Verwaltungsrecht

Fehlende Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs im beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren

Aktenzeichen  W 1 E 19.489

Datum:
17.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 9990
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2
BeamtStG § 9

 

Leitsatz

1 Eine Auswahlentscheidung vermag auch dann die Rechtsstellung eines Antragstellers zu beeinträchtigen und einstweiligen Rechtsschutz erforderlich zu machen, wenn sie eine Vorauswahl für die Vergabe eines höheren Statusamtes trifft. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Nur wenn die Verwendung auf dem in Rede stehenden Dienstposten dem ausgewählten Bewerber gerade im Verhältnis zum Rechtssuchenden zukünftig einen Vorteil vermitteln könnte, ist es gerechtfertigt, mit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Besetzung des Dienstpostens zu unterbinden (Anschluss an VGH Mannheim BeckRS 2015, 55388). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Diese trägt der Beigeladene selbst.
III. Der Streitwert wird auf 13.475,73 EUR festgesetzt.

Gründe

1. Der Antragsteller hat bereits keinen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Dieser würde voraussetzen, dass er in einem nach den Auswahlgrundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG – Eignung, Befähigung und fachliche Leistung – durchzuführenden Stellenbesetzungsverfahren wegen möglicher Fehler in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt sein könnte, seine Auswahl bei einer Verfahrenswiederholung möglich erscheint und dass deshalb zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eine vorläufige Entscheidung erforderlich wäre.
Grundlegende Voraussetzung für das Vorliegen eines Bewerbungsverfahrensanspruchs ist, dass es sich aus der Sicht des potentiellen Bewerbers um die Vergabe eines Dienstpostens in der Weise handeln muss, dass entweder mit der Übertragung des Dienstpostens unmittelbar eine Beförderung (Ernennung in ein bestimmtes statusrechtliches Amt) verbunden ist oder dass der Dienstposten als „Beförderungsdienstposten“ oder „Bewährungsdienstposten“ (vgl. zum Letzteren VGH Mannheim, B.v. 16.10.2007, Az.: 4 S 2020/07 – juris) zunächst nach den Grundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG im Wege der Unterbesetzung zur Probe übertragen wird, wobei der ausgewählte Bewerber später – ohne weiteres Auswahlverfahren – befördert werden soll. Der Grund für das Bestehen eines Bewerbungsverfahrensanspruchs auch für die zweite der beiden Varianten („Beförderungsdienstposten“ oder „Bewährungsdienstposten“) ergibt sich daraus, dass die Entscheidung über eine Beförderung bereits an die Vergabe des Dienstpostens gekoppelt ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2009 – 3 CE 09.1662 – juris; B.v. 17.6.2008, Az.: 3 CE 08.884 – juris; BVerwG U.v. 25.11.2004 Az. 2 C 17.03 – juris).
Beide genannten Konstellationen sind vorliegend nicht einschlägig. Sowohl der Stellenausschreibung als auch dem Auswahlvermerk der Antragsgegnerin vom 08.04.2019 ist klar zu entnehmen, dass mit der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle eines Einzugsstellenprüfers lediglich eine Dienstpostenvergabe erfolgen soll, ohne dass dies unmittelbar oder nach einer erfolgreichen Erprobung in zeitlicher Nähe zu einer Beförderung nach A 12 führen würde.
Eine Auswahlentscheidung vermag jedoch auch dann die Rechtsstellung eines Antragstellers zu beeinträchtigen und einstweiligen Rechtsschutz erforderlich zu machen, wenn sie eine Vorauswahl für die Vergabe eines höheren Statusamtes trifft. Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Die Verbindlichkeit dieses verfassungsunmittelbar angeordneten Maßstabs gilt nicht nur für die unmittelbare Vergabe eines Amtes im statusrechtlichen Sinne, sondern auch für vorgelagerte Auswahlentscheidungen, durch die eine zwingende Voraussetzung für die nachfolgende Ämtervergabe vermittelt und die Auswahl für die Ämtervergabe damit vorweggenommen oder vorbestimmt wird (vgl. BVerwG, B.v. 1.3.2018 – 1 WB 40/17 – juris; B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1/13 – juris).
Entsprechend vorstehenden Ausführungen ist es nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragstellers für eine Beförderung nach A 12 bei der Antragsgegnerin zwar erforderlich, einen entsprechend dieser Besoldungsgruppe bewerteten Dienstposten innezuhaben, was beim Antragsteller aktuell nicht der Fall ist; ebenso schafft die Übertragung des (auch) nach A 12 bewerteten streitgegenständlichen Dienstpostens die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine spätere Beförderung, indem auf diesem die notwendige Bewährung (vgl. Art. 16 Abs. 5 Satz 1 LlbG) möglich ist. Jedoch kann der Beigeladene in der vorliegenden spezifischen Fallkonstellation keinen Vorsprung bzw. sonstigen Vorteil gegenüber dem Antragsteller erlangen. Denn ein Grund für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes für einen nicht zum Zuge gekommenen Bewerber um einen Dienstposten liegt nur dann vor, wenn überhaupt die Möglichkeit einer zukünftigen Konkurrenz um eine Beförderung zwischen dem für den Dienstposten ausgewählten Bewerber und dem nicht zum Zuge gekommenen, Rechtsschutz suchenden Bewerber besteht. Nur wenn die Verwendung auf dem in Rede stehenden Dienstposten dem ausgewählten Bewerber gerade im Verhältnis zum Rechtssuchenden zukünftig einen Vorteil vermitteln könnte, ist es gerechtfertigt, mit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Besetzung des Dienstpostens zu unterbinden (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 16.11.2015 – 4 S 1939/15 – juris). Diese Voraussetzung ist im Verhältnis zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen vorliegend nicht erfüllt, da der Beigeladene im Gegensatz zum Antragsteller bereits ein Statusamt der Besoldungsgruppe A 12 innehat und dieser daher auf dem streitgegenständlichen Dienstposten, welcher ebenfalls mit A 11/A 12 bewertet ist, sich nicht etwa den Vorteil verschaffen kann, sich als Voraussetzung für eine Beförderung nach A 12 auf diesem Dienstposten zu bewähren; auch sonstige vorwirkungsrelevante Vorteile sind nicht ersichtlich. Ein Grund für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist unter diesen Voraussetzungen nicht gegeben.
Vor diesem Hintergrund kann hier auch offenbleiben, ob die Antragsgegnerin im Antragserwiderungsschriftsatz vom 07.05.2019 (vgl. dort S. 2) eine wirksame Zusage gegenüber dem Antragsteller dahingehend abgegeben hat, die Vorwirkung der vorläufigen Dienstpostenbesetzung auf die nachfolgende Ämtervergabe zu vermeiden, oder ob es sich hierbei lediglich um die Darstellung der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, B.v. 10.5.2016 – 2 VR 2.15 – juris; B.v. 21.12.2016 – 2 VR 1/16 – juris) handelt, ohne von der Möglichkeit, im konkret vorliegenden Einzelfall eine derartige Zusage abzugeben, auch tatsächlich Gebrauch zu machen. Ebenso kann offenbleiben, ob eine Zusage vorliegend von Rechts wegen möglich wäre (vgl. BVerwG, B.v. 12.12.2017 – 2 VR 2/16 – juris, Rn. 21 ff. (26)).
2. Darüber hinaus kann der Antragsteller jedoch auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen.
Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Bestenauslesegrundsatzes zu besetzen. Die Geltung dieses Grundsatzes wird nach Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Die Vorschrift dient zum einen dem öffentlichen Interesse der bestmöglichen Besetzung des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem berechtigten Interesse des Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Mit den Begriffen Eignung, Befähigung und fachliche Leistung eröffnet Art. 33 Abs. 2 GG bei Beförderungsentscheidungen einen Beurteilungsspielraum des Dienstherrn. Dieser unterliegt schon von Verfassungs wegen einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG verleiht Beamten in diesem Rahmen das Recht, eine Auswahlentscheidung dahingehend überprüfen zu lassen, ob der Dienstherr ermessens- und beurteilungsfehlerfrei über ihre Bewerbung entschieden hat. Damit korrespondiert ein Bewerbungsverfahrensanspruch, dass die im Rahmen der Stellenbesetzung vorzunehmende Auswahlentscheidung gemäß dem Verfassungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 94 Abs. 2 BV (vgl. § 9 BeamtStG, Art. 16 Abs. 1 LlbG) nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu treffen ist (BVerfG, B.v. 11.5.2011 – 2 BvR 764/11 – juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 4.11.2010 – 2 C 16.09 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 19.02.2015 – 3 CE 15.130 – juris Rn. 20).
