Aktenzeichen W 3 S 21.377
VwGO § 88
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
VwGO analog § 80 Abs. 5
KAG Art. 5a
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.734,07 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Eigentümer des bebauten und gewerblich genutzten Grundstücks Fl.Nr. … der Gemarkung Th.. Das Grundstück ist an der G.straße gelegen. Die Parteien streiten um einen Bescheid über die Festsetzung eines Erschließungsbeitrags für die Maßnahme G.straße.
Von der annähernd in nord-südliche Richtung verlaufenden Re.Straße zweigt die G.straße nach Westen ab und verläuft etwa 90 m in annähernd westliche Richtung (südlicher Teil). Anschließend verläuft die G.straße auf eine Länge von etwa 120 m in annähernd nördlicher Richtung (westlicher Teil), um dann auf etwa 100 m Länge annähernd Richtung Osten zu verlaufen (nördlicher Teil), wo sie wieder in die R.Straße einmündet. Die beiden in west-östliche Richtung verlaufenden Teilstrecken der G.straße (südlicher Teil und nördlicher Teil) sind durch die in nord-südliche Richtung parallel zur R.Straße führende Straße Am B.verbunden (Abstand zwischen R.Straße und Straße Am B.: ca. 60 m).
Das 3.991 m² große Grundstück Fl.Nr. … des Antragstellers ist am südlichen Teil der G.straße in dem Bereich, in welchem der südliche Teil der G.straße in den westlichen Teil übergeht, gelegen.
1. Mit Bescheid vom 7. Februar 1991 erhob der Antragsgegner von der Rechtsvorgängerin des Antragstellers für das Grundstück Fl.Nr. … eine Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der G.straße in Höhe von 31.414,20 DM und reduzierte diesen Betrag auf der Grundlage eines Widerspruchs unter Zugrundelegung von nurmehr 3.038 m² Grundstücksfläche auf 23.414,21 DM.
Mit Beschluss vom 6. April 1991 lehnte das Verwaltungsgericht Würzburg im Verfahren W 4 S 91.876 einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich des Bescheides vom 7. Februar 1991 ab.
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Verfahren 6 CS 91.2569 mit Beschluss vom 22. Oktober 1991 zurück und begründete dies damit, die sachliche Beitragspflicht sei bislang nicht entstanden, dies u.a. deswegen, weil die G.straße abweichend von den Festsetzungen des Bebauungsplans errichtet worden sei. Deshalb dürfe eine Vorausleistung erhoben werden.
2. Mit Beschluss vom 18. Juli 1997 beschloss der Marktgemeinderat eine Änderung des Bebauungsplans; die entsprechenden Bauarbeiten an der G.straße wurden ab dem Jahr 1998 durchgeführt.
Mit Bescheid vom 26. November 2019 setzte die Verwaltungsgemeinschaft Zellingen für den Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller einen Erschließungsbeitrag für die Maßnahme „G.straße“ hinsichtlich des Grundstücks Fl.Nr. … in Höhe von 30.936,30 EUR fest und rechnete hierauf eine bereits entrichtete Vorausleistung in Höhe von 11.971,50 EUR an, so dass sich ein Zahlungsbefehl in Höhe von 18.964,80 EUR ergab. Dem Bescheid wurde eine Grundstücksfläche von 3.991 m², ein Nutzungsfaktor von 1,3 und eine Erhöhung des Nutzungsfaktors als Gewerbezuschlag um 35% sowie ein Beitragssatz von 4,40427 EUR/m² zugrunde gelegt.
Hiergegen ließ der Antragsteller am 23. Dezember 2019 Widerspruch erheben und beantragen, gemäß § 80 Abs. 4 Satz 2 VwGO die Vollziehung des Bescheides auszusetzen. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner auf der Grundlage des Beschlusses des Gemeinderats vom 15. Januar 2020 mit Schreiben vom 16. Januar 2020 ab.
Der Antragsgegner forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 4. August 2020 zur Zahlung des noch offenen Betrages auf. Mit Schreiben vom 9. Februar 2021 mahnte der Antragsgegner beim Antragsteller die Zahlung an.
