Verwaltungsrecht

Festsetzung bzw. Androhung eines Zwangsgeldes zur Vollstreckung aus gerichtlichem Vergleich

Aktenzeichen  9 C 19.1343

Datum:
10.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16943
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 169 Abs. 1 S. 1
VwVG § 6, § 11, § 13, § 14 S. 1

 

Leitsatz

Einwendungen wie die Nichterfüllbarkeit einer Verpflichtung sind im Vollstreckungsverfahren ausgeschlossen, weil derartige Einwendungen vielmehr mit einer Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen sind. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 5 V 19.96 2019-06-18 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger und Vollstreckungsschuldner tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe

I.
Die Vollstreckungsschuldner wenden sich gegen die Festsetzung und erneute Androhung eines Zwangsgeldes zur Vollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2016 verfügte das Landratsamt Haßberge gegenüber den Vollstreckungsschuldnern die Beseitigung des „massiven Tores“ auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung K. sowie der Einzäunung auf den Grundstücken FlNr. … und … Gemarkung K. Hiergegen erhoben die Vollstreckungsschuldner Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg. Im gerichtlichen Verfahren wurde am 28. Juni 2018 ein Vergleich geschlossen, in dem sich die Kläger und nunmehrigen Vollstreckungsschuldner verpflichteten, „das streitgegenständliche Eisentor bis 31. Dezember 2018, samt der beiden Pfosten zu entfernen, und durch ein Holztor zu ersetzen, wobei nur der Rahmen aus Holz besteht, die Mitte aus Maschendraht. Es wird ein einflügliges Holztor errichtet mit einer Höhe von maximal 1,50 m. Die beiden Pfosten bestehen ebenfalls aus Holz“.
Nach Kontrollen im Januar 2019 beantragte das Landratsamt die Vollstreckung aus dem Vergleich, weil das vorgefundene Tor dem geschlossenen Vergleich vom 28. Juni 2018 nicht entspreche. Tor und Pfosten bestünden aus Stahl und seien lediglich mit Holz verkleidet. Die Mitte des Tores bestehe nicht aus Maschendraht und die Höhe betrage 1,75 m, die Pfostenhöhe sogar 1,80 m. Mit Beschluss vom 26. Februar 2019 ordnete das Verwaltungsgericht gegenüber den Vollstreckungsschuldnern die Vollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 28. Juni 2018 an und drohte für den Fall, dass sie der im Vergleich bezeichneten Verpflichtung nicht nachkommen, ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro an. Gegen diesen Beschluss legten die Vollstreckungsschuldner kein Rechtsmittel ein.
Mit Schreiben vom 11. April 2019 teilten die Vollstreckungsschuldner mit, dass die Voraussetzungen des Vergleichs eingehalten seien. Dem trat das Landratsamt entgegen, weil das Tor nach wie vor eine Stahlkonstruktion habe.
Daraufhin setzte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juni 2019 das mit Beschluss vom 26. Februar 2019 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro gegenüber den Vollstreckungsschuldnern fest und drohte ihnen ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro an, wenn sie ihrer Verpflichtung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 28. Juni 2018 nicht binnen zwei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses nachkommen.
Hiergegen wenden sich die Vollstreckungsschuldner mit ihrer Beschwerde. Sie sind der Ansicht, der auf die Ersetzung des Eisentores durch ein Holztor gerichtete Vergleich sei von Anfang an nicht erfüllbar gewesen. Mehrere Stellungnahmen von Handwerksbetrieben zeigten, dass ein Holztor aus statischen Gründen nicht in Betracht komme. Zudem führten massive Holzbalken zu einer schlimmeren optischen Wirkung. Die Höhenmaße seien durch eine Bodenauffüllung eingehalten und die Pfosten ragten nur geringfügig über 1,50 m hinaus. Das Zwangsgeld sei daher aufgrund dieser nur minimalen Verstöße deutlich zu hoch.
