Verwaltungsrecht

Es sind keine Bürgerkriegsauseinandersetzungen festzustellen, zudem liegt für den arbeitsfähigen Kläger trotz der Corona-Pandemie eine innerstaatliche Fluchtalternative vor (Nigeria)

Aktenzeichen  Au 9 K 21.30257

Datum:
3.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15255
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO 113 Abs. 5 S. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG § 3e, § 4
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Das Ausmaß der innerstaatlichen Konflikte in Nigeria ist in Intensität und Dauerhaftigkeit nicht mit Bürgerkriegsauseinandersetzungen, die (noch) nicht festzustellen sind, vergleichbar.  (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es kann auch unter Berücksichtigung der Corona-Pandemie nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der junge und durchaus erwerbsfähige Kläger nach seiner Rückkehr in existenzielle Not geraten wird.  (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.  

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2021 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurde den Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2021 form- und fristgerecht geladen worden.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes bzw. auf die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten auf der Grundlage der § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 16. April 2020 ist daher rechtmäßig. Es wird zunächst in vollem Umfang auf die Gründe des angefochtenen Bescheides (§ 77 Abs. 2 AsylG) Bezug genommen. Darüber hinaus wird das Folgende ausgeführt:
1. Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf Gewährung unionsrechtlichen subsidiären Abschiebungsschutzes nach § 4 AsylG.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei auch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylG).
Der Kläger ist im Falle seiner Rückkehr nicht einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG) ausgesetzt, auch nicht wegen seines christlichen Glaubens. Die immer wieder aufkommenden, gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen christlichen und muslimischen Gruppen, bzw. die Angriffe und Auseinandersetzung mit der Gruppierung „Boko Haram“ sind überwiegend regional begrenzt und weisen nicht die Merkmale eines innerstaatlichen Konflikts i.S. der Vorschrift und der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auf (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 2013 -, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 -, U.v. 27. 4.2010 – 10 C 4/09 -, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9/08 und U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – sowie B.v. 14.11.2012 – 10 B 22/12 – jeweils juris). Das Ausmaß dieser Konflikte ist in Intensität und Dauerhaftigkeit nicht mit Bürgerkriegsauseinandersetzungen, die in Nigeria (noch) nicht festzustellen sind, vergleichbar. Nach den allgemein zugänglichen Erkenntnismitteln (Tagespresse, Medien) und Erkenntnissen des Gerichts kam es zwar auch im Jahr 2017 und 2018 sehr häufig zu Anschlägen der Gruppe „Boko Haram“ und sind auch die Einsätze der nigerianischen Sicherheitskräfte mit Gewaltexzessen und willkürlichen Verhaftungen verbunden. Allerdings konzentrieren sich die Anschläge von „Boko Haram“ und die daraus folgenden Auseinandersetzungen immer noch hauptsächlich auf den Norden bzw. Nordosten Nigerias, während es im Süden und Südwesten des Landes nur vereinzelt zu Anschlägen bzw. Terrorakten gekommen ist. Eine landesweite Verübung von Terrorakten durch die Organisation „Boko Haram“ findet nicht statt (vgl. dazu: AA, Lageberichte von Nigeria vom 10. Dezember 2018, 21. Januar 2018, 26. November 2016, 28. November 2014, jew. Zusammenfassung S.5 sowie II, 1.4., vom 28. August 2013, vom 6. Mai 2012, 7. März 2011, 11. März 2010 und vom 21. Januar 2009, jeweils Ziffer II.1.4). Ein Bürgerkrieg findet in Nigeria nicht statt; Bürgerkriegsparteien sind nicht vorhanden (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 5. Dezember 2020, a.a.O., Ziffer III.3, Seite 17).
