Verwaltungsrecht

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis einer Klage, zu deren Begründung Gedankengut aus der sog. „Reichsbürgerszene“ vorgetragen und dem angerufenen Gericht die Legitimation abgesprochen wird;, „Die Bundesrepublik ist nur eine Firma“;, „Das Bayerische Verwaltungsgericht München ist (nur) eine in den USA eingetragene Firma“;, „Die Bundesrepublik ist kein Staat, sondern besetztes Land, im dem die „Haager Landkriegsordnung“ gilt

Aktenzeichen  M 6 K 20.6855

Datum:
17.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 38321
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42
VwGO § 79

 

Leitsatz

Erkennt die Klagepartei das von ihr angerufene Gericht nicht als legitim an, sondern bezeichnet es als „Scheingericht“ und spricht im die Legalität ab, ist seine Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist unzulässig, weil ihr das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Sie ist – selbsttragend – unzulässig, weil sie sich allein gegen den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 20. November 2020 richtet, ohne den diesem zugrundeliegenden Beitragsbescheid vom 1. Oktober 2020 anzugreifen. Die Klage ist – ebenfalls selbsttragend – auch deshalb unzulässig, weil nach dem Wortlaut der Klageschrift keine Klage, sondern Widerspruch erhoben worden ist.
1. Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 17. November 2021 entschieden werden, obwohl keiner der Beteiligten erschienen war. Sie wurden mit der Ladung darauf hingewiesen, dass im Falle des Ausbleibens auch ohne sie verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Der Termin war nicht aufzuheben, weil der Kläger mit Schreiben vom 15. November 2021 mitgeteilt hatte, er könne aus medizinischen Gründen keinen Mund-Nasen-Schutz tragen, deshalb das Gerichtsgebäude nicht betreten und an der Verhandlung teilnehmen. Der Aufforderung, diese medizinischen Gründe glaubhaft zu machen, ist er nicht nachgekommen, sondern hat viel mehr auf diese Aufforderung mit dem bereits oben genannten und inhaltlich eingeordneten Schriftsatz vom 16. November 2021 reagiert.
2. Der Klage fehlt das bei jeder bei einem Verwaltungsgericht erhobenen Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger hat im Schreiben vom … November 2021 an das erkennende Gericht erklärt, die Bundesrepublik Deutschland sei kein Staat, sondern eine Firma, ebenso das Verwaltungsgericht München. Dieses besitze keine hoheitlichen Rechte und sei in Delaware/USA als Firma registriert. Nachfolgend gibt der Kläger die Registriernummer an. Die Bundesrepublik Deutschland habe keine Verfassung. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012 seien alle Wahlen im ersten Wahlgang seit 1956 ungültig. Damit gebe es keine gültigen Wahlen, keinen Bundestag, keine Regierung, keine Parteisysteme und keine Landesregierungen mehr. Es blieben nur noch 42.000 Firmen übrig, die einen Staat simulieren würden. Derzeit gültiges Recht sei die Haager Landkriegsordnung. Da kein souveräner Staat BRD existiere, könne dieser auch keinen gültigen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag mit ARD ZDF Bayerischer Rundfunk haben. Somit sei die Rundfunkzwangsgebühr ohne gültige Gesetzesgrundlage. Es werde hier durch Scheinstaatlichkeit ein BRD Staat zu simulieren versucht. Der Kläger weise jedwede Forderung des Verwaltungsgerichts ihm gegenüber durch eine gesetzwidrige Staatssimulation zurück. Sollte dennoch gegen ihn entschieden werden, werde er dies pflichtgemäß an das CID Militärgericht der Alliierten Shaef weiterleiten. Das Gericht könne ihm gegenüber gerne seine Lizenz von den Alliierten vorlegen.
Hieraus lässt sich unmissverständlich die Auffassung des Klägers entnehmen, das von ihm angerufene Bayerische Verwaltungsgericht München sei kein Gericht, sein Handeln entbehre jeglicher gesetzlichen Grundlage. Demgemäß hat der Kläger kein Recht, von diesem Gericht eine Entscheidung in der Sache zu fordern, da er zweifellos weder dieses entscheidende Gericht noch seine Entscheidung als legitim anerkennt.
Der Kläger kann gemäß eigenem Bekunden bei jenen Institutionen um Rechtsschutz gegen die Forderung des Beklagten nachsuchen, die er für legitim und legitimiert hält, ihm Rechtschutz zu gewähren.
3. Die Klage ist aber – selbsttragend – auch deshalb unzulässig, weil der Kläger sie so eindeutig nur gegen den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 20. November 2020 gerichtet hat, dass dies einer Auslegung dahingehend nicht mehr zugänglich ist, die Klage sei auch gegen den zugrundeliegenden Beitragsbescheid vom 12. Oktober 2020 gerichtet. Demgemäß hatte der Kläger auch seiner Klage nur den Widerspruchsbescheid beigefügt. Er spricht außerdem vom „Widerspruchsverfahren“, dessen Kosten der „Widerspruchsgegner“ zu tragen habe. Es würde die Grenzen der nach § 88 VwGO möglichen Auslegung – selbst bei einer anwaltlich nicht vertretenen und rechtsunkundigen Partei – überschreiten, wollte man dieses Schreiben vom 23. Dezember 2020 als Klage gegen den Beitragsbescheid des Beklagten sowie den Widerspruchsbescheid ansehen, zumal der Kläger bereits mit der Erstzustellung auf diesen Mangel seiner Klage hingewiesen worden ist und er hierauf nicht reagiert hat. Die Voraussetzungen, unter denen nach Maßgabe des § 79 VwGO ausnahmsweise ein Widerspruchsbescheid isoliert angefochten werden kann, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
4. Die vom Kläger angesprochene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 8. Juni 2006, Az. 75529/01 befasst sich mit der aus Sicht des EGMR überlangen Verfahrensdauer von Gerichtsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland und den hieraus aus Sicht des Gerichtshofs zu ziehenden Konsequenzen. Die vom Kläger behauptete Aussage, die Bundesrepublik Deutschland sei kein Staat, findet sich an keiner Stelle der Entscheidung.
Das Gericht nimmt zur weiteren Begründung der vorliegenden Entscheidung Bezug auf seine rechtlichen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung, wie sie in der Niederschrift über diese festgehalten sind und macht sie ergänzend zum Gegenstand der Begründung der vorliegenden Entscheidung (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 166 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben