Verwaltungsrecht

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für Eilantrag

Aktenzeichen  AN 11 S 17.35257

Datum:
12.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 58, § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Bei Ablehnung eines Asylantrages als unzulässig (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) betragen die  Ausreisefrist sowie die entsprechende Klage- und Antragsfrist eine Woche (§ 36 Abs. 1 und 3, § 74 Abs. 1 AsylG). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Stellt das Bundesamt mit der Ablehnung eines Asylantrages als unzulässig die Abschiebung ausnahmsweise unter die Bedingung der Unanfechtbarkeit des Bescheides, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Eilantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 18. August 2017 anzuordnen, wird abgelehnt.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 18. August 2017 gerichtete Verfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der am …1997 in … geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger hazarischer Volkszugehörigkeit.
Mit Schreiben vom 4. November 2014 beantragte das Stadtjugendamt …, welches zum damaligen Zeitpunkt zum Vormund für den Antragsteller, der zu jener Zeit noch minderjährig war, bestellt worden war, für diesen Asyl.
Nachdem der Antragsteller durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 9. November 2016 in … angehört worden war, lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 5. August 2017 unter Ziffer 1 den Antrag des Antragstellers als unzulässig ab, stellte unter Ziffer 2 fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, forderte den Antragsteller unter Ziffer 3 auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, wobei im Falle einer Klageerhebung die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens ende, drohte ihm, sollte er die Ausreisefrist nicht einhalten, die Abschiebung insbesondere nach Italien an, wobei er nicht nach Afghanistan abgeschoben werden dürfe, und befristete unter Ziffer 4 das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, nach den Erkenntnissen des Bundesamtes sei dem Antragsteller in Italien im Rahmen des Asylverfahrens internationaler Schutz gewährt worden. Der Antragsteller habe etwa drei Jahre in Bari/Italien gelebt. Eine EURODAC-Abfrage habe ergeben, dass der Antragsteller am 14. Februar 2011 in Brindisi/Italien einen Asylantrag gestellt habe. Er habe ein Dokument erhalten, welches er aber weggeworfen habe. Entgegen der Angabe des Antragstellers sei davon auszugehen, dass er einen legalen Status in Italien gehabt habe, denn Lebensmittel seitens von Hilfsorganisationen würden in Italien nur ausgegeben, wenn man einen gültigen Aufenthaltstitel vorweise. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller internationalen Schutz in Italien erhalten habe. Abschiebungsverbote lägen nicht vor.
Der Bescheid war versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:, nach der gegen diesen Bescheid innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach erhoben werden könne.
Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 9. August 2017 durch Einlegen in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten gegen Postzustellungsurkunde zugestellt.
Mit Schreiben vom 8. August 2017 übersandte das Bundesamt der Ausländerbehörde der Stadt … den genannten Bescheid mit dem Hinweis, dass die vorliegende Entscheidung noch nicht unanfechtbar sei, worüber eine gesonderte Mitteilung erfolge.
Mit per Telefax am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 18. August 2017 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erheben und beantragen,
den Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. August 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, festzustellen, dass der Antragsteller international Schutzberechtigter gemäß § 3 AsylVfG i.V.m. der Genfer Flüchtlingskonvention sei und ihm damit die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sei,
hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, festzustellen, dass der Antragsteller subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 4 AsylVfG sei,
weiterhin hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, festzustellen, dass der Antragsteller humanitären Abschiebeschutz gemäß § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG genieße,
weiter hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Asylverfahren fortzusetzen.
Gleichzeitig wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 18. August 2017 gegen die Abschiebungsandrohung der Beklagten vom 5. August 2017 anzuordnen.
Darüber hinaus beantragte die Bevollmächtigte des Antragstellers,
dem Antragsteller Prozesskostenhilfe auch für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu bewilligen.
Zur Begründung führte die Bevollmächtigte des Antragstellers insbesondere aus, dass der am 9. August 2017 zugestellte Bescheid mit einer unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung:versehen sei. Diese weise als Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels zwei Wochen aus und enthalte keinen Hinweis, dass die Klage keinen Suspensiveffekt entfalte. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. Der Antragsteller habe einen Rechtanspruch auf die Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland und die Gewährung von Flüchtlingsschutz bzw. subsidiären Schutz und höchst hilfsweise einen Anspruch auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin zu der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorlägen. Der Asylantrag des Antragstellers müsse als Erstantrag gewertet und gewürdigt werden. Zum weiteren Vorbringen des Antragstellers werde vorab zunächst auf das bereits Vorgetragene verwiesen. Eine weitere rechtliche Stellungnahme bleibe vorbehalten. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei zulässig. Er sei fristgemäß gestellt worden, wie auch die Klage fristgemäß erhoben worden sei. Nachdem die Rechtsbehelfsbelehrung:falsche Angaben enthalten habe, gelte für das vorliegende Rechtsmittel Jahresfrist. Die weitere Begründung von Klage und Eilantrag werde zeitnah erfolgen. Die erforderlichen Unterlagen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe würden nachgereicht.
Mit Schreiben vom 23. August 2017 wies das Gericht die Antragsgegnerin daraufhin, dass nach kursorischer Durchsicht der Akte Bedenken hinsichtlich der Annahme bestünden, dass der Antragsteller in Italien internationalen Schutz erhalten habe, zumal ein vom Bundesamt gestelltes Informationsersuchen bislang unbeantwortet geblieben sei. Um diesbezügliche Äußerung sowie zur Frage, warum in diesem Fall, der nach Auffassung der Antragsgegnerin einen unzulässigen Zweitantrag zum Gegenstand habe, von einer 30-tägigen Ausreisefrist ausgegangen werde, wurde gebeten.
