Verwaltungsrecht

Fehlen identitätsprägender Glaubensüberzeugung – Iran

Aktenzeichen  M 2 K 16.34947

Datum:
11.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4
AufenthG AufenthG § 60

 

Leitsatz

1 Zum Christentum konvertierte Muslime können im Iran durch die aktive Glaubensausübung einer beachtlichen Gefahr von Verfolgungshandlungen durch den iranischen Staat oder diesem zurechenbare Akteure ausgesetzt sein, wenn sie ihren christlichen Glauben öffentlich leben. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Hinwendung des Asylsuchenden zu der angenommenen Religion muss zur vollen Überzeugung des Gerichts auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruhen. Es muss ein ernsthafter, dauerhafter und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhender Übertritt zum Christentum vorliegen; der neue Glaube muss die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägen. Hierfür reichen weder allein der formale Akt der Taufe noch die religiöse Betätigung des Asylsuchenden in Deutschland aus. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte weder Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG), noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG), noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG (hinsichtlich der Ablehnung der Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16 a GG ist der Bescheid vom 22. November 2016 bestandskräftig geworden, nachdem insoweit kein Verpflichtungsantrag gestellt wurde). Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5. des Bescheids vom 22. November 2016 und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer 6. dieses Bescheids sind rechtmäßig.
Hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sowie die Feststellung von Abschiebungsverboten, ferner hinsichtlich der Abschiebungsandrohung und der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots wird zunächst auf den Bescheid des Bundesamts vom 22. November 2016 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist wie folgt auszuführen:
1. Die Kläger sind zur Überzeugung des Gerichts nicht vorverfolgt aus dem Iran ausgereist. Eine solche Vorverfolgung ergibt sich weder aus dem Umstand, dass der Kläger zu 1) bis 1989 inhaftiert gewesen sein soll (sogleich a)), noch im Zusammenhang mit den Maßnahmen des iranischen Staates, denen der Kläger zu 1) nach seiner Freilassung bis zur Ausreise unterworfen gewesen sein soll (sogleich b)). Vor allem auch hält das Gericht das Vorbringen des Klägers zu 1), er habe wegen eines Kontakts mit einer Mutter, deren zwei Söhne hingerichtet worden waren, und deren finanzieller Unterstützung eine asylrelevante und asylerhebliche Verfolgung, Bedrohung oder Gefährdung seitens des iranischen Staates zu befürchten gehabt und sei deshalb ausgereist, für unglaubwürdig (sogleich c)).
a) Gemäß den vom Kläger zu 1) vorgelegten Übersetzungen des Schreibens der Staatsanwaltschaft … vom 23. Juli 2009 war der Kläger zu 1) wegen Zusammenarbeit mit den Volksmudschahedin und bewaffneten Aufstands zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, mit Schreiben vom 25. November 1986 dem Gefängnis von … übergeben worden und am 19. Februar 1989 aufgrund einer Generalamnestie aus dem Gefängnis entlassen worden. Aus dem Umstand sowie der Art und Weise dieser Bestrafung und Inhaftierung kann von vornherein keine asylrelevante und asylerhebliche Verfolgung, Bedrohung oder Gefährdung im Sinne der §§ 3 ff. AsylG, § 4 AsylG, § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG des Klägers zu 1) abgeleitet werden: Bei dieser Bestrafung und Inhaftierung handelt es sich um einen Sachverhalt, der bereits seit Februar 1989, mithin zum Zeitpunkt der Ausreise im Juni 2015 schon seit mehr als 26 Jahren abgeschlossen war. Nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis war der Kläger zu 1) nach eigenem Bekunden nicht mehr politisch aktiv (so sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung), er sei als junger Mensch Mitglied der Volksmudschahedin gewesen, heute denke er völlig anders (so seine Angaben beim Bundesamt), so dass insoweit keine Verfolgung, Bedrohung oder Gefährdung des Klägers zu 1) zu befürchten ist.