Der Kläger ist daher in der Lage, diesen Konflikten durch Rückkehr in weniger gefährdete Gebiete im Sinne eines internen Schutzes (§ 4 Abs. 3, § 3e AsylG) aus dem Wege zu gehen. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie in Fällen mit regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil Nigerias auszuweichen (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 5.12.2020, a.a.O., Ziffer II.3, S. 16). An dieser Stelle ist darauf zu verweisen, dass der Kläger selbst im südnigerianischen Bundesstaat Kogi State geboren ist, wo er sich nach seinen eigenen Angaben auch bis November 2012 aufgehalten hat. Insofern bestehen auch Zweifel daran, ob der Kläger – wie in der mündlichen Verhandlung behauptet – überhaupt aus dem nordnigerianischen Bundesstaat Borno State stammt. Im Jahr 2014 hat sich der Kläger in … aufgehalten, wo er seine Ehefrau nach traditionellem Ritus geheiratet hat. Aufgrund dessen sind für den Kläger bereits längere Aufenthalte im Süden Nigerias festzustellen. Es ist nicht ersichtlich, warum der Kläger, der zwischenzeitlich von seiner Ehefrau und Tochter dauerhaft getrennt lebt, sich nicht erneut eine Existenz im Süden Nigerias aufbauen könnte. Nach Auffassung des Gerichts kommt für den Kläger jedenfalls eine Rückkehr nach … bzw. Abuja, aber beispielsweise auch nach Port Harcourt oder nach Owerri bzw. Ibadan in Betracht.
2. Der Kläger besitzt aber auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch insoweit bleibt die Klage ohne Erfolg.
a) Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria – hier leben immer noch ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum und sind von informellem Handel und Subsistenzwirtschaft abhängig (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Lagebericht – a.a.O. Ziffer V.1.1) – ebenso wie die Situation hinsichtlich der verschiedenen gewalttätigen Auseinandersetzungen und Übergriffe, z.T. auch durch die Sicherheitskräfte, und die damit zusammenhängenden Gefahren (s.o. und Lagebericht a.a.O. Ziffer I und III, Seite 4, 9) grundsätzlich nicht zu einer individuellen, gerade dem Kläger drohenden Gefahr führt, sondern unter die allgemeinen Gefahren zu subsumieren ist, denen die Bevölkerung oder relevante Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist und die gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG durch Anordnungen gemäß § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind.
Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage eines Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie zum Beispiel im Falle einer tödlichen Erkrankung in fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat keine Unterstützung besteht (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – BVerwGE 146, 12-31, juris, Rn. 23ff m.w.N.). Im Hinblick auf die Bewertung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK gelten dabei bei der Beurteilung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG die gleichen Voraussetzungen wie bei der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – a.a.O. – juris Rn. 22, 36).
Auch eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) für einen Betroffenen aufgrund allgemein für die Bevölkerung bestehender Gefahren, die über diese allgemein bestehenden Gefahren hinausgeht ist, nur im Ausnahmefall im Sinne eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (BVerwG, U. v. 31.1.2013 – a.a.O., juris Rn. 38). Ein Ausländer kann im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser allgemein bestehenden Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für die Betroffenen die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Betroffenen daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (zum Ganzen BVerwG, U.v. 31.1.2013 a.a.O., juris Rn. 38).
Das Gericht geht davon aus, dass der 37-jährige Kläger bei einer Rückkehr nach Nigeria in der Lage sein wird, dort seinen Lebensunterhalt zu sichern. Der Kläger hat nach seinem eigenen Vorbringen einen zwölfjährigen Schulbesuch vorzuweisen, den er mit dem Abitur abgeschlossen hat. Der Schulbesuch des Klägers erweist sich für nigerianische Verhältnisse als weit überdurchschnittlich. Weiter verfügt der Kläger über einen vierjährigen Universitätsbesuch mit Abschluss sowie ein Diplom in „nautical marine“. Der Kläger war nach seinem eigenen Vorbringen bereits in der Schifffahrt bzw. im Fischfang tätig. Weitere Tätigkeiten kann er nach seinem eigenen Vorbringen in der Landwirtschaft, als Maler und als Bauarbeiter vorzuweisen. Es war dem Kläger auch offensichtlich möglich, die Ausreise aus Nigeria über Libyen und Italien für sich und seine Ehefrau zu finanzieren. Es kann daher nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der junge und durchaus erwerbsfähige Kläger nach seiner Rückkehr in existenzielle Not geraten wird. Ein nationales Abschiebungsverbot zu Gunsten des Klägers auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 liegt nicht vor.