Am 19. März 2021 ließ der Antragsteller im vorliegenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO b e a n t r a g e n:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 13. Dezember 2019 gegen den Bescheid über die Festsetzung eines Erschließungsbeitrags für die Maßnahmen G.straße vom 26. November 2019 wird angeordnet.
Auf Antragsbegründung wird Bezug genommen.
Der Antragsgegner ließ b e a n t r a g e n,
den Antrag abzulehnen.
Auf die Begründung wird Bezug genommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2021 wies das Landratsamt Main-Spessart den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. November 2019 zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit Postzustellungsurkunde vom 31. März 2021 zugestellt.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers b e a n t r a g t e daraufhin beim Verwaltungsgericht Würzburg mit Schreiben vom 6. April 2021 unter Vorlage des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2021,
festzustellen, dass der Widerspruch vom 13. Dezember 2019 gegen den Bescheid der Verwaltungsgemeinschaft Zellingen vom 26. November 2019 für den Markt Thüngen hinsichtlich der Erhebung des Erschließungsbeitrags in Höhe von 18.964,80 EUR für die Erschließungsanlage G.straße für das Anwesen Fl.Nr. … …, … T., aufschiebende Wirkung hat.
Mit Schreiben vom 20. Mai 2021 hörte das Gericht den Bevollmächtigten des Klägers zu der Rechtsproblematik an, ob der vorliegende Antrag durch den Eintritt der Bestandskraft des angefochtenen Bescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides unzulässig geworden sein könnte.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers nahm daraufhin mit Schreiben vom 14. Juni 2021 dahingehend Stellung, der Erschließungsbeitragsbescheid vom 26. November 2019 sei rechtswidrig, der Widerspruchsbescheid vom 25. März 2021 habe ihm keine Bestandskraft verleihen können. Der streitgegenständliche Erschließungsbeitragsbescheid erfasse den Herstellungsaufwand für zwei Bauabschnitte zur Herstellung der G.straße. Allerdings stehe aufgrund einer entsprechenden Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 1991 fest, dass es sich um zwei selbständige Erschließungsanlagen handele. Eine gemeinsame Ermittlung des Erschließungsaufwands von mehreren Erschließungsanlagen sei lediglich dann zulässig, wenn sie eine Einheit bildeten. Ein entsprechender Beschluss des Gemeinderats liege jedoch nicht vor.
Der streitgegenständliche Bescheid bzw. dessen Rechtswidrigkeit unterscheide sich von der Gewichtigkeit her wesentlich von dem Erschließungsbeitragsbescheid, über den der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Verfahren 6 BV 08.1087 am 15. Juli 2010 entschieden habe. Die Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Beschlusses führe dazu, dass die Forderung des Antragsgegners hinsichtlich eines Erschließungsbeitrags für die Baumaßnahmen im Jahr 1980 zur Herstellung der G.straße verjährt und damit der Bescheid insgesamt rechtswidrig sei.
Im Rahmen der nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG i.V.m. § 130 Abs. 1 AO vorzunehmenden Abwägung sei neben der offenkundigen und nicht nur unwesentlichen Rechtswidrigkeit des Erschließungsbeitragsbescheides festzustellen gewesen, „dass die Rechtswidrigkeit eine Aufrechterhaltung der mit dem Widerspruchsbescheid (…) verliehenen Bestandskraft des Erschließungsbeitrags schlechthin unmöglich ist“. Dies deswegen, weil eine Berufung auf die Bestandskraft des Bescheids einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellen oder gegen den Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben verstoßen würde.
Der Widerspruchsbehörde sei mit Schreiben vom 18. März 2021 die Einlegung des Rechtsbehelfs gemäß § 80 Abs. 5 VwGO angezeigt worden. Aus welchen Gründen die Widerspruchsbehörde mit dem Widerspruchsbescheid vom 25. März 2021 plötzlich eine solche Eile entfaltet habe, um über den Widerspruch vom 13. Dezember 2019 zu entscheiden, sei nicht erklärbar. Mit dieser Entscheidung noch während der Rechtshängigkeit des Rechtsbehelfs des Antragstellers beim zuständigen Gericht sei nicht nur dessen Zuständigkeit missachtet worden, sondern der Antragsteller sei einer gerichtlichen Überprüfung in dem Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beraubt worden.