Die Vollstreckungsschuldner beantragen,
„der Beschwerde stattzugeben“.
Der Vollstreckungsgläubiger beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Das bestehende Tor widerspreche dem gerichtlichen Vergleich vom 28. Juni 2018. Um eine tragfähige Konstruktion zu erreichen, sei auch ein Holztor mit geringerer Breite möglich, weil im Vergleich nur die Höhe des Holztores festgelegt sei. Hinsichtlich der Höhe sei auf den Zeitpunkt der damaligen Gerichtsverhandlung abzustellen, wonach das Tor eine Höhe von 1,75 m über der Geländeoberkante gehabt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt sämtlicher Gerichtsakten beider Rechtszüge und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die von den Vollstreckungsschuldnern dargelegten Gründe, auf die die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), vermögen die angegriffene Entscheidung des Vorsitzenden des ersten Rechtszugs als Vollstreckungsbehörde (§ 169 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO) nicht in Frage zu stellen.
Bei dem zu vollstreckenden gerichtlichen Vergleich vom 28. Juni 2018 handelt es sich um einen Vollstreckungstitel (§ 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO). Die Vollstreckung zugunsten des Freistaats Bayern richtet sich somit gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) des Bundes (vgl. BayVGH, B.v. 19.2.2020 – 1 C 19.287 – juris Rn. 5).
Soweit die Vollstreckungsschuldner Einwendungen gegen den Vergleich vom 28. Juni 2018 geltend machen, insbesondere dessen Nichterfüllbarkeit aus statischen Gründen, können diese hier nicht zum Erfolg führen. Unabhängig davon, ob die geltend gemachte Nichterfüllbarkeit überhaupt vorliegt, sind die Vollstreckungsschuldner im vorliegenden Vollstreckungsverfahren mit diesem Einwand ausgeschlossen, weil derartige Einwendungen vielmehr mit einer Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen wären (vgl. HambOVG, B.v. 20.6.2001 – 2 So 24/01 – juris Rn. 2; VGH BW, B.v. 28.6.2019 – 10 S 1429/19 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 3.9.2012 – 8 C 11.3024 – juris Rn. 2 ff.; vgl. auch § 18 Abs. 1 Satz 3 VwVG). Ein Fall offensichtlicher Unmöglichkeit (vgl. BayVGH, B.v. 22.7.2016 – 8 C 14.2114 – juris Rn. 8) liegt im Hinblick auf die verschiedenen Möglichkeiten der Ausführung des Holztores und der im Vergleich nicht vorgeschriebenen Torbreite nicht vor. Angesichts dessen, dass das streitgegenständliche Tor hinsichtlich Rahmen und Pfosten nur mit Holz verkleidet ist, sich in der Mitte kein Maschendrahtzaun, sondern Gittermatten befinden und hinsichtlich der vereinbarten Torhöhe nicht das Tor, sondern der zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses maßgebliche Bezugspunkt durch Bodenauffüllungen verändert wurde, wie auf den in den Akten befindlichen Lichtbildern zu erkennen ist, besteht kein Zweifel, dass die Vollstreckungsschuldner ihren Verpflichtungen aus dem gerichtlichen Vergleich vom 28. Juni 2018 bislang nicht nachgekommen sind.
1. Die Festsetzung des Zwangsgeldes mit Beschluss vom 18. Juni 2019 ist nicht zu beanstanden.
Bei der Festsetzung des Zwangsgeldes in Nr. I des Beschlusses vom 18. Juni 2019 handelt es sich um die zweite Stufe der Vollstreckung, der die erste Stufe – Androhung des Zwangsmittels durch Beschluss vom 26. Februar 2019 – vorausgegangen ist. Voraussetzung für die Festsetzung des Zwangsgeldes ist einerseits die Wirksamkeit und Vollziehbarkeit der vorherigen Stufe gem. § 6 Abs. 1, § 14 Satz 1 VwVG (vgl. Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 169 Rn. 116, 129). Dies ist der Fall, da die Vollstreckungsschuldner den Beschluss vom 26. Februar 2019, mit dem die Vollstreckung angeordnet und ein Zwangsgeld angedroht wurde, nicht angefochten haben; der Beschluss vom 19. Februar 2019 ist damit rechtskräftig geworden. Andererseits darf der Zweck der Vollstreckung noch nicht erreicht sein (§ 15 Abs. 3 VwVG). Dies ist ebenfalls der Fall, weil die Vollstreckungsschuldner ihren Verpflichtungen aus dem gerichtlichen Vergleich – wie oben ausgeführt – bislang nicht nachgekommen sind.
