Verwaltungsrecht

Festsetzung der Höhe des Einbehaltungssatzes bei Ehrensold eines ehrenamtlichen Bürgermeisters

Aktenzeichen  16a DS 19.1040

Datum:
2.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27437
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 39 Abs. 2 S. 2, Art. 61 Abs. 1, Abs. 2
KWBG Art. 59 Abs. 1

 

Leitsatz

Bei der Festsetzung der Höhe des Einbehaltungssatzes muss hinsichtlich der verbleibenden Einkünfte des Beamten ein Mindestabstand in Höhe von mindestens 15% zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau eingehalten werden. (Rn. 16)
Diese Grundsätze gelten auch hinsichtlich der Kürzung des Ehrensoldes, obgleich dieser nicht als Versorgungsleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts dient und nicht dem Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation unterliegt. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 13L DA 18.6175 2019-05-09 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Der 1947 geborene Antragsteller war vom 1. Mai 1996 bis 30. April 2014 ehrenamtlicher erster Bürgermeister einer oberbayerischen Gemeinde und wendet sich gegen den Einbehalt von 30% seines Ruhegehalts (Ehrensold). Er ist verheiratet und Vater eines volljährigen Kindes. Von 1980 bis 2011 war er Inhaber der von ihm gegründeten Firma Elektro B. Dieses Gewerbe wurde bisher nicht abgemeldet. Zudem vermietet er mit seiner Ehefrau als Kleinvermieter Ferienwohnungen. Nach dem Schreiben des Steuerberaters des Antragstellers vom 24. Januar 2019 stellen sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers und seiner Frau unter Berücksichtigung des Einbehalts derzeit wie folgt dar:
Antragsteller
in Euro
Ehefrau
in Euro
Nettoeinkünfte (mtl.)
Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit (Ehrensold, gekürzt um 30%)
Rente Sonstige Einkünfte (Gewerbebetrieb: Jahreseinnahmen: 9.120,64 €; Jahresausgaben: 9.007,11 €)
Gesamt:
794,14
907,42
9,46
1.711,02
Nettoeinkünfte (mtl.)
Rente Sonstige Einkünfte (Vermietung: Jahreseinnahmen: 11.699 €; Jahresausgaben: 11.315 €)
Gesamt:
426,74
32,00
458,74
Gesamteinkünfte (mtl.)
2.169,76
Ausgaben (mtl.)
Krankenversicherung Hälftige Kosten für Heizung, Wasser, Müll, Kaminkehrer, Strom, Hausversicherungen, Grundsteuer Kfz (Audi A3 Baujahr 2009)
Unfallversicherung (hälftig)
Rechtsschutzversicherung (hälftig)
Zusatzkrankenversicherung
Gesamt:
305,91
166,50
176,99
33,18
6,13
91,80
780,51
Ausgaben (mtl.)
Hälftige Kosten für Heizung, Wasser, Müll, Kaminkehrer, Strom, Hausversicherungen, Grundsteuer Kfz (BMW X3 Baujahr 2015)
Unfallversicherung (hälftig)
Rechtsschutzversicherung (hälftig)
Zusatzkrankenversicherung Sonstige Belastungen (Zahnersatz)
Gesamt:
166,49
237,23
33,17
6,12
67,91
70,91
581,83
Gesamtausgaben (mtl.)
