Verwaltungsrecht

Erstattung von Schülerbeförderungskosten bei Bestehen einer Praktikumsstelle

Aktenzeichen  AN 2 K 15.00406

Datum:
18.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchKfrG SchKfrG Art. 3 Abs. 2
SchBefV SchBefV § 2 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Die Erziehungsberechtigten sind Inhaber des Anspruches auf Schülerbeförderungskosten und deshalb klagebefugt, da die Beförderungskosten rechtlich und tatsächlich von den Eltern aufzubringen sind. (redaktioneller Leitsatz)
2 Nach § 2 Abs. 1 S. 1 SchBefV besteht die Beförderungspflicht nur zur nächstgelegenen Schule. Das ist gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 SchBefV diejenige Schule der gewählten Schulart und Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist. Hierbei kommt es nicht auf persönliche Umstände an. Auch scheidet die Berücksichtigung einer Praktikumsstelle bei der Beurteilung der nächstgelegenen Schule aus. (redaktioneller Leitsatz)
3 Es besteht kein Anspruch auf Übernahme wenigstens der fiktiven Beförderungskosten bis zur nächstgelegenen Schule. Die Gewährung von Schülerbeförderungkosten im Ermessenswege (§ 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV) scheidet aus, wenn dies durch einen Grundsatzbeschluss des Kreisausschusses ausgeschlossen wurde.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Verpflichtungsklage der Klägerin auf Erstattung der Schulwegbeförderungskosten für ihre Tochter … für das Schuljahr 2013/2014 ist zulässig, jedoch unbegründet und deshalb abzuweisen.
Die Klägerin ist als Mutter der zu befördernden Schülerin klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Die Rechtsprechung erkennt neben dem Schüler bzw. der Schülerin selbst auch die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten weitgehend als Anspruchsinhaber des Erstattungsanspruches nach Art. 3 Abs. 2 Schulwegkostenfreiheitsgesetz (SchKfrG) an (vgl. VG Hannover, U. v. 31.10.2010, 6 A 5926/09, VG Bayreuth, U. v.14.3.2011, B 3 K 10.791, VG Gießen, U. v. 29.4.2015, 7 K 2496/14.Gl, OVG des Saarlandes, B. v. 21.8.1997, 8 Y 12/97 – jeweils juris), da es sich bei dem Anspruch von vorneherein um einen Kostenanspruch und nicht um ein höchstpersönliches Recht des Schülers oder der Schülerin handelt und die Beförderungskosten rechtlich und tatsächlich von den Eltern aufzubringen sind. Dieser Ansicht schließt sich das Gericht an, zumal die maßgebliche Vorschrift des Art. 3 Abs. 2 SchKfrG wiederholt vom Unterhaltsleistenden spricht, so dass davon auszugehen ist, dass diesem eine eigene Rechtsposition eingeräumt werden soll. Das Gericht geht zugunsten der Klägerin davon aus, dass diese – wie der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vom 22. Dezember 2015 angab – allein sorgeberechtigt für ihre (zwischenzeitlich volljährige) Tochter … war und die Beförderungskosten auch tatsächlich getragen hat, so dass die Frage dahinstehen kann, ob auch ein sorgeberechtigter Elternteil alleine klagebefugt wäre.
Die auch im Übrigen zulässige Klage ist jedoch unbegründet und abzuweisen, weil der Klägerin ein Erstattungsanspruch nach Art. 3 Abs. 2 SchKfrG i. V. m. § 2 Abs. 1 und Abs. 4 SchBefV in der Sache nicht zusteht, sondern sich der Bescheid des Beklagten vom 19. September 2014 als rechtmäßig erweist.