b) Auch im Zusammenhang mit den Überwachungsmaßnahmen seitens der iranischen Staatsorgane, denen der Kläger zu 1) nach seiner Freilassung im Februar 1989 bis zu seiner Ausreise im Juni 2015 unterworfen gewesen sein soll, kann keine asylrelevante und asylerhebliche Verfolgung, Bedrohung oder Gefährdung im Sinne der §§ 3 ff. AsylG, § 4 AsylG, § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festgestellt werden: Gemessen an den Angaben des Klägers zu 1) beim Bundesamt und gegenüber dem Gericht musste sich der Kläger zu 1) nach seiner Freilassung 1989 die ersten fünf Jahre regelmäßig melden und unterlag für zehn Jahre einem Ausreiseverbot. Auch insoweit handelt es sich um zum Zeitpunkt der Ausreise im Juni 2015 seit vielen Jahren abgeschlossene Sachverhalte. Soweit der Kläger zu 1) darüber hinaus beim Bundesamt und gegenüber dem Gericht vorgebracht hat, in der nachfolgenden Zeit bis zu seiner Ausreise 2015 habe er sich immer wieder bei den Sicherheitsorganen melden müssen – er sei angerufen worden, habe sich dann vorstellen müssen und sei befragt worden, etwa wenn etwas im Land passiert sei, bzw. er habe bei einer Vorsprache einen Termin für die nächste Vorsprache erhalten –, liegt hinsichtlich Art und Intensität dieser staatlichen Maßnahmen keine asylrelevante und asylerhebliche Verfolgung, Bedrohung oder Gefährdung vor: Derartige bloße Meldeverpflichtungen stellen insbesondere weder eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte im Sinne des § 3 a Abs. 1 AsylG, insbesondere keine diskriminierenden Maßnahmen im Sinne des § 3 a Abs. 2 Nr. 2 AsylG, noch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG oder des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, noch eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dar.
c) Der Kläger zu 1) hat hinsichtlich einer Vorverfolgung im Iran sowohl beim Bundesamt als auch gegenüber dem Gericht vorgebracht, er sei letztlich ausgereist, weil er wegen des Kontakts mit der Mutter und deren finanzieller Unterstützung eine asylrelevante und asylerhebliche Verfolgung, Bedrohung oder Gefährdung seitens des iranischen Staates befürchtet habe. Dieses Vorbringen ist bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere der Einlassung des Klägers zu 1) beim Bundesamt und gegenüber dem Gericht, zur Überzeugung des Gerichts nicht glaubwürdig. Im Einzelnen:
Der Kläger zu 1) hat in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen vorgebracht, er habe die Mutter regelmäßig besucht und ca. seit dem Jahr 2000 – zehn bis zwölf Jahre nach seiner Entlassung 1989 – mit etwa 250 € monatlich finanziell unterstützt. Etwa zwei Wochen vor seiner Ausreise im Juni 2015 sei die Mutter verhaftet worden. Etwa eine Woche nach der Verhaftung habe ein Sohn der Mutter ihn über die Verhaftung und den Grund hierfür – telefonischer Kontakt mit dem im Irak gelegenen Lager der Volksmudschahedin „Liberty“, von dem er zuvor nichts gewusst habe – informiert. Etwa eine Woche später habe er einen Anruf der iranischen Sicherheitsorgane erhalten, er solle sich zwei Tage später melden. Er sei aber nicht hingegangen. Die Mutter sei verhaftet worden und es sei der Name „Liberty“ gefallen. Er habe gewusst, dass sie einen Vorwand suchten, damit sie jene, die früher tätig gewesen seien, belangen könnten. Er habe befürchtet, verhaftet, gefoltert und gequält zu werden. Er habe zwei Tage Zeit gehabt um den Iran zu verlassen. In der Türkei habe er einen Anruf von einem Freund erhalten, sein Gartenhaus sei von den Sicherheitsbehörden durchsucht worden, nachdem er zu dem Termin nicht erschienen sei.