1.362,34
Verfügbares Nettogesamteinkommen (mtl.):
807,42
Mit Verfügung vom 26. Juli 2017 wurde gegen den Antragsteller ein Disziplinarverfahren eingeleitet, da gegen ihn mit dem seit 6. Juli 2017 rechtskräftigem Strafbefehl des zuständigen Amtsgerichts vom 14. Juni 2017 wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen in sechs tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen in 18 tateinheitlichen Fällen eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von 10 Monaten verhängt wurde. Dem Strafbefehl lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Am 23. Mai 2015 kam es zu einem Brand in einem denkmalgeschützten historischen Anwesen, in dem sich zum Zeitpunkt des Brandausbruchs 54 Personen befanden. Allein im Dachgeschoss übernachteten 24 Personen in einem eng belegten Matratzenlager. Alleiniger Zugang war eine steile enge Holztreppe. Infolge der Feuer- und Rauchentwicklung fanden 6 Personen im Matratzenlager des Obergeschosses den Tod. Weitere 18 Personen wurden infolge des Brandes teilweise schwer verletzt. Laut Strafbefehl sei dem Antragsteller als Bürgermeister der Gemeinde bekannt gewesen, dass in dem Anwesen auch größere Gruppen (bis zu 50 Personen), insbesondere auch Schulklassen beherbergt wurden. Auch habe er gewusst, dass für eine in diesem Umfang durchgeführte Beherbergung eine baurechtliche Genehmigung erforderlich gewesen, aber nicht erteilt worden sei. Dennoch habe er weder das zuständige Landratsamt über diesen baurechtswidrigen Zustand informiert noch eine Feuerbeschau veranlasst, obwohl er hierzu verpflichtet gewesen wäre. Denn ihm sei klar gewesen, dass das Anwesen im derzeitigen Zustand aus brandschutzrechtlichen Gründen nicht genehmigt werden würde und könnte. Als das Landratsamt Kenntnis von den zahlreichen Gästebetten erhielt, forderte es den Pächter und Betreiber des Anwesens auf, über die Gemeinde, die einen Abdruck des Schreibens erhielt, einen Bauantrag einzureichen. Mit Schreiben vom 26. Februar 2009 teilte der Pächter und Betreiber des Anwesens daraufhin dem Landratsamt mit, dass er in Bezug auf die Genehmigung der Gästebetten von einem Genehmigungsverfahren absehe, da es keine Möglichkeit für die bauliche Veränderung bezüglich der Brandschutzverordnungen gebe. Die Unterbringung der Saisongäste erfolge in einer anderen Niederlassung. Das Anwesen beherberge nur noch Tagesgäste ohne Übernachtungsmöglichkeit. Dennoch fanden weiterhin zahlreiche Beherbergungen im größeren Umfang in dem Anwesen statt. Dies sei dem Antragsteller bekannt gewesen, der auch weiterhin im Hinblick auf die sicherheitsrechtlichen Pflichten der Gemeinde untätig geblieben sei.
Am 5. Juli 2018 erhob die Landesanwaltschaft Bayern – Disziplinarbehörde -Disziplinarklage. Das Verwaltungsgericht München erkannte mit Urteil vom 7. Mai 2019 dem Antragsteller das Ruhegehalt ab (M 13L DK 18.3287). Dagegen legte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 21. Mai 2019 Berufung ein, über die noch nicht entschieden ist (16a D 19.1036).
Mit Verfügung vom 11. Oktober 2018 ordnete der Antragsgegner die Einbehaltung von 30% des monatlichen Ruhegehalts an.
Den dagegen erhobenen Antrag auf Aussetzung der Einbehaltung von 30% des Ruhegehalts lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. Mai 2019 (M 13L DA 18.6175) ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf den Vermerk der Disziplinarbehörde vom 4. Februar 2019 verwiesen, demzufolge als Abzugsbetrag die monatlichen Stromkosten in Höhe von monatlich 83,33 € nicht angesetzt werden könnten, da diese bereits im Regelbedarf nach § 20 Abs. 1 SGB II enthalten seien. Die Kosten des Ruhebestandsbeamten für seinen Pkw (176,99 Euro monatlich) seien ebenfalls nicht zu berücksichtigen, da es nach der Rechtsprechung zumutbar sei, einen Pkw stillzulegen. Selbst wenn man überobligatorisch sämtliche Kosten für den Pkw der Ehefrau (für Reparaturen seien keine Belege vorgelegt worden), für die Unfall-, Rechtsschutzsowie Zusatzkrankenversicherung anerkenne, verbleibe der Familie ein Betrag in Höhe von 1.067,74 Euro (807,42 Euro zzgl. 83,33 Euro zzgl. 176,99 Euro) mit dem der Abstand zum Regelbedarf der Grundsicherung in Höhe von 764 Euro deutlich gewahrt sei.
