Verwaltungsrecht

Ernstliche Zweifel an Abschiebung nach Afghanistan wegen gesundheitlicher Gefahren nach Herzinfarkt

Aktenzeichen  M 16 S 17.47946

Datum:
28.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2802
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
Asyl § 3, § 4, § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 34, § 71a
VwVfG § 51 Abs. 1 – Abs. 3
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
VO (EU) Nr. 604/2013 Art. 21 Abs. 1
MRK Art. 3

 

Leitsatz

Es ist davon auszugehen, dass sich ein Asylverfahren in Norwegen seit dem 1. Januar 2010 sowohl auf das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft als auch auf die Voraussetzungen des subsidiären Schutzes bezieht. (Rn. 22)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (M 16 K 17.47945) gegen den Bescheid des Bundesamts für … vom 5. September 2017 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Androhung seiner Abschiebung nach Afghanistan.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger und am 5. Juni 1986 geboren. Er reiste am 29. Juni 2014 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 16. Juli 2016 bei dem Bundesamt für … (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
Im Rahmen seines persönlichen Gesprächs zu Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates erklärte der Antragsteller, er habe 2008 bereits einen Asylantrag in Norwegen gestellt, der abgelehnt worden sei. Weitere Asylanträge habe er in der Schweiz (2010) und in Dänemark (2012) gestellt. Ende 2012 sei er aus Norwegen ausgereist und in sein Heimatland zurückgekehrt, das er im Februar 2013 zum zweiten Mal verlassen habe. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 24. November 2016 führte der Antragsteller ergänzend aus, er habe vor der Einreise in Deutschland zuletzt ein Jahr lang in Griechenland gelebt und dort auch einen Asylantrag gestellt. Zu den Gründen für das Verlassen seines Heimatlandes im Jahr 2013 führte der Antragsteller aus, nach der Ablehnung seines Asylantrags in Norwegen im Jahre 2011 sei er zum Zeichen des Protestes zu Fuß durch das Land gelaufen, habe in Kirchen geschlafen und Bilder davon bei Facebook gepostet. Bei seiner Rückkehr nach Afghanistan hätten ihn die Leute und auch seine Tante als Christen und Ungläubigen bezeichnet; er habe sich gesellschaftlich nicht akzeptiert gefühlt. Zudem verwies er auf eine Bedrohung durch sunnitische Extremisten, die ihn zu der ersten Ausreise aus Afghanistan gezwungen habe und andauere, sowie die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan. Darüber habe er im Juni 2016 einen Herzinfarkt erlitten und benötige nun lebenslang eine Medikation mit ASS; ein entsprechender Arztbrief des Klinikums Traunstein vom 30. Mai 2016 wurde vorgelegt.
Auf ein Informationsersuchen des Bundesamtes nach Art. 34 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 teilte das norwegische Utlendingsdirektoratet (Norwegian Directorate of Immigration) am 21. April 2017 mit, der Antragsteller habe am 23. Dezember 2008 Schutz beantragt. Am 1. November 2011 sei der Antrag (abschließend) abgelehnt und der Antragsteller am 29. Dezember 2012 nach Afghanistan abgeschoben worden.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 5. September 2017, am 14. September 2017 als Einschreiben zur Post gegeben, wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 2). Der Antragsteller wurde unter Androhung der Abschiebung nach Afghanistan aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen (Ziffer 3). Schließlich wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es handele sich bei dem erneuten Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland um einen Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylG, da der Antragsteller bereits in einem sicheren Drittstaat gemäß § 26a AsylG ein Asylverfahren erfolglos betrieben habe. Der Vortrag, nach der Rückkehr aus Norwegen als Ungläubiger bezeichnet worden zu sein, begründe keinen Wiederaufgreifensgrund; damit sei keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung und auch nicht die Gefahr eines ernsthaften Schadens dargelegt. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Aus dem vorgelegten Arztbrief sei nicht ersichtlich, dass es sich hier um eine lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankung handle; ggf. könne der Antragsteller von der Ausländerbehörde Medikamente für die Heimat erhalten bzw. Hilfe von den sich im Ausland befindlichen Verwandten erbitten.
Hiergegen hat der Antragsteller am 21. September 2017 durch seinen Bevollmächtigten Klage erhoben (M 16 K 17.47945), mit der er beantragt, den Bescheid vom 5. September 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Mit Schriftsatz vom selben Tag beantragt er:
Die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides des Bundesamts für … vom 5. September 2017 wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Hauptsacheverfahren außer Vollzug gesetzt.