Dieses Vorbringen kann schon deshalb nicht überzeugen, weil der iranische Staat, wenn er im Zusammenhang mit der Verhaftung der Mutter wegen deren Kontakts mit den Volksmudschahedin tatsächlich auch des Klägers zu 1) hätte habhaft werden wollen, um ihn zu verhaften, zu foltern und zu quälen oder sonst asylerheblich und asylrelevant zu verfolgen, hierfür bis zur Ausreise des Klägers zu 1) hinreichend Zeit und Gelegenheit gehabt hätte, dies in die Tat umzusetzen. Vor allem hätten die iranischen Sicherheitsorgane den Kläger zu 1), statt diesen telefonisch zur Vorsprache zu laden und ihn dadurch letztlich nur vorzuwarnen, sogleich festnehmen können, wenn sie dies tatsächlich gewollt hätten. Den Behörden war auch bekannt, wo der Kläger zu 1) wohnte und arbeitete, wie dieser beim Bundesamt selbst vorgebracht hatte. Versteckt hatte sich der Kläger zu 1) gemessen an seinen Angaben nicht, selbst dann nicht, als er von dem Sohn der Mutter über deren Verhaftung und den Grund hierfür informiert worden sein soll.
Nicht plausibel erklären konnte der Kläger zu 1) auch, warum er den angeblichen Anruf der iranischen Sicherheitsbehörden, mit der Aufforderung vorzusprechen, so gedeutet haben will, dass er verhaftet, gefoltert und gequält werden sollte. Wie der Kläger zu 1) sowohl beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, war er über viele Jahre hinweg immer wieder regelmäßig sowie anlässlich besonderer Ereignisse von den Sicherheitsbehörden vorgeladen und befragt worden und war er diesen Vorladungen auch stets gefolgt, ohne dass es zu einer asylrelevanten und asylerheblichen Verfolgung, Bedrohung oder Gefährdung gekommen wäre. Nicht gefolgt werden kann dem Erklärungsversuch in der Klagebegründung, dem Kläger zu 1) sei bei jeder Vorsprache mitgeteilt worden, wann er wieder zu erscheinen habe, aus diesem Grund sei es für ihn sehr ungewöhnlich gewesen, dass ihn ein Anruf mit der Aufforderung vorzusprechen erreicht habe, ein Grund sei ihm nicht mitgeteilt worden, so dass er nur mutmaßen habe können, dass diese außertourliche Vorsprache mit der Verhaftung der Mutter zusammenhängen könne. Diese Darstellung widerspricht ganz offensichtlich der mehrfachen Einlassung des Klägers zu 1), er sei von den Sicherheitsbehörden über Jahre hinweg immer wieder angerufen worden, so etwa beim Bundesamt „früher haben die sich gemeldet, sie sagten: ‚Wir haben ein paar Fragen, kommen Sie.‘“ oder in der mündlichen Verhandlung „Immer, wenn die Sicherheitsbehörden etwas von mir wollten, haben sie angerufen und mir gesagt, ich solle zu dem und dem Zeitpunkt zu ihnen hingegen.“ Es kann also keine Rede davon sein, dass der Anruf für den Kläger zu 1) ungewöhnlich gewesen wäre und es sich um eine außertourliche Vorsprache gehandelt hätte. Dem Kläger zu 1) kann auch nicht geglaubt werden, bei diesem Anruf habe es sich deshalb um eine ganz andere Situation gehandelt, weil es einen konkreten Fall – die Mutter sei verhaftet und der Name „Liberty“ sei gefallen – gegeben habe: Denn die Vorladungen des Klägers zu 1) erfolgten auch in anderen Fällen anlässlich besonderer Ereignisse, wie sich etwa aus seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung „egal was im Land passiert ist, man hat uns immer befragt, vorgeladen, man hat uns gefragt, ob wir etwas damit zu tun haben“ ergibt. Wenn die iranischen Sicherheitsbehörden tatsächlich – wie der Kläger zu 1) vorbringt – einen Vorwand gesucht hätten, um ihn belangen zu können, dann hätten sie nicht bis zu der angeblichen Verhaftung der von ihm finanziell unterstützten Mutter warten müssen. Vielmehr hätten sie den Kläger zu 1) vielfach schon früher belangen können, entweder anlässlich anderer konkreter Ereignisse oder allein wegen seines Kontakts zu einer Mutter zweier hingerichteter Söhne, die er regelmäßig besucht und ca. seit dem Jahr 2000 mit etwa 250 € monatlich finanziell unterstützt haben will. Letzteres wäre den iranischen Sicherheitsbehörden über die Jahre hinweg sicherlich nicht verborgen geblieben, wenn sie tatsächlich nach einer Möglichkeit gesucht hätten, den Kläger zu 1) zu belangen.