Am 25. Februar 2019 erhob der Antragsteller Beschwerde mit der Begründung, dass sich entgegen den Feststellungen der Landesanwaltschaft der Einbehaltungssatz von 30% nicht nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beamten richte. Die Landesanwaltschaft verkenne, dass der Antragsteller keine Einkünfte mehr aus seinem Unternehmen habe. Das verfügbare Einkommen des Antragstellers liege ausweislich der Stellungnahme des Steuerberaters bei etwa 18.000 Euro; das verfügbare Einkommen der Ehefrau sei derart niedrig, dass sie der Unterstützung ihres Mannes bedürfe. Der Einbehalt von 30% des Ruhegehaltes würde zu einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung des Antragstellers führen, die der Fürsorgepflicht des Antragsgegners zuwiderlaufe.
Die Landesanwaltschaft Bayern beantragte,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2019, im Rahmen derer der Senat nicht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf eine Prüfung der in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe beschränkt ist (vgl. BayVGH, B.v. 6.11.2007 – 16a CD 07.2007 – juris Rn. 14 ff.), hat in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag gemäß Art. 61 Abs. 1 BayDG auf Aussetzung der Einbehaltung von 30% des Ruhegehalts des Antragstellers zu Recht abgelehnt. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel i.S.d. Art. 61 Abs. 2 BayDG an der Rechtmäßigkeit der Verfügung der Disziplinarbehörde vom 11. Oktober 2018, mit der gegenüber dem Antragsteller gemäß Art. 39 Abs. 2 Satz 2 BayDG die Einbehaltung von 30% seines Ruhegehalts angeordnet wurde.
Dabei teilt der Senat zunächst die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die formell nicht zu beanstandende Einbehaltungsanordnung sei dem Grunde nach rechtmäßig (BA S. 5 mit Verweis auf VG München, U.v. 7.5.2019 – M 13L DK 18.3287; vgl. zum Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes gegenüber Beziehern von Pflichtehrensold nach Art. 59 Abs. 1 KWBG: BayVGH, U.v. 7.12.2016 – 16a D 14.1215 – juris Rn. 35 ff.).
Die durch das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 7. Mai 2019 (M 13L DK 18.3287) gestützte Prognose der voraussichtlichen, überwiegend wahrscheinlichen Aberkennung des Ruhegehalts, vermag die sich insoweit auf die bloße Verweisung vorliegender Dokumente (Antragsschrift vom 26.10.2018, Niederschrift vom 12.10.2017 sowie Stellungnahmen vom 12.6.2018 und vom 11.9.2018) beschränkende Beschwerdebegründung nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Insoweit fehlt es bereits an einer substantiierten Auseinandersetzung mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. Mai 2019 (M 13L DK 18.3287), das die rekurrierten Einlassungen und Argumente des Antragstellers einbezogen und erwogen hat. Entsprechend besteht ein hinreichend begründeter Verdacht der Begehung eines Dienstvergehens, das mit ausreichendem Grad von Wahrscheinlichkeit zur Verhängung der Höchstmaßnahme führen wird. Im Rahmen des vorläufigen Verfahrens, das sich wegen des Vorbehalts einer detaillierten Prüfung im förmlichen Disziplinarverfahren seinem Wesen nach auf summarische Bewertungen und Wahrscheinlichkeitserwägungen zu beschränken hat, ist das Vorbringen des Antragstellers somit nicht geeignet, den hinreichenden Tatverdacht auszuräumen und die durch das erstinstanzliche Urteil vom 7. Mai 2019 begründete Prognose der Aberkennung des Ruhegehalts ernsthaft zu erschüttern.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller in erster Linie gegen die Höhe des Einbehaltungssatzes von 30%. Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Disziplinarbehörde ihr pflichtgemäßes Ermessen hinsichtlich der Bestimmung der Höhe der Einbehaltungsquote rechtmäßig ausgeübt hat.
