Verwaltungsrecht

Erteilung einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung von einem Laden mit Schreinerei in eine Wettannahmestelle

Aktenzeichen  9 ZB 19.50

Datum:
15.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16361
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34
BauNVO § 4
BayBO Art. 76 S. 2
AEUV Art. 49, Art. 56

 

Leitsatz

1. „Bilder von oben“ können als eine von mehreren Möglichkeiten zur Ermittlung der Abgrenzung der näheren Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verwendet werden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht Aufgabe einer Nutzungsuntersagung, andere mögliche genehmigungsfähige Nutzungen zu bestimmen, sondern Sache des Bauherrn, konkrete Nutzungsentscheidungen zu treffen und deren Genehmigungsfähigkeit vor Betriebsaufnahme zu klären. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn mehrere Störer gleichrangig in Anspruch genommen werden. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 K 17.2667 2018-11-14 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Berufung wird zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht im Urteil vom 14. November 2018 die Klage gegen die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des Bescheids der Beklagten vom 27. November 2017 abgewiesen hat. Im Übrigen wird der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt wird.
III. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren vorläufig auf 2.500 Euro und für das Zulassungsverfahren insgesamt auf 40.000 Euro festgesetzt; der auf die Ablehnung des Zulassungsantrags entfallende Anteil beträgt 37.500 Euro.

Gründe

I.
Die Klägerin ist Mieterin von Räumen im Erdgeschoss des Anwesens B. H1. Straße …, Grundstück FlNr. … Gemarkung G. … …, im Stadtgebiet der Beklagten. Sie hat die Räume an eine GmbH, die dort ein Wettbüro betreibt und über deren Vermögen zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, untervermietet und begehrt von der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung von Laden mit Schreinerei in eine Wettannahmestelle mit Quotenbildschirmen ohne Liveübertragung. Die Beklagte lehnte diesen Bauantrag mit Bescheid vom 27. November 2017 in Nr. 1 des Tenors dieses Bescheids ab. In Nr. 2 des Bescheids vom 27. November 2017 verpflichtete die Beklagte die Klägerin, dafür zu sorgen, dass die nicht genehmigte Nutzung der Räumlichkeiten im Erdgeschoss des angeführten Anwesens als Wettbüro beendet wird (Satz 1) und ordnete an, dass eine Vermietung der Räumlichkeiten bzw. anderweitige Übergabe an Dritte für eine Nutzung als Wettbüro zu unterlassen ist (Satz 2). Ferner wurde die sofortige Vollziehung mit einer Frist von einem Monat ab Zustellung des Bescheides angeordnet (Nr. 2 Satz 3). Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro angedroht (Nr. 3 des Bescheids vom 27.11.2017).
Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 14. November 2018 ab. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die beantragte Nutzung auf dem Vorhabensgrundstück bauplanungsrechtlich unzulässig sei und sowohl die Nutzungsuntersagung als auch die Zwangsgeldandrohung rechtmäßig seien. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat nur teilweise Erfolg, soweit er sich gegen die Abweisung der Klage gegen Nr. 3 des Bescheids vom 27. November 2017 im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. November 2018 richtet. Im Übrigen bleibt der Antrag auf Zulassung der Berufung erfolglos.
1. Die Berufung wird im tenorierten Umfang zugelassen, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), soweit das Verwaltungsgericht die Klage auch gegen die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des Bescheids der Beklagten vom 27. November 2017 abgewiesen hat.
Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro keinen rechtlichen Bedenken begegnet, nachdem die durchzusetzende Unterlassungspflicht rechtmäßig angeordnet wurde und das Zwangsgeld im Hinblick auf die Größe und Ausstattung des Wettbüros keinesfalls überhöht erscheint. Dabei kann zunächst offen bleiben, ob es sich bei der Nutzungsuntersagung in Nr. 2 des Bescheids vom 27. November 2017 – worauf das Zulassungsvorbringen abstellt – um unterschiedliche Handlungs- und Unterlassungspflichten handelt, oder – wie das Verwaltungsgericht im Rahmen der Nutzungsuntersagung ausführt – mit der Regelung, dafür zu sorgen, dass die nicht genehmigte Nutzung der angeführten Räumlichkeiten als Wettbüro beendet wird und eine Vermietung der Räumlichkeiten bzw. anderweitige Übergabe an Dritte für eine Nutzung als Wettbüro zu unterlassen ist, im Kern die gleiche Regelung betroffen ist.
