Verwaltungsrecht

Fehlerhafte Angaben im Asylverfahren

Aktenzeichen  AN 3 K 15.50318

Datum:
30.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs.1
AsylG AsylG § 26a, § 34, § 34a

 

Leitsatz

1 Macht ein Asylsuchender im Verfahren fehlerhafte Angaben, muss er sich dies zurechnen lassen, da ansonsten der Weg zur Umgehung der europarechtlichen Regelung zum Asylverfahren eröffnet wäre. (redaktioneller Leitsatz)
2 Abschiebungsanordnung und Abschiebungsandrohung stellen unterschiedliche Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung dar, wobei die Anschiebungsandrohung auch nicht als ein Minus zur Abschiebungsanordnung zu sehen ist. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
AN 3 K 15.50318
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 30. März 2016
3. Kammer
Sachgebiets-Nr.: 710 01
Hauptpunkte: Flüchtlingsanerkennung in Ungarn; Unzulässigkeit des Asylverfahrens; Abschiebungsandrohung nicht in Abschiebungsanordnung enthalten; kein “Minus”
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
…, geb. …1971
alias …, geb. …1978

– Kläger –
bevollmächtigt: Rechtsanwältin …
gegen
…,
vertreten durch Bundesamt …
Referat Außenstelle …

– Beklagte –
wegen Verfahrens nach dem AsylVfG/AsylG
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 3. Kammer, durch die Einzelrichterin Richterin am Verwaltungsgericht Kokoska-Ruppert ohne mündliche Verhandlung am 30. März 2016 folgendes Urteil:
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Juni 2015 wird in Ziffer 2 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Kläger zu zwei Drittel und die Beklagte zu einem Drittel.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Jeder Beteiligte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige andere Beteiligte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der 1971 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 2. Januar 2014 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 30. Januar 2014 einen Asylantrag. In seiner Anhörung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 11. Februar 2014 erklärte der Kläger, er habe den Iran im April 2002 mit einem Reisebus verlassen, sei zunächst in die Türkei und von dort in die Ukraine gereist. In der Ukraine sei sein Aufenthalt jeden Monat um einen weiteren Monat verlängert worden. Er gab an, während seines Aufenthalts in der Ukraine mehrfach im Krankenhaus gewesen zu sein. Er leide an posttraumatischen Stresssyndromen und an Schlafstörungen. Da er in der Ukraine rassistischen Übergriffen ausgesetzt gewesen sei, sei er im November 2012 nach Ungarn gereist und habe dort Asyl beantragt. Auch in Ungarn sei er in psychologischer Behandlung gewesen. Er sei dann im Januar 2014 von Ungarn aus über Österreich nach Deutschland gefahren.
Der Kläger legte im Verfahren ein ungarisches Reisedokument sowie eine ungarische Identitätskarte vor. Der Liaisonbeamte in … teilte unter dem 27. März 2015 auf Anfrage der Beklagten mit, dass dem Kläger in Ungarn Flüchtlingsschutz gewährt worden sei. Der Status sei nicht widerrufen worden.
Auf Anfrage der Ausländerbehörde beim Landratsamt … teilten die ungarischen Behörden am 1. Juni 2015 mit, dass sie den Kläger im Rahmen des mit Deutschland bestehenden Rückübernahmeabkommens nach Ungarn zurücknehmen würden.
Am 23. Juni 2015 erließ das Bundesamt den streitgegenständlichen Bescheid, der dem Kläger persönlich mit Postzustellungsurkunde am 6. Juli 2015 zugestellt wurde.
Der Antrag wurde als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1), der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Andernfalls wurde ihm die Abschiebung nach Ungarn oder in einen anderen rückübernahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat angedroht (Ziffer 2). Es wurde festgestellt, dass der Kläger nicht in den Iran abgeschoben werden dürfe.