Diese Ermessensentscheidung kann vom Gericht nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüft werden. Sie ist insbesondere insoweit zu überprüfen, ob die Einleitungsbehörde der ihr obliegenden Verpflichtung ausreichend Rechnung getragen hat, ihr Ermessen zweckgerecht und unter Wahrung der bestehenden Grenzen auszuüben (vgl. Art. 40 BayVwVfG). Da anderenfalls für das Gericht nicht erkennbar wird, von welchen Tatsachen die Behörde ausgegangen und ob das Ermessen fehlerfrei ausgeübt worden ist, muss die Ermessensentscheidung – wie vorliegend erfolgt – begründet sein. Die Einbehaltung von Teilen des Ruhegehalts hat sich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie am Grundsatz der angemessenen Alimentation eines Beamten und der Fürsorge ihm gegenüber zu orientieren. Bei der Festsetzung der Einbehaltungsquote muss die Einleitungsbehörde von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beamten ausgehen, wie ihr diese aufgrund von ihr anzustellenden Ermittlungen unter Mitwirkung des Beamten im Zeitpunkt der Einbehaltungsanordnung bekannt sind. Sie ist von Amts wegen zu fortlaufender Prüfung verpflichtet, ob sich Umstände geändert haben, die für die Einbehaltung dem Grunde oder der Höhe nach von Bedeutung wären, und sie ist gegebenenfalls berechtigt oder gar verpflichtet, eine ursprünglich getroffene Anordnung zu ändern. Sie muss die konkreten Umstände des Einzelfalles berücksichtigen, unter denen der Beamte seinen Haushalt zu führen und seine Einnahmen in Form der ihm zustehenden Dienstbezüge aufzuteilen hat. Bei der notwendigen Gesamtbetrachtung sind die laufenden Einkünfte der Familie – einschließlich des Einkommens des Ehegatten – dem Gesamtbedarf der Familie gegenüberzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2010 – 16a DS 09.3252 – juris Rn. 76; B.v. 6.11.2007 – 16a CD 07.2007 – juris Rn. 23 m.w.N.).
Wenn der Beamte sich auch eine gewisse Einschränkung seiner Lebenshaltung als Folge der vorläufigen Dienstenthebung gefallen lassen muss, darf die Einbehaltung wegen ihres vorläufigen Charakters nicht zu existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigungen oder nicht wiedergutzumachenden Nachteilen führen (BVerwG, B.v. 28.10.1985 – 1 DB 46.85 – juris Rn. 7, 11 f.). Der Beamte muss auch nach der Einbehaltung in der Lage sein, seinen notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Einleitungsbehörde verletzt ihre Alimentationspflicht und überschreitet deshalb die Grenze des ihr von Art. 39 Abs. 2 Satz 2 BayDG eingeräumten Ermessens jedenfalls dann, wenn der dem Beamten nach der Einbehaltungsanordnung für den Lebensunterhalt verbleibende Betrag nur dem Regelsatz der Grundsicherung für Arbeitssuchende oder der Grundsicherung im Alter (früher Sozialhilfe, vgl. § 20 Abs. 1 SGB II und § 42 Nr. 1 SGB XII) entspricht oder keinen hinreichenden Abstand zu diesem wahrt (BVerwG, B.v. 22.5.2000 – 1 DB 8.00 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 30.11.2010 – 16a DS 09.3252 – juris Rn. 76). Die Frage, ob die gekürzten Dienstbezüge des Beamten einen hinreichenden Abstand zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau wahren, lässt sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur absoluten Untergrenze der Nettoalimentation (vgl. BVerwG, B.v. 22.9.2017 – 2 C 56.16 – juris Rn. 146; BVerfG, B.v. 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 u.a. – BVerfGE 140, 240 Rn. 93; BVerfG, B.v. 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 – BVerfGE 99, 300-332 – juris Rn. 57) dahingehend beantworten, dass die dem Beamten und seiner Familie nach der Einbehaltungsanordnung für den Lebensunterhalt verbleibenden Einkünfte einen Mindestabstand zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau von 15% aufweisen müssen. Nach Auffassung des Senats gilt die „15%-Regelung“ auch im Disziplinarrecht, weil dort die Frage nach der Amtsangemessenheit der (gekürzten) Alimentation nicht anders beantwortet werden kann als im allgemeinen Besoldungsrecht (vgl. SächsOVG, B.v. 2.12.2013 – D 6 B 147/12 – juris Rn. 12).
