Verwaltungsrecht

Fehlende Antragsbefugnis für Klage gegen Maskenpflicht

Aktenzeichen  M 26b S 20.5573

Datum:
16.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32661
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
8. BayIfSMV § 24 Abs. 1 Nr. 1
IfSG § 16 Abs. 8, § 28 Abs. 1, Abs. 3
VwGO § 42 Abs. 2, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen des Landkreises München sowie der Landeshauptstadt München anlässlich der Corona-Pandemie.
Am 20. Oktober 2020 erließ der Antragsgegner zu 2 zum Schutz gegen die Ausbreitung des Corona-Virus eine Allgemeinverfügung betreffend Schutzmaßnahmen für den Landkreis München wegen erhöhter Infektionszahlen, Maskenpflicht auf stark frequentierten öffentlichen Plätzen (Az. 4.3.2-530 / Corona). In Nr. 1 dieser Allgemeinverfügung wurde eine Maskenpflicht auf näher bezeichneten öffentlichen Plätzen im Landkreis München verfügt. Die Allgemeinverfügung trat am 21. Oktober 2020 um 15 Uhr in Kraft.
Am 23. Oktober 2020 erließ die Antragsgegnerin zu 1 in Vollzug des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) und der Siebten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (7. BayIfSMV) eine Allgemeinverfügung betreffend stark frequentierte öffentliche Plätze der Landeshauptstadt München. In Nr. 2 dieser Allgemeinverfügung wurde eine Maskenpflicht auf näher bezeichnete Straßen und Plätzen im Innenstadtbereich verfügt. Die Allgemeinverfügung trat am 23. Oktober 2020 um 20 Uhr in Kraft und galt bis 2. November 2020 19:59 Uhr.
Am 2. November 2020 erließ die Antragsgegnerin zu 1 in Vollzug des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) und der Achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (8. BayIfSMV) eine Allgemeinverfügung betreffend stark frequentierte öffentliche Plätze der Landeshauptstadt München. In Nr. 2 dieser Allgemeinverfügung wird eine Maskenpflicht auf näher bezeichnete Straßen und Plätzen im Innenstadtbereich verfügt. Die Allgemeinverfügung trat am 2. November 2020 um 20 Uhr in Kraft.
Mit Schreiben vom 2. November 2020 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Sie beantragt
eine sofortige Aussetzung aller Maßnahmen betreffend ihre Person.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Landrat des Landkreises München sowie der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München die Grundrechte der Antragstellerin ohne hinreichende Grundlage des parlamentarischen Gesetzgebers einschränkten. Die verfügten Maßnahmen wie etwa das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in der Öffentlichkeit und in öffentlichen Gebäuden stellten sich als Rechtsbeugung und Amtsmissbrauch dar und würden unter anderem gegen Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen.
Mit Schreiben vom 3. November 2020 erklärte sich der Antragsgegner zu 2 angesichts des Wohnorts der Antragstellerin in der Stadt München für unzuständig.
Mit Schreiben vom 4. November 2020 beantragt die Antragsgegnerin zu 1,
den Antrag abzulehnen.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag, der sich gegen den Landrat des Landkreises München sowie den Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München und die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung wendet, ist nach §§ 122 Abs. 1, 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Anfechtungsklage gegen Nr. 2 der Allgemeinverfügung vom 2. November 2020 der Antragsgegnerin zu 1 sowie gegen Nr. 1 der Allgemeinverfügung vom 20. Oktober 2020 des Antragsgegners zu 2 auszulegen. Dass die Allgemeinverfügung vom 2. November 2020 der Antragsgegnerin zu 1 zum Zeitpunkt des Abfassens sowie des Versands der Antragsschrift noch nicht existierte, ist unschädlich; aus dem Vortrag der Antragstellerin ist ersichtlich, dass sie sich gegen die ihre Person aktuell einschränkende Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung wendet, wie sie auch über den 2. November 2020, 20 Uhr, hinaus fortbesteht.
Soweit sich die Antragstellerin auch gegen eine Maskenpflicht in öffentlichen Gebäuden wendet, kommt dem bei sachgerechter Auslegung des Begehrens keine eigenständige Bedeutung zu, da sich die Antragstellerin ausdrücklich gegen Maßnahmen des Landkreises München, vertreten durch den Landrat, sowie der Landeshauptstadt München, vertreten durch den Oberbürgermeister, wendet, während die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in öffentlichen Gebäuden aus § 24 Abs. 1 Nr. 1 Achte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (8. BayIfSMV) vom 30. Oktober 2020 (BayMBl. Nr. 616) resultiert, die vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlassen wurde und gegen die Rechtsschutz im Wege der Normenkontrolle beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu suchen wäre.
Soweit die Antragstellerin allgemein auf (verwaltungsrechtliche) Maßnahmen des Landkreises München respektive der Landeshauptstadt München abstellt, kommt dem ebenfalls keine eigenständige Bedeutung zu. Ein hinreichend bestimmtes Rechtsschutzziel ist insoweit nicht zu erkennen. Vielmehr unterstreicht die Antragstellerin damit ihre Unzufriedenheit mit der Vorgehensweise der Antragsgegner bei der Bewältigung der Corona-Pandemie.