b) Auch ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt zugunsten des Klägers nicht vor. Nennenswerte gesundheitliche Einschränkungen des Klägers sind im Verfahren beim Bundesamt nicht bekannt geworden. Ärztliche Atteste wurden im Verfahren nicht vorgelegt. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung erstmalig geschilderten Leistenbeschwerden stellen jedenfalls keine so schwerwiegende lebensbedrohliche Erkrankung dar, die geeignet wäre, ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot zu begründen. Der Kläger bezeichnet sich selbst als arbeitsfähig und geht seit längerem einer Beschäftigung im Bundesgebiet nach.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der sich wohl auch in Afrika ausbreitenden Corona-Pandemie. Auch dieser Umstand ist nicht geeignet, zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu führen. Insoweit gilt es die Vorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG zu beachten. Danach sind Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nur bei einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine derartige allgemeine Entscheidung hinsichtlich des Zielstaats Nigeria i.S.d. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG liegt derzeit nicht vor. Eine persönliche Betroffenheit von der Krankheit selbst hat der Kläger nicht aufgezeigt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert wäre. Davon kann nicht ausgegangen werden. Ärztliche Atteste wurden für den Kläger im Verfahren nicht vorgelegt. Die vom Kläger geschilderten Leistenbeschwerden stellen jedenfalls keine so schwerwiegende lebensbedrohliche Erkrankung dar, die geeignet wäre, ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot zu begründen. Der Kläger bezeichnet sich selbst als arbeitsfähig und geht seit längerem eine Beschäftigung im Bundesgebiet nach.
Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind überdies in Nigeria lediglich 165.000 Corona-Fälle bestätigt, wovon 155.000 Personen genesen sind und es lediglich zu 2.063 Todesfällen gekommen ist (Quelle: COVID-19 pandemic data, Wikipedia, Stand: 3.5.2021). Im Zeitraum zwischen dem 19. April und dem 2. Mai 2021 ist es in Nigeria insgesamt nur zu 920 neuen Erkrankungsfällen gekommen. Demnach handelt es sich um eine lediglich abstrakte Gefährdung, der im Rahmen des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu begegnen ist. Dieser Umstand ist daher nicht geeignet, für den Kläger ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen.
Im Übrigen genügt nicht eine allgemeine Behauptung mit Hinweis auf die Corona-Pandemie, dass eine Gefahr bestünde. Denn für die Beurteilung ist auf die tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen. Erforderlich ist, durch Benennung bestimmter begründeter Informationen, Auskünfte, Presseberichte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür aufzuzeigen, dass der Betreffende etwa zu einer Risikogruppe gehört und in seinem speziellen Einzelfall mit einer Ansteckung, einschließlich eines schweren Verlaufs, zu rechnen ist. Anzugeben ist dabei weiter, wie viele Personen im Zielland konkret infiziert sind, einen schweren Verlauf haben und gestorben sind, ob landesweit eine betreffende Gefahr besteht bzw. konkret an dem Ort, an dem der Betreffende zurückkehrt und welche Schutzmaßnahmen der Staat zur Eindämmung der Pandemie getroffen hat (OVG NW, B.v. 23.6.2020 – 6 A 844/20.A – juris). An einem entsprechenden substantiierten Vorbringen des Klägers fehlt es. Durchgreifende Gründe für eine relevante Gefahr sind auch sonst nicht ersichtlich.
Unter Berücksichtigung der oben aufgeführten tagesaktuellen Fallzahlen und des damit einhergehenden Ansteckungsrisikos besteht in Nigeria derzeit nach dem oben genannten Maßstab keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppen, denen der Kläger angehört. Er muss sich letztlich, wie hinsichtlich etwaiger anderer Erkrankungen, wie etwa Malaria, HIV, Masern, Cholera, Lassa-Fieber, Meningitis oder Tuberkulose, bei der die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung und eines schweren Verlaufs teilweise um ein Vielfaches höher liegt als bei dem „Corona-Virus“ (vgl. zu Malaria OVG NW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4479/19.A – juris; VG Karlsruhe, U.v. 26.2.2020 – A 4 K 7158/18 – juris), im Bedarfsfalle auf die Möglichkeiten des – zugegebenermaßen mangelhaften – nigerianischen Gesundheits- und Sozialsystems (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, a.a.O., Ziffer V.1.3, Seite 24 f.) verweisen lassen.
Hinweise auf eine Fehlerhaftigkeit bei der Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG bestehen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht. In Bezug auf die Befristung hat die Beklagte das ihr zustehende Ermessen erkannt und im Rahmen der gerichtlich gemäß § 114 Satz 2 VwGO beschränkten Prüfung ordnungsgemäß ausgeübt. Die Ehefrau des Klägers und dessen 2019 geborenes Kind sind ebenfalls vollziehbar ausreisepflichtig. Überdies liegt insoweit auch im Bundesgebiet keine familiäre Lebensgemeinschaft mehr vor.
3. Die Klage war mithin mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.


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