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger könne aufgrund des in Ungarn gewährten internationalen Schutzes keine weitere Schutzgewährung verlangen. Hierzu habe das Bundesverwaltungsgericht am 17. Juni 2014 entschieden, dass ein erneutes Anerkennungsverfahren unzulässig sei, wenn dem Ausländer bereits in einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz, also Flüchtlingsschutz oder subsidiärer Schutz zuerkannt worden sei. Auch die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz hinsichtlich des Iran sei unzulässig. Bei einer Flüchtlingsanerkennung stehe dem Kläger bereits kraft Gesetzes nationaler Abschiebungsschutz in Bezug auf sein Herkunftsland aufgrund des im Ausland gewährten internationalen Schutzes zu. Für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach weiteren Rechtsgrundlagen fehle dem Kläger daher das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar verweise § 60 Abs. 2 AufenthG nicht ausdrücklich auf dessen Abs. 1 Satz 2, es komme jedoch ausschließlich eine Aufenthaltsbeendigung in den sicheren Drittstaat in Betracht. Abschiebungsverbote in Bezug auf den sicheren Drittstaat kämen nur dann in Betracht, wenn dies durch Umstände begründet würde, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassung oder Gesetzes wegen berücksichtigt werden könnten. Es obliege insoweit dem Kläger unter Anlegung eines strengen Maßstabes, die Umstände darzulegen, aus denen sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdränge, dass er von einem solchen im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfall betroffen sei. Dies sei auch ausweislich der vorgelegten ärztlichen Atteste in der Person des Klägers nicht der Fall.
Zu Ziffer 2 des Bescheides wurde ausgeführt, wegen der Unzulässigkeit des Asylantrags ordne das Bundesamt nach § 34a AsylG grundsätzlich die Abschiebung an. Eine Abschiebungsandrohung sei ebenfalls zulässig, da es sich hierbei um das mildere Mittel gegenüber der Abschiebungsanordnung handele. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergebe sich aus § 38 Abs. 1 AsylG.
Im Verfahren vor dem Bundesamt legte der Kläger ein ärztliches Attest von … vom 19. September 2013 vor, wonach der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen aufgrund traumatischer Erfahrungen leide. Des Weiteren legte er vor ein Attest des Bezirksklinikums … vom 15. Mai 2015, wonach der Kläger an einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (F33.1), unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (F43.1) sowie an Syphilis (A53.9) leide.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten, der am 20. Juli 2015 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, ließ der Kläger Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 23. Juni 2015 erheben.
In der Klagebegründung vom 22. Februar 2016, die am 24. Februar 2016 bei Gericht einging, ließ der Kläger vortragen, er leide an einer schweren depressiven Episode bei rezidivierenden depressiver Störung und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Er sei seit seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland mittlerweile insgesamt viermal für jeweils einen Monat stationär in Bezirksklinikum … behandelt worden. Im Jahr 2015 habe sich der Kläger dreimal in stationäre psychiatrischer Behandlung begeben. Hierzu wurden fachärztliche und ärztliche Atteste vorgelegt, auf die Bezug genommen wird (Bl. 25 der Gerichtsakte). Eine Rückführung nach Ungarn sei schon aufgrund der allgemeinen Verhältnisse dort nicht möglich. Auch sei der Kläger in der Vergangenheit von Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit betroffen gewesen. Diese Situation habe sich nach dem Ansturm der Flüchtlingsmassen in Ungarn weiter verschlechtert. Er benötige ca. dreimal pro Jahr eine ca. einmonatige stationäre Behandlung in der Psychiatrie und sei nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, um so seinen Lebensunterhalt zu sichern und Obdachlosigkeit zu vermeiden. Aufgrund der aktuellen Flüchtlingssituation sei zu befürchten, dass die medizinische Versorgung in Ungarn unter diesen Umständen ebenfalls leide.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2015, Az. …, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen und den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen, sowie festzustellen, dass für den Kläger die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,
hilfsweise
festzustellen, dass für den Kläger die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegen und dass in der Person des Klägers Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen.
Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2015 beantragte die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
Sie bezog sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.
