Verwaltungsrecht

Exmatrikulation wegen nicht bestandener Modulprüfung

Aktenzeichen  7 CE 15.2806

Datum:
18.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
APO TH Deggendorf § 3 Abs. 2 S. 1
GrO TH Deggendorf § 69 Abs. 1 S. 1
RaPO RaPO § 3 Abs. 6 S. 3, § 7 Abs. 4 S. 3
VwGO VwGO § 123 Abs. 1 S. 1, § 146 Abs. 4 S. 1, S. 6

 

Leitsatz

1 Wird im Eilverfahren über den geltend gemachten Anspruch auf Wiederholung einer Prüfung der Anordnungsgrund auf den Verlust prüfungsrelevanten Wissens oder die Verzögerung des Berufseinstiegs gestützt, ist die Prüfung bei nächster Gelegenheit zu wiederholen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung führender wesentlicher Verfahrensfehler liegt vor, wenn ein Einfluss auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden kann. Dies ist regelmäßig bei fehlerhafter Besetzung des Prüfungsgremiums der Fall, nicht notwendiger Weise bei mangelnder Beschlussfähigkeit oder Missachtung der Nicht-Öffentlichkeit der Sitzung. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Anwesenheit von Mitgliedern oder Hilfskräften der Fakultät, die auf Grund ihrer dienstlichen Stellung zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, verstößt nicht gegen den Grundsatz des Ausschlusses der Öffentlichkeit. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 5 E 15.1976 2015-12-14 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller will zur Wiederholung der Prüfungen „Baustatik II“ und „Stahlbau I“ im Rahmen des Bachelorstudiengangs „Bauingenieurwesen“ zugelassen werden. Im Sommersemester 2014 waren seine Leistungen jeweils im zweiten Versuch mit „nicht bestanden“ bewertet worden. In der Folge ist er wegen endgültig nicht bestandener Bachelorprüfung exmatrikuliert worden. Mit einem weiteren Bescheid wurde er wegen endgültigen Nichtbestehens der Bachelorprüfung deshalb exmatrikuliert, weil er nach der Bewertung der Bachelorarbeit mit der Note „nicht ausreichend“ den Beginn der Bearbeitungsfrist der zu wiederholenden Bachelorarbeit nicht eingehalten hat. Seinen Widerspruch gegen die Exmatrikulation wegen endgültig nicht bestandener Prüfung in den Fächern „Stahlbau I“ und „Baustatik II“ hat die Antragsgegnerin zurückgewiesen. Über die dagegen erhobene Klage wurde noch nicht entschieden. Sein Antrag, der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung aufzugeben, ihn zur Wiederholung der Prüfungen „Baustatik II“ und „Stahlbau I“ zuzulassen, wurde vom Verwaltungsgericht abgelehnt.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.
Ein Anordnungsgrund liege vor, weil es ihm nicht zuzumuten sei, das prüfungsrelevante Wissen für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens aufrecht zu erhalten. Im Übrigen drohe die Verzögerung des Berufseinstiegs.
Es bestehe auch ein Anordnungsanspruch, weil es an einer wirksamen Bestellung sowohl des jeweiligen Erstprüfers als auch des jeweiligen Zweitprüfers fehle. Hinsichtlich des Erstprüfers fehle es an einer Beschlussfassung der Prüfungskommission. Ebenso seien keine Zweitprüfer bestellt worden. Bis jetzt sei unbekannt, wer jeweils Zweitprüfer ist.
Nach § 3 Abs. 6 Satz 3 RaPO hätte schon die Aufgabenstellung zusammen von Erst- und Zweitprüfer erfolgen müssen. Das lasse sich auch nicht nachholen.
Die Prüfungskommission, deren Aufgabe u. a. die Feststellung des Ergebnisses der Prüfungsleistungen sei, habe die Prüfungsleistungen des Antragstellers nicht festgestellt, sondern nur über dessen Exmatrikulation entschieden.
