Verwaltungsrecht

Erstattung der Kosten der Schulwegbeförderung

Aktenzeichen  AN 2 K 17.02377

Datum:
29.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 2783
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchBefV § 2 Abs. 2
VwGO § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, Nr. 4, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7, § 154 Abs. 1
GKG § 52 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Vorschriften über die Schülerbeförderung enthalten keine näheren Vorgaben oder Auslegungsregeln zur Ermittlung der Länge des Schulwegs. Brauchbare Hinweise auf den – wohl auch heute noch geltenden – Willen des Gesetzgebers, können früher geltenden Vorschriften entnommen werden, die sich zu dieser Frage detaillierter geäußert haben. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 2 Abs. 2 Satz 2 SchBefV ist als Ausnahmeregelung eng auszulegen. Es muss ein besonderer Ausnahmefall vorliegen, der sich aus vielen anderen Schulwegbegebenheiten deutlich abhebt und dementsprechende Einzelfallmerkmale aufweist. Insoweit ist eine objektive Betrachtungsweise anzustellen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage, mit der die Kläger die Übernahme der Beförderungskosten für ihre Tochter zum Besuch der Grundschule in … erreichen möchten, ist zwar zulässig, sie erweist sich jedoch in der Sache als unbegründet. Die Kläger besitzen keinen derartigen Anspruch, weshalb sich der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 18. Oktober 2017 als rechtmäßig erweist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt.
Eine Beförderung – und damit die Erstattung der Fahrtkosten – ist notwendig, wenn der Weg zum Ort, an dem regelmäßig Unterricht stattfindet, für Schüler der Jahrgangsstufen 1. bis 4. länger als 2 km ist und den Schülern die Zurücklegung des Schulwegs auf andere Weise nach den örtlichen Gegebenheiten und nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht zumutbar ist (§ 2 Abs. 2 Ziffer 1 SchBefV).
Die Vorschriften über die Schülerbeförderung enthalten keine näheren Vorgaben oder Auslegungsregeln zur Ermittlung der Länge des Schulwegs. Brauchbare Hinweise auf den – wohl auch heute noch geltenden – Willen des Gesetzgebers, können jedoch früher geltenden Vorschriften entnommen werden, die sich zu dieser Frage – im Gegensatz zu den nunmehr geltenden Vorschriften – detaillierter geäußert haben. So ist in § 2 Abs. 1a der Verordnung über die notwendige Beförderung der Schüler auf dem Schulweg (6. AVVoSchG v. 16.4.1969, GVBl. S. 121 in der Fassung des § 1 Nr. 1 der 3. Änderungsverordnung v. 2.7.1980, GVBl. S. 504) der „Schulweg“ wie folgt definiert: „Schulweg im Sinne dieser Verordnung ist die zumutbare kürzeste Wegstrecke zwischen der Wohnung des Schülers und der Schulanlage“.
§ 4 Abs. 1 der Verordnung zur Ausführung des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulweges war aufgrund § 1 Nr. 2b der 3. Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Ausführung des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulweges vom 12. April 1976 (GVBl. S. 180) Satz 2 folgende Fassung gegeben: „Auf eine genaue Messung in der Natur besteht kein Anspruch; eine Überschreitung der Kilometergrenze, die anhand einer Karte im Maßstab 1:5.000 nicht zweifelsfrei feststellbar ist, bleibt außer Betracht“.
Diesen Vorschriften ist gemeinsam, dass das Recht der Kostenfreiheit des Schulweges von Anfang an nicht mit einem Anspruch auf exakte Messung in der Natur verbunden war, sondern im Interesse eines kostensparenden Verwaltungseinsatzes bei der jeweiligen Zwei- bzw. Drei-Kilometergrenze nur ein annähernder Wert zugrunde gelegt werden sollte. Dies ist umso eher verständlich, wenn man die Zahl der Beförderungsfälle zu den Kosten der einzelnen Beförderung in Relation setzt, und es bedarf keiner weiteren Darlegung, dass es ein berechtigtes Anliegen des Normgebers sein muss, die Vielzahl der möglichen Beförderungsfälle durch einen möglichst geringen Verwaltungsaufwand zu ermitteln, um auch in diesem Bereich dem Grundsatz der sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln weitestgehend gerecht zu werden.