Zudem verstoße die Berufung auf die Bestandskraft des Erschließungsbeitragsbescheides gegen die guten Sitten und gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Der Antragsgegner habe nach Aufforderung des Gerichts eine Zusicherung abgegeben, dass vor der Entscheidung des Gerichts über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO keine Vollzugsmaßnahmen getroffen werden würden. Daran sei auch die Widerspruchsbehörde gebunden. Mit dem Widerspruchsbescheid habe sie den Vollzug des angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheids jedoch in Gang gesetzt. Dieses widersprüchliche Verhalten sei rechtsmissbräuchlich und verstoße gegen Grundsatz von Treu und Glauben. Daher habe der angefochtene Bescheid mit dem Widerspruchsbescheid die Bestandskraft nicht erlangen können.
Im Übrigen wird auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten des Antragsgegners und der Widerspruchsbehörde sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte im Verfahren W 4 S 91.876, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
II.
Im Rahmen des mit dem vorliegenden Verfahren begehrten vorläufigen Rechtsschutzes ist Verfahrensgegenstand der Bescheid des Antragsgegners vom 26. November 2019 über die Festsetzung eines Erschließungsbeitrags für die Maßnahme „G.straße“ in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Main-Spessart vom 25. März 2021.
Mit dem vorliegenden Verfahren begehrt der Antragsteller die Feststellung, dass der Widerspruch vom 13. Dezember 2019 gegen den Bescheid der Verwaltungsgemeinschaft Zellingen vom 26. November 2018 (gemeint wohl: 26. November 2019) für den Antragsgegner hinsichtlich der Erhebung des Erschließungsbeitrags in Höhe von 18.946,80 EUR für die Erschließungsanlage G.straße für das Anwesen Fl.Nr. …9 der Gemarkung Thüngen aufschiebende Wirkung hat.
An diesem Antrag ist der Antragsteller festzuhalten.
Entsprechend § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 1) muss ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO u.a. den Gegenstand des Antragsbegehrens bezeichnen. Allerdings muss das Gericht auf der Grundlage von § 88 VwGO, der gemäß § 122 Abs. 1 VwGO auch im vorliegenden Fall anwendbar ist, das wirkliche Rechtsschutzziel von Amts wegen ermitteln. Das Antragsbegehren ergibt sich dabei aus dem gesamten Vortrag des Antragstellers, insbesondere aus dem gestellten Antrag, der Antragsbegründung und aus den beigefügten Bescheiden. Allerdings ist das Gericht hierbei an die gestellten Anträge nicht gebunden. Vielmehr sind die Anträge gemäß § 133, § 157 BGB auszulegen, dies unter Berücksichtigung der Interessenlage. Hintergrund dieser Regelung ist, dass dem – oftmals nicht juristisch geschulten – Antragsteller keine Nachteile aus der Tatsache entstehen sollen, dass es oftmals Mühe bereitet, den sachdienlichen Antrag richtig zu formulieren. Daraus ergibt sich zugleich, dass der anwaltlich Vertretene sich eher an seinen Anträgen festhalten lassen muss. Allerdings ist das Gericht auch dann nicht strikt an den Antragswortlaut gebunden, wenn sonstige Umstände erkennen lassen, dass das wirkliche Antragsziel von der Antragsformulierung abweicht (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 88 Rn. 8 und Rn. 9 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller zunächst beantragen lassen, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 13. Dezember 2019 gegen den Bescheid vom 26. November 2019 anzuordnen. Nachdem die Widerspruchsbehörde den Widerspruchsbescheid vom 25. März 2021 erlassen hatte, hat der Antragsteller unter Hinweis hierauf den Antrag umgestellt und nunmehr beantragt festzustellen, dass der Widerspruch vom 13. Dezember 2019 gegen den Bescheid vom 26. November 2019 aufschiebende Wirkung hat. Auf ein entsprechendes Aufklärungsschreiben des Gerichts hin hat der Antragsteller diesen Antrag begründen lassen.