Unabhängig davon seien die Mitglieder der Prüfungskommission vom Fakultätsrat nicht wirksam bestellt worden. Dieser sei bei der Beschlussfassung nicht korrekt besetzt und nicht beschlussfähig gewesen. Außerdem habe er entgegen § 69 Abs. 1 Satz 1 GrO öffentlich getagt.
Ferner sei der Prüfungsausschuss mit acht statt lediglich fünf Mitgliedern fehlerhaft besetzt gewesen. Außerdem sei nicht jede Ausbildungsrichtung im Prüfungsausschuss vertreten gewesen.
Dem Antragsteller sei bis jetzt die Stellungnahme der beiden Prüfer nicht bekannt. Im Übrigen sei das Verwaltungsgericht auch nicht auf die schon früher nicht bestandenen Prüfungsversuche eingegangen, die von der Antragstellerseite mit angegriffen worden seien.
Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen. Die Landesanwaltschaft Bayern hat sich als Vertreter des öffentlichen Interesses beteiligt, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen und die von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen verwiesen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil das – rechtzeitige – Vorbringen, auf das sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt, jedenfalls den geltend gemachten Anordnungsanspruch nicht begründet (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO).
Der Verwaltungsgerichtshof sieht schon deshalb keinen Anordnungsgrund, weil der Kläger begehrt, zu einer Wiederholungsprüfung vorläufig zugelassen zu werden, ohne dies auf einen bestimmten Prüfungstermin zu beziehen. Der Unzumutbarkeit der Konservierung des prüfungsrelevanten Wissens über die Dauer eines möglicherweise mehrjährigen Hauptsacheverfahrens und einer möglichen Verzögerung des Berufseinstiegs kann dadurch entgegengewirkt werden, dass die Prüfung bei nächster Gelegenheit wiederholt wird (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 908). Allein darauf ist deshalb der Anordnungsgrund beschränkt. Die Frage kann jedoch offen bleiben, weil jedenfalls kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden ist.
Für beide Prüfungen sind sowohl Erstprüfer als auch Zweitprüfer wirksam bestellt worden.
Die Erstprüfer für die Studiengänge „Bauingenieurwesen“ und „Ressourcen- und Umweltmanagement“ wurden in der 136. Sitzung der Prüfungskommission am 15. April 2014 im Rahmen des Prüfungsplans für das Sommersemester 2014 ordnungsgemäß bestellt. Dem steht nicht entgegen, dass zunächst ein vorläufiger Prüfungsplan beschlossen worden ist, der nach einer Überprüfung durch das Studienzentrum in Absprache mit der Prüfungskommission zwei Wochen vor Beginn der Prüfungen in Kraft gesetzt worden ist. Es ist weder dargelegt noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich bei dieser Überprüfung Änderungen ergeben hätten, über die die Prüfungskommission nicht ordnungsgemäß beschlossen hätte. Vorläufig bedeutet insoweit lediglich, dass der Prüfungsplan und die Prüferbestellung nochmals einer Prüfung unterzogen werden, ob sie noch auf aktuellem Stand sind und ggf. angepasst werden müssen.
Auch die Beteiligung der Zweitprüfer lässt keine Rechtsfehler erkennen, die zu einer Aufhebung der Prüfungsentscheidung und der Wiederholung der Prüfung führen könnten.