Ausweislich des zu den Schriftsätzen des Beklagten vom 23. Mai 2019 und 14. August 2019 vorgelegten Kartenmaterials geht das Gericht davon aus, dass der Beklagte die Schulweglänge korrekt ermittelt hat. Laut der vom Beklagten mit Schriftsatz vom 23. Mai 2019 vorgelegten Landkarte mit einem Maßstab von 1:5.000 aus dem Programm „Bayernatlas“, welches vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus für die Messung der Schulweglängen vorgeschlagen wurde, beträgt die Strecke vom Wohnhaus der Schülerin bis zur Bushaltestelle an der H1. Straße 1.850 m zzgl. weiterer 8,80 m laut des mit Schriftsatz vom 14. August 2019 vorgelegten Lageplanauszugs. Zusammen mit dem weiteren, unstreitigen, Schulwegabschnitt von der Schulbushaltestelle in … zur dortigen Grundschule resultiert mithin eine Schulweglänge von insgesamt 1.966,80 m. Gegen die Richtigkeit dieses Messergebnisses hat die Klägerseite zuletzt auch keine substantiierten Einwendungen mehr vorgebracht. Die mit dem klägerseitigen Schriftsatz vom 21. Januar 2019 vorgelegten Kartenauszüge bedienen sich eines größeren Maßstabs und lassen nicht ohne Weiteres die Gesamtstrecke in … erkennen.
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aufgrund der vom Gericht durchgeführten eigenen Messung unter Verwendung des Programms „Bayernatlas“ mit dem größtmöglichen Maßstab und einer Aufteilung auf elf Streckenabschnitte allerdings ohne Berücksichtigung der vom Beklagten erst nachträglich mitgeteilten Grundstücksgrenze des Anwesens der Kläger. Die Vorgehensweise des Gerichts, mit Messergebnissen knapp über 2 km, erfolgte vor dem Hintergrund, dass in der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2018 eine vergleichsweise Einigung der Beteiligten, bzw. eine Abhilfe durch den Beklagten nicht völlig ausgeschlossen erschien, weil den Angaben der Klägerseite zufolge der Schulbesuch der Tochter der Kläger in … mehr oder weniger auf freiwilliger Basis erfolgt sei. In rechtlicher Hinsicht kann das vom Gericht praktizierte Messverfahren, welches im Hinblick auf die nicht korrekt zugrunde gelegte Grundstücksgrenze des Anwesens der Kläger auch nicht den Anspruch auf absolute Korrektheit erheben kann, der Beklagtenseite jedoch nicht entscheidungserheblich entgegengehalten werden. Dies würde zu einem nicht zumutbaren und vertretbaren Verwaltungs- und Zeitaufwand führen. Die kreisfreien Gemeinden und die Landkreise, denen die notwendige Beförderung der Schüler als Aufgabenträger obliegt, haben in einer Vielzahl von Fällen die jeweilige Schulweglänge zu ermitteln. Gerade in Gebietskörperschaften mit einer hohen Schüleranzahl wäre der Aufwand enorm. Das Gericht hält daher an seiner bisherigen Rechtsprechung und soweit ersichtlich auch der der übrigen Bayerischen Verwaltungsgerichte fest, dass ein Kartenmaßstab von 1:5.000 für die Ermittlung der Schulwegentfernung als ausreichend zugrunde zu legen ist, auch wenn dadurch gewisse Messungenauigkeiten gegenüber einem größeren Maßstab impliziert sind. Die vorgenannten Grundsätze gelten entsprechend auch für die Einlassung der Kläger, es sei vorliegend eine exakte Messung in der Natur zu treffen. Eine Ausnahme davon kann sich allenfalls dann ergeben, wenn mit den aktuell zur Verfügung stehenden modernen Techniken der digitalen Vermessung die tatsächliche Entfernung nicht richtig abgebildet wird, etwa wenn der Schulweg enorme Steigungen und Höhenunterschiede aufweist, sodass durchaus die Möglichkeit im Raum steht, dass im Wege einer Messung vor Ort höhere Entfernungswerte als bei einer zweidimensionalen Messung auf der Grundlage digitaler Karten ermittelt würden. Dafür ist im vorliegenden Fall jedoch nichts ersichtlich und auch nichts entsprechendes vorgetragen worden.
Die von der Klägerseite beanspruchte Beförderungspflicht besteht darüber hinaus auch nicht mit Blick auf § 2 Abs. 2 Satz 2 SchBefV. Es liegt keine besondere Beschwerlichkeit oder Gefährlichkeit des Schulweges vor.
