Verwaltungsrecht

Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift

Aktenzeichen  10 ZB 19.378

Datum:
6.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30447
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 3 S. 1, Art. 44 Abs. 1

 

Leitsatz

Art. 37 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG stellt die Namenswiedergabe der (handschriftlichen) Unterschrift gleich. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 25 K 17.2787 2019-02-06 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. April 2017 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, seine Anträge auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels abgelehnt, seine Abschiebung nach Tunesien angeordnet bzw. bei nicht fristgerechter Ausreise nach Haftentlassung angedroht und das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf sechs Jahre befristet wurde. Anlass der Ausweisung war eine Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht München vom 23. Januar 2017 wegen Computerbetrugs in 608 tatmehrheitlichen Fällen (Gesamtschaden 159.517,85 Euro) zu einer Jugendstrafe von drei Jahren.
Es braucht nicht weiter aufgeklärt zu werden, ob der Kläger, wie die Beklagte zuletzt vorträgt, „untergetaucht“ und der Antrag damit unzulässig geworden ist, denn der Antrag auf Zulassung der Berufung ist jedenfalls unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage abgewiesen, weil sie wegen der Versäumung der Klagefrist unzulässig sei. Ebenso hat es den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag, die Nichtigkeit des Bescheids vom 27. April 2017 festzustellen, abgelehnt. Dass der Bescheid nicht handschriftlich unterzeichnet sei, mache ihn nicht nichtig. Die Namenswiedergabe des Sachbearbeiters reiche angesichts des eindeutigen Wortlauts des Art. 37 Abs. 3 BayVwVfG aus.
Der Kläger ist hingegen der Meinung, der Ausweisungsbescheid sei gemäß Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nichtig, weil er nicht handschriftlich unterzeichnet sei. Der Verweis auf Art. 37 Abs. 3 BayVwVfG genüge nicht. Durch die fehlende handschriftliche Unterschrift könne der Kläger nicht abschließend beurteilen, ob die Regelungen des Bescheids für ihn verbindlich gelten. Vielmehr werde dadurch objektiv der Eindruck erweckt, dass der Bescheid ohne Beteiligung eines Menschen erstellt worden, vielmehr ein massenhaftes Produkt einer Maschine sei. Gerade aufgrund der einschneidenden Wirkung eines Ausweisungsbescheids gehe der Adressat jedoch berechtigterweise davon aus, dass ein solcher Bescheid zu seiner Rechtsverbindlichkeit einer Unterschrift von Menschenhand bedürfe, um zu garantieren, dass er nicht ausschließlich das Ergebnis eines vollautomatisierten Ablaufs sei. Jedenfalls handele es sich bei dem streitgegenständlichen Bescheid um einen Scheinverwaltungsakt, da er infolge einer fehlenden handschriftlichen Unterschrift der Beklagten nicht als erlassender Behörde zugerechnet werden könne. Im Übrigen sei der Bescheid auch materiell rechtswidrig.
Mit diesem Vorbringen kann der Kläger jedoch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Zweifel ziehen. Der (wegen der Versäumung der Klagefrist bestandskräftige) Bescheid der Beklagten vom 27. April 2017 ist weder nichtig noch ein Scheinverwaltungsakt.
Der streitgegenständliche Bescheid enthält am Ende das Kürzel „gez.“ und die Namenswiedergabe der erstellenden Sachbearbeiterin sowie den „Hinweis: Dieses Schreiben wurde elektronisch erstellt und enthält keine eigenhändige Unterschrift.“ Dies entspricht der Vorschrift des Art. 37 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG, wonach ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten muss. Das Gesetz stellt damit die Namenswiedergabe der (handschriftlichen) Unterschrift gleich (BVerwG, B.v. 28.3.2013 – 2 B 113.12 – juris Rn. 14 f.; OVG LSA, B.v. 24.8.2012 – 1 L 20/12 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 30.3.2011 – 6 CS 11.234 – juris Rn. 9; Stelkens in Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 99 ff.). Für Ausweisungsbescheide gilt nichts anderes (BVerwG, B.v. 5.5.1997 – 1 B 129.96, 1 VR 1.97 – juris Rn. 12).
Entspricht aber der Bescheid den gesetzlichen Bestimmungen, ist er insoweit rechtmäßig, leidet also nicht an einem (Rechts-)Fehler und kann somit schon begrifflich nicht nichtig im Sinn des Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG sein.
Die Ausführungen des Klägers, durch die fehlende handschriftliche Unterzeichnung könne er nicht beurteilen, ob der Bescheid nicht womöglich ohne Beteiligung eines Menschen durch einen automatisierten Ablauf erstellt worden ist, sind schon aufgrund des Umfangs, der sprachlichen Fassung und der konkreten und ins Einzelne gehenden Sachverhaltsdarstellung und rechtlichen Erwägungen nicht nachvollziehbar.
Ebenso wenig nachvollziehbar ist seine Meinung, es handle sich um einen Scheinverwaltungsakt. Die Terminologie ist insoweit in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich; allgemein wird darunter etwa ein Bescheid verstanden, der z.B. mangels Bekanntgabe nicht wirksam geworden ist, oder ein Dokument, das nur dem äußeren Anschein, nicht aber dem Inhalt nach einen Verwaltungsakt darstellt, wie etwa missverständlich formulierte Ankündigungs- oder Anhörungsschreiben (auch formeller Verwaltungsakt oder Nichtakt; vgl. dazu z.B. von Alemann/Scheffczyk in Bader/ Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand 1.10.2019, § 35 Rn. 41 f.; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 15 ff.; BVerwG, U.v. 23.8.2011 – 9 C 2.11 – juris Rn. 9; VGH BW, B.v. 10.7.2017 – 9 S 1253/17 – juris Rn. 12 ff.). Wenn der Kläger meint, wegen der fehlenden handschriftlichen Unterzeichnung könne der streitgegenständliche Bescheid nicht der Beklagten als erlassender Behörde zugerechnet werden, ist nicht erkennbar, worauf dies beruhen sollte. Schon aus der äußeren Form, aber auch aus dem Inhalt ergibt sich eindeutig, dass es sich um einen von der Beklagten erlassenen Verwaltungsakt handelt; aus dem Briefkopf ebenso wie aus dem Einleitungssatz zum Bescheidstenor lässt sich auch die Organisationseinheit der „erlassenden Behörde“ (Art. 37 Abs. 3 Satz 1, Art. 44 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG) entnehmen. Auch wurde der Bescheid dem Kläger im Auftrag der Beklagten förmlich zugestellt. Für die Zweifel des Klägers, „ob es sich hierbei um den letztgültigen Bescheid oder lediglich einen durch vollautomatisierte Einrichtungen erstellten Entwurf handelt, der nicht für ihn bestimmt ist“ (Begründung des Zulassungsantrags, S. 6), gibt es keinen Anlass; es konnte ihm nicht unklar sein, dass der Bescheid „mit Wissen und Wollen des Verantwortlichen in den Rechtsverkehr gelangt ist“ (so OVG LSA, B.v. 24.8.2012 – 1 L 20/12 – juris Rn. 27) und es sich nicht lediglich um einen Entwurf handelt.
Die Ausführungen zur inhaltlichen Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids sind nicht entscheidungserheblich, da dieser durch die Versäumung der Klagefrist bestandskräftig geworden ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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