Mit Beschluss vom 29. März 2016 wurde die Verwaltungsstreitsache auf die Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
Die Beteiligten verzichteten am 10. Februar 2016 (Beklagte) und am 22. Februar 2016 (Kläger) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage, über die nach Verzicht der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat mit ihrem Anfechtungsantrag bezüglich Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides Erfolg, weil die Beklagte zu Unrecht eine Abschiebungsandrohung erlassen hat und diese den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Soweit im Klagewege die Aufhebung von Ziffer 1 begehrt wird, ist die Klage unbegründet. Denn die Beklagte hat zu Recht die materielle Entscheidung über den Asylantrag des Klägers abgelehnt, da der Kläger bereits in Ungarn eine Anerkennung als Flüchtling erhalten hat.
Der weitergehende Verpflichtungsantrag, der zum Ziel hat, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten bzw. als Flüchtling und hilfsweise als subsidiär Schutzberechtigten anzuerkennen bzw. das Bestehen von Abschiebungshindernissen festzustellen, ist bereits unzulässig, da hierfür kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Denn für den Fall der Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung müsste zunächst das Bundesamt als zuständige Behörde über den Asylantrag (§ 13 AsylG) des Klägers entscheiden. Ein „Überspringen“ der Behördenentscheidung durch ein gerichtliches Durchentscheiden ist in dieser Fallkonstellation weder vorgesehen noch erforderlich. Dem Kläger würde im Übrigen sonst auch eine Entscheidungsinstanz weggenommen.
1. Einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a GG hat der Kläger schon deshalb nicht, weil er aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist, wozu gemäß § 26 a Abs. 2 AsylG Österreich als Mitgliedstaat der Europäischen Union gehört.
Auch liegt kein Fall des § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG vor. Denn Deutschland ist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO), die für den nach eigenen Angaben am 2. Januar 2014 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereisten Kläger nach Art. 49 Unterabsatz 2 Anwendung findet, nicht für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, da der Kläger bereits in Ungarn ein Asylverfahren durchlaufen hat.
2. Der Kläger kann sich jedoch auch nicht mit Erfolg auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG berufen.
Denn ihm wurde ausweislich der Behördenakten in Ungarn die Flüchtlingseigenschaft im Laufe des Jahres 2014 zuerkannt. Nach Auskunft des Liaisonbeamten bestand diese im März 2015 fort. Es sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich oder vorgetragen, die dazu führen könnten, anzunehmen, dass die Flüchtlingseigenschaft des Klägers derzeit nicht mehr fortbestehe (so auch VG Gießen, U. v. 8.10.2015 – 6 L 3517/15.GI.A, juris zu Italien). Auch haben die ungarischen Behörden am 1. Juni 2015 erklärt, den Kläger im Rahmen des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Ungarn über die Rückübergabe/Rückübernahme von Personen an der Grenze (Rückübernahmeabkommen) vom 1. Dezember 1997 wieder aufzunehmen. Er verfügte bei seiner Einreise nach Deutschland außerdem über ungarische Papiere. Dass diese nach seinen Angaben in Deutschland auf fehlerhaften Angaben zu seiner Person beruhen, muss sich der Kläger zurechnen lassen, da er selbst diese Angaben gegenüber den ungarischen Behörden gemacht hat. Denn sonst wäre ein Umgehen der europarechtlichen Regelung zu Asylverfahren durch die Angabe falscher Personalien möglich.
In dieser Fallkonstellation, die auch der vom Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2014 (BVerwG, U. v.17.6.2014 – 10 C 7.13-, juris) zugrunde lag, hat der Kläger keinen weiteren Anspruch auf Zuerkennung internationalen Schutzes.
Die (nochmalige) Geltendmachung des nach § 60 Abs. 1 AufenthG bestehenden Abschiebeverbots für den Fall der Flüchtlingsanerkennung nach § 3 Abs. 1 AsylG ist nach der vorliegend anwendbaren Fassung (§ 77 Abs. 1 AsylG) des § 60 Abs. 1 Sätze 3, 2 AufenthG unzulässig, weil der Kläger bereits außerhalb des Bundesgebietes als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951) anerkannt worden ist.