Nicht plausibel ist auch, dass es dem Kläger zu 1) gelungen sein könnte, den Iran nur zwei Tage nach dem angeblichen Anruf zu verlassen. Der Kläger zu 1) hat in der mündlichen Verhandlung selbst vorgebracht, er habe schon länger den Wunsch gehabt, den Iran zu verlassen, zuvor habe es aber nicht funktioniert. Warum es nach dem angeblichen Anruf noch dazu in so kurzer Zeit dann plötzlich doch funktioniert haben sollte, konnte der Kläger zu 1) trotz Vorhalts nicht plausibel erklären. Allein die Notwendigkeit und der Wille zur Ausreise reichen nicht aus, es muss auch die tatsächliche Möglichkeit zur Ausreise bestehen.
Unglaubwürdig ist auch das klägerische Vorbringen hinsichtlich der angeblichen Durchsuchung durch die Sicherheitsbehörden, das der Kläger zu 1) zum Beleg dafür anführt, dass sein Furcht vor einer Verfolgung durch den iranischen Staat berechtigt gewesen sei. Das im Zusammenhang mit der angeblichen Durchsuchung stehende Vorbringen ist höchst widersprüchlich: Beim Bundesamt hatte der Kläger zu 1) zunächst angegeben, nach seiner Ausreise habe er von einem Freund erfahren, die Sicherheitsbehörden seien eines Tages „zu uns“ gekommen und hätten alle seine persönlichen Sachen mitgenommen. Im Bescheid vom 22. November 2016 hält das Bundesamt dem Kläger zu 1) diesbezüglich dann vor, seine Ehefrau habe bei ihrer Anhörung nichts von einem Besuch der Sicherheitsbehörden erwähnt, obwohl diese den Iran deutlich später verlassen habe. In der Klagebegründung vom 6. Dezember 2016 lässt der Kläger zu 1) dies dann damit erklären, seine Ehefrau habe von der Durchsuchung nichts gewusst, da die Sicherheitsbehörden das Gartenhäuschen durchsucht hätten, in dem er die letzten vier Jahre gelebt habe, und nicht das gemeinsame Wohnhaus. Dem steht allerdings schon die Einlassung der Ehefrau in der mündlichen Verhandlung entgegen, ihr Ehemann habe ihr von dem Bericht des Freundes und der Durchsuchung während des Aufenthalts in der Türkei erzählt (SP S. 21 f.), wo sich der Kläger zu 1) und seine Ehefrau etwa 45 Tage nach der Ausreise des Klägers im Juni 2015 getroffen hatten. Danach wusste die Ehefrau bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt am 18. Oktober 2016, dass die Durchsuchung (des Gartenhauses) stattfand, und hätte hierüber berichten können, was angesichts der Bedeutung dieses Ereignisses auch zu erwarten gewesen wäre. Hinzu kommt, dass der Kläger zu 1) bei seiner Anhörung durch das Bundesamt als letzten Aufenthalt bis zu seiner Ausreise ausdrücklich das gemeinsame Wohnhaus genannt hatte (Bl. 41 BA, SP S. 3). Hingegen hatte er von einem Gartenhaus, in dem er angeblich die letzten vier Jahre vor seine Ausreise gelebt haben will, nicht gesprochen. Erst recht war keine Rede davon gewesen, dass die Durchsuchung in dem Gartenhaus stattgefunden haben soll. Vielmehr hatte der Kläger zu 1) davon gesprochen, die Sicherheitsbehörden seien „zu uns“ gekommen, was eher auf das gemeinsame Wohnhaus hindeutet. Soweit der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung auf Vorhalt behauptet, er habe in der Anhörung von dem Gartenhaus und der dortigen Durchsuchung gesprochen (SP S. 3 und S. 14), lässt