Ein Erstattungsanspruch besteht gemäß Art. 2 Abs. 1 SchKfrG für die notwendige Beförderung von Schülern und Schülerinnen u. a. von und zur öffentlichen Fachoberschule. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV besteht die Beförderungspflicht nur zur nächstgelegenen Schule. Das ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV diejenige Schule der gewählten Schulart und Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist. Im Fall der Tochter der Klägerin ist dies die Fachoberschule in …, die mit der Tarifzone 4 + T des Verkehrsverbundes … geringere Beförderungskosten verursacht als die Fachoberschule in …, zu der eine Fahrkarte der Tarifzone 5 + T notwendig war. Auf die sonstigen persönlichen Umstände der Beförderung der Tochter der Klägerin kommt es dabei nicht an. Der Beförderungsaufwand bezieht sich ausschließlich auf die entstehenden Kosten, nicht auf den zeitlichen, persönlichen oder technischen Aufwand der Beförderung, die Qualität der Verbindungen oder die Anzahl der erforderlichen Umstiege (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 12.2.2001, 7 B 99.3719 oder B. v. 2.3.2015, 7 ZB 14.2484 – beide juris). Ebenso wenig ist bei der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV Raum, die persönlichen Umstände der Tochter der Klägerin wie der regelmäßige Besuch der Großeltern, die Berufstätigkeit der Klägerin (und Mitfahrmöglichkeit ihrer Tochter bei ihr) oder die Tutorentätigkeit der Tochter der Klägerin zu berücksichtigen.
Im Falle der Klägerin ist der Begriff der „nächstgelegenen Schule“ auch nicht dahingehend auszulegen, dass insoweit auch die Praktikumsstelle in die Betrachtung mit einzubeziehen wäre. Durch die Berücksichtigung der Praktikumsstellen in …, für die der Beklagte die Übernahme der Beförderungskosten vom Grundsatz her anerkannt hat, würde sich rechnerisch das Ticket der Tarifstufe 5 + T für einen Teil des Schuljahres (Monate Oktober bis Dezember 2013, Januar bis März und Mai 2015) als die günstigste Variante der Beförderung zu den Ausbildungsstätten insgesamt darstellen. Diese Auslegung entspricht jedoch nicht dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut, der im Schulwegkostenfreiheitsgesetz und der Schülerbeförderungsverordnung durchgehend von „Schule“ und nicht etwa von „Ausbildungsstätte“ spricht. Die Regelungen zur Schülerbeförderung sind in vielfacher Hinsicht pauschaliert, um eine einfache und schnelle Handhabung in den Behörden zu gewährleisten. Ein schneller und einfacher Vollzug der Vorschriften wäre jedoch nicht mehr gesichert, wenn in jedem Einzelfall geprüft werden müsste, ob sich unter Berücksichtigung des Orts der Praktikumsstelle eine andere Beförderung als die günstigste erweisen würde. Wie das Verwaltungsgericht München in seinem Urteil vom 7. Dezember 2009 (M 3 K 08.1694 – juris) zu Recht ausführt, ist ein praktikabler Vollzug nur möglich, wenn bei der Entscheidung nur auf die relativ leicht festzustellende Frage der nächstgelegenen Schule abzustellen ist und nicht zusätzlich weitere Ermittlungen zur Lage und Entfernung der Praktikumsstelle und eventuell auch zur Notwendigkeit oder Angemessenheit gerade dieser Praktikumsstelle angestellt werden müssen. Letztlich hätte es der Schüler über diesen Wege auch in der Hand, durch entsprechende Auswahl seiner Praktikumsstelle die Behörde zur Fahrtkostenübernahme zur an sich nicht nächstgelegenen Schule zu zwingen und so in die Organisationshoheit der Behörde einzugreifen. Eine Berücksichtigung der Praktikumsstelle bei der Beurteilung der nächstgelegenen Schule scheidet deshalb aus.
Es besteht auch kein Anspruch darauf, wenigstens die Beförderungskosten erstattet zu bekommen, die im Falle des Besuchs der nächstgelegenen Schule angefallen wären. Derartige „fiktive Kosten“ sind nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (U. v. 20.4.1990, BayVB. 1991,16) und der gefestigten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. U. v. 10.1.1996, NVwZ-RR 1997,491, B. v. 12.2.2001, 7 B 99.3719 – juris, B. v. 30.1.2007, 7 ZB 06.781 – juris) nicht zu bezahlen. Vorwiegend geschuldet ist seitens der Behörde die Schülerbeförderung selbst, nicht in erster Linie der finanzielle Ausgleich für die anfallenden Kosten. Der Behörde steht für die Schülerbeförderung die Organisationshoheit zu, die bei Berücksichtigung aller Aspekte dazu führen kann, dass die Beförderung z. B. durch Schulbusse erfolgt. Zur Wahrung dieses Organisationsermessens ist die verpflichtende Übernahme fiktiver Beförderungskosten abzulehnen.