Diese Vorschrift ist als Ausnahmeregelung eng auszulegen. Es sind strenge Anforderungen an die Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe zu stellen, da eine „besondere“ Beschwerlichkeit oder Gefährlichkeit vorliegen muss, die Anerkennung im Ermessen des Aufgabenträgers steht und die Gewährung widerruflich ist. Es muss daher ein besonderer Ausnahmefall vorliegen, der sich aus vielen anderen Schulwegbegebenheiten deutlich abhebt und dementsprechende Einzelfallmerkmale aufweist. Insoweit ist eine objektive Betrachtungsweise anzustellen.
Dafür, dass der Schulweg besonders beschwerlich wäre (§ 2 Abs. 2 Satz 2, 1. Alt. SchBefV), ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Beförderungspflicht lässt sich darüber hinaus auch nicht mit der besonderen Gefährlichkeit des Schulwegs begründen (§ 2 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. SchBefV).
Dies ergibt sich bereits aus der fachkundigen Beurteilung der zuständigen Stellen, insbesondere aus der Einschätzung der Polizeiinspektion … vom 11. September 2017, wonach aus polizeilicher Sicht im Hinblick auf die Verkehrssicherheit keine Mängel auf dem Schulweg … – … zu erkennen seien. Für Fußgänger seien durchgehend Fuß-/Gehwege vorhanden. Gefährliche Querungen (hohes Verkehrsaufkommen, unübersichtliche Straßenverläufe) ergäben sich nicht. An der stärker befahrenen H1. Straße befinde sich eine Fußgängersignalanlage, die ein sicheres Queren ermögliche. Die anlässlich einer Verkehrsschau abgegebene polizeiliche Stellungnahme lässt im Übrigen auch keine sich aus der Kriminalstatistik abzuleitende Situation erkennen, die sich negativ auf die Belange eines sicheren Schulwegs auswirken würde. Soweit die Klagebegründung dem Schulweg demgegenüber ein massiv erhöhtes Gefährdungspotential für die Tochter der Kläger beimisst, da einzelne Streckenabschnitte relativ abgelegen und das Gelände teilweise nicht einsehbar sei, vermag dies nicht zu überzeugen.
In der Rechtsprechung ist ein Schulweg nicht nur wegen einer möglichen Gefährdung von Schülern durch den motorisierten Straßenverkehr, sondern auch wegen sonstiger denkbarer Schadensereignisse, die mit der Benutzung eines Schulweges verbunden sein können, wie z.B. krimineller Übergriffe von Sexualstraftätern oder sonstiger Gewalttäter, als besonders gefährlich angesehen worden. Eine die besondere Gefährlichkeit begründende gesteigerte Wahrscheinlichkeit, dass Schulkinder Opfer von Gewalttaten werden, ist grundsätzlich dann zu bejahen, wenn der betreffende Schüler (z.B. aufgrund seines Alters und/oder seines Geschlechts) zu einem risikobelasteten Personenkreis gehört und wenn er sich darüber hinaus auf seinem Schulweg in einer schutzlosen Situation befindet, insbesondere weil nach den örtlichen Verhältnissen eine rechtzeitige Hilfeleistung durch Dritte nicht gewährleistet ist (BayVGH, U.v. 30.1.2003, Az. 7 B 02.1135 – juris – m.w.N.). Danach ist ein besonders gefährlicher Schulweg etwa anzunehmen, der einen Brennpunkt der Drogenszene berührt oder auf nicht unerheblicher Länge durch ein einsames Waldstück führt. Mit derartigen extremen Verhältnissen ist die vorliegende Situation jedoch nicht zu vergleichen. Selbst nach den von der Klägerseite vorgelegten Lichtbildern ist das Gelände nur in wenigen kurzen Teilbereichen nicht einsehbar, etwa im Bereich der Bahnunterführung. Soweit der Schulweg außerhalb geschlossener Ortsteile verläuft, führt er überwiegend über einen Fuß- und Radweg entlang einer Gemeindeverbindungs straße. Die daraus resultierende Verkehrsfrequenz schließt es aus, dass Kinder auf ihrem Schulweg auf diesem Streckenabschnitt nennenswerte Zeit hilflos und völlig unbeobachtet wären. Der Beklagte hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum weitere Kinder aus … denselben Schulweg benutzen, ohne hierin eine besondere Gefährdung zu sehen, was von der Klägerseite nicht in qualifizierter Weise bestritten wurde.
Aus den vorgenannten Gründen war die Verpflichtungsklage somit abzuweisen.
Die Kostenentscheidung resultiert aus § 154 Abs. 1 VwGO.


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