Diese Grundsätze gelten auch hinsichtlich der Kürzung des Ehrensoldes, obgleich dieser nicht als Versorgungsleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts dient und nicht dem Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation unterliegt, sondern als eine Art Treueprämie gedacht ist, um Bürgermeistern mit langer Amtszeit die Anerkennung der Gemeinde zuteilwerden zu lassen (BayVGH, U.v. 7.12.2016 – 16a D 14.1215 – juris Rn. 77; OVG RhPf, B.v. 11.7.2017 – 2 A 11035/17 – juris Rn. 5). Denn der Ehrensold soll auch dem Ausgleich möglicher beruflicher Einbußen und Nachteile dienen, die dem Ehrenbeamten in seinem Hauptberuf aufgrund der starken Inanspruchnahme in seinem Ehrenamt erwachsen sind (BVerwG, U.v. 10.3.1994 – 2 C 11.93 – BVerwGE 95, 208 – juris Rn. 17). Er soll die ehrenamtlichen Bürgermeister, die keine Versorgung aus ihrem Amt erhalten, in die Lage versetzen, gewisse Aufwendungen zu bestreiten, die sie als Nachwirkungen ihres Amtes auch nach dessen Beendigung und nach dem Wegfall der Aufwandsentschädigung treffen können (BayVerfGH, E.v. 25.5.1970 – Vf. 18-VII-70 – VerfGHE 23, 115/117). Diesen Besonderheiten des Ehrensoldes trägt die Übertragung der Rechtsprechung zum Mindestabstand zur Grundsicherung ausreichend Rechnung. Entsprechend müssen die dem Beamten und seiner Familie zur Verfügung stehenden Gesamteinkünfte unter Berücksichtigung ihrer sonstigen durch die Lebenshaltung bedingten Verbindlichkeiten (vgl. dazu BayVGH, B.v. 30.11.2010 – 16a DS 09.3252 – juris Rn. 78 ff.) einen Mindestabstand zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau von 15% aufweisen.
Gemessen daran lassen die sich aus der Gegenüberstellung der anrechenbaren Einnahmen und der zum alimentationserfassten Bedarf gehörenden Aufwendungen ergebenden wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers eine Kürzung des Ehrensolds um 30% zu. Ihm und seiner Ehefrau verbleibt nach Abzug der anzuerkennenden Verbindlichkeiten nach Vornahme des Einbehalts ein monatlicher Betrag von mindestens 984,41 Euro (2.169,76 Euro abzgl. 1.185,35 Euro). Dieser Betrag übersteigt den um 15% erhöhten Regelsatz der Grundsicherung (764 Euro = 2 x Regelbedarfsstufe 2 in Höhe von jeweils 382 Euro, vgl. § 20 Abs. 1a SGB II i.V.m. der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2019 – BGBl 2018, 1766) in Höhe von 878,60 Euro (764 Euro zzgl. 15% = 114,60 Euro) und ist deshalb nicht zu beanstanden.
Unter Berücksichtigung der beabsichtigten Kürzung des Ehrensolds um 30% stehen dem Antragsteller und seiner Ehefrau monatlich finanzielle Mittel (nach Steuern) in Höhe von insgesamt 2.169,76 Euro zur Verfügung.