sich dies der Niederschrift nicht entnehmen. Der Kläger zu 1) konnte auch keinen plausiblen Grund dafür nennen, warum er in dem Gartenhaus (nicht nur gearbeitet), sondern auch gewohnt haben will: In der mündlichen Verhandlung meinte er hierzu, er habe aus Sicherheitsgründen seltener zuhause sein wollen, weil er dort ständig vom Geheimdienst aufgesucht worden sei, er habe so tun wollen, als ob sie getrennt lebten. Diese Einlassung überzeugt schon deshalb nicht, weil der Kläger zu 1) bei seiner Beschreibung der staatlichen Überwachungsmaßnahmen beim Bundesamt (Bl. 43 BA) und in der mündlichen Verhandlung (SP S. 5 ff.) nicht erwähnt hatte, dass er zuhause ständig vom Geheimdienst aufgesucht worden sei. Im Widerspruch zu dem angegeben Zweck steht zudem die andere Einlassung des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung, wenn das Gartenhaus größer gewesen wäre, dann hätte er sich gewünscht, dass seine Kinder und seine Frau auch dort gewohnt hätten (SP S. 8). Überdies ist es auch wenig plausibel, dass sich die iranischen Sicherheitsbehörden von einem solchen Vorgehen täuschen hätten lassen. Dies gilt zumal der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung (in Abweichung von der Klagebegründung) auch angegeben hatte, er sei zwei- bis dreimal die Woche nach Hause gekommen und die Ehefrau des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung erklärte, sie hätten sich gegenseitig besucht. In jedem Fall wäre bei lebensnaher Betrachtungsweise zu erwarten gewesen, dass die iranischen Sicherheitsbehörden nicht nur das Gartenhaus, sondern auch das gemeinsame Wohnhaus durchsucht hätten, weil sich die angeblich gesuchten persönlichen Sachen des Klägers zu 1) genauso gut auch in dem Wohnhaus hätten befinden können. Letzteres wäre der Klägerin zu 1) sicherlich nicht entgangen und von ihr wegen der Bedeutung des Ereignisses bei ihrer Anhörung erwähnt worden.
2. Auch die behauptete Hinwendung der Kläger zum Christentum kann der Klage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Erfolg verhelfen:
a) Zwar können im Iran gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln (vgl. etwa die Lageberichte des Auswärtigen Amts vom 9. Dezember 2015, S. 15 f., sowie vom 8. Dezember 2016, S. 10) zum Christentum konvertierte Muslime durch die aktive Glaubensausübung im konkreten Einzelfall landesweit einer beachtlichen Gefahr von Verfolgungshandlungen durch den iranischen Staat oder diesem zurechenbaren Akteuren ausgesetzt sein, jedenfalls dann, wenn sie ihren christlichen Glauben öffentlich leben, so dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 ff. AsylG) oder zumindest des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) oder zumindest die Feststellung von Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) in Betracht kommen kann (vgl. hierzu: OVG NW, U. v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 48 ff.; HessVGH, U. v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – juris Rn. 34 ff.; OVG NW, B. v. 30.7.2009 – 5 A 1999/07.A – juris; SächsOVG, U. v. 3.4.2008 – A 2 B 36/06 – juris Rn. 34 ff.; BayVGH, U. v. 23.10.2007 – 14 B 06.30315 – juris Rn. 20 f.).