2. Die Einwendungen gegen die weitere Androhung von Zwangsgeld durch Beschluss vom 18. Juni 2019 bleiben erfolglos.
Rechtsgrundlage der erneuten Zwangsgeldandrohung ist § 169 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 6 Abs. 1, § 11 Abs. 1, § 13 Abs. 6 Satz 1 VwVG. Für die erneute Androhung von Zwangsgeld müssen – wie bei der ersten Androhung – die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen, eine Säumnis der Vollstreckungsschuldner und eine Erfolglosigkeit der vorherigen Zwangsmittelandrohung vorliegen (vgl. HambOVG, B.v. 7.2.2018 – 1 So 7/18 – juris Rn. 13). Dies ist hier der Fall; Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch aus dem Vergleich selbst sind – wie oben ausgeführt wurde – gem. § 169 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 3 VwVG ausgeschlossen (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.1999 – 1 C 99.1999 – juris Rn. 11).
Das Landratsamt hat die Vollstreckung aus dem Vergleich vom 28. Juni 2018 beim Verwaltungsgericht beantragt. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 169 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 6 Abs. 1 VwVG liegen vor. Der Vergleich vom 28. Juni 2018 stellt einen geeigneten, inhaltlich bestimmten und wirksamen Vollstreckungstitel gem. § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO dar. Er wurde an den Bevollmächtigten der Vollstreckungsschuldner mittels Empfangsbekenntnis am 4. Juli 2018 zugestellt; einer Vollstreckungsklausel bedarf es nicht (§ 171 VwGO). Das angedrohte Zwangsgeld entspricht den gesetzlich vorgesehenen Zwangsmitteln (§ 6 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 VwVG) und ist im Hinblick auf die einheitliche Vergleichsregelung unter Berücksichtigung verschiedener Ausführungsvarianten und individuell möglicher Gesichtspunkte bei der Errichtung des Holztores nicht nach § 11 Satz 2 VwVG der Ersatzvornahme nachrangig (vgl. Sadler/Tillmanns, VwVG/VwZG, 10. Aufl. 2020, § 11 Rn. 14). Die Vollstreckungsschuldner sind der Verpflichtung aus dem Vergleich weder innerhalb der im Vergleich vom 28. Juni 2018 und im Beschluss vom 19. Februar 2019 gesetzten Fristen (vgl. § 13 Abs. 6 Satz 2 VwVG) noch bislang überhaupt (vgl. § 15 Abs. 3 VwVG) nachgekommen. Gegen die vom Verwaltungsgericht weiter gesetzte Frist von zwei Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses vom 18. Juni 2019 ist nichts vorgetragen und nichts zu erinnern (§ 13 Abs. 1 Satz 2 VwVG).
Entgegen der Ansicht der Vollstreckungsschuldner ist die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes nicht zu beanstanden. Der hierfür vorgesehene Rahmen bis zu 25.000 Euro ist eingehalten (§ 11 Abs. 3 VwVG); das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro ist zwar bereits vierstellig, liegt aber noch im unteren Bereich. Soweit die Vollstreckungsschuldner anführen, es lägen nur minimale Verstöße vor, übersehen sie, dass das bestehende Tor – wie oben angeführt – in keinem Punkt dem gerichtlichen Vergleich vom 28. Juni 2018 entspricht und die Höhenmaße nur annähernd aufgrund einer Bodenauffüllung eingehalten werden, während der Vergleich eindeutig und offensichtlich von einer Entfernung des bestehenden Eisentores und Neuerrichtung eines Holztores unter Beibehaltung der topographischen Gegebenheiten ausgeht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.
Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich, weil keine wertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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