Verwaltungsrecht

Ermittlung der Zweitwohnungsteuer durch Schätzung

Aktenzeichen  4 ZB 20.246

Datum:
4.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6115
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
AO § 162 Abs. 1 S. 1
BayKAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b aa
BGB § 558 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Für selbstgenutztes Wohneigentum stellt mangels Mietvereinbarung die Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete eine geradezu zwingende Methode zur Ermittlung der angemessenen Zweitwohnungsteuer dar. Sofern kein Mietspiegel existiert, der als Schätzungsgrundlage in Betracht käme, können – ohne Bindung an § 558 Abs. 2 BGB – auch sonstige Informationen über das Mietzinsniveau im Gemeindegebiet herangezogen werden, um den auf dem örtlichen Mietmarkt erzielbaren Mietzins zu bestimmen (Fortführung von BayVGH BeckRS 2016, 47750). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Abgabenpflichtige hat keinen Anspruch auf ein bestimmtes, aus seiner Sicht optimales Verfahren zur Feststellung des Mietwerts der Wohnung, sondern nur darauf, dass diese Bemessungsgrundlage für die Zweitwohnungsteuer in sachgerechter Weise ermittelt wird. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3 Dass mit der Verweisung (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b aa BayKAG) auf die bundesrechtliche Regelung des § 162 Abs. 1 S. 1 AO zugleich das Satzungsermessen des kommunalen Normgebers beschränkt werden sollte, ist nicht ersichtlich.  (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 10 K 18.5034 2019-12-12 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 17.380,80 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen mehrere Zweitwohnungsteuerbescheide der Beklagten.
Die Beklagte erhebt Zweitwohnungsteuer nach ihrer Zweitwohnungsteuersatzung (ZwStS) vom 29. Mai 2018, die rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist. Nach § 4 Abs. 1 ZwStS wird die Steuer nach dem jährlichen Mietaufwand (Jahresnettokaltmiete) berechnet. Für Wohnungen, die dem Steuerpflichtigen gehören oder ihm unentgeltlich oder zu einem Entgelt unterhalb der ortsüblichen Miete überlassen sind, ist die Nettokaltmiete gemäß § 4 Abs. 3 ZwStS in der ortsüblichen Höhe anzusetzen. Sie wird von der Beklagten in Anlehnung an die Nettokaltmiete geschätzt, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird.
Der Kläger ist Miteigentümer einer Doppelhaushälfte im Stadtgebiet der Beklagten, die er nach eigenen Angaben maximal zwei Monate im Jahr als Nebenwohnsitz nutzt und im Übrigen leer stehen lässt. Laut seiner Zweitwohnungsteuererklärung vom 17. März 2011 hat die 1985 errichtete und seitdem nicht modernisierte Doppelhaushälfte eine Wohnfläche von 170 m²; sie verfügt über Balkon, Wannenbad, Terrasse und Garten.
Mit Bescheiden vom 27. Juni 2011, 16. April 2012, 26. April 2013, 28. April 2014, 6. Mai 2015, 18. Juli 2016 und 16. Juni 2017 wurde der Kläger für die Jahre 2011 bis 2017 auf der Grundlage der früheren Zweitwohnungsteuersatzung zu einer jährlichen Zweitwohnungsteuer in Höhe von 1.800 Euro herangezogen. Der Berechnung wurde ausgehend von einem geschätzten Mietpreis von 7,10 Euro/m² eine Jahresnettokaltmiete von 14.484 Euro zugrunde gelegt. Aufgrund des in der Zweitwohnungsteuersatzung vom 29. Mai 2018 festgelegten neuen Steuersatzes (12% der Jahresnettokaltmiete statt des zuvor geltenden Stufentarifs) wurde mit Bescheid vom 18. Juli 2018 die Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2018 und die Folgejahre bei ansonsten gleichen Parametern auf 1.738,08 Euro festgesetzt. Zudem wurde mit Änderungsbescheid vom 19. Juli 2018 den Widersprüchen für die Jahre 2011 bis 2017 insoweit abgeholfen, als die Zweitwohnungsteuer von jeweils 1.800 Euro auf 1.738,08 Euro herabgesetzt wurde.