Die Annahme einer solchen Verfolgungsgefährdung setzt im konkreten Einzelfall allerdings voraus, dass die vorgetragene Hinwendung des Asylsuchenden zu der angenommenen Religion zur vollen Überzeugung des Gerichts auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zum Christentum vorliegt und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Hierzu gehört auch, aber nicht nur, dass dem Konvertiten die wesentlichen Grundelemente seiner neuen Religion vertraut sind, wobei seine Persönlichkeit und seine intellektuellen Fähigkeiten zu berücksichtigten sind. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe genügt nicht. Das Gericht ist auch nicht an die Beurteilung des Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden, der Taufe des Betroffenen liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zugrunde. Eine beachtliche Verfolgungsgefährdung lässt sich ferner auch nicht allein daraus ableiten, dass sich der Asylsuchende in Deutschland religiös betätigt hat, selbst wenn dies öffentlich (z.B. im Internet) bekannt geworden ist. Das Gericht muss vielmehr die volle Überzeugung gewinnen, dass der Asylsuchende die religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet. Es muss davon ausgehen können, dass der Asylsuchende seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht hat, dass es ihm ein tief empfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Fall der Rückkehr in das Herkunftsland ungehindert leben zu können. Hingegen ist nicht zu erwarten, dass ein Asylsuchender nach der Rückkehr in sein Herkunftsland eine Religion aktiv lebt, die er in seinem Zufluchtsland nur vorgeblich, oberflächlich oder aus asyltaktischen Gründen angenommen hat (zum Ganzen: BVerwG, B. v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris Rn. 9 ff. m.w.N.; BayVGH, B. v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – juris Rn. 7 ff., 12, B. v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris Rn. 5 ff. m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 10.2.2017 – 13 A 2648/16.A – juris Rn. 11 f., B. v. 27.4.2015 – 13 A 440/15.A – juris Rn. 10 ff. m.w.N., B. v. 24.5.2013 – 5 A 1062/12.A – juris Rn. 8 ff. m.w.N.; U. v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 37 ff. m.w.N; OVG Lüneburg, B. v. 16.9.2014 – 13 LA 93/14 – juris Rn. 4 ff. m.w.N.; VGH BW, B. v. 23.4.2014 – A 3 S 269/14 – juris Rn. 6 m.w.N.).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist im Fall des Klägers zu 1) bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere seiner Einlassung beim Bundesamt und gegenüber dem Gericht zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die behauptete Hinwendung zum Christentum nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche die religiöse Identität des Klägers zu 1) prägte, vielmehr dass dieser Opportunitätserwägungen und asyltaktische Überlegungen zu Grunde liegen. Im Einzelnen:
Der Kläger zu 1) konnte trotz zahlreicher Anstoßfragen schon nicht überzeugend darlegen, dass und aufgrund welcher Erlebnisse oder sonstigen Umstände er sich dem Christentum im Sinne eines religiösen Bekenntnisses zugewandt hatte: Zwar hat er beim Bundesamt und gegenüber dem Gericht vorgebracht, ungefähr fünf Jahre vor dem Verlassen des Irans – also seit ca. 2010 – das Interesse am Islam verloren zu haben und sich von diesem entfernt zu haben, ab diesem Zeitpunkt will er angeblich in der Bibel gelesen haben, auch im Koran gebe es Geschichten von Jesus, Jesus habe ihn fasziniert (Bl. 43 BA, SP S. 14 f.). Ferner will er – so sein neues Vorbringen gegenüber dem Gericht – in der Türkei mit Freunden und Zimmergenossen über das Thema Christentum gesprochen haben (Klagebegründung, SP S. 15)* Dieses oberflächliche und substanzlose Vorbringen kann indes schon im Ansatz nicht plausibel erklären, warum sich der Kläger zu 1) aufgrund einer inneren Überzeugung dem Christentum zugewandt haben will. Der Umstand, dass der Kläger zu 1) sich (negativ) vom Islam abgewandt haben will, erklärt noch nicht, warum er sich (positiv) dem Christentum zugewandt haben will. Allein der nicht näher spezifizierte Hinweis auf das angebliche Lesen in der Bibel und die angeblichen Gespräche über das Christentum macht nicht deutlich, dass und warum die Klägerin zu 1) das Christentum im Sinne eines tief empfundenen religiösen Bekenntnisses angenommen hätte. Vor allem auch hat sich der Kläger zu 1) sowohl bei der Asylantragstellung am 7. Januar 2016 als auch noch bei seiner Anhörung beim Bundesamt am 18. Oktober 2016 ausdrücklich als „konfessionslos“ bezeichnet, was er in der mündlichen Verhandlung auf Frage ausdrücklich bestätigte.
