Verwaltungsrecht

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis

Aktenzeichen  M 3 E 20.5728

Datum:
26.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 49631
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG Art. 46 Abs. 1 S. 2
VwGO § 123

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Mit per Telefax übermittelten Schriftsatz vom 10. November 2020 begehrt der Antragsteller Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO gegen einen drohenden Verstoß gegen Art. 46 Abs. 1 Satz 2 BayEUG.
Zur Begründung verweist der Antragsteller auf sein an das Gymnasium K. (im Folgenden: die Schule) gerichtetes Schreiben vom 6. November 2020. In diesem Schreiben bezieht sich der Antragsteller auf einen Elternbrief der Schule vom 6. November 2020, wonach nunmehr von Seiten der Kirchen die Möglichkeit bestehe, einen temporär kooperativen Religionsunterricht einzurichten; dazu bedürfe es aber der Zustimmung aller betroffenen Erziehungsberechtigten und aller beteiligten Lehrkräfte. Für die kommende Woche wird eine gesonderte Information angekündigt. Der Antragsteller macht geltend, er lege Widerspruch ein. Ein kooperativer Religionsunterricht widerspreche Art. 46 Abs. 1 Satz 2 BayEUG und sei – selbst bei Zustimmung der Kirchen – rechtswidrig.
Mit Schriftsatz vom 11. November 2020 legt die Schule den Elternbrief und ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus (im Folgenden: KMS) vom 5. November 2020 (BS.4402.1/40/1) mit Anlagen vor. Die Schule habe die im KMS genannten Vorgaben für den temporär kooperativen Religions- und Ethikunterricht im Elternbrief eindeutig formuliert. Diese Vorgaben würden ausnahmslos umgesetzt. Eine Abfrage der Zustimmung aller beteiligten Gruppen sei noch nicht erfolgt, der Religions- und Ethikunterricht finde in getrennten Gruppen statt.
Mit dem Erstzustellungsschreiben hat das Gericht den Antragsteller gebeten darzulegen, aus welchen Gründen zu befürchten sei, dass die Schule gegen den Willen eines betroffenen Erziehungsberechtigten temporär kooperativen Religionsunterricht durchführen werde.
Mit weiterem Schreiben vom 11. November 2020 hat das Gericht darauf hingewiesen, dass für das Gericht derzeit nicht erkennbar sei, dass die Schule beabsichtigen würde, entgegen dem Widerspruch des Antragstellers einen „temporär kooperativen Religions- und Ethikunterricht“ abzuhalten, soweit der Antragsteller davon betroffen wäre. Der Antragsteller hat Frist zur Stellungnahme bis zum 20. November 2020 erhalten.
Mit Schreiben vom 12. November 2020 führt der Antragsteller aus, die Grundlage seiner Befürchtungen, dass an der Schule Maßnahmen gegen den Willen eines betroffenen Elternteils durchgeführt werden, sei der beigefügte Schriftverkehr mit der Schule zur Pflicht seines Sohnes, im Rahmen des Sportunterrichts eine Mund-Nasen-Schutzmaske zu tragen. Weiter verweise er auf das ebenfalls beigefügte Schreiben der Schule zur Ausrufung des Klimanotstands.
Mit Schreiben vom 13. November 2020 bemängelt der Antragsteller in Bezug auf das von der Schule vorgelegte KMS mangelnde Bestimmtheit. Weiter führt er im Wesentlichen aus, der Freistaat sei offenbar bereit und willens, aufgrund der Covid-19-Thematik und des aus dessen Sicht über dem Grundgesetz stehenden Infektionsschutzes temporär kooperativen Religionsunterricht einzuführen. Der Freistaat Bayern verstoße vorsätzlich gegen das Grundgesetz. Als sein Anliegen bezeichnet der Antragsteller die Klärung, auf welcher Grundlage sich der Verfasser des KMS ermächtige, das Grundgesetz auszuhebeln.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – bleibt ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Eine einstweilige Anordnung ergeht, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des in der Hauptsache verfolgten materiellen Anspruchs, sowie eines Anordnungsgrundes, d.h. der Dringlichkeit der einstweiligen Anordnung glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) gemacht wurde. Nimmt die begehrte einstweilige Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache sachlich und zeitlich vorweg, ist dem Antrag nur dann stattzugeben, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (BVerwG, U.v.18.4.2013 – 10 C 9/12 – juris Rn. 22).
Daran gemessen kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht.
a) Soweit es dem Antragsteller darum geht, der Schule zu untersagen, entgegen seinem Widerspruch sein Kind im Wege des „temporär kooperativen Religions- und Ethikunterrichts“ zu unterrichten, ist der Antrag wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Auch vorläufiger Rechtsschutz erfordert ein Rechtsschutzbedürfnis. Es fehlt grundsätzlich, wenn die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht erforderlich ist (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn.34).
aa) Vorliegend hat die Schule im Schriftsatz vom 11. November 2020 ausgeführt, die im KMS vom 5. November 2020 genannten Vorgaben für den „temporär kooperativen Religions- und Ethikunterricht“ ausnahmslos umsetzen zu wollen. Diese auf Seite 3 des KMS genannten Voraussetzungen (insbesondere Zustimmung aller betroffener Erziehungsberechtigter) sind auch im Elternbrief vom 6. November 2020 – soweit einschlägig – ausdrücklich aufgenommen. Vor diesem Hintergrund ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Schule beabsichtigten würde, vor Befragung des Antragstellers oder entgegen dessen ausdrücklich geäußertem Widerspruch das Kind des Antragstellers im Wege des „temporär kooperativen Religions- und Ethikunterrichts“ zu unterrichten.
bb) Aus dem vorgelegten Schriftverkehr des Antragstellers mit der Schule zur Frage der Pflicht seines Kindes, im Sportunterricht eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, ergibt sich nichts Abweichendes. Aus diesem Schriftverkehr lässt sich bereits deshalb nichts für den vorliegenden Rechtsstreit ableiten, weil die Verpflichtung eines Schülers, im Sportunterricht eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, nicht von der Zustimmung der Erziehungsberechtigten abhängig ist.
Gleiches gilt für den ebenfalls vom Antragsteller in Bezug genommenen Schriftwechsel mit der Schule zum „Klimanotstand am Gymnasium K.“. Allein die Tatsache, dass die Schule den Erziehungsberechtigten ein Schreiben zuleitet, das der Antragsteller für unpassend hält, bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Schule den Widerspruch des Antragstellers gegen den „temporär kooperativen Religions- und Ethikunterricht“ ignorieren würde.
b) Soweit der Antragsteller darüber hinaus allgemein die Frage aufwirft, ob mit dem KMS vom 5. November 2020 zum „temporär kooperativen Religions- und Ethikunterricht“ das Grundgesetz verletzt werden könne, ist eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO nicht geeignet, abstrakte Rechtsfragen verbindlich zu klären. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Vor diesem Hintergrund ist das weitergehende Anliegen des Antragstellers dahingehend auszulegen, dem Antragsgegner allgemein im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, „temporär kooperativen Religions- und Ethikunterricht“ durchzuführen.
Ein derartiger Antrag ist wegen fehlender Antragsbefugnis unzulässig. Es muss um ein subjektives Recht des Antragstellers gehen, das infolge des Handelns oder Unterlassens des Antragsgegners möglicherweise verletzt wird (§ 42 Abs. 2 VwGO, vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn.41). Eine Betroffenheit des Antragstellers in eigenen Rechten ist vorliegend möglich, soweit es um seine Rechte als Erziehungsberechtigter eines Kindes geht, das im Wege des „temporär kooperativen Religions- und Ethikunterrichts“ unterrichtet werden soll; diesbezüglich gelten die Ausführungen unter 1a). Soweit es jedoch um die Unterrichtung von anderen Schülern im Wege des „temporär kooperativen Religions- und Ethikunterrichts“ geht, ist eine Betroffenheit des Antragstellers in eigenen Rechten nicht ersichtlich.
2. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1, 2 GKG.


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