Diese Regelung ist nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei Zuerkennung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat mit Unionsrecht vereinbar. „Denn Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie 2013) eröffnet dem nationalen Gesetzgeber, wie auch schon Art. 25 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 (Asylverfahrensrichtlinie 2005) die Möglichkeit, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu behandeln, wenn dem Ausländer bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt, d. h. ihm entweder die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat, (vgl. Art. 2 Buchstabe i der Richtlinie).“
3. Die Abschiebungsandrohung ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil es für den Erlass einer Abschiebungsandrohung nach Ungarn an einer Rechtsgrundlage fehlt.
Zwar bestehen nach ständiger Rechtsprechung der Kammer keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Verletzung des Konzepts der normativen Vergewisserung hinsichtlich Ungarn, so dass eine Abschiebung dorthin grundsätzlich möglich ist, wenn nicht besondere in der Person des Betroffenen vorliegende Gründe zu einer abweichenden Beurteilung – etwa wegen besonderer Schutzbedürftigkeit – bestehen (zuletzt VG Ansbach, B. v. 17.2.2016 – AN 3 S 16.50035-, juris).
§ 34 AsylG rechtfertigt vorliegend den Erlass einer Abschiebungsandrohung schon deshalb nicht, weil dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Denn das Bundesamt hat den Antrag des Klägers inhaltlich nicht geprüft, § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Zudem ist das Bundesamt für den Erlass einer Abschiebungsandrohung im vorliegenden Fall nicht zuständig. Auch die ausländerrechtlichen Bestimmungen der § § 59 und 60 AufenthG führen nicht zu einer entsprechenden Zuständigkeit des Bundesamts (VG Ansbach, U. v. 20.1.2016 – AN 11 K 15.50109-, juris).
Eine Abschiebungsandrohung anstelle einer hier wohl zu erlassenden Abschiebungsanordnung nach § 34 a Abs. 1 Satz 1, 26 a AsylG (vertiefend hierzu VG Stade, U. v. 15.12.2015 – 4 A 980/15-, juris; VG Berlin, U. v. 20.11.2015 – 23 K 864.14 A zur Frage der Anwendbarkeit des § 26 a bei anerkannter Flüchtlingseigenschaft im EU-Mitgliedstaat) kann nicht deswegen ergehen, weil sie quasi als „Minus“ in einer Abschiebungsanordnung enthalten sei, wie die Beklagte meint.
Das Bundesverwaltungsgericht führt in seinem Beschluss vom 23.10.2015 – 1 B 41/15 (juris Rn. 15) unter anderem aus:
„Abschiebungsanordnung und Abschiebungsandrohung stellen unterschiedliche Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung dar, die nicht teilidentisch sind. Insbesondere stellt sich eine Abschiebungsanordnung nicht als spezielle Ausführung einer Abschiebungsandrohung dar und ist eine Abschiebungsandrohung nicht als Minus in jeder Abschiebungsanordnung mit enthalten. Auch der Umstand, dass beide Maßnahmen auf das gleiche Ziel gerichtet sind, nämlich auf eine Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet, und teilweise identische Prüfungsinhalte bestehen, begründet keine Teilidentität [in diesem] Sinne… Dies ergibt sich schon daraus, dass die Abschiebungsandrohung einer Fristsetzung bedarf. Außerdem soll in einer Abschiebungsandrohung zwar der Staat bezeichnet werden, in den der Betroffene abgeschoben werden soll; soweit keine Abschiebungsverbote bestehen, kann er auf der Grundlage einer Abschiebungsandrohung aber auch in jeden anderen Staat abgeschoben werden, in den er ausreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist (§ 34 AsylG i. V. m. 59 Abs. 2 und 3 AufenthG). Die Abschiebungsanordnung bedarf hingegen nach § 34 a Abs. 1 AsylG keiner vorherigen Androhung und Fristsetzung, darf aber nur in einen sicheren Drittstaat oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Stadt angeordnet werden und setzt voraus, dass die Abschiebung in diesen Staat durchgeführt werden kann.“
Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem Beschluss vom 23.11.2015 – 21 ZB 15.30237- (juris) entschieden:
„Für den Fall, dass ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylG) abgeschoben werden soll, bestimmt § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG dass das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat anordnet, sobald deren Durchführbarkeit feststeht. Damit gibt diese Regelung dem Bundesamt als aufenthaltsbeendende Maßnahme lediglich die Abschiebungsanordnung an die Hand. Das verdeutlicht auch § 34 a Abs. 1 Satz 3 AsylG, wonach es einer vorherigen Androhung und Fristsetzung nicht bedarf. Folgerichtig ordnet § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylG an, dass die Entscheidung zusammen mit der Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylG dem Ausländer selbst zuzustellen ist, wenn der Asylantrag nur nach § 26 a AsylG abgelehnt wird. Das entspricht auch dem Regelungswillen des Gesetzgebers. Dieser hielt es für erforderlich, von einer Abschiebungsandrohung abzusehen, weil eine Rückführung in den Drittstaat regelmäßig nur kurzfristig durchgeführt werden kann und die Möglichkeit einer freiwilligen Rückreise diesen Staat im Allgemeinen nicht besteht (vgl. BT-Drs. 1274450 Begr. S. 23).“
Vorliegend ist zwar davon auszugehen, dass der Erlass einer Abschiebungsanordnung nicht daran scheitern würde, dass die Rückübernahmebereitschaft Ungarns nicht feststehen und eine Abschiebung schon deshalb nicht durchgeführt werden könnte.
Die ungarischen Behörden haben gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde ihre Bereitschaft dazu erklärt und der Kläger befindet sich im Besitz ungarischer Papiere. Insofern ist davon auszugehen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 34 a AsylG als erfüllt angesehen werden können.
Gleichwohl hat die Beklagte durch den Erlass einer Abschiebungsandrohung ihre Verpflichtung zur Prüfung inlandsbezogener Abschiebungshindernisse in der Person des Klägers verletzt. Eine solche Prüfung hätte sie im Rahmen des Ergehens einer Abschiebungsanordnung prüfen müssen und eine solche nur erlassen dürfen, wenn weder zielstaatsbezogene noch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse vorliegen.
Der Kläger hat sowohl im Verfahren vor dem Bundesamt als auch im gerichtlichen Verfahren schwerwiegende psychiatrische Einschränkungen geltend gemacht, die seitens des Bundesamts nicht gewürdigt wurden und möglicherweise zur Feststellung eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses hätten führen können.
Darin liegt auch gleichzeitig die Rechtsverletzung des Klägers. Bei Feststellung inlandsbezogener Abschiebungshindernisse dürfte eine Abschiebungsanordnung gar nicht ergehen. Würde man ohne eine solche Prüfung statt einer Abschiebungsanordnung eine Abschiebungsandrohung zulassen, wäre diese im Falle des Eintritts der Bestandskraft eine Grundlage für die zwangsweise Rückführung des Asylbewerbers in den Drittstaat, ohne dass inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, wie zum Beispiel Krankheit oder familiäre Gründe, Gegenstand der Prüfung gewesen sind, obwohl bei rechtmäßiger Gesetzesanwendung möglicherweise gar keine Entscheidung zur zwangsweisen Rückführung getroffen worden wäre, da dem Kläger vom Bundesamt eine Duldung nach § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG hätte erteilt werden müssen.
(BayVGH, B. v. 14.10.2015; – 10 CE 15.2165 – u. – 10 C 15.2212 -, juris Rn. 7)
Des Weiteren ist eine Rechtsverletzung des Klägers darin zu sehen, dass er mit Erlass der Abschiebungsandrohung wegen der Geltendmachung inlandsbezogener Abschiebungshindernisse in ein weiteres Verfahren nach § 123 VwGO mit verschärften Anforderungen hinsichtlich der Glaubhaftmachung, zu einem späteren Zeitpunkt (nach Rechtskraft der Entscheidung im Asylverfahren) und gegen einen anderen Antragsgegner (Freistaat Bayern) gedrängt würde.
Demnach war dem Klageantrag hinsichtlich der Aufhebung von Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides stattzugeben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach
Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
zu beantragen.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Gegenstandswert beträgt 5.000,00 Euro (§ 30 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 RVG).
Es wurde ein Gegenstandswert von 3.000,00 Euro für den Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag hinsichtlich Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides und ein Gegenstandswert von 2.000,00 EUR für den Anfechtungsantrag hinsichtlich Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides festgesetzt.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.


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