Der Kläger zu 1) hat auch nicht deutlich machen können, dass seine Taufe am 17. Dezember 2016 (siehe die Bescheinigung der Jesus-Christus-Kirche … vom 20. Dezember 2016) Ausdruck einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung war: Gefragt nach seinen Gründen und Motiven für die Taufe brachte der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung nur die angeblichen Gespräche in der Türkei mit Freunden und Zimmergenossen über das Thema Christentum vor, ferner habe er „viel gelesen“, sein Motiv sei, dass er aus „tiefster Überzeugung Christ“ sei. Dieses oberflächliche und substanzlose Vorbringen kann schon im Ansatz nicht deutlich machen, dass der Taufe des Klägers zu 1) eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung zu Grunde lag. Auch kannte der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung seinen persönlichen Taufspruch nicht, offenbar wusste er gar nicht, dass es einen solchen gibt. Auch dies spricht dagegen, dass der Kläger zu 1) seine Taufe als wichtiges, seine religiöse Identität prägendes Ereignis empfunden hat. Vor allem auch der frühe Zeitpunkt der Taufe bereits am 17. Dezember 2016 spricht für ein asyltaktisches Vorgehen des Klägers zu 1): Noch in der Anhörung am 18. Oktober 2016 hatte sich der Kläger zu 1) als „konfessionslos“ bezeichnet und angegeben, er sei noch nicht getauft, weil er sich zuerst darüber informieren und Unterrichtsstunden nehmen müsse. Gerade einmal zwei Monate später lässt sich der Kläger zu 1) taufen. Zudem lag dieser Taufe offenbar keine substantielle Taufvorbereitung zugrunde: Auf die entsprechende Frage antwortete der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung ausweichend, er sei ja ein Jahr in die Kirche gegangen, gefragt nach Kursen antwortete er wiederum ausweichend, er sei ja vorbereitet gewesen, er habe viel über das Christentum gewusst, nachdem die mit ihm gesprochen hätten, sei er einen Monat später getauft worden. Im weiteren Verlauf der Anhörung meinte er dann auf Frage der Bevollmächtigten nach Bibelunterricht, dass ihm die Bibel keiner erklärt habe. Dass sich der Kläger zu 1) als erwachsener Konvertit offenbar ohne die von ihm noch in der Anhörung am 18. Oktober 2016 selbst für notwendig gehaltenen „Unterrichtsstunden“ taufen ließ, streitet zusätzlich gegen die Annahme, die Taufe des Klägers zu 1) sei Ausdruck seiner inneren Glaubensüberzeugung.
Auch aus den Angaben des Klägers zu 1) zu seiner Glaubensbetätigung lassen sich keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung ableiten. Zwar hat der Kläger zu 1) eine Bestätigung der Pfarrerin der Jesus-Christus-Kirche … vom 7. April 2017 vorlegen lassen, wonach er regelmäßig an Gottesdiensten und Veranstaltung der Kirchengemeinde teilnehme. Dies allein reicht aber nicht aus, weil derartige Verhaltensweisen auch rein asyltaktische Überlegungen zu Grunde liegen können. Gegen eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung spricht, dass der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung die Fragen nach der Betätigung seines christlichen Glaubens im Alltag trotz zahlreicher Anstoßfragen nicht beantworten konnte. Selbst als ihn die Bevollmächtigte konkret fragte, ob er bete, ob er missioniere, ob er beichte, machte der Kläger zu 1) keinerlei Angaben zu seiner Glaubensbetätigung, vielmehr antwortete er nur, nein, er habe den Glauben neu bekommen, wie solle er da missionieren.