Die Erstattung der Fahrtkosten ergibt sich für die Klägerin auch nicht aus der Vorschrift des § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV. Danach können im Ermessenswege die tatsächlichen Beförderungskosten im Einzelfall übernommen werden, wenn diese nicht mehr als 20% über den Beförderungskosten zur nächstgelegen Schule liegen. Dies hat der Beklagte jedoch in rechtlich nicht zu beanstandender Art und Weise abgelehnt. Das Verwaltungsgericht ist insoweit an den eingeschränkten Überprüfungsmaßstab des § 114 VwGO, nämlich auf die Überprüfung auf Ermessensfehler, gebunden.
Derartige Ermessensfehler, insbesondere ein Ermessensausfall, liegen nicht vor. Der Beklagte hat sich insoweit zu Recht auf den Grundsatzbeschluss des Kreisausschusses vom 20. April 2004 berufen und musste im konkreten Fall nicht zusätzlich eine Einzelfallbetrachtung anstellen. Nach dem Wortlaut des vorgelegten Kreisausschussbeschluss konnten im Falle der Klägerin die Schülerbeförderungskosten nicht übernommen werden, weil die Übernahme von Schülerbeförderungskosten im Ermessenswege grundsätzlich ausgeschlossen wurden. Der Beschluss des Kreisausschusses entfaltet für die Verwaltung eine ermessensbindende Wirkung ähnlich einer Verwaltungsvorschrift, über die sich die Verwaltung für die damit erfassten Fälle nicht ohne weiteres hinwegsetzen kann (vgl. hierzu und zum Folgenden auch VG Ansbach, U. v. 17.1.2005, AN 2 K 04.02532 oder VG Augsburg, U. v. 15.1.2010, Au 3 K 09.48 – beide juris). Voraussetzung ist jedoch, dass sich der entsprechende Gremiumsbeschluss seinerseits an die Grenzen des eingeräumten Ermessens hält.
Hiervon ist das Gericht aufgrund der mit Schriftsatz vom 14. Januar 2016 eingereichten Sitzungsvorlage für die Kreisausschusssitzung des Beklagten überzeugt. Hierin werden die die Entscheidung tragenden Gesichtspunkte der Kostenersparnis, der Aufhebung von Ungleichbehandlungen und die Reduzierung des Verwaltungsaufwands, benannt. Diese Gesichtspunkte sind nicht zu beanstanden; sie stellen sachliche Erwägungen dar.
Individuelle Aspekte bei der Klägerin bzw. ihrer Tochter, die über diese dem Grundsatzbeschluss zugrunde liegenden Erwägungen hinausgingen, sind nicht ersichtlich und vorgetragen. Der Umstand, dass bei der Tochter der Klägerin aufgrund der Praktikumsstelle die Kosten für das Ticket der Tarifzone 5 + T für insgesamt sieben Monate in der Gesamtbetrachtung nicht höher, unter Umständen sogar geringer waren als entsprechende Monatstickets der Tarifzone 4 + T und zusätzliche Wochen- oder Tagestickets für die Fahrt zur Praktikumsstelle, musste nicht individuell nochmals gewürdigt werden. Der Kreisausschussbeschluss des Beklagten war nämlich gerade nicht allein vom Kostengesichtspunkt getragen (der insoweit konkret nicht trägt), sondern ebenso von anderen Gesichtspunkten, insbesondere der Verwaltungserleichterung. Da die anderen Gesichtspunkte bei der Klägerin durchaus einschlägig waren, ist kein Ermessensfehler darin zu erblicken, dass nicht eine zusätzliche individuelle Abwägung erfolgt ist. Die würde dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung gerade entgegenlaufen.
Da sich der Bescheid des Beklagten vom 19. September 2015 damit als rechtmäßig erweist, ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 1.090,80 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.


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