Verwaltungsrecht

Fehlende Darlegung eines Zulassungsgrundes

Aktenzeichen  20 ZB 17.30078

Datum:
27.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 105246
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3, Abs. 4 S. 1
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1, § 108 Abs. 1 S. 1, § 138

 

Leitsatz

1. Die Geltendmachung eines Fehlers in der Sachverhaltswürdigung iSd § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO zielt auf einen materiell-rechtlichen Mangel und damit auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung ab, die im Asylprozess nicht zur Zulassung der Berufung führen können. (redaktioneller Leitsatz)
2. § 78 Abs. 3 AsylG enthält eine abschließende Aufzählung der Berufungszulassungsgründe in Streitigkeiten nach dem AsylG und stellt gegenüber dem allgemeinen Katalog der Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO eine vorrangige Spezialregelung dar. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 2 K 16.31145 2016-12-01 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 1. Dezember 2016 (Az.: AN 2 K 16.31145) zuzulassen, ist abzulehnen, weil der Kläger innerhalb der Monatsfrist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG keinen Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 AsylG dargelegt hat (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) und ein solcher auch nicht vorliegt.
1. Soweit der Kläger geltend macht, das erstinstanzliche Gericht habe den Sachverhalt nicht vollumfänglich erfasst, weil die vorgetragene Auseinandersetzung mit dem Sohn eines Polizeipräsidenten stattgefunden habe und dieser der Veranlasser der Gewalttätigkeiten gegen den Kläger gewesen sei, greift er die Sachverhaltswürdigung des Gerichtes an (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eine unzureichende Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials wäre ein Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Derartige Fehler sind aber nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen. Das gilt auch für den Asylrechtsstreit. Denn ein Fehler bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung betrifft – ebenso wie etwa eine unrichtige Gesetzesauslegung – den inneren Vorgang der richterlichen Rechtsfindung, nicht den äußeren Verfahrensgang (BVerwG, B.v. 2.11.1995 – 9 B 710.94 – NVwZ-RR 1996, 359, juris Rn. 4 ff.; B.v. 26.1.2006 – 9 B 22.05 – juris).
Damit macht der Kläger der Sache nach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geltend. Diese stellen jedoch keinen Zulassungsgrund im Asylprozess dar (Seeger in Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Stand 1.11.2016, Rn. 17 zu § 78 AsylG). § 78 Abs. 3 AsylG enthält eine abschließende Aufzählung der Gründe, aufgrund derer in Streitigkeiten nach dem AsylG die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen ist. Die Vorschrift weicht erheblich von dem allgemeinen Katalog der Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO ab und stellt diesem gegenüber eine vorrangige Spezialregelung dar mit der Folge, dass ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 124 Abs. 2 VwGO auch nicht ergänzend zulässig ist (Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, Rn. 25 vor § 124, Rn. 63 zu § 124; Berlit in Fritz/Vormeier, GK-AsylVfG, Rn. 64 zu § 78). In Betracht kommen im Asylprozess daher nur die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG), der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) sowie der Geltendmachung und des Vorliegens eines Verfahrensmangels, der zu einem absoluten Revisionsgrund nach § 138 VwGO führt (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG).
2. Dies gilt auch für den Vortrag, dass in der Zwischenzeit auch der Bruder des Klägers angegriffen worden sei, um am Kläger Rache zu nehmen. Denn dieser Vortrag kann nur so verstanden werden, dass die erstinstanzliche Entscheidung sich nach der Rechtsauffassung des Klägers wegen nachträglich eingetretener Tatsachen als unrichtig erweist. Insoweit ist zusätzlich auf § 77 Abs. 1 AsylG hinzuweisen.
3. Der Kläger macht des Weiteren geltend, dass der Grund für die genannten Übergriffe auf ihn vom Verwaltungsgericht nicht erforscht worden sei. Damit macht er der Sache nach einen Verstoß gegen die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und damit einen Verfahrensfehler geltend, jedenfalls soweit der gerügte Fehler seinen Schwerpunkt im Bereich der Tatsachenfeststellung haben soll, etwa weil wesentlicher Prozessstoff in tatsächlicher Hinsicht ungewürdigt geblieben sei (vgl. BVerfG, B.v. 23.1.1991 – 2 BvR 902/85, 515/89, 1827/89 – NVwZ 1991, 768, juris Rn. 31; offen gelassen BVerwG, B.v. 2.11.1995 – 9 B 710.94 – juris). Es handelt sich dabei jedoch nicht um einen Verfahrensfehler, der zu einem absoluten Revisionsgrund i.S.d. § 138 VwGO und damit zu einem Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG führt (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider/Bier a.a.O., Rn. 62 zu § 124).
Soweit damit (zusätzlich) auch ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs geltend gemacht werden sollte, fehlt es ebenfalls an einer ausreichenden Darlegung. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht allein dadurch verletzt, dass das Gericht zu einer möglicherweise unrichtigen Tatsachenfeststellung im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Sammlung, Feststellung und Bewertung der vorgetragenen Tatsachen gekommen ist (BVerfG, B.v. 4.4.1991 – 2 BvR 1497/90 – juris Rn. 10). Vielmehr hat der Kläger darzulegen, dass der genannte Umstand für das Verwaltungsgericht von dessen Rechtsstandpunkt aus betrachtet entscheidungserheblich gewesen wäre (st.Rspr., z.B. BVerwG, B.v. 5.1.2007 – 1 B 59.06 – juris Rn. 13). Das Verwaltungsgericht führt in seinen Entscheidungsgründen (UA S. 5) aus, dass dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen sei, weil er keines der als Verfolgungsgründe in Frage kommenden Anknüpfungsmerkmale (§ 3b Abs. 1 AsylG) erfülle und ihm von seinen Verfolgern auch kein solches zugeschrieben werde. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass eine weitere Sachverhaltsaufklärung einen solchen in § 3b Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgrund zu Tage gefördert hätte. Sein pauschaler Verweis auf seine Beziehung mit der Tochter des Polizeipräsidenten genügt hierzu ersichtlich nicht. Auch unter dem Gesichtspunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG ist nicht erkennbar, dass die Hintergründe des vorgetragenen Überfalls für das Verwaltungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus entscheidungserheblich und deshalb weiter aufklärungsbedürftig gewesen wären. Denn das Gericht verneint bereits das Vorliegen eines innerstaatlichen Konfliktes i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG in der Herkunftsregion des Klägers (UA S. 6), sodass es aus seiner Sicht auf individuelle personenbezogene Merkmale nicht ankam.
Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen darüber hinaus auch Fehler der Sachverhaltswürdigung i.S.d. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend macht, so zielt dies, wie ausgeführt, auf einen materiell-rechtlichen Mangel und damit auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung ab, die jedoch im Asylprozess nicht zur Zulassung der Berufung führen können (vgl. oben 1.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83b AsylG.
Der Gegenstandswert folgt aus § 30 Abs. 1 RVG.
Mit der Ablehnung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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