Massiv gegen eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung streitet das fehlende Wissen des Klägers zu 1) über den christlichen Glauben. Auf die Frage nach christlichen Glaubensinhalten und zentralen Aussagen des Christentums konnte der Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung allein den Begriff „Liebe“ nennen. Dass dieser Begriff im Christentum eine Rolle spielt, dürfte indes selbst in der muslimischen Welt zum Allgemeinwissen zu zählen sein. Jedenfalls zeugt es nicht von substantiellem Wissen des Klägers zu 1) über das Christentum, dass er selbst zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung allein diesen Begriff vorbringen konnte. Zu Unrecht meint der Kläger zu 1), es komme nicht darauf an, was er über den christlichen Glauben wisse. Wem – wie dem Kläger zu 1) – nicht einmal die wesentlichen Grundelemente seiner neuen Religion vertraut sind, bei dem kann nicht von einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung ausgegangen werden. Dieses Wissen kann, anders als der Kläger zu 1) zu meinen scheint, nicht durch das Vorbringen substanzloser Phrasen wie z.B. der Glaube komme vom „tiefsten Herzen“ oder es komme „auf die Liebe an“ ersetzt werden.
Auch sonst ist die Einlassung des Klägers zu 1) zu seinen inneren Beweggründen für die Hinwendung zum Christentum sowohl beim Bundesamt als auch gegenüber dem Gericht oberflächlich, substanzlos und phrasenhaft geblieben. Der Kläger zu 1) hat insoweit nur allgemein gehaltene Wendungen bemüht, wie z.B.: das Lesen der Bibel habe ihn „beruhigt“, in der Kirche habe man ihm „sehr viel geholfen“, er habe nach der Taufe seinen „inneren Frieden“ gefunden, es sei wie eine „Wiedergeburt“, seine Sicht habe sich „geändert“, ein Christ sei wie eine „leuchtende Kerze“, es sei eine „Herzensgeschichte“, etc.. Derart unspezifische, substanzlose und phrasenhafte Wendungen können es nicht rechtfertigen, von einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung des Klägers zu 1) im Sinne eines religiösen Bekenntnisses auszugehen.
Nach alldem ist bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die behauptete Hinwendung zum Christentum im Fall des Klägers zu 1) nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche dessen religiöse Identität prägte, vielmehr dass dieser Behauptung Opportunitätserwägungen und asyltaktische Überlegungen zu Grunde liegen.
c) Kann mithin schon bezüglich des Klägers zu 1) keine Verfolgungsgefährdung wegen der behaupteten Hinwendung zum Christentum festgestellt werden, so ist dies erst Recht hinsichtlich der minderjährigen Klägerin zu 2) ausgeschlossen. Zwar wurde auch die Klägerin zu 2) getauft. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe führt indes – wie eingangs bereits ausgeführt – nicht zu einer beachtlichen Verfolgungsgefährdung. Eine vom Kläger zu 1) auf die Klägerin zu 2) als dessen minderjährige Tochter abgeleitete Verfolgungsgefährdung scheidet schon deshalb aus, weil beim Kläger zu 1) selbst mangels identitätsprägender innerer Glaubensüberzeugung keine Verfolgungsgefährdung besteht. Auf eine eigenständige Verfolgungsgefährdung der Klägerin zu 2) hindeutende Umstände wurden nicht vorgetragen – weder beim Bundesamt, noch in der Klagebegründung, noch in der mündlichen Verhandlung, zu der die Klägerin zu 2) nicht erschien –, auch sonst sind solche Umstände nicht ersichtlich geworden.
Die gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfreie Klage war nach alldem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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