Gegen diese Bescheide erhob der Kläger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Anfechtungsklage zum Verwaltungsgericht.
Mit Urteil vom 12. Dezember 2019 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Der Steuermaßstab des § 4 Abs. 3 ZwStS verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es liege im Ermessen der Gemeinde, auf welche Weise sie bei selbstgenutzten Eigentumswohnungen den jährlichen Mietaufwand ermittle. Der Wirksamkeit des Steuermaßstabs in § 4 Abs. 3 ZwStS stehe nicht der Einwand entgegen, dass nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO die Schätzung ultima ratio sein solle. Die Beklagte habe ihre Zweitwohnungsteuersatzung auch zutreffend angewandt. Durch die Festlegung des Quadratmeterpreises in Höhe von 7,10 Euro als Berechnungsgrundlage habe sie ihren Schätzungsspielraum nicht überschritten. Sie habe anhand der Mietpreise, die sich aus Inseraten vor allem aus den Jahren 2011 und 2012 und vereinzelt aus dem Jahr 2018 für 20 m² bis 195 m² große Wohnungen ergeben hätten (durchschnittlicher Mietpreis 8,21 Euro/m²), sowie aus dem durchschnittlichen Mietpreis für städtische Wohnungen und Genossenschaftswohnungen mit Baujahr bis 1991 (durchschnittlicher Mietpreis 5,97 Euro/m²) für die Zweitwohnung des Klägers einen durchschnittlichen Mietpreis von 7,10 Euro/m² ermittelt. Zwar habe sie nicht für jedes Veranlagungsjahr eine gesonderte Schätzung vorgenommen und bei den Inseraten neben dem Jahr 2011 auch auf die Jahre 2012 und 2018 zurückgegriffen, obwohl die Festsetzung des Quadratmeterpreises von 7,10 Euro erstmalig bereits im Jahr 2011 erfolgt sei. Dies sei aber dem Umstand geschuldet, dass wegen der Rückwirkung der Zweitwohnungsteuersatzung vom 29. Mai 2018 auf einen Datenpool der Jahre 2011, 2012 und 2018 zurückgegriffen worden sei. Weit überwiegend seien Quadratmeterpreise der Jahre 2011 und 2012 herangezogen worden, die niedriger sein dürften als die des Jahres 2018. Die festgesetzte Zweitwohnungsteuer sei zwischen 2011 und 2018 nicht angestiegen; daher sei davon auszugehen, dass sich dies jedenfalls über die Jahre betrachtet nicht belastend für den Kläger ausgewirkt habe. Ein Mietpreisanstieg im Zeitraum 2011 bis 2018 ergebe sich unmittelbar aus der Inseratliste der Beklagten, wenn man die Mietpreise für ähnlich große Wohnungen der Jahre 2011 und 2018 vergleiche. Zwar habe die Beklagte bei den Inseraten nicht im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der herangezogenen Wohnungen mit der Zweitwohnung des Klägers nach Art, Lage und Ausstattung differenziert. Allerdings wirke sich dies im Ergebnis nicht negativ für den Kläger aus. Betrachte man aus der Inseratliste nur die von der Größe her vergleichbaren Wohnungen ab 120 m², ergebe sich ein durchschnittlicher Mietpreis von 8,44 Euro/m², wobei die im Jahr 1985 errichtete Doppelhaushälfte des Klägers zwar nicht modernisiert, aber mit Garten, Balkon, Terrasse und Doppelgarage ausgestattet sei, was sich deutlich wertsteigernd auswirken dürfte. Zudem habe die Beklagte den durchschnittlichen Mietpreis für die mit der klägerischen Zweitwohnung nicht vergleichbaren städtischen und Genossenschaftswohnungen in die Steuerberechnung mit einbezogen, was sich erheblich mietpreissenkend ausgewirkt habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
Die Landesanwaltschaft Bayern tritt dem Zulassungsantrag entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht vorliegt (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.).