Dies gilt zunächst für die Rüge des Antragstellers, dass nach § 3 Abs. 6 Satz 3 der Rahmenprüfungsordnung für die Fachhochschulen (RaPO) vom 17. Oktober 2001 (GVBl S. 686, BayRS 2210-4-1-4-1 WFK), zuletzt geändert durch Verordnung vom 6. August 2010 (GVBl S. 688), schon die Aufgabenstellung hätte unter Beteiligung des zweiten Prüfers erfolgen müssen. Nach dieser Vorschrift obliegt den Prüferinnen und Prüfern u. a. die Aufgabenstellung nach Maßgabe der Regelungen der Prüfungskommission. Der Antragsteller legt indes nicht substantiiert dar, inwieweit die Aufgabenstellung diesen Vorgaben widerspricht.
Der Antragsteller konnte darüber hinaus keine Rechtsfehler bei der Bestellung der Zweitprüfer glaubhaft machen. Nach der Mitteilung der Antragsgegnerin geschieht die Bestellung der nur in dem Fall erforderlichen Zweitprüfer, dass die Erstkorrektur zum Ergebnis „nicht bestanden“ geführt hat, durch Übermittlung einer Liste der Prüfungskommission an das Studienzentrum, die beständig fortgeschrieben wird. Ein Rechtsfehler wird insoweit nicht dadurch dargelegt, indem bezweifelt wird, dass die Liste von der gesamten Prüfungskommission abgezeichnet wird. Dies ist nicht erforderlich. Das Einverständnis der Prüfungskommission wird etwa durch ein Abzeichnen durch den Vorsitzenden hinreichend dokumentiert. Zweifel daran, dass die Prüfungskommission mit der damaligen Fortschreibung nicht einverstanden war, wurden nicht substantiiert vorgetragen. Ebenso ist unschädlich, dass die Antragsgegnerin die aktuelle Liste vorgelegt hat. Der Verwaltungsgerichtshof zweifelt nicht am Vortrag der Antragsgegnerin, dass eine entsprechend fortgeschriebene Liste im Hinblick auf die Prüfungen im Sommersemester 2014 vorgelegen hat. Zweitprüfer in beiden vom Antragsteller nicht bestandenen Modulprüfungen war danach Professor P….
Die Prüfungskommission hat das Ergebnis der Prüfung hinsichtlich des Antragstellers in ihrer 137. Sitzung am 30. Juli 2014 unter dem Tagesordnungspunkt 2, Exmatrikulation aufgrund endgültig nicht bestandener Prüfung, festgestellt. Es handelt sich dabei nicht nur um eine Exmatrikulationsentscheidung, sondern auch um die Entscheidung, dass die Leistung des Antragstellers mit „nicht bestanden“ zu bewerten ist, die ihrerseits Voraussetzung der Exmatrikulation ist. In dem Fall, dass die Prüfung mit „nicht bestanden“ zu bewerten ist, reicht die Endnote „nicht bestanden“ aus. Weiterer Feststellungen durch die Prüfungskommission bedurfte es daher nicht (§ 7 Abs. 4 Satz 3 RaPO).
Dem Antragsteller ist zuzugeben, dass nach § 3 Abs. 2 Satz 1 der Allgemeinen Prüfungsordnung (APO) der Technischen Hochschule Deggendorf vom 4. Oktober 2013 die Mitglieder der Prüfungskommission vom Fakultätsrat nicht auf drei Jahre, sondern nur auf zwei Jahre bestellt werden. Indes führt das nicht zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Für die in Streit stehende Prüfung im Sommersemester 2014 hatten die Mitglieder der Prüfungskommission ihre Amtszeit gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 APO noch nicht überschritten. Hinsichtlich der vorangegangenen Prüfungsversuche kann dahinstehen, ob ihre Bewertung als „nicht bestanden“ bereits bestandskräftig ist, weil die Feststellung des Bestehens bzw. Nichtbestehens einer Modulprüfung wegen Außenwirkung ein Verwaltungsakt ist (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 818) ist. Der Vortrag insoweit im Schriftsatz vom 29. Februar 2016 ist gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO verspätet. Der Verwaltungsgerichtshof prüft danach nur die rechtzeitig dargelegten Gründe.
Nicht durchdringen kann der Antragsteller mit der Rüge, der Fakultätsrat sei zum einen bei der Bestellung des Vorsitzenden der Prüfungskommission nicht beschlussfähig gewesen und zum anderen habe er entgegen § 69 Abs. 1 Satz 1 der Grundordnung (GrO) der Technischen Hochschule Deggendorf vom 19. Februar 2015 in öffentlicher Sitzung beschlossen.
Ein Verfahrensfehler im Prüfungsverfahren führt grundsätzlich nur dann zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung, wenn er wesentlich ist und somit ein Einfluss auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden kann (Zimmerling/Brehm, Der Prüfungsprozess 2004, Rn. 232 f.). Dies ist etwa der Fall bei der Bildung einer vom Gesetz nicht vorgesehenen Prüfungskommission oder einer fehlerhaften, gegen die Prüfungsordnung oder den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit verstoßenden Besetzung des Prüfungsausschusses, denn es lässt sich im allgemeinen nicht ausschließen, dass bei der Beteiligung des zuständigen Prüfers ein besseres Prüfungsergebnis erreicht worden wäre (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 373). Der Antragsteller rügt jedoch nicht die fehlerhafte Besetzung der Prüfungskommission oder die Beteiligung nicht zuständiger Prüfer, sondern die mangelnde Beschlussfähigkeit des Fakultätsrats bei der Bestellung des Vorsitzenden der Prüfungskommission, weil zu wenige seiner Mitglieder oder ihrer Vertreter anwesend gewesen seien. Es ist jedoch nicht erkennbar, welchen Einfluss dies auf das Prüfungsergebnis hat haben können.
Gleiches gilt hinsichtlich der Rüge, der Fakultätsrat habe entgegen § 69 Abs. 1 Satz 1 GrO öffentlich beschlossen. Auch insoweit ist nicht dargelegt, dass ein solcher Verstoß gegen das Prüfungsverfahrensrecht wesentlich gewesen wäre. Ganz abgesehen davon wurde nicht gegen § 69 Abs. 1 Satz 1 GrO verstoßen. Die Vorschrift hindert nicht die Anwesenheit von Mitgliedern oder Hilfskräften der Fakultät, um Stellungnahmen abzugeben oder Hilfstätigkeiten, wie die Protokollführung auszuführen. Sie sind aufgrund ihrer dienstlichen Stellung zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Offen bleiben kann, inwieweit eine behauptete fehlerhafte Besetzung des Prüfungsausschusses in seiner 78. Sitzung am 6. Mai 2015, in der der Widerspruch des Antragstellers zurückgewiesen worden ist, wesentlich für das Prüfungsergebnis hätte sein können. Schon der Schluss von einer in die Niederschrift aufgenommenen Anwesenheitsliste auf die Besetzung des Gremiums ist nicht zulässig. Die Anwesenheitsliste gibt nicht wieder, wer dem Gremium angehört, sondern wer gerade anwesend oder entschuldigt ist. Unschädlich ist auch, wenn in dem fünfköpfigen Gremium nicht alle sechs Fakultäten der Hochschule vertreten sind. § 2 Abs. 1 Satz 1 APO, wonach alle Ausbildungsrichtungen im Prüfungsausschuss vertreten sein sollen, ist denn auch eine Sollvorschrift.
Nicht durchgreifen kann die Rüge, dass die Stellungnahme der beiden Prüfer dem Antragsteller nicht bekannt sei. Nachdem ausschließlich die Verletzung von Verfahrensvorschriften und nicht die inhaltliche Bewertung der Leistung des Antragstellers gerügt worden ist, ist nicht ersichtlich, inwieweit das eine Rolle spielen könnte.
Schließlich bleibt auch die Rüge erfolglos, dass das Verwaltungsgericht nicht auf die früher nicht bestandenen Prüfungsversuche eingegangen sei. Abgesehen davon, dass möglicherweise die Bewertung als „nicht bestanden“ bestandskräftig geworden ist, wurden Rechtsverstöße nicht substantiiert dargelegt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG.


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