Verwaltungsrecht

Fälligstellung eines angedrohten Zwangsgelds, bestandskräftige Grundverfügung, erneute Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  M 8 K 19.5688

Datum:
29.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40180
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 1 Var. 1
VwGO § 43
VwZVG Art. 31 Abs. 1, Abs. 3 S. 3
VwZVG Art. 36 Abs. 1 S. 2, Abs. 6 S. 2
VwZVG Art. 37 Abs. 1 S. 2
VwZVG Art. 38 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Gegen die Fälligstellung des Zwangsgelds ist die Feststellungsklage gem. § 43 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft (vgl. BayVGH, B. v. 27.9.2010 – 1 CS 10.1389 – juris). Die Feststellungsklage ist aber nicht begründet, da das mit Bescheid vom 4. März 2019 angedrohte und mit Schreiben vom 8. Oktober 2019 fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 1.400,- Euro im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Nr. 2, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG fällig geworden ist.
Nach Art. 38 Abs. 3 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) sind förmliche Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde bei der Anwendung eines Zwangsmittels insoweit zulässig, als geltend gemacht werden kann, dass diese Maßnahmen eine selbständige Rechtsverletzung darstellen. Die Fälligkeitsmitteilung zählt zur Anwendung des Zwangsmittels Zwangsgeld (vgl. Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG) (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2010 – 10 ZB 09.2097 – juris Rn. 7; B.v. 24.1.2011 – 2 ZB 10.2365 – juris Rn. 3). Gem. Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG wird ein Zwangsgeld fällig, wenn die nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG festgesetzte Pflicht nicht bis zum Ablauf der nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG bestimmten Frist erfüllt wird. Als selbstständige Rechtsverletzung im Sinn des Art. 38 Abs. 3 VwZVG kommen nur Umstände im Zusammenhang mit dem Bedingungseintritt nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG in Betracht. Von Bedeutung ist daher die Frage, ob der Betroffene die ihm auferlegte Verpflichtung rechtzeitig und vollständig oder genügend erfüllt hat. Einwendungen zur materiellen Rechtslage als Vorfrage der Fälligkeitsmitteilung sind demgegenüber wegen der Unanfechtbarkeit der Grundverfügung ausgeschlossen (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2014 – 2 ZB 13.2466 – juris Rn. 4). Anhaltspunkte für deren Unbestimmtheit oder Nichtigkeit ergeben sich nicht (vgl. BayVGH, U.v. 2.8.2001 – 2 B 97.172 – juris Rn.19).
Die nach dem Bescheid vom 11. Oktober 2018 zu erfüllende Pflicht bestand darin, eine Regelung einzubauen, die den gleichzeitigen Betrieb von Heizung und motorischer Entlüftung verhindert bzw. alternativ einen Unterdruckwächter zu installieren. Über die Mängelbeseitigung sollte eine Bestätigung des zuständigen Kaminkehrers vorgelegt werden. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung wurde dem Kläger mit Bescheid vom 4. März 2019, nach erfolglosem Ablauf der in der Grundverfügung gesetzten Frist, eine Frist von 10 Wochen nach Zustellung des Bescheids gesetzt. Die Zwangsgeldandrohung vom 4. März 2019 wurde dem Kläger gem. Art. 36 Abs. 7 Satz 1 VwZVG i.V.m. Art. 3 VwZVG am 6. März 2019 zugestellt.
Der Kläger ist der Verpflichtung nicht innerhalb dieser Frist nachgekommen, so dass das im Bescheid vom 4. März 2019 angedrohte Zwangsgeld mit Fristablauf fällig wurde. Bei der Beklagten ist keine Bestätigung des Bezirkskaminkehrers über die Mängelbeseitigung eingegangen. Der Bezirkskaminkehrer stellte im Rahmen von Wohnungsbesichtigungen am 26. September 2019 und am 28. Februar 2020 fest, dass der Mangel nicht beseitigt wurde. An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass in der mündlichen Verhandlung eine Rechnung der Firma … … vom 17. Februar 2020 vorgelegt wurde, aus der sich ergibt, dass Dienstleistungen hinsichtlich der Verlegung und dem Anschluss einer Leitung für die Abschaltung des Badlüfters in Rechnung gestellt wurden. Die Inrechnungstellung für Arbeiten im Februar 2020 zeigt gerade nicht, dass die Verpflichtung innerhalb der gesetzten Frist von 10 Wochen nach Zustellung des Bescheids vom 4. März 2019 erfüllt wurde. Die Arbeiten erfolgten vielmehr offenbar nach Ablauf der Frist. Außerdem folgt aus der Inrechnungstellung einer Maßnahme nicht, dass der Mangel behoben ist. Dies gilt erst Recht, da der Bezirkskaminkehrer noch am 5. Oktober 2021 im Rahmen einer Wohnungsbesichtigung feststellte, dass der Mangel weiterhin besteht.
2. Soweit sich die Klage gegen die erneute Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 8. Oktober 2019 wendet, ist die Klage zulässig. Insbesondere ist die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da die Zwangsgeldandrohung gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG einen aufschiebend bedingten Leistungsbescheid im Sinne des Art. 23 Abs. 1 VwZVG darstellt und gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwZVG hiergegen dieselben förmliche Rechtsbehelfe gegeben sind, die gegen den Grundverwaltungsakt zulässig sind. Die Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet, da die Zwangsgeldandrohung rechtmäßig ist und den Kläger damit nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG können Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG ist eine neue Androhung dabei erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Dies bedeutet nicht, dass ein weiteres Zwangsgeld erst dann angedroht werden darf, wenn das vorher festgesetzte Zwangsgeld beigetrieben bzw. ein Beitreibungsversuch gemacht worden ist; die Zwangsvollstreckungsbehörde muss vielmehr nur abwarten, dass das angedrohte Zwangsgeld fällig geworden und die frühere Androhung ohne Erfolg geblieben ist (BayVGH, B. v. 29.7.2002 – 20 ZB 02.1265 – juris).
Diese Voraussetzungen für eine erneute Zwangsgeldandrohung sind vorliegend gegeben, da – wie oben unter 1. ausgeführt – das mit Bescheid vom 4. März 2019 angedrohte Zwangsgeld fällig geworden ist.
Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG beträgt das Zwangsgeld mindestens 15,- Euro und höchstens 50.000,- Euro. Nach Satz 2 dieser Norm soll das Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen, wobei nach Satz 4 der Vorschrift das wirtschaftliche Interesse nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen ist.
Das Zwangsgeld soll so bemessen werden, dass der Pflichtige keinen Vorteil aus der Nichterfüllung der Anordnung ziehen kann; hierbei steht der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens (15,- Euro bis 50.000,- Euro) ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalles und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigen sind. Eine Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses ist regelmäßig nicht erforderlich (BayVGH, B.v. 16.9.2010 – 1 CS 10.1803 – juris).
Gemessen an diesen Vorgaben ist eine Zwangsgeldandrohung von 3.000,- Euro nicht zu beanstanden. Das Zwangsgeld ist, insbesondere im Hinblick auf die vorangegangenen ergebnislosen Androhungen, in keiner Weise unangemessen.
3. Die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in der Kostenrechnung entspricht den gesetzlichen Grundlagen und ist nicht zu beanstanden.
4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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