Verwaltungsrecht

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für Gewähr vorläufigen Rechtsschutzes bei Möglichkeit der Wiederaufnahme eines Asylverfahrens

Aktenzeichen  Au 3 S 16.30614

Datum:
5.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 25, § 33, § 67 Abs. 2
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1

 

Leitsatz

Einem Antrag auf Gewähr vorläufigen Rechtsschutzes gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Asylbewerber nach § 33 Abs. 5 S. 2 AsylG die Möglichkeit besitzt, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu beantragen. Bei einer Wiederaufnahme des Asylverfahrens tritt nach § 67 Abs. 2 Nr. 1 AsylG seine Aufenthaltsgestattung erneut in Kraft. (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der nach seinen Angaben am … 1992 in … (Pakistan) geborene Antragsteller trägt vor, pakistanischer Staatsangehöriger punjabischer Volkszugehörigkeit sunnitischen Glaubens zu sein. Er reiste angeblich am 20. November 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 8. März 2016 stellte er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag.
Mit Schreiben des Bundesamts vom 14. März 2016 wurde der Antragsteller unter der Anschrift „…, …-Str. …“ zur persönlichen Anhörung am 2. Mai 2016 bei der Bundesamtsaußenstelle in … geladen. Die als Einschreiben zur Post gegebene Ladung kam am 21. März 2016 mit dem Vermerk „Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ zurück. Das Bundesamt vergewisserte sich daraufhin nochmals durch Rückfrage bei der Ausländerbehörde über die Richtigkeit der verwendeten Anschrift.
Der Antragsteller ist zum Anhörungstermin nicht erschienen.
Mit Bescheid vom 2. Mai 2016 stellte das Bundesamt sodann fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Nr. 1.) und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz nicht vorliegen (Nr. 2.). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen und für den Fall nicht fristgerechter Ausreise wurde die Abschiebung nach Pakistan oder jeden anderen aufnahmebereiten bzw. rückübernahmeverpflichteten Staat angedroht (Nr. 3.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4.).
Zur Begründung wurde dargelegt, dass der Asylantrag als zurückgenommen gelte, wenn der Antragsteller das Verfahren nicht betreibe. In diesem Fall sei das Asylverfahren einzustellen. Der Antragsteller sei der Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachgekommen. Daher werde vermutet, dass er das Verfahren im Sinn des § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 AsylG nicht betreibe. Ein Nachweis, dass das Versäumen des Anhörungstermins auf Umstände zurückzuführen sei, auf die der Antragsteller keinen Einfluss hatte, sei bis zur Entscheidung nicht eingereicht worden. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung beruhe auf § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 38 Abs. 2 AsylG. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG sei nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen gewesen.
Am 5. Mai 2016 erhob der Antragsteller zum Verwaltungsgericht Augsburg Klage (Au 3 K 16.30613), über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig beantragte er gemäß § 80 Abs. 5 VwGO (sinngemäß),
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots anzuordnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass er die Ladung zum Anhörungstermin nicht erhalten habe.
Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 18. Mai 2016 die dort geführten Behördenakten vor, äußerte sich jedoch nicht zur Sache.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg, denn er ist bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Der Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes bedarf es vorliegend nicht, da dem Antragsteller mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG in der seit 17. März 2016 geltenden neuen Fassung eine einfachere und effektive Möglichkeit zur Erreichung des begehrten Rechtsschutzziels zur Verfügung steht.
Nach § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG setzt die (erstmalige [§ 33 Abs. 5 Satz 6 Nr. 2 AsylG]) Wiederaufnahme des Verfahrens nach einer (noch keine neun Monate zurückliegenden [§ 33 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 AsylG]) gemäß § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG erfolgten Verfahrenseinstellung – wie hier – lediglich voraus, dass der Antragsteller einen formgerechten Wiederaufnahmeantrag i. S. d. § 33 Abs. 5 Satz 3 AsylG stellt, d. h. persönlich bei der zuständigen Außenstelle des Bundesamts vorstellig wird. Weitere Voraussetzungen enthält das Gesetz nicht. In der amtlichen Begründung zu § 33 AsylG in der nunmehr gültigen Fassung wird ausgeführt, dass der „Ausländer … nach den Regeln des neuen Absatzes 5 innerhalb der ersten neun Monate nach Einstellung des Asylverfahrens gemäß Abs. 1 oder 3 ohne Verfahrensnachteile einmal die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen [kann]. … Die erstmalige Einstellung entfaltet somit lediglich Warncharakter“ (BT-Drs. 18/7538, S. 17). Nach Stellung des Wiederaufnahmeantrags nimmt das Bundesamt die Prüfung des Asylantrags in dem Verfahrensabschnitt wieder auf, in dem das Verfahren eingestellt wurde (§ 33 Abs. 5 Satz 5 AsylG). Die Wiederaufnahme ist notwendigerweise verbunden mit einer vollständigen Aufhebung des zunächst ergangenen Einstellungsbescheides.
Vor diesem Hintergrund kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob das Nichterscheinen des Antragstellers zur Anhörung auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte, oder die Belehrung des Antragstellers nach § 33 Abs. 4 AsylG ordnungsgemäß erfolgt ist (vgl. zum Ganzen z. B. VG Augsburg, B.v. 30.5.2016 – Au 3 K 16.30616 – u.v. 9.5.2016 – Au 2 S 16.30451; VG Ansbach, B.v. 29.4.2016 – AN 4 S 16.30410 – juris; VG Regensburg, B.v. 18.4.2016 – RO 9 S 16.30620 – juris; VG Dresden, B.v. 14.4.2016 – 4 L 212/16.A – juris).
Wird der Antragsteller nach einem Wiederaufnahmeantrag gemäß § 33 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 AsylG wieder in den Verfahrensabschnitt vor der persönlichen Anhörung gemäß § 25 AsylG versetzt, so bedarf es keines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, um ihn vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen aufgrund der erlassenen Abschiebungsandrohung zu schützen. Gemäß § 67 Abs. 2 Nr. 1 AsylG tritt die Aufenthaltsgestattung wieder in Kraft, wenn ein nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG eingestelltes Verfahren wieder aufgenommen wird (VG Regensburg, B.v. 18.4.2016 a. a. O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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