Mit Schriftsatz vom 23. August 2017 erwiderte die Antragsgegnerin und beantragte,
die Klage abzuweisen und den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung bezog sich die Antragsgegnerin auf die angefochtene Entscheidung.
Mit Schreiben vom 31. August 2017 wies das Gericht die Bevollmächtigte des Antragstellers, nachdem diese eine Faxkopie des dem Antragsteller zugestellten Bescheides vorgelegt hatte, darauf hin, dass sich hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO in Anbetracht des Bescheidtenors Bedenken ergeben. Im Falle der Klageerhebung ende die Ausreisefrist danach (erst) 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Verfahrens.
Eine weitere Äußerung gelangte weder von der Bevollmächtigten des Antragstellers noch von der Antragsgegnerin zu den Akten.
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist bereits unzulässig.
Zwar ist der Antrag, der sich ausdrücklich lediglich auf die Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. August 2017 (Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides) bezieht, statthaft, da die Klage vorliegend kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat (§ 75 Abs. 1 i.V.m. §§ 38 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG).
Der Antrag ist nach § 36 Abs. 3 Satz 3 AsylG i.V.m. § 58 VwGO auch nicht verfristet.
Zu Recht weist die Bevollmächtigte des Antragstellers darauf hin, dass die Rechtsmittelbelehrungim vorliegenden Fall unrichtig ist, so dass nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Jahresfrist gilt. Die Rechtsbehelfsbelehrung:, in der die Antragsgegnerin von einer zweiwöchigen Frist zur Klageerhebung ausgeht, ist deswegen unrichtig, weil nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall, in dem die Antragsgegnerin von einer Unzulässigkeit des Asylantrags des Antragstellers nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, die sich nach Auffassung der Antragsgegnerin aus einer Gewährung internationalen Schutzes in Italien ergeben soll, richtigerweise von einer Ausreisefrist von einer Woche und der entsprechenden Klage- und Antragsfrist von ebenfalls einer Woche nach §§ 36 Abs. 1 und 3, 74 Abs. 1 AsylG hätte ausgegangen werden müssen.
Der Antrag ist dennoch unzulässig, weil ihm das erforderliche allgemeine Rechtschutzbedürfnis fehlt.
Von einem Fehlen des allgemeinen Rechtschutzbedürfnisses eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist ausnahmsweise dann auszugehen, wenn die gerichtliche Eilentscheidung für den Antragsteller von vornherein nutzlos erscheint, weil eine unnütze Inanspruchnahme des Gerichts auch im Eilverfahren nicht stattfindet (vgl. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80, Rn. 492). Vorliegend kann dem Antragsteller der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die unter Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides verfügte Abschiebungsandrohung keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen und ist daher nutzlos. Denn die Antragsgegnerin hat, obwohl § 36 AsylG in Fällen einer Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, wie ihn die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall angenommen hat, ein beschleunigtes Verfahren vorsieht, zu dem insbesondere eine nur einwöchige Ausreisefrist und der Wegfall der aufschiebenden Wirkung gehört, die hier gegenständliche Ziffer 3 des Bescheids so gefasst, dass eine Vollstreckung, d. h. eine Abschiebung des Antragstellers, vorliegend insbesondere unter der Bedingung der Unanfechtbarkeit des Bescheides steht. Damit wäre im vorliegenden Fall eine Vollstreckung der Abschiebungsandrohung, da diese Bedingung für die Vollstreckbarkeit der Abschiebungsandrohung, welche die Beklagte vorliegend ohne Not in den Bescheid aufgenommen hat, Unanfechtbarkeit voraussetzt, vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens schon vom Wortlaut der Vollstreckungsgrundlage nicht zulässig. Da jedoch auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage auf einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hin nur Gültigkeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens beanspruchen kann, da mit dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens keine anhängige Klage, deren aufschiebende Wirkung angeordnet werden könnte, mehr besteht (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO), ist der Antragsteller vorliegend durch die Aufnahme der Bedingung der Unanfechtbarkeit in die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids durch die Antragsgegnerin bereits so gestellt, wie er durch die Anordnung einer aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eben diese Abschiebungsandrohung gestellt werden könnte. Somit gibt es für den Antragsteller im vorliegenden Verfahren keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil zu erreichen, so dass dem Antrag das allgemeine Rechtschutzbedürfnis fehlt.
Ergänzend ist festzuhalten, dass vorliegend auch kein Anlass für eine Umdeutung des Antrages in einen Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage besteht nach § 80 Abs. 5 VwGO analog. Denn zum einen ergibt sich vorliegend ein Vollzugshemmnis schon nicht in Folge einer aufschiebenden Wirkung im Sinne des § 80 Abs. 1 VwGO, sondern aus der Bedingungsabhängigkeit der verfügten Abschiebungsandrohung. Zum anderen geht die Beklagte selbst, wie sich aus ihrer Mitteilung an die Ausländerbehörde der Stadt … vom 8. August 2017 ergibt, ausgehend von der von ihr verfügten Abschiebungsandrohung konsequent von einer aufschiebenden Wirkung der Klage aus.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist nach § 83b Asylgesetz gerichtskostenfrei.
War nach dem Vorstehenden der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 18. August 2017 abzulehnen, gilt dies auch für den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Eilverfahren. Denn der Antragsteller hat zum einen schon die nach § 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht eingereicht, so dass schon nicht geprüft werden kann, ob er die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zum anderen bot die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Hierzu wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Diese Entscheidung ist nach § 80 Asylgesetz unanfechtbar.


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