Gemessen an diesen Voraussetzungen wurde der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers nicht verletzt.
a) Aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG ergibt sich die Pflicht des Dienstherrn, die wesentlichen Abwägungserwägungen schriftlich niederzulegen und so eine Auswahlentscheidung transparent zu machen (vgl. BayVGH, B.v. 09.05.2014 – 3 CE 14.286 – juris Rn. 21). Nur die schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen stellt sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind; sie ist damit die verfahrensbegleitende Absicherung der Einhaltung der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG (vgl. BVerfG, B.v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07 – ZBR 2008, 169 – juris Rn. 20 bis 22). Durch die Möglichkeit des Nachschiebens der Auswahlerwägungen im gerichtlichen Verfahren wäre dagegen der gerichtliche Rechtsschutz des Betroffenen unzumutbar erschwert (BVerfG, B.v. 09.07.2007 – 2 BvR 206/07 – ZBR 2008, 169 – juris, BayVGH, B.v. 19.02.2015 – 3 CE 15.130 – juris Rn. 22).
Dieser formalen Anforderung ist die Antragsgegnerin durch den Besetzungsvermerk vom 08.04.2019 und die darin in Bezug genommene Anlage 2, welche eine Übersicht insbesondere über die erzielten Bewertungen in den beiden letzten dienstlichen Beurteilungen enthält, in ausreichender Weise nachgekommen. Durch die Antragserwiderungsschrift vom 07.05.2019 wurden die Auswahlerwägungen nochmals näher präzisiert und konkretisiert, ohne dass hierbei Gründe nachgeschoben wurden (vgl. BVerfG, B.v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07 – juris; BVerwG, B.v. 14.12.2018 – 1 WB 45/17 – juris; B.v. 24.4.2012 – 1 WB 40/11 – juris). In den genannten Dokumenten kommt klar zum Ausdruck, dass die Auswahlentscheidung – ausschließlich leistungsbezogen – anhand der in der letzten dienstlichen Beurteilung erzielten Gesamtpunktzahl (erforderlichenfalls unter Rückgriff auf die Binnendifferenzierung dieser Beurteilung – Art. 16 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LlbG – sowie die vorhergehende dienstliche Beurteilung) getroffen wurde. Zusätzlich wurden sodann unter den Bewerbern, die sich anhand des Leistungsvergleichs in der aktuellen dienstlichen Beurteilung am leistungsstärksten erwiesen haben (ab einem Gesamtprädikat von 11 Punkten), Auswahlgespräche geführt.
b) In materieller Hinsicht liegen dem Leistungsvergleich bei summarischer Prüfung vorliegend in rechtswidriger Weise erstellte dienstliche Beurteilungen sowohl des Antragstellers wie auch des Beigeladenen zugrunde, welche den Bewerberverfahrensanspruch des Antragstellers verletzen. Insoweit hat die Kammer im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers aus der Beurteilungsrunde 2015 entschieden (vgl. im Einzelnen: VG Würzburg, U.v. 13.11.2018 – W 1 K 18.321 – juris), dass sich diese Beurteilung als rechtswidrig erweist, da der Bildung des Gesamturteils der dienstlichen Beurteilung eine Gewichtung zugrunde liegt, die in unzulässiger Weise auf die Anforderungen des jeweiligen Dienstpostens abstellt und damit dem Grundsatz der Statusamtsbezogenheit dienstlicher Beurteilungen widerspricht, da das Gesamturteil ansonsten seine zentrale Funktion, maßgebliches Kriterium im Rahmen eines Auswahlverfahrens zur Vergabe eines Beförderungsamtes zu sein, nicht erfüllen kann (vgl. BVerwG, U.v. 1.3.2018 – 2 A 10/17 – juris; BayVGH, B.v. 29.10.2018 – 6 CE 18.1868; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 26.7.2018 – OVG 10 N 35.16 – juris). Desweiteren sind die für die Bildung des Gesamturteils wesentlichen Gründe entgegen Art. 59 Abs. 2 Satz 2 LlbG nicht in den ergänzenden Bemerkungen dargelegt worden. Die Begründung des Gesamturteils muss jedoch bereits in der dienstlichen Beurteilung selbst erfolgen; es genügt demgegenüber nicht, das Gesamturteil nachträglich zu plausibilisieren (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.2015 – 2 C 27/14 – juris; U.v. 21.12.2016 – 2 VR 1/16 – juris; U.v. 1.3.2018 – 2 A 10/17 – juris; U.v. 21.12.2016 – 2 VR 1/16 – juris).
Es ist vorliegend nicht ersichtlich, dass die dienstlichen Beurteilungen der Beurteilungsrunde 2018 anhand gegenüber der Beurteilungsrunde 2015 geänderter Verfahrensgrundsätze erstellt worden wären (vgl. etwa Schreiben der Geschäftsführung vom 10.10.2017 Ziffer 8.3; Anlage 1 zum Schreiben der Geschäftsführung vom 10.10.2017, Ziffer 10; Formulierung der ergänzenden Bemerkungen in den dienstlichen Beurteilungen), zumal die Antragsgegnerin das diesbezügliche Vorbringen des Antragstellers unwidersprochen gelassen hat und die Beurteilungen vor Ergehen des o.g. Urteils des VG Würzburg vom 13.11.2018, in welchem die genannten Punkte bemängelt wurden, erstellt wurden. Darüber hinaus sind die tragenden Einzelmerkmale, denen die Antragsgegnerin für die Bildung des Gesamturteils besondere Bedeutung beimisst, vorliegend beim Antragsteller andere (Quantität, Qualität, Fachkenntnisse) als beim Beigeladenen (Qualität, Zusammenarbeit mit Vorgesetzten, Führungserfolg, Fachkenntnisse, zielorientiertes Verhandlungsgeschick). Schließlich weisen die dienstlichen Beurteilungen von Antragsteller und Beigeladenem jeweils kein einheitliches Beurteilungsbild in den Einzelbewertungen auf, sodass bei diesen beiden Beurteilungen eine Begründung für das Gesamturteil nicht ausnahmsweise entbehrlich erscheint, da sich die vergebene Gesamtbewertung nicht – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null – geradezu aufdrängt (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.2015 – 2 C 27/14 – juris; U.v. 21.12.2016 – 2 VR 1/16; U.v. 1.3.2018 – 2 A 10/17 – jeweils juris).
c) Wird das subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, folgt daraus, dass der unterlegene Beamte eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen kann, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, d.h. wenn seine Auswahl möglich erscheint, wobei die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, B.v. 24.9.2002 – 2 BvR 857/02 – juris). Umgekehrt reicht eine nur theoretische Chance des erfolglosen Bewerbers, die grundsätzlich immer gegeben sein kann, nicht aus. Die Beurteilung, ob die Auswahl möglich erscheint oder aber vollkommen ausgeschlossen ist, setzt eine wertende Betrachtung der Umstände des Einzelfalls voraus (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 22.2.2019 – OVG 10 S 59.18 – juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht vorliegend im Falle der fehlerfreien Wiederholung des Auswahlverfahrens nach Überzeugung der Kammer lediglich eine theoretische Chance für den Antragsteller, sodann tatsächlich ausgewählt zu werden. Für die Annahme, dass die Aussichten, in einem weiteren Verfahren ausgewählt zu werden, offen sind, ist vorliegend nichts objektiv Greifbares ersichtlich. Es ist hier vielmehr insbesondere der deutliche Leistungsvorsprung des Beigeladenen gegenüber dem Antragsteller von 2 Punkten im Gesamturteil der maßgeblichen dienstlichen Beurteilung 2018 in Betracht zu ziehen (Antragsteller: 9 Punkte, Beigeladener: 11 Punkte). Darüber hinaus ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Beigeladene diese Punktzahl in einem höheren Statusamt (A 12) als der Antragsteller (A 11) erzielt hat. Diesbezüglich ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, anerkannt, dass mit einem höheren Statusamt die Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben verbunden ist, die im Allgemeinen gegenüber einem niedrigeren Statusamt gesteigerte Anforderungen beinhalten und mit einem größeren Maß an Verantwortung verbunden sind, weshalb davon auszugehen ist, dass bei gleicher Notenstufe die Beurteilung eines Beamten im höheren Statusamt grundsätzlich besser ist als diejenige eines für ein niedrigeres Statusamt beurteilten Konkurrenten (vgl. BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1/13 – juris). Dass die Antragsgegnerin mit vorstehender Begründung (über die Ausführungen unter b) hinaus) erneut gegen den Grundsatz der Statusamtsbezogenheit der Beurteilung verstoßen hätte, erschließt sich entgegen dem Antragstellervorbringen nicht, da die Antragsgegnerin mit den im Antragserwiderungsschriftsatz sowie im Widerspruchsbescheid in Bezug genommenen gesteigerten Anforderungen und dem größeren Maß an Verantwortung allein das Statusamt in den Blick genommen hat.
Hat der Beigeladene demzufolge einen erheblichen Leistungsvorspruch, so handelt es sich demgegenüber bei dem Verstoß gegen Art. 59 Abs. 2 Satz 2 LlbG lediglich um einen zwar zu beachtenden, jedoch lediglich formalen Begründungsmangel, dessen Behebung nach Überzeugung der Kammer den zuvor skizzierten erheblichen Leistungsvorsprung nicht wettzumachen vermag. Dasselbe gilt auch für den weiteren Beurteilungsfehler, dass bei der Bildung des Gesamturteils eine Gewichtung zugrunde gelegt wurde, die in unzulässiger Weise – in Form jeweils abweichender tragender Merkmale – auf die Anforderungen des Dienstpostens abstellt anstatt auf das Statusamt. Denn der Beigeladene hat im Bereich der Einzelmerkmale, die – mangels anderer Anhaltspunkte – korrekt statusamtsbezogen bewertet wurden (vgl. insoweit VG Würzburg, U.v. 13.11.2018 – W 1 K 18.321 – juris, Rn. 27), in einem höheren Statusamt ein erheblich besseres Beurteilungsniveau erreicht (2 × 4 Punkte besser, 4 x 3 Punkte besser, 5 × 2 Punkte besser und 2 x 1 Punkt). Ein Leistungsunterschied von solchem Gewicht lässt sich auch nicht dadurch aufholen, dass die tragenden Merkmale bei der Bildung des Gesamturteils – neben 2 bei Antragsteller und Beigeladenem einheitlich verwendeten tragenden Merkmalen (Qualität und Fachkenntnisse) – bei lediglich einzelnen Merkmalen fehlerhaft dienstpostenbezogen voneinander abweichen (beim Antragsteller zusätzlich zu den vorstehend benannten beiden Merkmalen: Quantität und beim Beigeladenen zusätzlich: Zusammenarbeit mit Kollegen und Vorgesetzten, Führungserfolg und zielorientiertes Verhandlungsgeschick). Gleich welche Merkmale die Antragsgegnerin jedoch einheitlich statusamtsbezogen als prägend ansehen würde, ist der Antragsteller angesichts des Bewertungsniveaus aller seiner Einzelmerkmale augenscheinlich nicht in der Lage, den Beurteilungsrückstand aufholen; vielmehr stehen seiner Auswahl entsprechend vorstehender Ausführungen unüberwindbare Hindernisse entgegen.
Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller nicht zu den Bewerbungsgesprächen am 28.02.2019 eingeladen wurde. Denn insoweit hat die Antragsgegnerin nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass diese Gespräche nur mit denjenigen Bewerbern geführt worden seien, welche unter Berücksichtigung des Gesamtprädikats der letzten dienstlichen Beurteilung nach Leistungsgesichtspunkten in die nähere Auswahlentscheidung einbezogen worden sind. In nicht zu beanstandender Weise hat die Antragsgegnerin hierbei die Grenze bei einem Gesamtprädikat in der Beurteilung 2018 von 11 Punkten gezogen. Es handelte sich hier um ein 2-stufiges Auswahlverfahren, in dessen 2. Stufe der Antragsteller – nach einem mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang stehenden leistungsbezogenen und einheitlich angewendeten Kriterium – nicht mehr einbezogen wurde. Insofern sind vorliegend auch die Vorwürfe des Antragstellers gegen Herrn W. im Hinblick auf eine etwaige Voreingenommenheit nicht von Belang und bedürfen daher keiner näheren Erörterung, da der Antragsteller allein aufgrund seiner schlechteren dienstlichen Beurteilung nicht am weiteren Auswahlverfahren teilgenommen hat, welche bereits vor den vom Antragsteller skizzierten Ereignissen vom 14.11.2018 sowie 09.01.2019 abschließend erstellt wurde.