Aufgrund der Tatsache, dass der Antragsteller anwaltlich vertreten ist, ist er nach den oben genannten Grundsätzen an diesem Antrag festzuhalten. Demgegenüber ist nicht erkennbar, dass das wirkliche Antragsziel von der Formulierung des Antrags abweichen könnte. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Antragsteller den zunächst auf der Basis von § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alternative VwGO gestellten Antrag nach Erlass des Widerspruchsbescheides unter entsprechendem Hinweis hierauf abgeändert und den oben gestellten Feststellungsantrag gestellt und hieran mit Schreiben vom 14. Juni 2021 festgehalten hat.
Dieser Feststellungsantrag ist nicht statthaft. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Ein Verwaltungsakt wird regelmäßig mit seiner Bekanntgabe an den Adressaten wirksam, im vorliegenden Fall eines Abgabebescheides nach dem Kommunalabgabengesetz gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl. S. 264), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. Juni 2020 (GVBl. S. 286) i.V.m. § 124 Abs. 1 AO. Damit ist er auch vollziehbar (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 10). In der Regel haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Verwaltungsakt gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung, so dass er in diesem Fall (zumindest) nicht vollzogen werden kann. Allerdings entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage u.a. gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten. Zu den öffentlichen Abgaben zählen auch die Erschließungsbeiträge nach Art. 1, Art. 5a KAG. Allerdings kann das Gericht in einem solchen Fall gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alternative i.V.m. Abs. 4 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen.
Einen solchen Antrag hat der Antragsteller mit dem am 19. März 2021 bei Gericht eingegangenen Antragsschriftsatz vom 12. März 2021 stellen lassen, dies auf der Grundlage des von ihm am 23. Dezember 2019 erhobenen Widerspruchs. Wird über den Widerspruch abschlägig entschieden, ist es Sache des Antragstellers, innerhalb der einmonatigen Rechtsbehelfsfrist Klage zum Verwaltungsgericht zu erheben, die sodann als Grundlage für den Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO den Widerspruch ersetzt, bevor dieser in Bestandskraft erwächst.
Demgegenüber ist die Konstellation, auf die sich der mit Schriftsatz vom 6. April 2021 gestellte Antrag bezieht, eine andere. Entfaltet ein Rechtsbehelf gegen einen Verwaltungsakt aufschiebende Wirkung – entweder kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO oder aufgrund einer entsprechenden Anordnung des Gerichts gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO – und missachtet die den Bescheid erlassende Behörde dies, etwa weil sie aus dem Verwaltungsakt vollstrecken möchte, liegt ein sogenannter Fall der faktischen Vollziehung vor. Ein Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch bzw. Anfechtungsklage hiergegen ist nicht zulässig, weil der Suspensiveffekt bereits eingetreten ist. Deshalb kann dem Anliegen des Bescheidsadressaten, Vollzugsmaßnahmen zu verhindern, allein dadurch Rechnung getragen werden, dass das Verwaltungsgericht in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO feststellt, dass dem Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung zukommt. Ein solcher Antrag kommt zudem in Betracht, wenn zwischen den Parteien streitig ist, ob ein Rechtsbehelf, z.B. ein Widerspruch, aufschiebende Wirkung entfaltet oder nicht und sich der Adressat des Bescheides an das Verwaltungsgericht wendet, um diese Frage klären zu lassen (BayVGH, B.v. 18.11.2019 – 4 CS 19.1839 – juris Rn. 4; HessVGH, B.v. 31.7.2019 – 7 B 1368/19 – juris Rn. 8 bis Rn. 9; VGH BW, B.v. 13.12.2016 – 6 S 346/16 – juris LS 1 und Rn. 2; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 120 m.w.N.).