a) Der Kläger macht geltend, der in § 4 ZwStS festgelegte Steuermaßstab verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). In § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 ZwStS werde auf das tatsächlich gezahlte Entgelt abgestellt und damit dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei der Zweitwohnungsteuer um eine Aufwandsteuer handle. Dem widerspreche § 4 Abs. 3 ZwStS, wonach lediglich eine Schätzung vorzunehmen sei. Da eine Schätzung einen geringeren Sicherheitsgrad habe und sich im Ergebnis regelmäßig von einem tatsächlich zu zahlenden Entgelt wegbewege, enthalte der Steuermaßstab des § 4 Abs. 3 ZwStS eine Ungleichbehandlung, für die kein sachlicher Grund ersichtlich sei. Es bedürfe daher einer realitätsgerechten Bewertung, wodurch zugleich sichergestellt werde, dass ein Eingriff in die Vermögenssubstanz der Zweitwohnung vermieden werde. Die Bewertung könne nicht auf dem Wege einer nach § 162 AO ohnehin nur im Ausnahmefall zulässigen Schätzung erfolgen, sondern bedürfe eines Sachverständigengutachtens. Jedenfalls habe die Beklagte die jährliche Nettokaltmiete fehlerhaft festgestellt, da dies weder auf der Grundlage eines Mietspiegels noch auf der Grundlage eines methodisch nachvollziehbaren Sachverständigengutachtens erfolgt sei. Feststellungen zur Art, zur Lage und zur Ausstattung der klägerischen Zweitwohnung habe die Beklagte nicht getroffen; sie habe damit nicht auf die konkreten Verhältnisse abgestellt. Diese letztlich willkürliche Verfahrensweise stelle keine taugliche Grundlage für die Ermittlung der jährlichen Nettokaltmiete dar. Aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesgerichtshofs ergebe sich, dass bei der Ermittlung der jährlichen Nettokaltmiete auf einen erfahrenen und mit der konkreten örtlichen Marktsituation vertrauten Sachverständigen zurückgegriffen und von diesem im jeweiligen Einzelfall konkret beurteilt werden müsse, welche jährliche Nettokaltmiete er für angemessen halte.
b) Diese Darlegungen sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu begründen.
aa) Die den angegriffenen Bescheiden zugrundeliegende Zweitwohnungsteuersatzung ist wirksam; sie verstößt mit dem in § 4 ZwStS festgelegten Steuermaßstab nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Der anhand der Jahresnettokaltmiete festgestellte Mietaufwand ist eine von der Rechtsprechung anerkannte Bemessungsgrundlage für die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer (BVerwG, U.v. 29.3.2003 – 9 C 3.02 – BVerwGE 117, 345/347; U.v. 26.10.1989 – 8 B 36.89 – NVwZ 1990, 568/569). Er spiegelt die in der Einkommensverwendung typischerweise zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit der Wohnungsinhaber wider (BVerfG, B.v. 18.7.2019 – 1 BvR 807/12 u.a., ZKF 2020, 16 Rn. 56). Da für selbstgenutzte Eigentumswohnungen keine Miete zu zahlen ist, liegt der für das Innehaben einer solchen Wohnung anfallende Aufwand im Verzicht auf die dadurch erzielbaren Mieteinnahmen. Auf welche Weise der entsprechende fiktive Mietwert ermittelt wird, ist gesetzlich nicht vorgegeben, sondern liegt im Ermessen der Gemeinde (BayVGH, U.v. 4.4.2006 – 4 N 04.2798 – BayVBl 2006, 500).
Mangels einer für das konkrete Objekt bestehenden Mietvereinbarung stellt in solchen Fällen die Schätzung der Nettokaltmiete in ortsüblicher Höhe eine geradezu zwingende Ermittlungsmethode dar (BayVGH, a.a.O.). Sofern kein Mietspiegel existiert, der als Schätzungsgrundlage in Betracht käme, können – ohne Bindung an die mietrechtliche Vorschrift des § 558 Abs. 2 BGB – auch sonstige Informationen über das Mietzinsniveau im Gemeindegebiet herangezogen werden, um den auf dem örtlichen Mietmarkt erzielbaren Mietzins zu bestimmen (vgl. BayVGH, U.v. 2.5.2016 – 4 BV 15.2778 – juris Rn. 50 m.w.N.). Aus Gründen der rechtsstaatlichen Bestimmtheit und der abgabenrechtlichen Gleichbehandlung muss der Satzungsgeber allerdings die Parameter festlegen, an denen sich die Schätzung zu orientieren hat (BayVGH, a.a.O.). Diesen Vorgaben entspricht die von der Beklagten in § 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS getroffene Regelung, wonach die Schätzung der fiktiven Miethöhe in Anlehnung an die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlte Nettokaltmiete geschätzt wird.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die steuererhebende Gemeinde nicht verpflichtet, anstelle einer eigenen Schätzung anhand der vorgegebenen Parameter die Bestimmung der ortsüblichen Nettokaltmiete im Wege eines Sachverständigengutachtens vorzuschreiben bzw. vornehmen zu lassen. Es ist bereits fraglich, ob – namentlich in kleineren Gemeinden – ein externer (Miet-)Sachverständiger über eine umfassendere Datengrundlage und somit über bessere Erkenntnismöglichkeiten verfügt als die fortlaufend mit dem Vollzug der Zweitwohnungsteuersatzung und daher auch mit der Beobachtung des örtlichen Wohnungsmarkts befasste Gemeindeverwaltung. Davon abgesehen hat der Abgabenpflichtige keinen Anspruch auf ein bestimmtes, aus seiner Sicht optimales Verfahren zur Feststellung des Mietwerts der Wohnung, sondern nur darauf, dass diese Bemessungsgrundlage für die Zweitwohnungsteuer in sachgerechter Weise ermittelt wird. Die der Beklagten in § 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS eingeräumte Schätzungsbefugnis ist hiernach nicht zu beanstanden. Sie stellt eine zulässige Vollzugserleichterung dar und entbindet die Beklagte davon, den Mietaufwand in der ortsüblichen Höhe für die jeweilige Wohnung durch ein Sachverständigengutachten exakt ermitteln zu müssen (ebenso BVerwG, U.v. 14.12.2017 – 9 C 11.16 – BVerwGE 161, 119 Rn. 27). Der sachliche Grund für die verfahrensrechtliche Ungleichbehandlung gegenüber den von den Steuerpflichtigen gemieteten Zweitwohnungen liegt darin, dass es bei eigengenutzten Zweitwohnungen an einer Vereinbarung über die Miethöhe fehlt, aus der sich der finanzielle Aufwand für das Innehaben der Wohnung unmittelbar ergibt.
Die Notwendigkeit der Einschaltung eines Sachverständigen folgt auch nicht aus der vom Kläger zitierten Vorschrift des § 162 Abs. 1 Satz 1 AO, die über Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. aa KAG für die Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer entsprechende Anwendung findet. Danach hat die Behörde die Besteuerungsgrundlagen (nur) dann zu schätzen, wenn sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Die darin liegende gesetzliche Beweismaßreduzierung betrifft das Verfahren der Steuerfestsetzung im Einzelfall (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand 10/2020, § 162 AO Rn. 14) und richtet sich schon ihrem Wortlaut nach allein an die Vollzugsbehörde. Dass mit der Verweisung auf die bundesrechtliche Regelung des § 162 Abs. 1 Satz 1 AO zugleich das Satzungsermessen des kommunalen Normgebers beschränkt werden sollte, ist nicht ersichtlich. Es kann daher offenbleiben, ob sich die fiktive Jahresnettokaltmiete für eine nicht vermietete Wohnung durch ein Sachverständigengutachten tatsächlich im Sinne eines Vollbeweises „ermitteln“ oder auch wieder nur (auf andere Weise) schätzen lässt. Eine generelle Pflicht zur Einschaltung eines externen Gutachters dürfte hier im Übrigen schon deswegen nicht bestehen, weil damit regelmäßig ein unzumutbar hoher Ermittlungsaufwand verbunden wäre. Der Vorrang der vollständigen Sachverhaltsaufklärung gegenüber einer Schätzung entfällt, wenn die Kosten der in Betracht kommenden Ermittlungsmaßnahmen in keinem angemessenen Verhältnis zu der betreffenden Steuerforderung stehen (vgl. BFH, U.v. 7.12.1994 – 1 R 85/93 u.a. – juris Rn. 20; Rüsken in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 162 Rn. 20). Dies wäre wohl der Fall, wenn für jede eigengenutzte Zweitwohnung die dafür anzusetzende ortsübliche Nettokaltmiete gesondert für jedes Kalenderjahr (vgl. § 6 Abs. 1 ZwStS) durch das Gutachten eines Sachverständigen festgestellt werden müsste.
