Verwaltungsrecht

Festsetzung des Curriculawerts (hier: im Fach Molekulare Medizin)

Aktenzeichen  7 CE 17.10003 u. a.

Datum:
14.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV § 10, § 48 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Die Vorlage von Namenslisten aller eingeschriebenen Studierenden, die außer den Erstellungsdaten auch den „Studierendenstatus (Beurlaubung, Neueinschreibung, Rückmeldung usw.) sowie Matrikelnummern und evtl. Exmatrikulationen“ enthalten, kommt bereits aus datenschutzrechtlichen Bedenken nicht in Betracht.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Vorlage einer anonymisierten Belegungs-, Einschreibungs- oder Immatrikulationsliste bedarf es nur, wenn die diesbezüglichen Zahlenangaben der Universität unglaubhaft sind. (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Studienplatz eines beurlaubten Studenten (bzw. der einer beurlaubten Studentin) braucht nicht aus der Zahl der tatsächlich vergebenen Studienplätze „herausgerechnet“ werden, da durch Beurlaubungen keine vollständigen Studienplätze frei werden, sondern allenfalls Kapazitäten in einzelnen Semestern. (redaktioneller Leitsatz)
4 Der sog. „Hochschulpakt 2020“, eine die Hochschulfinanzierung betreffende Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art. 91b Abs. 1 GG, hat zu keinem Zeitpunkt Studienbewerbern und -bewerberinnen einen Anspruch auf einen weiteren Ausbau der Ausbildungskapazität einer Universität vermittelt. (redaktioneller Leitsatz)
5 Die festgelegte Gruppengröße wird nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass mittlerweile an der Universität eine darüber hinausgehende Zahl von Erstsemestern zum Studium zugelassen wird. Bei der Gruppengröße handelt es sich um abstrakte und weitgehend normativ geprägte Betreuungsrelationen, deren Höhe so zu bestimmen ist, dass der ebenfalls normativ festgelegte Curricularnormwert eingehalten werden kann. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 1 E HV 16.10160 u.a. 2016-12-14 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller und Antragstellerinnen tragen jeweils die Kosten der Beschwerdeverfahren.
III. Der Streitwert für die Beschwerdeverfahren wird auf jeweils 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller und Antragstellerinnen (im Folgenden: Antragsteller) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin, 1. Fachsemester, an der Universität R. (UR) nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2016/2017. Sie halten die dortige Ausbildungskapazität für nicht ausgeschöpft.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg hat die entsprechenden Anträge mit Beschluss vom 14. Dezember 2016 abgelehnt.
Mit ihren Beschwerden verfolgen die Antragsteller ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie machen geltend, die Kapazitätsberechnung der Universität sei nicht ausreichend nachvollziehbar; vorzulegen seien insoweit zunächst Namenslisten und bestimmte Daten aller eingeschriebenen Studierenden. Im Übrigen bemängeln die Antragsteller vor allem: Die Erfassung beurlaubter Studierender, die Angaben zum Lehrangebot, den Verbleib der im Rahmen des Hochschulpakts 2020 geschaffenen Stellen, die Festsetzung des Curricularwerts und die Überbuchung im Studiengang Molekulare Medizin, die Höhe und die Berechnung des Dienstleistungsexports, den angesetzten Kürzungsfaktor von 0,85 bei Berechnung des Curriculareigenanteils der Lehreinheit Vorklinische Medizin für Seminare und Praktika sowie die Gruppengröße für Vorlesungen.
Der Antragsgegner widersetzt sich in allen Punkten den Beschwerden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässigen Beschwerden sind unbegründet. Die Beschwerdevorbringen, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) begründen keinen Anordnungsanspruch der Antragsteller. Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt darauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Im Hinblick auf die Beschwerdevorbringen bleibt folgendes anzumerken:
1. Die Vorlage von Namenslisten aller eingeschriebenen Studierenden, die außer den Erstellungsdaten auch den „Studierendenstatus (Beurlaubung, Neueinschreibung, Rückmeldung usw.) sowie Matrikelnummern und evtl. Exmatrikulationen“ enthalten, kommt nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass derart detaillierte Angaben bereits datenschutzrechtlichen Bedenken begegnen, sind die diesbezüglichen Zahlenangaben der UR glaubhaft, weshalb es der Erstellung auch einer anonymisierten Belegungs-, Einschreibungs- oder Immatrikulationsliste nicht bedarf (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. B.v. 21.4.2016 – 7 CE 16.10024 m.w.N. – juris).
2. Wie der Senat ebenfalls bereits mehrfach entschieden hat, muss der Studienplatz eines beurlaubten Studenten (bzw. der einer beurlaubten Studentin) nicht aus der Zahl der tatsächlich vergebenen Studienplätze „herausgerechnet“ werden, da durch Beurlaubungen keine vollständigen Studienplätze frei werden, sondern allenfalls Kapazitäten in einzelnen Semestern (BayVGH, B.v. 22.8.2006 – 7 CE 06.10365 – juris Rn. 7). Nach der Systematik der Kapazitätsberechnung kommt es grundsätzlich nicht darauf an, in welchem Umfang die zum Studium zugelassenen Studierenden von dem Lehrangebot tatsächlich Gebrauch machen (BayVGH, B.v. 21.5.2013 – 7 CE 13.10024 – juris Rn. 12), oder ob nach Vorlesungsbeginn Exmatrikulationen stattgefunden haben (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2016 – 7 CE 16.10280 – juris Rn. 8).
3. Gleichfalls keinen rechtlichen Bedenken begegnet die Feststellung des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss, dass sich das Lehrangebot um eine A 14 a.Z.-Stelle erhöht hat. Die von den Antragstellern in diesem Zusammenhang verlangte Zuordnung und namentliche Nennung der jeweiligen Stelleninhaber ist – wie in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt ist – nicht veranlasst, weil es wegen des geltenden abstrakten Stellenprinzips auf die tatsächliche Besetzung der einer Lehreinheit zugewiesenen Stellen und damit auf die Namen der jeweiligen Stelleninhaber nicht ankommt (BayVGH, B.v. 21.4.2016 – 7 CE 16.10024 m.w.N. – juris Rn. 9).
4. Die beantragte Darlegung, welche Stellen seinerzeit (d.h. im Rahmen des „Hochschulpakts 2020“ für das Wintersemester 2013/2014) für die Kapazitätserhöhung in der Vorklinik geschaffen worden sind sowie die geforderten Angaben, ob diese Stellen noch immer vorhanden sind, sind – entgegen der Ansicht der Antragsteller – nicht erforderlich. Abgesehen davon, dass die entsprechenden Mittelzuweisungen für die Lehreinheit Vorklinik mittlerweile eingestellt wurden, hat der sog. „Hochschulpakt 2020“, eine die Hochschulfinanzierung betreffende Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art. 91b Abs. 1 GG, Studienbewerbern undbewerberinnen zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch auf einen weiteren Ausbau der Ausbildungskapazität einer Universität vermittelt (z.B. BayVGH, B.v. 15.7.2016 – 7 CE 16.10082 m.w.N. – juris).
5. Die Einwände der Antragsteller gegen den im Fach Molekulare Medizin festgesetzten Curricularwert und die dort erfolgte Überbuchung greifen nicht durch. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, ist die Erhöhung des Curricularwerts auf eine neue Prüfungsordnung zurückzuführen und wirkt sich auf die Kapazität der Lehreinheit Vorklinische Medizin nicht aus. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 4 HZV können Hochschulen bei der Durchführung ihrer Auswahlverfahren durch Überbuchung der Zulassungszahlen berücksichtigen, dass Studienplätze voraussichtlich nicht besetzt werden. Die Zulassung weiterer Studienanfänger ist insoweit als kapazitätsdeckend hinzunehmen (BayVGH, B.v. 4.4.2013 – 7 CE 13.10002 – juris Rn. 10).
6. Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller ist auch der Dienstleistungsexport – u.a. in den Studiengang Bewegungswissenschaften – zutreffend berechnet worden. Gemäß § 48 Abs. 2 HZV sind zur Berechnung des Bedarfs an Dienstleistungen Studienanfängerzahlen für die nicht zugeordneten Studiengänge anzusetzen, wobei die voraussichtlichen Zulassungszahlen für diese Studiengänge und/oder die bisherige Entwicklung der Studienanfängerzahlen zu berücksichtigen sind. Diese Berechnung hat die UR auf der Basis der tatsächlichen Studienanfängerzahlen ohne Beurlaubte der beiden vor dem Stichtag 1.2.2016 liegenden Semester angestellt. Dagegen ist aus rechtlicher Sicht nichts einzuwenden. Im Übrigen hat die UR im Beschwerdeverfahren (Schreiben vom 23.12.2017) im Einzelnen dargelegt, wie sie den Dienstleistungsbedarf für den nicht zugeordneten Studiengang berechnet hat. Eventuell bestehende Unklarheiten dieser Berechnung sind aus Sicht des Senats damit ausgeräumt.
7. Entgegen der Ansicht der Antragsteller führt der vom Senat seit seinem Beschluss vom 6. Juli 2004 (7 CE 04.10254 u.a. – juris) in ständiger Rechtsprechung als rechtmäßig gebilligte Umstand, dass die UR bei der Berechnung des Curriculareigenanteils der Lehreinheit Vorklinische Medizin im Rahmen der Ermittlung des Imports aus anderen Lehreinheiten für Seminare und Praktika statt der vollen Anrechnung nur jeweils einen Anteil von 0,85 ansetzt, nicht dazu, dass dasselbe Vorgehen bei der Ermittlung des Dienstleistungsexports (vgl. § 48 Abs. 1 HZV) oder des Anteils des integrierten Seminars (vgl. § 2 ÄApprO) angezeigt wäre. Denn die Praxis der UR, Kurse und Seminare für die Berechnung des jeweiligen Curriculareigenanteils kapazitätsgünstig mit einem Anteil von lediglich 0,85 anzusetzen, dient dem Ziel, den curricularen Normwert der Vorklinik von 2,42 nicht zu überschreiten. Nach Erreichen dieses Ziels, der Einhaltung des curricularen Normwerts, ist eine weitere rechnerische „Kürzung“ des tatsächlich geleisteten Ausbildungsaufwands weder erforderlich noch geboten (BayVGH, B.v. 12.4.2016 – 7 CE 16.10034 u.a. – juris m.w.N.; B.v. 8.2.2017 – 7 CE 17.10013 u.a.). Die „Aufforderung“ der Antragsteller an den Senat, „seine unhaltbare Rechtsmeinung zu diesem Problem zu überdenken“, ändert daran nichts, zumal nicht ansatzweise begründet wird, welches Rechtsschutzinteresse an der Abschaffung einer Berechnungspraxis bestehen könnte, die sich letztlich kapazitätserhöhend und damit zugunsten der Studienbewerber und -bewerberinnen auswirkt (vgl. dazu: BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 7 CE 17.10013 u.a.).
8. Auch mit der Gruppengröße bei Vorlesungen hat sich der Senat bereits mehrfach befasst (BayVGH, B.v. 27.7.2006 – 7 CE 06.10037; B.v. 11.4.2011 – 7 CE 11.10004 u.a. – jeweils juris) und insoweit ausgeführt, die Gruppengröße von (damals 180) werde nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass mittlerweile an der UR eine darüber hinausgehende Zahl von Erstsemestern zum Studium zugelassen werde. Bei der Gruppengröße handle es sich um abstrakte und weitgehend normativ geprägte Betreuungsrelationen, deren Höhe so zu bestimmen sei, dass der ebenfalls normativ festgelegte Curricularnormwert eingehalten werden könne. Der hier üblicherweise angesetzte, aus dem Beispielstudienplan der ZVS entwickelte Wert g=180 stelle insoweit für die Gesamtheit der angebotenen Vorlesungen eine Art Mittelwert dar, den der Verordnungsgeber bei der curricularen Aufteilungsentscheidung zugrunde gelegt habe und der daher im Rahmen der abstrakten Berechnung nach der Kapazitätsverordnung weiterhin Verwendung finden dürfe.
Inzwischen hat die UR die in der Berechnung eingestellte Gruppengröße für Vorlesungen kapazitätsgünstig auf g=200 angehoben. Nachdem die Gruppengrößen so bemessen sein müssen, dass im Ergebnis der normativ festgelegte Curricularnormwert von 2,42 nicht überschritten wird (BayVGH, B.v. 22.7.2008 – 7 CE 08.10488) und das Kapazitätsrecht ohnehin keine Korrektur der Gruppengröße entsprechend der Ausbildungswirklichkeit verlangt, ist eine weitere Anhebung nicht geboten (BayVGH, B.v. 11.4.2011 – 7 CE 11.10004 – juris Rn. 26, 27).
9. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben