Verwaltungsrecht

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis einer Klage gegen Umverteilung

Aktenzeichen  AN 6 K 16.30155

Datum:
8.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 47 Abs. 1a
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
DVAsyl DVAsyl § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, Abs. 5
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7

 

Leitsatz

Schutzsuchende, die sich der staatlichen Gewalt durch Eintritt in sog. „Kirchenasyl“ bewusst entziehen, haben kein anerkennenswertes Rechtsschutzbedürfnis im Hinblick auf eine Klage gegen eine Umverteilungsentscheidung. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
AN 6 K 16.30155
Im Namen des Volkes
Gerichtsbescheid
In der Verwaltungsstreitsache
1. Zoran D., geb. … 1974
2. Usnija D., geb. … 1981
3. Blagoje D., geb. … 2000
4. Melisa D., geb. … 2013
zu 3 und 4:
gesetzlich vertreten durch den Vater Zoran D.
gesetzlich vertreten durch die Mutter Usnija D.
zu 1 bis 4 zuletzt wohnhaft: W.-str. …, H.
– Kläger –
zu 1 bis 4 bevollmächtigt: Rechtsanwälte … Erlangen
gegen
… vertreten durch: Regierung von … Sachgebiet Z 4 (Vertretung des öffentlichen Interesses, Prozessvertretung)
– Beklagter –
wegen Umverteilung
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 6. Kammer,
durch den Einzelrichter Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Deininger ohne mündliche Verhandlung
am 8. April 2016
folgenden Gerichtsbescheid:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger habe die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
Tatbestand:
Die Kläger sind nach ihren Angaben Staatsangehörige Serbiens bzw. Albaniens und der Volksgruppe der Roma zugehörig. Sie wenden sich gegen ihre Umverteilung in die „AE Ankunfts- und Rückführungseinrichtung II Bayern“ in Bamberg (ARE II).
Diese Umverteilung wurde mit Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 28. Januar 2016 verfügt unter Bezugnahme auf § 50 AsylG, § 8 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 DVAsyl i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 AufnG i. V. m. § 47 Abs. 1a AsylG. Die Kläger wurden zum Einzug in die Unterkunft im Erlenweg 4 in 96050 Bamberg spätestens eine Woche nach Zustellung des Bescheides verpflichtet.
Zur Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, es bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl daran, die Kläger von der Anschlussunterbringung in die zuständige Aufnahmeeinrichtung umzuverteilen und dadurch der Wohnpflicht des § 47 Abs. 1a AsylG Geltung zu verschaffen. Die Kläger fielen als Staatsangehörige des sicheren Herkunftsstaates Serbien unter die Verpflichtung nach § 47 Abs. 1a AsylG, da über ihren Asylantrag noch nicht positiv entschieden worden sei. Die ARE II in Bamberg verfüge über freie Kapazitäten. Ein etwaiges Vertrauen darauf, in der Anschlussunterbringung zu verbleiben, müsse angesichts des vorstehend dargelegten erheblichen öffentlichen Interesses zurücktreten. Gründe, die dafür sprächen, von einer Umverteilung abzusehen, seien nicht ersichtlich. Ein soziales, medizinisches und gegebenenfalls adäquates unterrichtliches Angebot sei auch im Raum der ARE II sichergestellt.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 4. Februar 2016 erhoben die Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Bayreuth mit dem Antrag,
den Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 28. Januar 2016 aufzuheben,
und beantragten darüber hinaus Anordnung der aufschiebenden Wirkung der eingelegten Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO (dortiges Az. B 3 S 16.30213, hier AN 6 S 16.30154). Zur Begründung wurde ausgeführt, für die Klägerin zu 2) sei vor dem Verwaltungsgericht Ansbach ein Klageverfahren anhängig (AN 6 K 15.31132). Es gehe in der Sache um die Feststellung eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG, da die Klägerin zu 2) unter einer erheblichen posttraumatischen Belastungsstörung leide. Auf Bescheinigungen und Gutachten des Hausarztes B. M. und der Psychiaterin Ruth E. werde Bezug genommen. Demnach leide die Antragstellerin zu 2) infolge abscheulicher Geschehnisse in ihrer Heimat an einer massiven posttraumatischen Belastungsstörung und einer hochgradigen Zwangsstörung mit zunehmend depressiver Entwicklung. Außerdem wurde Bezug genommen auf eine Stellungnahme des Sozialpädagogen, der die Familie seit langem begleite, Herrn Wolfgang K.
Nach Verweisung des Rechtsstreits durch das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 10. Februar 2016 an das Verwaltungsgericht Ansbach teilte die Regierung von Oberfranken mit, aus verfahrensökonomischen Gründen werde von einer Vorlage der Akten abgesehen, das Ermessen sei im Bescheid ausreichend ausgeübt und dargestellt worden und die Klägerin zu 2) könne auch im Raum Bamberg einen Psychiater aufsuchen, die Bewohner der ARE II dürften sich im Stadtgebiet Bamberg frei bewegen und dabei auch Arzttermine wahrnehmen. Sie beantragte für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
Mit Schreiben vom 5. Februar 2016, dem Gericht im Verfahren AN 6 K 15.31132 übermittelt durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, teilte das Pfarramt U.-T.-P. mit, dass die Kläger aufgrund eines Beschlusses des Kirchenvorstands der Kirchengemeinde P. vom 4. Februar 2016 dort in „Kirchenasyl“ genommen worden seien.
Aufgrund deshalb anzunehmender Unzulässigkeit hat das erkennende Gericht mit Beschluss vom 31. März 2016 den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt (AN 6 S 16.30154).
Im Klageverfahren ist mit Beschluss vom 8. April 2016 die Entscheidung dem Einzelrichter übertragen worden.
Gegen die mitgeteilte Absicht, im Wege des Gerichtsbescheides zu entscheiden, haben die Beteiligten keine Einwendungen erhoben.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten zum vorliegenden Klageverfahren samt Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und zum Verfahren AN 6 K 15.31132 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage gegen den Umverteilungsbescheid der Regierung von Oberfranken vom 28. Januar 2016 ist bereits deshalb insgesamt abzulehnen, weil sie sich aufgrund des Verhaltens der Kläger mangels des allgemeinen Zulässigkeitserfordernisses eines anerkennenswerten Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig erweist.
Die Kläger haben einerseits jeweils ihre Person der staatlichen Gewalt, die die staatliche Rechtsordnung gewährleistet, durch Eintritt in sog. „Kirchenasyl“ bewusst entzogen. Sie können dann nicht andererseits gleichzeitig Rechtsschutz in aufenthaltsmäßiger Hinsicht durch staatliche Rechtsorgane, hier die Klage zum staatlichen Verwaltungsgericht gegen eine Umverteilungsentscheidung, beanspruchen. Dies stellt sich als rechtsmissbräuchlich dar.
Im Übrigen lässt sich angesichts der bekannten Praxis der bayerischen Ausländerbehörden, nicht zur Aufenthaltsbeendigung gegen in sog. „Kirchenasyl“ befindliche Personen vorzugehen, hier auch unter diesem Aspekt kein Rechtsschutzbedürfnis erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Gerichtsbescheid steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
zu beantragen.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antrag muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Anstelle des Antrags auf Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mündliche Verhandlung beantragen.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.


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