2. Der so verstandene Antrag hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig.
a) Der gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da Anfechtungsklagen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 28 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 16 Abs. 8 IfSG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt.
b) Der Antrag ist jedoch unzulässig, da es an der erforderlichen Antragsbefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog, fehlt.
Nach § 42 Abs. 2 VwGO, der auf Anträge nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog anzuwenden ist (vgl. BVerwG, LKV 1996, S. 246), ist es erforderlich, dass die Antragstellerin geltend macht, durch den Verwaltungsakt in ihren Rechten verletzt zu sein. Zur Geltendmachung ist in tatsächlicher Hinsicht erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Antragstellerin Tatsachen vorträgt, die es denkbar und möglich erscheinen lassen, dass sie durch den Verwaltungsakt in einer eigenen rechtlich geschützten Position beeinträchtigt ist (BVerwG, B. v. 21.7.2014 – 3 B 70/13 – NVwZ 2014, S. 1675, 1676). Erforderlich sind primär Ausführungen in tatsächlicher Hinsicht, warum, wodurch und in welchen Rechten sich die Antragstellerin betroffen fühlt (Eyermann/Happ, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 113), mithin ein hinreichend substantiierter Tatsachenvortrag (VG München, B. v. 29.10.2020 – M 26a S 20.5372 – Rn. 55 und 57; Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung 15. Auflage 2019, § 42 Rn. 74; Heusch, Anmerkung zu BVerwG, B. v. 21.7.2014 – 3 B 70/13, S. 1675, 1677; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 42 Rn. 175).
aa) Soweit die Antragstellerin behauptet, durch die aufgrund von Nr. 1 der Allgemeinverfügung vom 20. Oktober 2020 des Antragsgegners zu 2 bestehende Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in ihren Rechten verletzt zu sein, ist eine Antragsbefugnis nicht gegeben. Es ist in tatsächlicher Hinsicht nichts vorgetragen, das darauf schließen lässt, dass die Antragstellerin, die ausweislich ihrer Anschrift in der Stadt A* … wohnt, durch die mittels der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung verfügte Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf nur acht öffentlichen Plätzen in lediglich sechs von insgesamt 29 Gemeinden im Landkreis München möglicherweise in ihren Rechten verletzt wird. Die Antragstellerin hat bereits nicht vorgetragen, dass sie in absehbarer Zeit gerade die betroffenen Plätze aufsuchen wird.
bb) Soweit sich die Antragstellerin gegen die Allgemeinverfügung vom 2. November 2020 der Antragsgegnerin zu 1 wendet, ist eine Antragsbefugnis ebenfalls zu verneinen, da die Antragstellerin keinerlei Tatsachen vorträgt, die auf eine mögliche Betroffenheit durch die durch Allgemeinverfügung vom 2. November 2020 der Antragsgegnerin zu 1 verfügte Verpflichtung zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen schließen lassen.
Zu keiner anderen Bewertung führt die Tatsache, dass die Antragstellerin ausweislich ihrer Anschrift ihren Wohnort in A* … hat. Zur Vermeidung von gesetzlich nicht vorgesehenen Popularklagen sowie um der Antragsbefugnis als eigenständiger Zulässigkeitsvoraussetzung wie gesetzlich vorgesehen einen die Zulässigkeit von Klagen reglementierenden Anwendungsbereich zukommen zu lassen, kann auf das Erfordernis, dass in hinreichend substantiierter Form Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ergibt, nicht verzichtet werden.
Dabei wäre die Antragsbefugnis selbst dann zu verneinen, wenn man mit Blick auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), in Fällen, in denen eine mögliche Rechtsverletzung evident ist, eine Ausnahme vom Erfordernis, Tatsachen vorzutragen, für geboten halten würde, da ein derartiger Fall hier nicht vorliegt. Die Antragstellerin wohnt im Osten A* … und somit mehrere Kilometer entfernt von den von der Verfügung betroffenen Plätzen. Zudem ist die 8. BayIfSMV, der die Allgemeinverfügung vom 2. November 2020 Rechnung trägt, bis 30. November 2020 befristet. Berücksichtigt man weiterhin, dass das öffentliche Leben anlässlich der 8. BayIfSMV deutlich eingeschränkt und somit die Attraktivität der Innenstadt deutlich reduziert ist, und dass es in der Großstadt A* … eine Vielzahl von Einkaufsmöglichkeiten gibt, die die Antragstellerin potentiell aufsuchen kann, kann eine mögliche Betroffenheit der Antragstellerin auch nicht ausnahmsweise trotz fehlenden Tatsachenvortrags aufgrund evidenter Umstände angenommen werden.
Im Übrigen wäre der Antrag jedenfalls unbegründet. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Maskenpflicht auf stark frequentierten öffentlichen Plätzen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht beanstandet (BayVGH, B.v. 10.11.2020 – 20 NE 20.2477 – Rn. 26 noch nicht veröffentlicht).
Der Antrag ist daher abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes GKG) i. V. m. Nrn. 1.1.1, 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013.


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