bb) Das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren lässt auch nicht erkennen, dass die Beklagte ihre Zweitwohnungsteuersatzung im Hinblick auf die streitgegenständlichen Besteuerungszeiträume fehlerhaft angewandt hätte.
Eine zwingende Verpflichtung, die ortsübliche Vergleichsmiete für die im Miteigentum des Klägers stehende Doppelhaushälfte durch einen externen Sachverständigen ermitteln zu lassen, bestand aus den vorgenannten Gründen nicht. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang ergänzend auf die vom Bundesfinanzhof (U.v. 10.10.2018 – IX R 30/17 – BFHE 263, 6) übernommene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bestimmung der ortsüblichen Gewerbepacht (U.v. 28.4.1999 – XII ZR 150/97 – BGHZ 141, 257) verweist, aus der sich die Forderung nach Zuziehung eines Sachverständigen ergebe, geht sein Vorbringen schon deshalb ins Leere, weil es in den genannten Verfahren allein um die Ungeeignetheit einer ertragswertorientierten Pachtwertermittlung (sog. EOP-Methode) zur Feststellung der ortsüblichen Pacht ging, nicht dagegen um die Frage, unter welchen Voraussetzungen in solchen Fällen sachverständige Hilfe in Anspruch genommen werden muss.
Unzutreffend ist auch die Annahme des Klägers, bei der Schätzung des Mietwerts seiner Zweitwohnung seien entgegen der Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS keine Feststellungen zur Art, Lage und Ausstattung getroffen und damit die konkreten Verhältnisse außer Betracht gelassen worden. Der Schätzung lagen ersichtlich die Angaben in der Zweitwohnungsteuererklärung vom 17. März 2011 und die bei den Akten befindlichen Lichtbilder zum äußeren Erscheinungsbild des klägerischen Anwesens zugrunde. Die geschätzte Nettokaltmiete beruhte, wie sich insbesondere aus der Begründung des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2018 ergibt, auf der sachlich nachvollziehbaren und vom Kläger nicht bestrittenen Annahme, dass es sich um ein Wohnobjekt gehobener Qualität handelt. Hiernach war ein fiktiver Mietwert im oberen Bereich der für das Gemeindegebiet ermittelten Mietpreisspanne anzusetzen. Der von der Beklagten angenommene Quadratmeterpreis von 7,10 Euro lag demgemäß, wie im Urteil des Verwaltungsgerichts näher dargelegt wird, in jedem Fall auf der sicheren Seite und konnte keinesfalls als überhöht oder gar als willkürlich angesehen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit der Einräumung einer Schätzungsermächtigung notwendigerweise ein gewisser Schätzungsspielraum und damit ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum der Behörde verbunden ist (vgl. BayVGH, U.v. 2.5.2016 – 4 BV 15.2778 – juris Rn. 49 m.w.N.). Dass die Schätzung der für das klägerische Anwesen erzielbaren Nettokaltmiete in fehlerhafter Weise erfolgt wäre, etwa weil sie auf falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht, wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen oder unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hätte, ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch im Zulassungsverfahren nicht substantiiert vorgetragen worden.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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