Verwaltungsrecht

Ernstliche Zweifel, Verfahrensfehler, Darlegung, Schriftsatzfrist

Aktenzeichen  20 ZB 21.2167

Datum:
15.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 5027
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124a Abs. 5
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 10 K 19.6425 2021-07-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 58.449,37 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (vgl. § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36). Sie sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. BVerfG, B.v. 16.1.2017 – 2 BvR 2615/14 – IÖD 2017, 52 = juris Rn. 19; B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77/83). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 = juris Rn. 17 m.w.N.; 8 ZB 16.1806 – juris Rn. 9 m.w.N.). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 19.3.2013 – 20 ZB 12.1881 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 15.12.2017 – 8 ZB 16.1806 – DVBl 2018, 127 = juris Rn. 9 m.w.N.).
Nach diesem Maßstab bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Soweit die Klägerin die Richtigkeit des Urteils mit der Begründung in Zweifel zieht, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht tatsächlich von einer Verrechnungsabrede aus, so verkennt sie, dass es sich bei der Begründung des Verwaltungsgerichts um die rechtliche Würdigung der tatsächlichen Umstände handelt. Zudem ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der Erklärung des ersten Bürgermeisters der Beklagten um einen Verwaltungsakt handeln könnte, der an einem besonders schwerwiegenden offenkundigen Fehler leide und deshalb nichtig sei. Hierzu verhält sich die Zulassungsbegründung nicht.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Die Klägerin meint, dass das Verwaltungsgericht ihr verfahrensfehlerhaft in der mündlichen Verhandlung keine Schriftsatzfrist eingeräumt und dadurch das rechtliche Gehör verletzt habe. Damit hat die Klägerin einen Verfahrensfehler bereits nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO). Um einen Verstoß gegen § 173 VwGO i.V.m. § 283 Satz 1 ZPO darzulegen, hätte die Klägerin ausführen müssen, zu welchem Vorbringen der Beklagten sie sich in der mündlichen Verhandlung nicht hat erklären können, weil vorhergehende Erkundigungen notwendig waren (vgl. § 282 Abs. 2 ZPO) oder weil eine Erklärung in der mündlichen Verhandlung auch für eine auf diesen Termin vorbereitete Partei aus einem anderen Grund nicht zumutbar war (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, Rn. 6 zu § 283). Die diesbezüglich erforderlichen Darlegungen der Klägerin fehlen aber, weil sie lediglich geltend macht, von dem gerichtlichen Hinweis, es sei eine Vereinbarung getroffen worden, überrascht gewesen zu sein. Erst recht fehlen hinreichende Darlegungen zur Kausalität eines derartigen Verstoßes. Die Klägerin hätte insofern vortragen müssen, was sie innerhalb der erbetenen Schriftsatzfrist zu dem „neuen“ Thema noch hätte vortragen wollen und inwieweit dies für die Entscheidung erheblich gewesen wäre (BVerwG vom 22.4.2003 Az. 8 B 144.02; BayVGH vom 16.10.2012 Az. 22 ZB 12.1676 – juris). Daran fehlt es hier.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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