Verwaltungsrecht

Erledigung eines Vollstreckungsverfahrens, Vollstreckungsantrag nach § 170 Abs. 1 VwGO gegen Bundesbehörde, 6-Wochenfrist nach BVerfG, B.v. 5.3.1991, 1 BvR 440/83

Aktenzeichen  AN 17 V 21.50182

Datum:
24.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31531
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 170
VwGO § 161 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Das Verfahren wird eingestellt.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 14. März 2019, mit dem die Asylanträge des Antragstellers und der Antragstellerin nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt worden sind und ihnen die Abschiebung nach Griechenland angedroht worden ist, erhoben diese Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach (AN 17 K 19.50335) und wendeten sich dagegen mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (AN 17 S 19.50334). Mit Beschluss des Einzelrichters vom 1. Februar 2021 wurde die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung angeordnet. Ein nachfolgender Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO (AN 17 S 21.50022) durch die Antragsgegnerin blieb erfolglos (Beschluss vom 5.2.2021). Das Klageverfahren wurde von den Parteien für erledigt erklärt (durch die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 17.3.2021, durch den Antragstellerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 28.3.2021), weil der Bescheid nach § 37 Abs. 1 AsylG unwirksam geworden ist. Der Einzelrichter stellte das Verfahren mit Beschluss vom 1. April 2021, beiden Parteien zugestellt am 12. April 2021, ein.
Mit Schreiben vom 14. April 2021 stellte der Antragstellerbevollmächtigte einen Kostenfestsetzungsantrag für das Klageverfahren. Nach Anhörung der Antragsgegnerin setzte die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgericht Ansbach die Kosten für das Klageverfahren mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 20. Mai 2021 antragsgemäß fest. Mit weiterem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Mai 2021 wurden die bereits vorher beantragten Kosten für die Eilverfahren festgesetzt. Die Bescheide wurden dem Bundesamt am 21. Mai 2021 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2021 beantragten der Antragsteller und die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten die Vollstreckung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 20. Mai 2021 und legten dar, dass die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30. Mai und 17. Juni 2021 zur Zahlung der Kosten aus beiden Kostenfestsetzungsbeschlüssen aufgefordert worden sei, eine Zahlung bis dato aber nicht erfolgt sei.
Eine Reaktion des Bundesamtes auf eine nichtförmliche gerichtliche Anfrage vom 13. Juli 2021 mit Fristsetzung bis zum 20. Juli 2021 erfolgte nicht. Der Einzelrichter forderte die Antragsgegnerin deshalb mit Schreiben vom 28. Juli 2021 förmlich auf, die Vollstreckung bis 17. August 2021 abzuwenden. Daraufhin teilte die Antragsgegnerin am 30. Juli 2021 mit, dass die Beträge am 21. Juli 2021 ausgezahlt worden seien. Der Antragstellerbevollmächtigte bestätigte am 6. August 2021 den Zahlungseingang am 21. Juli 2021 und erklärte die Erledigung in der Hauptsache. Die Antragsgegnerin erklärte die Hauptsacheerledigung – nach zweifacher gerichtlicher Nachfrage – mit am 20. September 2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz und stellte sich auf den Standpunkt, dass dem Vollstreckungsverfahren das Rechtschutzbedürfnis gefehlt habe und der Antrag verfrüht gestellt worden sei. Die Zahlungen seien am 1. Juli 2021 angewiesen worden und am 21. Juli 2021 einschließlich Zinsen überwiesen worden. Aufgrund der Belastungen des Bundesamtes sei eine umgehende Begleichung nicht leistbar. Der Kostengläubiger habe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Erfüllungsfrist von sechs Wochen ab Zustellung eines vollstreckbaren Titels einzuhalten.
II.
Nachdem beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und über die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Es entspricht regelmäßig billigem Ermessen, dem Beteiligten die Kosten aufzuerlegen, der nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erledigung im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre.
Das erledigende Ereignis stellt hier die Zahlung der geschuldeten Forderung am 21. Juli 2021 dar. Zum diesem Zeitpunkt stand der Zahlungsanspruch der Antragstellerseite bestandskräftig fest, war die Forderung nach Zahlungsaufforderungen vom 30. Mai 2021 und 17. Juni 2021 fällig und war auch die vom Beklagten geltend gemachte Frist von sechs Wochen nach Zustellung des vollstreckbaren Titels nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, B.v. 5.3.1991 – 1 BvR 440/83 – NJW 1991, 2758) abgelaufen.
Die 6-Wochen-Frist war zwar im Zeitpunkt des Vollstreckungsantrags vom 2. Juli 2021 noch nicht abgelaufen, mit Ablauf der Frist am 16. Juli 2021 stand dem Erfolg des Vollstreckungsverfahrens jedoch nichts mehr entgegen. Die zunächst noch laufende Frist hat das Gericht auch dadurch berücksichtigt, dass das förmliche Vollstreckungsverfahren nicht sofort eingeleitet wurde, sondern der Antragsgegnerin zunächst formlos eine Frist bis 20. Juli 2021 zur Begleichung der Zahlung gesetzt wurde. Erst am 26. Juli 2021 hat das Gericht den Eintritt in das Vollstreckungsverfahren verfügt und der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 28. Juli 2021 förmlich eine Frist zur Vollstreckungsabwendung nach § 170 Abs. 2 VwGO gesetzt. Da die Antragsgegnerin die Anweisung der Zahlung und die erfolgte Überweisung erst nach Ablauf der Schonfrist und nach Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist am 30. Juli 2021 mitgeteilt hat, ist der Antragsgegnerin die Verantwortung für die Verfahrenseinleitung zuzuschreiben und der Vollstreckungsantrag im maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung zulässig und nicht verfrüht gewesen. Es entspricht damit der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es nicht, nachdem das Verfahren als asylrechtliche Streitigkeit gerichtskostenfrei ist; selbst wenn man das Verfahren nicht als asylrechtlich Streitigkeit einstufen wollte, würde sich eine Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG erübrigen, weil für ein Vollstreckungsverfahren eine Festgebühr nach § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 5301 Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum GKG) zu erheben ist (so auch VG Berlin, B.v. 19.6.2019 – 8 M 110.19 – juris). Die Gegenstandswertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren werden nach § 33 Abs. 1 RVG nur auf Antrag festgesetzt. Der Gegenstandswert bestimmt sich dabei nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 3309 Vergütungsverzeichnis (Anlage 1 zum RVG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG, § 158 Abs. 2 VwGO, § 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog.


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