Das Begehren des Antragstellers war nach alledem abzulehnen.
Hinsichtlich des Anspruchs des Klägers auf Akteneinsicht im gerichtlichen Verfahren nach § 100 Abs. 1 VwGO ist Folgendes anzumerken: Für den effektiven Rechtsschutz des unterlegenen Bewerbers ist es erforderlich, aber auch genügend, dass er Einsicht in die für die konkrete angegriffene Auswahlentscheidung tragenden Erwägungen erhält, wie sie zum Beispiel in einem Auswahlvermerk zusammengefasst und dokumentiert sind, denn nur diese Gründe können die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung stützen (vgl. BVerwG, B.v. 20.11.2012 – 1 WB 4/12 – juris; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 21.3.2016 – 10 B 10215/16 – juris). Dem Antragsteller wurde der Auswahlvermerk vom 08.04.2019 samt dessen Anlage 2 (soweit der Antragsteller und der Beigeladene als Verfahrensbeteiligte Gegenstand waren) sowie die aktuelle dienstliche Beurteilung des Beigeladenen übersandt. Die in dem Auswahlvermerk genannten Anlagen 1, 3 und 4 sowie weitere vom Antragsteller erwähnte Dokumente enthalten demgegenüber keinerlei darüber hinausgehende für die Wahrnehmung effektiven Rechtsschutzes, dem allein das Akteneinsichtsrecht dient, erforderliche Unterlagen, wie dem Antragsteller auch bereits mit Schreiben des Gerichts vom 10.05.2019 mitgeteilt wurde. Damit lagen dem Antragsteller sämtliche erforderlichen Unterlagen und Informationen vor, um sich effektiv rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verschaffen zu können.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Kostenentscheidung nach § 155 Abs. 4 VwGO kommt vorliegend nicht in Betracht. Zwar hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller die begehrte Akteneinsicht nicht gewährt bzw. angesichts der Ankündigung der Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes nicht zeitnah in Aussicht gestellt, jedoch sind die Verfahrenskosten vorliegend nicht kausal durch ein diesbezügliches Verschulden der Antragsgegnerin entstanden, da der Antragsteller das Verfahren nach Erlangung der Akteneinsicht im hiesigen Eilverfahren nicht umgehend und vorbehaltlos beendet hat; vielmehr hat er eine Verfahrensbeendigung lediglich für den Fall einer konkreten Zusage der Antragsgegnerin unter bestimmten Bedingungen vage in Aussicht gestellt. Bei dieser Sachlage ist nicht davon auszugehen, dass die Verfahrenskosten allein durch das vorgerichtliche Verhalten der Antragsgegnerin entstanden sind.
Eines richterlichen Hinweises im Hinblick auf die begehrte Zusage der Antragsgegnerin (vgl. Schriftsatz vom 09.05.2019) – bedurfte es vorliegend bereits deshalb nicht, da ein Anordnungsgrund unabhängig hiervon nicht gegeben ist und der Antrag bereits deshalb abzulehnen war (vgl. oben 1.).
Da der Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 GKG (Änderung der Rechtsprechung, vgl. BayVGH, B.v. 24.10.2017 – 6 C 17.1429 – juris; B.v. 08.01.2018 – 3 CE 17.2188 – juris). Danach beträgt der Streitwert ein Viertel der für ein Kalenderjahr in dem angestrebten (funktionellen oder statusrechtlichen) Amt zu zahlenden Bezüge, ausgehend von einem funktionellen Amt der Besoldungsgruppe A 12 Stufe 9 mithin 13.475,73 EUR (3 x 4.491,91 EUR).


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