In dem Bescheid vom 27. November 2017 der Beklagten finden sich jedenfalls zur Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 dieses Bescheids keinerlei Ausführungen, die über die im Tenor verfügte Androhung hinausgehen. Die Beklagte führt weder eine Rechtsgrundlage an, noch beinhaltet der angefochtene Bescheid überhaupt Ausführungen zu (einzelnen) Voraussetzungen der Zwangsgeldandrohung oder damit zusammenhängenden Erwägungen seitens der Beklagten. Dementsprechend fehlt es im angefochtenen Bescheid zumindest hinsichtlich der Höhe des angedrohten Zwangsgelds an entsprechenden Ermessenserwägungen der Beklagten, so dass insoweit von einem Ermessensausfall auszugehen sein dürfte.
2. Im Übrigen wird der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt.
Es liegen weder die von der Klägerin geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Rechtssache hat auch nicht die behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr.3 VwGO). Auch die geltend gemachte Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt nicht vor.
Soweit die Klägerin die Beiziehung von Verwaltungsakten der Beklagten betreffend verschiedene Bauantragsverfahren und Akteneinsicht in diese beantragt hat, ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen – wie den nachfolgenden Ausführungen zu entnehmen ist – nicht, dass dem Inhalt dieser Akten Entscheidungserheblichkeit in Bezug auf die angefochtene Nutzungsuntersagung zukommen könnte. Den Anträgen war damit, soweit die Klägerin nicht ohnehin teilweise in parallel anhängigen Streitverfahren Akteneinsicht erhalten hat, im Zulassungsverfahren nicht näher zu treten (vgl. BayVGH, B.v. 5.5.2015 – 22 ZB 15.282 – juris Rn. 23).
a) Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier nicht.
aa) Das Verwaltungsgericht hat die nähere Umgebung als faktisches Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO eingestuft. Hiergegen ist nichts zu erinnern.
Das Verwaltungsgericht begründet die Einstufung der maßgebenden näheren Umgebung mit den beim verwaltungsgerichtlichen Augenschein getroffenen Feststellungen und dem hierbei gewonnenen Eindruck im Bauquartier B. H1. Straße, V. H2.straße, S. H2.straße einschließlich der südlich der S. H2.straße gelegenen Anwesen S. H2.straße … … sowie B. H1. Straße … … und … Es hat dabei die Gebietseinstufung zutreffend danach vorgenommen, was auf dem Baugrundstück selbst und in der näheren Umgebung tatsächlich vorhanden ist (vgl. BVerwG, U.v. 6.6.2019 – 4 C 10.18 – juris Rn. 13 ff.). Maßstabsbildend im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – juris Rn. 7; B.v. 22.10.2020 – 4 B 18.20 – juris Rn. 4). Soweit sich die Klägerin hierbei auf eine frühere planungsrechtliche Einstufung des maßgeblichen Gebiets als faktisches Mischgebiet durch die Beklagte beruft, ist dies für die hier maßgebende Beurteilung durch das Verwaltungsgericht irrelevant.
(1) Das Zulassungsvorbringen führt an, dass das Verwaltungsgericht das …-Gebäude auf dem 14.400 m2 großen Grundstück FlNr. … Gemarkung G. … … nicht ausreichend berücksichtigt habe. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das …-Gebäude das maßgebliche Baugrundstück nicht präge, da ein abschirmender begrünter Bereich, eine Einfriedung in der S. H2.straße ohne Zugangsmöglichkeit sowie eine optische und funktionale Abgrenzung bestehe. Es stützt sich hierbei auf die beim Augenschein getroffenen Feststellungen. Dem tritt das Zulassungsvorbringen, das allein auf die von der Klägerin bevorzugte Vogelperspektive abstellt, wie sie sich aus Luftbildern ergibt, nicht substantiiert entgegen. „Bilder von oben“ können als eine von mehreren Möglichkeiten zur Ermittlung der Abgrenzung der näheren Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verwendet werden (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – juris Rn. 13). Dass sich die vom Verwaltungsgericht angeführten Abgrenzungskriterien aus dem Luftbild nicht ergeben, so dass die Bewertung des Verwaltungsgerichts im konkreten Fall beim Augenschein als nichtzutreffend darstellt oder wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sein könnte (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 15.2637 – juris Rn. 12), lässt sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen.