Zwar hat der Antragsteller einen solchen Feststellungsantrag analog § 80 Abs. 5 VwGO stellen lassen; allerdings liegt kein entsprechender Sachverhalt vor, wonach der Antragsgegner entgegen einer kraft Gesetzes oder kraft gerichtlicher Anordnung bestehenden aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs konkrete Vollzugsmaßnahmen eingeleitet hätte oder wonach die Parteien darum stritten, ob ein Rechtsbehelf, nämlich der Widerspruch vom 13. Dezember 2019, kraft Gesetzes tatsächlich aufschiebende Wirkung zu entfalten geeignet wäre. Dies hat der Antragsteller nämlich nicht behauptet; vielmehr hat er – sachgerecht – unter der richtigen Annahme, dass gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung entfällt, mit seinem Antragsschriftsatz vom 19. März 2021 bei Gericht beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Demgegenüber ist der angegriffene Bescheid vom 26. November 2019 – nunmehr in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Main-Spessart vom 25. März 2021 – aufgrund der Zustellung des Widerspruchsbescheids am 31. März 2021 gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit Ablauf des 30. April 2021 bestandskräftig geworden. Hiergegen kann der Antragsteller nicht mit dem von ihm zuletzt gestellten Feststellungsantrag analog § 80 Abs. 5 VwGO mit dem Argument, die Bestandskraft sei nicht eingetreten, vorgehen, denn dies wäre eine unzulässige Durchbrechung der Bestandskraft. Vielmehr ist allein – wie oben dargestellt – die Fortführung des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, dem er nun anstelle des durch den Widerspruchsbescheid abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens ein rechtzeitig innerhalb der Klagefrist erhobenes Klageverfahren zugrunde legt, der richtige Weg.
Dem stehen die Argumente des Antragstellers im Schreiben seines Bevollmächtigten vom 16. Juni 2021 nicht entgegen.
Unter Ziffer 1 dieses Schreibens wird allein auf die materiell-rechtliche Fehlerhaftigkeit des Erschließungsbeitragsbescheides vom 26. November 2018 abgestellt. Diese zu überprüfen ist ausschließlich im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Bescheid und eines hierauf bezogenen Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässig.
In Ziffer 2 des Schreibens vom 14. Juni 2021 wird auf die „Gewichtigkeit“ der Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheides abgestellt. Wie „gewichtig“ die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes ist, spielt für den Eintritt seiner Bestandskraft durch Zeitablauf keine Rolle. Allenfalls die Frage, ob ein Verwaltungsakt nichtig im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG i.V.m. § 125 AO sein könnte mit der Folge seiner Unwirksamkeit (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG i.V.m. § 124 Abs. 3 AO), könnte hier eine Rolle spielen. Allerdings hat der Antragsteller nicht darlegen lassen, weshalb der angegriffene Verwaltungsakt an einen besonders schweren und zudem offenkundigen Fehler (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG i.V.m. § 125 Abs. 1 AO) leiden könnte. Auch für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG i.V.m. § 125 Abs. 2 AO bestehen keinerlei Anhaltspunkte; solche sind auch nicht vorgetragen worden.
In Ziffer 3 des Schreibens vom 14. Juni 2021 lässt der Antragsteller auf die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG i.V.m. § 130 Abs. 1 AO abstellen. Bei dieser Vorschrift geht es allerdings um die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts. Hierum wird jedoch im vorliegenden Verfahren nicht gestritten. Zudem ist kein Antrag auf Rücknahme des Bescheids vom 26. November 2019 beim Antragsgegner gestellt worden.
In Ziffer 4 des Schreibens vom 14. Juni 2021 beruft sich der Antragsteller darauf, die Widerspruchsbehörde habe ihn mit der Entscheidung über den Widerspruch vor der Entscheidung des Gerichts über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO einer gerichtlichen Überprüfung „beraubt“. Dieses Argument trägt nicht. Der Antragsteller hätte lediglich Klage gegen den Bescheid vom 26. November 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2021 erheben müssen, um eine inhaltliche Überprüfung im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu erreichen.
In Ziffer 5 des Schreibens vom 14. Juni 2021 beruft sich der Antragsteller auf den Grundsatz von Treu und Glauben mit dem Argument, mit der Entscheidung über den Widerspruch sei die Zusage des Antragsgegners, vor der Entscheidung des Gerichts im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO keine Vollzugsmaßnahmen vorzunehmen, obsolet geworden; dies sei treuwidrig und rechtsmissbräuchlich, denn auch die Widerspruchsbehörde sei an die Zusage des Antragsgegners gebunden. Dieses Argument kann dem Antragsteller schon vom Ansatz her nicht weiterhelfen, denn die Entscheidung der Widerspruchsbehörde über einen Widerspruch erfolgt nicht im Rahmen der Vollstreckung eines Verwaltungsaktes, sondern sie bewegt sich im Rahmen des Beitragsfestsetzungsverfahrens. Eine Vollstreckung nach den Vorschriften der Art. 18 ff. des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. November 1970 (BayRS II S. 232), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Mai 2018 (GVBl. S. 260), ist allein Sache des Antragsgegners, die dieser auf der Grundlage von Art. 26 Abs. 5 Satz 1 VwZVG eigenständig ohne eine wie auch immer geartete Mitwirkung oder Unterstützung der Widerspruchsbehörde vornimmt. Demgegenüber findet die Behauptung des Antragstellers, die Widerspruchsbehörde habe mit dem Erlass des Widerspruchsbescheides den Vollzug des angefochtenen Bescheids in Gang gesetzt, im Gesetz keine Stütze.
Aus alledem ergibt sich, dass der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 13. Dezember 2019 gegen den Bescheid vom 26. November 2019 nicht statthaft und damit unzulässig ist.
Selbst wenn man auf der Grundlage von § 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO entgegen dem eindeutigen Antrag vom 6. April 2021 annähme, Streitgegenstand sei noch der ursprünglich gestellte Antrag vom 19. März 2019 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 13. Dezember 2019 gegen den Bescheid vom 26. November 2019, wäre ein solcher Antrag mit Eintritt der Bestandskraft des Widerspruchsbescheides unzulässig geworden. Denn die Zulässigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO setzt voraus, dass jedenfalls bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung ein Rechtsbehelf, also Widerspruch bzw. Anfechtungsklage eingelegt ist, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet werden kann. Nimmt jemand gerichtlichen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO in Anspruch, so ist ihm auch zuzumuten, den Hauptsache-Rechtsbehelf einzulegen; dies gilt auch für die Erhebung einer Anfechtungsklage nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens während eines laufenden Antragsverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO beim Verwaltungsgericht. Fehlt es an einem solchen Rechtsbehelf, so ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ohne Sachprüfung abzulehnen. Wird über den Widerspruch entschieden und ist noch keine Klage anhängig, kann lediglich noch bis zum Eintritt der Bestandskraft des Widerspruchsbescheides dem Widerspruch aufschiebende Wirkung zukommen. Dies ergibt sich aus § 80b Abs. 1 VwGO (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 81 m.w.N.).
Da also das Landratsamt Main-Spessart am 25. März 2021 einen mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehenen Widerspruchsbescheid erlassen und diesen mit Postzustellungsurkunde am 31. März 2021 dem durch eine ordnungsgemäße Vollmacht vom 19. Oktober 2019 ausgestatteten Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt hat, begann die einmonatige (§ 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO) Klagefrist am 1. April 2021 und sie endete mit Ablauf des 30. April 2021 (§ 57 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 1. Alternative, Abs. 3 BGB).
Mit dem Eintritt der Bestandskraft des Widerspruchsbescheides ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO unzulässig geworden.
Aus diesen Gründen ist der vorliegende Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf der Höhe des mit Bescheid vom 26. November 2019 festgesetzten Beitrags, wobei er im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts beträgt (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. der am 31.5./1.6.2012 und am 18.7.2013 beschlossenen Änderungen).