Verwaltungsrecht

Feststellungsinteresse bei außer Kraft getretener Veränderungssperre

Aktenzeichen  1 N 18.899

Datum:
26.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4183
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

Das Vorbringen eines Antragstellers, dass er durch die Veränderungssperre möglicherweise in seinem Eigentumsrecht bzw. seiner Verfügungsbefugnis über das Grundstück verletzt wird, reicht für das Feststellungsinteresse nach Außerkrafttreten der Norm nicht aus. Hierfür ist ein darüberhinausgehendes Interesse erforderlich, dass bei einem Feststellungsinteresse wegen Präjudizwirkung für einen anschließenden Rechtsstreit voraussetzt, dass Ansprüche wegen eines fehlerhaften behördlichen Verhaltens geltend gemacht werden sollen (vgl. VGH München, BeckRS 2020, 4485 Rn. 15). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.Der Antrag wird abgelehnt.
II.Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III.Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV.Die Revision wird nicht zugelassen.  

Gründe

Über den Normenkontrollantrag konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da sich die Beteiligten mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Tritt eine Veränderungssperre während der Anhängigkeit eines – wie hier – nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zulässigen Antrags auf Feststellung ihrer Unwirksamkeit außer Kraft, kann der Antragsteller die Feststellung begehren, dass die Veränderungssperre ungültig war (vgl. BVerwG, B.v. 2.9.1983 – 4 N 1.83 – BVerwGE 68, 12). Die am 19. Februar 2018 beschlossene und am 27. Februar 2018 bekanntgemachte Veränderungssperre ist mit Inkrafttreten des am 14. Januar 2019 beschlossenen und am 22. Januar 2019 bekanntgemachten Bebauungsplans nach § 17 Abs. 5 BauGB außer Kraft getreten.
Die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags nach Außerkrafttreten einer Veränderungssperre entfällt, wenn der Antragsteller kein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, dass die Satzung ungültig war. Ein abstrakter Klärungsbedarf genügt nicht, das Feststellungsinteresse muss substantiiert geltend gemacht werden und im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats vorliegen (vgl. BayVGH, U.v. 13.7.2020 – 1 N 19.1393 – BayVBl 2020, 845; zur Fortsetzungsfeststellungsklage BVerwG, B.v. 30.6.2016 – 1 WB 17.15 – juris Rn. 24; U.v. 16.5.2013 – 8 C 14.12 – BVerwGE 146, 303). Ein berechtigtes Feststellungsinteresse besteht nach ständiger Rechtsprechung, wenn die begehrte Feststellung präjudizielle Wirkung für die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines auf die Norm gestützten behördlichen Verhaltens und damit für in Aussicht genommene Entschädigungsansprüche haben kann. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen oder einer Entschädigung muss ernsthaft beabsichtigt sein. Voraussetzung ist, dass eine Klage auf Schadensersatz oder Entschädigung anhängig ist oder ihre alsbaldige Erhebung mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (vgl. BVerwG, B.v. 9.3.2005 – 2 B 111.04 – juris Rn. 7).
Die Ausführungen der Antragsteller zum Feststellungsinteresse beschränken sich darauf, dass der Carport bis zum Erlass der Veränderungssperre genehmigungsfähig gewesen sei. Damit wird aber nur die Antragsbefugnis gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO belegt, die voraussetzt, dass der Antragsteller geltend machen kann, dass er durch die Veränderungssperre möglicherweise in seinem Eigentumsrecht bzw. seiner Verfügungsbefugnis über das Grundstück verletzt wird. Für das Feststellungsinteresse nach Außerkrafttreten der Norm ist ein darüberhinausgehendes Interesse erforderlich, das bei einem Feststellungsinteresse wegen Präjudizwirkung für einen anschließenden Rechtsstreit voraussetzt, dass Ansprüche wegen eines fehlerhaften behördlichen Verhaltens geltend gemacht werden sollen (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2020 – 1 N 17.450 – juris Rn. 15). Die Antragsteller haben aber keine ernsthafte Absicht dargelegt, Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Eine nur theoretisch mögliche Schadensersatz- oder Entschädigungsklage vermag ein Feststellungsinteresse nicht zu begründen (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2016 – 1 WB 17.15 – juris Rn. 24; B.v. 9.3.2005 – 2 B 111.04 – juris Rn. 7). Die Voraussetzungen für ein Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr werden ebenfalls nicht dargelegt. Ein berechtigtes Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr ist gegeben, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergehen wird (stRspr. vgl. BVerwG, B.v. 2.11.2017 – 7 C 26.15 – juris Rn. 18; U.v. 16.5.2013 – 8 C 14.12 – BVerwGE 146, 303;). Hiervon kann angesichts des zwischenzeitlich erlassenen Bebauungsplans ebenfalls nicht ausgegangen werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nicht vorliegen (§ 132 Abs. 2 VwGO).


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