Abgesehen davon stellt das Verwaltungsgericht weiter darauf ab, dass das Grundstück mit dem …-Gebäude auch aufgrund seiner völlig abhebenden Bebauung und Nutzungsstruktur bei der Einstufung der näheren Umgebung nicht mit heranzuziehen sei (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2017 – 9 ZB 14.1914 – juris Rn. 5; BVerwG, B.v. 28.3.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2). Hierzu verhält sich das Zulassungsvorbringen nicht. Die Einbeziehung der B. H1. Straße … … und … steht der Betrachtung des …-Komplexes als eigenständiger Nutzungs- und Bebauungskomplex gerade nicht entgegen. Der Grenzverlauf der näheren Umgebung hängt nicht davon ab, dass unterschiedliche Bebauung durch eine künstliche oder natürliche Trennlinie entkoppelt ist (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 9 CS 19.1468 – juris Rn. 22 m.w.N.).
(2) Das von der Klägerin angeführte Internetcafé in der B. H1. Straße … führt ebenfalls nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht hat den Betrieb in der B. H1. Straße … anhand der beim verwaltungsgerichtlichen Augenschein getroffenen Feststellungen und der Baugenehmigungsakten der Beklagten als kleines Ladengeschäft mit Internetcafé und nicht als Vergnügungsstätte eingestuft. Der Einstufung als gebietsverträglicher Laden steht dabei die dort vorhandene O.-Wettannahmestelle (vgl. OVG NW, U.v. 13.12.2017 – 7 A 880/16 – juris Rn. 42), ebenso wie der Verweis auf die Möglichkeit einer frei zugänglichen Internetnutzung und der Öffnungszeiten nicht per se entgegen. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zutreffend auf einen Mix an Waren- und Dienstleistungsangeboten, die Ausstattung der Räumlichkeiten und die Selbstdarstellung des Ladengeschäfts abgestellt (vgl. BVerwG, U.v. 9.3.2005 – 6 C 11.04 – juris Rn. 27).
(3) Auch die von der Klägerin angeführten Werbeanlagen in der B. H1. Straße führen nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Im Hinblick auf die generelle Zulässigkeit von Werbung an der Stätte der Leistung (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO) und die ausnahmsweise Zulässigkeit sonstiger nicht störender Gewerbebetriebe im allgemeinen Wohngebiet (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) ist der bloße Vortrag im Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe die beim Augenschein vorgefundenen und durch Lichtbilder dokumentierten Werbeanlagen in den Urteilsgründen nicht erwähnt, nicht geeignet, die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Gebietseinstufung in Frage zu stellen.
bb) Soweit sich die Klägerin auf eine Unionsrechtswidrigkeit der Ablehnung ihres Bauantrags auf Nutzungsänderung von Laden mit Schreinerei in Wettannahmestelle mit Quotenbildschirmen und Liveübertragung wegen nicht gerechtfertigter Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) bzw. der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) beruft, legt das Zulassungsvorbringen nicht dar, dass sich aus diesen überhaupt ein Recht auf freie Standortwahl ergibt (vgl. VGH BW, U.v. 4.7.2012 – 3 S 351/11 – juris Rn. 47). Die Behauptung der Klägerin einer intransparenten und diskriminierenden Handhabung der Genehmigungspraxis der Beklagten zeigt weder auf, dass das Bauplanungsrecht die unionsrechtlichen Voraussetzungen für Einschränkungen nicht erfüllt, noch, dass (bau-) rechtlich gleich gelagerte Sachverhalte bestehen oder sich hieraus ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung ergibt. Der Schutz der städtischen Umwelt mit den Mitteln der Stadt- und Raumplanung gehört vielmehr zu den anerkannten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die Beschränkungen im Sinne des unionsrechtlichen Beschränkungsverbots rechtfertigen können (BVerwG, B.v. 30.5.2013 – 4 B 3.13 – juris Rn. 4; B.v. 10.10.2013 – 4 BN 36.13 – juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 16.9.2014 – 1 N 10.1932 – juris Rn. 23; OVG Berlin-Bbg, U.v. 29.10.2019 – OVG 2 B 2.18 – juris Rn. 72).
cc) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ergeben sich auch nicht aus dem Vorbringen zur Nutzungsuntersagung.
