Verwaltungsrecht

Fluchtalternative bei Verfolgung durch Taliban in Afghanistan

Aktenzeichen  13a ZB 16.30105

Datum:
2.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 50114
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Frage, ob ein von den Taliban und der Mafia in Afghanistan Verfolgter eine Fluchtalternative innerhalb Kabuls oder anderen größeren Städten hat, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Gefährdung von den Umständen des Einzelfalls abhängt und deshalb einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 6 K 16.30062 2016-04-22 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
III.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da der Zulassungsantrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO).
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. April 2016 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO nicht vorliegen.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).
Der Kläger hält für klärungsbedürftig, „ob von den Taliban oder der Mafia verfolgte Asylsuchende in einem anderen Stadtteil Kabuls sicher leben könnten.“ Bei den Taliban handele es sich um eine landesweit operierende Organisation. Die Mafia arbeite mit den Taliban und der Polizei zusammen und sei daher in der Lage, ihn überall zu finden.
Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass selbst bei Wahrunterstellung des klägerischen Vorbringens zu den Fluchtgründen dieser darauf zu verweisen sei, sich innerhalb Kabuls in einem anderen Stadtteil oder einer anderen größeren Stadt Afghanistans aufzuhalten. Damit ist das Verwaltungsgericht aufgrund der Schilderung des Klägers zum Ergebnis gekommen, dass dieser sich einer Gefährdung entziehen kann. Ob diese Einschätzung zutreffend ist, ist einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich. Vielmehr hängt es wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab, ob sich eine befürchtete Gefährdung auf das nähere Umfeld des Klägers und seiner Eltern beschränkt oder diese auch in anderen Stadtteilen Kabuls bzw. in einem anderen Teil Afghanistans besteht. Das Verwaltungsgericht hat sich hierzu mit dem Vortrag des Klägers auseinandergesetzt und u. a. auf die Anonymität einer Großstadt und den Zeitablauf verwiesen (UA S. 7 f.). Verallgemeinerungsfähige Schlüsse lassen sich damit aus der aufgeworfenen Frage nicht gewinnen. Zudem hat das Verwaltungsgericht als weitere (Flucht-)Alternative eine Niederlassung in einer anderen größeren Stadt wie Herat für möglich erachtet. Dort wäre der Kläger keiner Verfolgung ausgesetzt (UA S. 8 f.). Hierzu hat sich der Kläger nicht geäußert.
Der Kläger macht außerdem eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO). Er rügt, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen. Auch habe er in der öffentlichen Sitzung beantragt, seine Ehefrau als Zeugen für seine Angaben zu vernehmen. Den Antrag habe das Verwaltungsgericht ignoriert.
Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Dem Kläger war das rechtliche Gehör nicht versagt. Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924). Es soll sichergestellt sein, dass das Gericht die Ausführungen der Beteiligten würdigt (BayVerfGH, E.v. 13.3.1981 – Vf. 93-VI-78 – BayVBl 1981, 529). Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluss, der zu begründen ist, abgelehnt werden (§ 86 Abs. 2 VwGO).
Ein Beweisantrag liegt bereits nicht vor. Dieser müsste in der mündlichen Verhandlung gestellt und in das Sitzungsprotokoll aufgenommen worden sein. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 19. April 2016 wurde jedoch kein Beweisantrag gestellt. Im Übrigen hat sich das Verwaltungsgericht mit dem Vortrag des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal in dem angefochtenen Urteil auseinandergesetzt (UA S. 5 ff.), jedoch angenommen, dass die vorgetragenen Fluchtgründe die asylerheblich relevante Schwelle nicht überschreiten und zudem eine Fluchtalternative bestehe.
Durch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist der Regelungsgehalt des Art. 103 Abs. 1 GG nicht berührt. Art. 103 Abs. 1 GG gibt den am Prozess Beteiligten keinen Anspruch darauf, dass das Gericht Tatsachen erst beschafft oder von sich aus Beweis erhebt (BVerfG, B.v. 2.12.1969 – 2 BvR 320/69 – BVerfGE 27, 248/251; BayVerfGH, E.v. 13.3.1981 a. a. O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.


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