Zur Begründung verwies der Bevollmächtigte unter Vertiefung des Vorbringens aus der Anhörung auf die Sicherheitssowie die schwierige Versorgungslage in Afghanistan. Zudem bezog er sich auf den vorbenannten Herzinfarkt; in Afghanistan könne der Antragsteller die Behandlung nicht fortsetzen.
Die Antragsgegnerin legte die Behördenakten vor; eine Äußerung erfolgte weder zum Klage- noch zum Eilverfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowohl in diesem als auch im Klageverfahren und die vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der sinngemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage (M 16 K 17.47945) gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamts vom 5. September 2017 anzuordnen, ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der Antrag ist zulässig. Er ist nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, da der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 ASylG). Auch die Wochenfrist zur Stellung des Antrags gemäß § 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG wurde eingehalten.
Der Antrag ist auch begründet. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 4 AsylG liegen vor.
Gemäß § 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung im Falle eines Zweitantrags, in dem ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt wird, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung des Bundesamts einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris). „Angegriffen“ ist dabei ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Abschiebungsandrohung; Gegenstand dieses Verfahrens ist allein die Frage, ob die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§§ 71a Abs. 1 und 4, 36 Abs. 1 AsylG) erlassene Abschiebungsandrohung rechtmäßig ist.
Dies setzt voraus, dass die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Asylantrags als unzulässig (hier: §§ 29 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2, 71a Abs. 1 AsylG) vorliegen, dass der Abschiebung des Asylbewerbers in den in der Abschiebungsandrohung benannten Staat keine Abschiebungsverbote entgegenstehen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise zulässig ist (§§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG), dass der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG) und dass die Abschiebungsandrohung auch sonst nicht zu beanstanden ist (vgl. VG Minden, B.v. 31. Juli 2017 – 10 L 109/17.A – juris Rn. 15). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AsylG.
Gemessen daran bestehen hier zwar keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig, aber an der Verneinung der Voraussetzungen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG.
Nach § 71a Abs. 1 AsylG ist dann, wenn ein Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen. Andernfalls ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG.
Davon ausgehend bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin zu Unrecht von einem Zweitantrag i.S.d. § 71a Abs. 1 AsylG ausgegangen ist.
Norwegen ist in der Anlage I (zu § 26a AsylG) genannt und damit sicherer Drittstaat (§ 26a Abs. 2 AsylG), für den die Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten (vgl. Übereinkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Kriterien und Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in Island oder Norwegen gestellten Asylantrags vom 19.1.2001, Abl. L 93/40; vgl. auch European Union Agency for Fundamental Rights/Council of Europe, Handbook on European law relating to asylum, borders and immigration, 2014, S. 264). Nachdem die Bundesrepublik Deutschland hier kein Übernahmegesuch gestellt hat, ist sie nach Art. 21 Abs. 1 der Verordnung EU 604/2013 (Dublin-III-Verordnung) für das gegenständliche Verfahren zuständig geworden.
Weiterhin ist von einem erfolglosen Abschluss des Asylverfahrens in Norwegen auszugehen. Ein solcher setzt zum einen voraus, dass der vorausgegangene negative Ausgang des Asylverfahrens durch rechtskräftige Sachentscheidung festgestellt wird und feststeht; bloße Mutmaßungen genügen nicht. Dies bedeutet, dass das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangen muss, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung endgültig – also ohne Möglichkeit der Wiedereröffnung des Erstverfahrens – abgeschlossen wurde (vgl. VG Minden, B.v. 31. Juli 2017 – 10 L 109/17.A – juris Rn. 33; VG München, B.v. 26.9.2017 – M 21 S 17.47365 – juris Rn. 15). Zum anderen dürfte erforderlich sein, dass sich das in dem sicheren Drittstaat betriebene Asylverfahren sowohl auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wie auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes bezogen hat (vgl. nur VG Minden, a.a.O., juris Rn. 35). Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ist hier auszugehen. Mit Blick auf die Mitteilung der norwegischen Behörden auf das entsprechende Informationsersuchen des Bundesamts hin steht der rechtskräftige Abschluss des dortigen Asylverfahrens zur Überzeugung des Gerichts fest (vgl. VG München, a.a.O., juris Rn. 16). Weiterhin geht das Gericht davon aus, dass das Prüfprogramm des in Norwegen gestellten Asylantrags die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft wie auch des subsidiären Schutzes umfasste. Nach § 28 Abs. 1 des zum 1. Januar 2010 in Kraft getretenen norwegischen Ausländergesetzes vom 15. Mai 2008 (Lov om utlendingers adgang til riket og deres ophold her – utlendingsloven) soll, soweit für das Gericht ersichtlich, ein Ausländer (…) als Flüchtling anerkannt werden, der (a) eine begründete Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer speziellen sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung hat (…), oder (b) ohne unter Buchstabe a) zu fallen, gleichwohl reelle Gefahr läuft, bei Rückkehr in sein Heimatland der Todesstrafe, Folter oder anderer unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt zu werden (Text mit englischer Übersetzung abrufbar unter lovdata.no). Aus der Erläuterung des Gesetzesvorschlags des Ministeriums für Arbeit und Inklusion – Ot.prp.nr. 75 (2006 – 2007) – geht hervor, dass der Schutz vor Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung dabei auch den Schutz vor einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts i.S.d. Art. 15 Buchst. c) der sog. Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU (vormals RL 2004/83/EG) umfassen soll (vgl. S. 94 f.; abrufbar unter https://www.stortinget.no/no/Saker-og-publikasjoner/Saker/Sak/?p=37763). Damit umfasste das Prüfprogramm der Entscheidung der norwegischen Behörden vom 1. November 2011 sowohl die Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 AsylG als auch den subsidiären Schutz i S.d. § 4 AsylG und deckt sich mit dem Prüfprogramm nach § 13 AsylG.
Schließlich liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vor, insbesondere keine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten des Betroffenen (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG). § 51 Abs. 1 VwVfG fordert einen schlüssigen Sachvortrag, der nicht von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtung ungeeignet sein darf, zur Asylberechtigung (Art. 16a GG) oder zur Zuerkennung des internationalen Schutzes (§§ 3 ff., 4 AsylG) zu verhelfen. Es genügt schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe (dazu BVerfG, B.v. 3.3.2000 – 2 BvR 39/98 – juris Rdnr. 32 m.w.N.). Außerdem ist der Antrag gemäß § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen, und er den Antrag binnen drei Monaten nach Kenntnis des Grundes für das Wiederaufgreifen gestellt hat. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Vortrag des Antragstellers, in Afghanistan sei er bei seiner Rückkehr wegen seines Aufenthalts in Norwegen und insbesondere seiner Protestaktion, während der er in Kirchen geschlafen habe, als Ungläubiger betrachtet worden und habe sich gesellschaftlich nicht akzeptiert gefühlt, ist von vornherein ungeeignet, eine Verfolgung i.S.d. § 3b AsylG oder einen ernsthaften Schaden i.S.d. § 4 AsylG zu begründen.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung ergeben sich jedoch insoweit, als das Bundesamt die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5/§ 60 Abs. 7 AufenthG verneint hat.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht zwar davon aus, dass die Lage in Afghanistan für alleinstehende junge Männer nicht derart ist, dass eine Abschiebung dorthin ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre. Auch in Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen weiterhin nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, B.v. 3.11.2017 – 13a ZB 17.30625 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 4.8.2017 – 13a ZB 17.30791 – juris Rn. 6). Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung mit Blick auf individuelle Umstände des Antragstellers sind hier nicht ersichtlich; insbesondere geht aus dem vorgelegten Arztbrief keine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit hervor.
Ernstliche Zweifel ergeben sich aber, soweit das Bundesamt auch mit Blick auf gesundheitliche Gefahren aus der notwendigen lebenslangen Therapie mit ASS nach einem Herzinfarkt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verneint hat. Es ist zwar davon auszugehen, dass ASS 100 in Afghanistan im Allgemeinen erhältlich ist (vgl. Auskunft der Botschaft der BRD Kabul an das BAMF v. 26.6.2011; Auskunft des DK – German Medical Diagnostic Center Ltd. an die Deutsche Botschaft Kabul v. 4.12.2010). Mit Blick auf die in den vorliegenden Auskünften beschriebenen Probleme der Versorgung mit Medikamenten im Einzelfall sowie die beschriebene Abhängigkeit von eigenen finanziellen Mitteln stellt sich hier aber die Frage, inwieweit dem Antragsteller die benötigte Medikation in Afghanistan individuell zugänglich ist. Mit Blick auf die Ernsthaftigkeit der Erkrankung und die Folgen einer Abschiebung ohne gesicherte Medikation muss die Klärung dieser Frage dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Demnach war die aufschiebende Wirkung der Klage in Bezug auf die Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b Abs. 1 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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