(1) Der Vortrag im Zulassungsvorbringen, die Nutzungsuntersagung sei zu unbestimmt, weil keine ausreichende Differenzierung für die Einordnung des Betriebs als Vergnügungsstätte bestehe und unklar sei, wie eine Ladennutzung mit Wettangebot zu realisieren wäre, obgleich eine solche ladengeschäftliche Wettvermittlungsstelle angestrebt werde, verfängt nicht.
Die Beklagte hat die Nutzung der Räumlichkeiten „als Wettbüro“ untersagt, wobei sich aus den Bescheidsgründen eindeutig ergibt, dass sich die Nutzungsuntersagung auf die Ausgestaltung als Vergnügungsstätte bezieht. Das Verwaltungsgericht hat den untersagten Betrieb angesichts der beim Augenschein getroffenen Feststellungen, insbesondere der Ausstattung und Einrichtung als Vergnügungsstätte eingestuft. Dem tritt das Zulassungsvorbringen schon nicht substantiiert entgegen. Ob und in welchem Umfang eine andere Nutzung genehmigungsfähig wäre, ist hier irrelevant. Abgesehen davon, dass die Abgrenzung eines Wettbüros von einer bloßen Wettannahmestelle geklärt ist (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 15.2637 – juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 18.3.2019 – 15 ZB 18.690 – juris Rn. 22 f. m.w.N.), entspricht die tatsächlich ausgeübte und untersagte Nutzung ausweislich der Behördenakten und Feststellungen des Verwaltungsgerichts beim Augenschein keinesfalls einer ladenmäßigen Wettannahmestelle. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe der Nutzungsuntersagung, andere mögliche genehmigungsfähige Nutzungen zu bestimmen, sondern Sache des Bauherrn, konkrete Nutzungsentscheidungen zu treffen und deren Genehmigungsfähigkeit vor Betriebsaufnahme zu klären (vgl. BayVGH, B.v. 28.5.2016 – 9 ZB 13.1993 – juris Rn. 7).
(2) Soweit die Klägerin darauf abstellt, das Unionsrecht erfordere einen anderen Prüfungsmaßstab der Nutzungsuntersagung, führt dies ebenfalls nicht zum Erfolg des Antrags auf Zulassung der Berufung.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass der Erlass einer Nutzungsuntersagung grundsätzlich schon dann gerechtfertigt ist, wenn ein genehmigungspflichtiges Vorhaben ohne Baugenehmigung ausgeführt wird (vgl. BayVGH, B.v. 9.11.2020 – 9 CS 20.2005 – juris Rn. 18; B.v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris Rn. 21 m.w.N.; VGH BW, U.v. 9.11.2020 – 3 S 2590/18 – juris Rn. 59 ff.). Es hat ferner darauf abgestellt, dass eine rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht untersagt werden darf, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2021 – 9 CS 20.2376 – juris Rn. 13). Allein daraus, dass sich die Klägerin hier auf die unionsrechtlich gesicherte Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit (Art. 56, 49 AEUV) beruft, ergibt sich kein anderer Prüfungsmaßstab (vgl. OVG NW, B.v. 19.2.2021 – 7 A 4145/19 – juris Rn. 15). Das Unionsrecht steht den mit der bauordnungsrechtlichen Genehmigungspflicht einhergehenden allgemeinen Beschränkungen nicht entgegen, da sie durch Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bzw. des Umweltschutzes gerechtfertigt sind. Soweit die Klägerin geltend macht, die Beschränkungen würden in intransparenter Weise bzw. diskriminierender Weise gehandhabt, legt sie die unionsrechtlichen Voraussetzungen für Einschränkungen nicht dar. Das Zulassungsvorbringen betrifft insoweit im Wesentlichen die Erteilung von Baugenehmigungen, bei denen sich die Klägerin diskriminiert fühlt, nicht hingegen die Voraussetzungen für die Erforderlichkeit einer bauordnungsrechtlichen Genehmigung, d.h. die Genehmigungspflicht als solches (vgl. zum Ganzen: OVG NW, B.v. 19.2.2021 a.a.O. Rn. 9 ff.).
