“ und „Urnengräber“ zu belassen und nicht innerhalb der Urnengräber weitere selbständige Kostenmassen zu bilden. Die Rüge des Klägers, die Urnenbeisetzung in der Erde unterscheide sich völlig von oberirdisch bereitgestellten Beisetzungsmöglichkeiten für Urnen, geht ins Leere. „Erdurnengräber“ werden in § 3 Buchst. a der Friedhofsgebührensatzung der Beklagten der Kategorie der „Erdgräber“ zugeordnet; sie unterfallen daher nicht der Kostenstelle der sonstigen „Urnengräber“ (vgl. § 3 Buchst. b der Satzung). Es ergibt sich auch nicht aus den Darlegungen des Klägers und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die unterschiedlichen Arten von Urnengräbern derart eklatante Unterschiede hinsichtlich der Herstellungs- und Unterhaltungskosten aufweisen würden, dass die nach der Belegungsmöglichkeit differenzierende Gebührenbemessung willkürlich wäre. Inwiefern die Bewertung des Verwaltungsgerichts, für alle Urnengräber (vgl. § 3 Buchst. b der Satzung) seien bauliche Anlagen errichtet worden, unrichtig sein sollte, erschließt sich nicht; bei allen Urnengräbern ist es folglich sachgerecht, kalkulatorische Kosten für die Errichtung entsprechender baulicher Anlagen zu berücksichtigen.
Zurecht wird im angefochtenen Urteil (UA S. 11 f. Rn. 46) auch festgestellt, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit bei Erlass der Friedhofsgebührensatzung verallgemeinern und pauschalieren durfte; ein Gebührenmaßstab verstoße nicht schon deshalb gegen das Willkürverbot, weil sich im Vollzug im Einzelfall Härten ergeben könnten. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten. Vor diesem Hintergrund ist es keine willkürliche Differenzierung, wenn bei der Festlegung des Umlageschlüssels für die Kostenstellen „Erdgräber“ und „Urnengräber“ u.a. ein typischerweise größerer Platzbedarf für Erstere mitberücksichtigt wurde (vgl. UA S. 12 f. Rn. 47). Dass im Ausnahmefall ein Urnengrab einen vergleichsweise großen Platzbedarf aufweisen kann, wie der Kläger meint, steht dem nicht entgegen. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang annimmt, dass durch Erdgräber im Vergleich zu Urnengräbern ein erheblich größerer Aufwand für die Anlagenpflege verursacht wird, nimmt es zweifellos auf die Pflege der Friedhofsanlagen, die allen Gräbern dienen, durch die Beklagte Bezug. Der Umstand, dass die Erdgräber wesentlich mehr zur räumlichen Ausdehnung der Friedhofanlagen beitragen, kann eine Korrektur des Umlageschlüssels zur Verteilung dieser Kosten zulasten dieser Kostenstelle rechtfertigen. Auch wenn Nutzungsberechtigte die Pflege der Grabstätte oftmals nicht als Bürde ansehen mögen, besteht dennoch eine entsprechende Rechtspflicht (vgl. § 13 Abs. 5 der Friedhofssatzung der Beklagten vom 22.9.2010), deren Erfüllung auch mit einem Kostenaufwand einhergeht. Insoweit ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei der Festlegung des Umlageschlüssels auch mit bedacht hat, dass im Falle der Erdgräber der Pflegeaufwand in aller Regel größer ist als bei Urnengräbern.
Der Kläger geht offensichtlich irrtümlich davon aus, dass das Verwaltungsgericht (UA S. 18 Rn. 59) mit dem Begriff „Urnengräber“ eigentlich „Erdurnengräber“ bezeichnen möchte; dafür ist jedoch nichts ersichtlich. An der betreffenden Stelle der Urteilsbegründung wird ausgeführt, dass Urnennischen im Vergleich zu „Erdgräbern“ einen relativ geringen Flächenbedarf und zugleich „Urnengräber“ höhere Herstellungskosten aufweisen. Dieser Feststellung liegt offensichtlich entsprechend der Regelung in § 3 der Friedhofsgebührensatzung der Beklagten zugrunde, dass eine Urnennische zu den „Urnengräbern“ gehört; „Erdurnengräber“ zählen nach dieser Regelung zu den „Erdgräbern“.
In der Antragsbegründung wird nicht aufgezeigt, inwieweit die Bewertung im angefochtenen Urteil (UA S. 19 Rn. 61) zu dem vom Kläger gerügten Abzug eines Anteiles für öffentliches Grün (vgl. Sitzungsprotokoll S. 3, Bl. 70 der Gerichtsakte, dort Ziffer 6) rechtsfehlerhaft sein könnte.
b) Der vom Kläger gerügte Verfahrensfehler nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor.
Er macht geltend, keine umfassende Einsicht in die Gebührenkalkulation erhalten zu haben und deshalb in seinen Rüge- und Darlegungsmöglichkeiten beschränkt gewesen zu sein. Der Kläger zeigt nicht auf, welches konkrete Akteneinsichtsgesuch gegenüber der Beklagten negativ verbeschieden oder nicht beantwortet worden wäre. Unabhängig davon hat die Beklagte in der Antragserwiderung vom 15. Mai 2020 erläutert, dass dem Klägerbevollmächtigten bereits im Rahmen eines vorangegangenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, das gleichfalls einen Friedhofsgebührenbescheid der Beklagten betraf, Akteneinsicht u.a. in die Gebührenkalkulation angeboten worden sei. Zudem habe der Kläger als Anlage zu einem Schreiben der Beklagten vom 19. September 2013 die Kalkulation der Grabnutzungsgebühren in Kopie erhalten; die entsprechenden Dokumente waren der Antragserwiderung beigefügt. Der Kläger ist diesem Vortrag nicht entgegengetreten. Insbesondere hat er nicht dargelegt, inwieweit diese Dokumente unvollständig gewesen sein könnten.
Im Übrigen hat der Klägerbevollmächtigte in der Klageschrift vom 22. Dezember 2018 lediglich angeregt, die Beklagte zur Vorlage der „vollständigen“ Gebührenberechnung aufzufordern; dabei gab er zugleich an, bereits Unterlagen zur Gebührenkalkulation erhalten zu haben, vermutete jedoch deren Unvollständigkeit. In seinem Schreiben an das Verwaltungsgericht vom 22. Juli 2019 hat er dann lediglich ausgeführt, dass die Gebührenkalkulation nicht Teil der vom Gericht zum Zwecke der Akteneinsicht übersandten Akten gewesen sei und davon ausgegangen werde, dass diese seitens der Beklagten nicht vorgelegt worden sei. Weder in diesem Schreiben noch (ausweislich der Sitzungsniederschrift) in der mündlichen Verhandlung vom 1. August 2019 hat er die Vorlage der Kalkulation eingefordert. In der mündlichen Verhandlung hat der Klägerbevollmächtigte zudem seine Einwendungen gegen die Gebührenkalkulation der Gebührensatzung vom 9. April 1991 substantiiert (Sitzungsprotokoll S. 2 f., Bl. 69 f. der Gerichtsakte); er hat offensichtlich in diesem Zusammenhang auch nicht geltend gemacht, sich zu einer umfassenden Mängelrüge außer Stande zu sehen. Im angefochtenen Urteil wird auf die zu Protokoll genommenen Einwendungen eingegangen. Insgesamt ist nicht ersichtlich, dass der Kläger keine Gelegenheit gehabt haben sollte, sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausführlich zu den entsprechenden Kalkulationsgrundlagen, die ihm insbesondere aufgrund des Schreibens vom 19. September 2013 vorlagen, zu äußern.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 Satz 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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