Mit seinem Einwand, dass der Antragsteller keine Einkünfte mehr aus seinem Unternehmen habe, dringt er schon deshalb nicht durch, weil die Disziplinarbehörde bei der Ermittlung der Einkünfte die Angaben des Steuerberaters des Antragstellers identisch übernommen (Gewinnermittlung für das Betriebsjahr 2018 nach § 4 Abs. 3 EStG, Bl. 281 der Behördenakte) und dementsprechend die Jahreseinkünfte aus dem Gewerbebetrieb des Antragstellers in Höhe von lediglich 113,53 Euro (monatlich 9,46 Euro) zutreffend berücksichtigt hat. Nicht nachvollziehbar sind die Ausführungen der Beschwerdebegründung, wonach das verfügbare Einkommen des Antragstellers ausweislich der Stellungnahme des Steuerberaters bei etwa 18.000 Euro liege; in nicht zu beanstandender Weise rekurrierte die Disziplinarbehörde auf die präzisen Angaben des Steuerberaters des Antragstellers vom 24. Januar 2019 (Behördenakte Bl. 272 ff.), der eine aktuelle Einkommenshöhe des Antragstellers von monatlich 1.711,02 Euro mitteilte.
Die Disziplinarbehörde geht zu Recht davon aus, dass bei der Berechnung des Einbehaltungssatzes die vom Antragsteller geltend gemachten Aufwendungen für seinen zweiten Pkw Audi A3 (176,99 Euro monatlich) nicht zu berücksichtigen sind. Denn Ausgaben im Zusammenhang mit einem Kraftfahrzeug können dann unberücksichtigt bleiben, wenn keine besonderen Gründe für die Benutzung eines Kraftwagens (z.B. fehlende angemessene öffentliche Verkehrsverbindung bei Nebenbeschäftigung) erkennbar sind (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2010 – 16a DS 09.3252 – juris Rn. 96; BVerwG, B.v. 5.9.1978 – 1 DB 17.78 – juris Rn. 16; B.v. 29.5.1996, 1 DB 11.96 – juris Rn. 14; B.v. 22.5.2000 – 1 DB 8.00 – juris Rn. 27). Abgesehen davon, dass der Antragsteller einen besonderen Bedarf für ein Kraftfahrzeug weder dargelegt noch nachgewiesen hat, ist selbst bei fehlender angemessener öffentlicher Verkehrsverbindung davon auszugehen, dass die bestehenden Nebenbeschäftigungen – soweit der Gewerbebetrieb überhaupt noch mit einer über den Zweck einer Selbstkostenabdeckung hinausgehenden Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden sollte – jedenfalls wegen der Verwendung des zweiten Kraftfahrzeugs (BMW X3) weiter ausgeübt werden können. Zumal der Antragsteller nach eigenen Angaben nur noch wenige langjährige Kunden betreut (Bl. 250 Behördenakte) und sich die vermieteten Ferienwohnungen in seinem Wohnhaus befinden. Im Übrigen wäre nichts dagegen zu erinnern, bei der Bedarfsermittlung anstatt der monatlichen Kosten für den Audi A3 die höheren Kosten für den BMW X3 (monatlich 237,23 Euro) unberücksichtigt zu lassen.
Aufgrund der den Regelsatz der Grundsicherung damit bereits deutlich übersteigenden Einkünfte, die den Antragsteller und seine Ehefrau in Anbetracht der dörflichen Lebensverhältnisse nach wie vor unter den ihnen zuzumutenden Einschränkungen in die Lage versetzen dürften, ihren notwendigen Bedarf für Ernährung, Bekleidung, Fahrgeld, Umweltkontakte sowie begrenzte Teilnahme am Kulturleben zu decken, ohne existenzgefährdende Kredite aufnehmen zu müssen, kann dahinstehen, ob angesichts des Umstandes, dass die Kosten für Strom (hier: 83,33 Euro monatlich) bereits im Regelsatz der Grundsicherung (§ 20 Abs. 1 SGB II „Haushaltsenergie“) enthalten sind, als berücksichtigungsfähiger Bedarf für angemessene Wohnnebenkosten in Ansatz gebracht werden können (vgl. dazu BayVGH, B.v. 30.11.2010 – 16a DS 09.3252 – juris Rn. 91, 130).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf Art. 72 Abs. 4 BayDG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtsgebühren werden gemäß Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (Art. 3 BayDG i.V.m. § 152 VwGO).


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