(3) Der Vortrag im Zulassungsvorbringen, die Störerauswahl sei ermessensfehlerhaft, weil die Klägerin nur Untervermieterin sei und die Beklagte keine Auswahl zwischen Handlungs- und Zustandsstörern getroffen habe, greift nicht.
Das Zulassungsvorbringen zeigt bereits nicht auf, dass die Inanspruchnahme der Klägerin nicht erforderlich gewesen wäre, um eine effektive Beseitigung des bau- und ordnungswidrigen Zustands zu erreichen. Entgegen dem Zulassungsvorbringen hat die Beklagte auch nicht keine Störerauswahl vorgenommen, sondern – wie im Bescheid vom 27. November 2017 angeführt – zusätzlich die Mieterin und den Eigentümer in Anspruch genommen. Hieraus ergibt sich aber kein Ermessensmangel gegenüber der Klägerin, da es im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, wenn mehrere Störer gleichrangig in Anspruch genommen werden (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand Februar 2021, Art. 76 Rn. 179, 181; Lindner in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht in Bayern, Stand 15.3.2021, Art. 9 Rn. 15, 19). Darüber hinaus ergibt sich aus dem Bescheid vom 27. November 2017, worauf auch das Verwaltungsgericht abstellt, dass die Klägerin nicht nur Untervermieterin ist, sondern ihr Handeln und ihre Verantwortlichkeit aufgrund der gleichzeitigen Bauantragstellung über eine bloße Vermietung hinausgeht. Dem tritt das Zulassungsvorbringen nicht entgegen.
(4) Das Zulassungsvorbringen zeigt mit dem Verweis auf die Notwendigkeit eines tragfähigen Gesamtkonzepts bezüglich Nutzungsuntersagungen auch keine Unverhältnismäßigkeit der Nutzungsuntersagung auf.
Zutreffend darf die Behörde ihr Ermessen nicht ohne erkennbaren Grund unterschiedlich, systemwidrig oder planlos ausüben (vgl. BVerwG, B.v. 24.7.2014 – 4 B 38.14 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 10.6.2016 – 9 ZB 16.308 – juris Rn. 5). Eine solche systemwidrige Vorgehensweise zeigt das Zulassungsvorbringen aber nicht auf. Abgesehen davon, dass der Betrieb des Internetcafés in der B. H1. Straße … nicht als Vergnügungsstätte eingestuft wird, lässt sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen, dass die Beklagte unter gleichen planungsrechtlichen Voraussetzungen nicht ebenso einschreitet, wie im Falle der Klägerin. Dies zeigen auch die vorgelegten Verwaltungsakten über das Vorgehen der Beklagten mittels Nutzungsuntersagungen gegen vergleichbare Betriebe in den Nachbaranwesen des Bauquartiers.
b) Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen lassen sich, soweit sie überhaupt entscheidungserheblich sind, ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären. Besondere Schwierigkeiten im Sinne offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht; die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Beklagte genügt hierfür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.2020 – 9 ZB 18.1493 – juris Rn. 26). Die Rechtssache weist keine entscheidungserheblichen Fragen auf, die in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereiten, sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren herausheben (vgl. BayVGH, B.v. 2.2.2021 – 9 ZB 18.1513 – juris Rn. 12 m.w.N.). Dies gilt sowohl für die unionsrechtlichen Einwände der Klägerin als auch für die Einstufung der ausgeübten und untersagten Nutzung als Wettbüro, zumal es Sache des Bauherrn ist, konkrete genehmigungsfähige Nutzungen zu bestimmen und hierfür – vor Betriebsaufnahme – die entsprechenden Genehmigungen einzuholen.
c) Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2021 – 9 ZB 19.793 – juris Rn. 15). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Abgesehen davon, dass die Klägerin bezogen auf den Zulassungsgrund der gundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache keine konkreten Fragen formuliert, fehlt es hinsichtlich der im Text wahllos eingestreuten und schlagwortartig aufgeworfenen Fragen an der Darlegung, dass es sich um solche handelt, die für die Entscheidung im vorliegenden Fall überhaupt entscheidungserheblich sind. Dies gilt sowohl für die geltend gemachten unionsrechtlichen Auswirkungen einer stadtweiten Planungspolitik im Glückspielbereich und der gewerberechtlichen Behördenpraxis sowie dem Offensichtlichkeitsgrundsatz als auch für die bauordnungsrechtlichen Aspekte der Stellplatzpflicht. Soweit die Klägerin die Anforderungen an eine zur Vermeidung des Willkürvorwurfs notwendige konzeptionelle Aufsichtspraxis im Spannungsfeld staatlicher und privater Wettanbieter für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf, inwiefern durch das vorliegende Verfahren in Bezug auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz fallübergreifende Fragen aufgeworfen werden, die sich auf der Grundlage der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht oder nicht mit der erforderlichen Sicherheit beantworten lassen. Dass die Behörde ihr Ermessen nicht ohne erkennbaren Grund unterschiedlich, systemwidrig oder planlos ausüben darf, ist höchstrichterlich geklärt (vgl. BVerwG, B.v. 24.7.2014 – 4 B 34.14 – juris Rn. 4). Ob die Anforderungen hier eingehalten sind, ist eine Frage des Einzelfalls und nicht verallgemeinerungsfähig zu beantworten.
d) Die Berufung ist auch nicht wegen Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen.
Der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht. Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 4 B 21.16 – juris Rn. 5). Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen, das schon keine sich widersprechenden Rechtssätze gegenüberstellt, nicht gerecht.
(1) Darüber hinaus ist eine Abweichung vom Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Mai 2014 (Az. 4 B 38.13) nicht dargelegt. Der Entscheidung lässt sich insbesondere kein Vorrang der von der Klägerin bevorzugten Luftbildperspektive bei der Ermittlung der Abgrenzung der näheren Umgebung entnehmen (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – juris Rn. 13). Eine bloß fehlerhafte Rechtsanwendung, eine abweichende Beurteilung des Einzelfalls oder eine Ergebnisdivergenz vermögen eine Divergenzrüge dagegen nicht zu begründen (vgl. BVerwG, B.v. 6.4.2016 – 1 B 22.16 – juris Rn. 7; B.v. 22.10.2020 – 4 B 18.20 – juris Rn. 5).
(2) Soweit das Zulassungsvorbringen zahlreiche Entscheidungen des EuGHs anführt, gehört der Gerichtshof nicht zu den in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO benannten Gerichten. Sofern bis zu einer Umsetzungsentscheidung eines divergenzfähigen Gerichts von einer Regelungslücke auszugehen wäre, fehlt es jedenfalls an der hinreichenden Darlegung einander sich widersprechender Rechtssätze (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2021 – 1 B 2.21 – juris Rn. 9).
Soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung zugelassen wurde, bedarf es keiner Kostenentscheidung, weil die Kosten des Zulassungsverfahrens insoweit zu den Kosten des Berufungsverfahrens gehören und gesonderte Gerichtsgebühren nach Nr. 5121 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) nicht entstehen. Insofern ist die endgültige Kostenentscheidung dem Berufungsverfahren vorzubehalten (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2019 – 15 ZB 17.2529 – juris Rn. 46). Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die vorläufige Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren beruht auf § 63 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 1.7.1 und 1.7.2 des Streitwertkatalogs. Da ein zugleich mit der Grundverfügung angedrohtes Zwangsgeld grundsätzlich außer Betracht bleibt, die Berufung hier aber nur hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung zugelassen wurde, erscheint es angemessen, den Streitwert mit einem Viertel des angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 Euro, mithin 2.500 Euro, anzusetzen.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt – unter Berücksichtigung des Streitwertanteils der zugelassenen Berufung – der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit dieser Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach rechtskräftig, soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt wurde (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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