Verwaltungsrecht

Flüchtlingseigenschaft, Verwaltungsgerichte, Befähigung zum Richteramt, Asylanerkennung, Abschiebungsverbot, Unrichtige Sachbehandlung, Verwaltungsgerichtsverfahren, Subsidiärer Schutzstatus, Hinreichende Erfolgsaussicht, Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Asylantrag, Innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, Wiederaufnahmegründe, Prozeßbevollmächtigter, Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse, Glaubhaftmachung, Subsidiär Schutzberechtigter, Bundsverwaltungsgericht, Asylverfahren, Aufenthaltsverbot

Aktenzeichen  AN 19 K 20.30605

Datum:
7.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38999
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 77

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens der Klägerin zur mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2020 entschieden werden. Die Klägerin ist ausweislich der Gerichtsakten ordnungsgemäß geladen und auf die Folge des Ausbleibens hingewiesen worden, § 102 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Klage ist unbegründet, denn die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Asylanerkennung noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder Gewährung subsidiären Schutzes. Auch Abschiebungsverbote liegen nicht vor.
Der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin unter keinem Gesichtspunkt in eigenen Rechten, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Vorab ist zwar festzustellen, dass nach Auffassung der erkennenden Einzelrichterin die Behandlung des Asylantrags der Klägerin als Folgeantrag durch das Bundesamt fehlerhaft war, weil die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen. So fehlt es hier an einer „unanfechtbaren Ablehnung eines früheren Asylantrages“, weil der Asylerstantrag der Klägerin lediglich im Rahmen von § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG als unzulässig abgelehnt wurde, mithin über das eigentliche Asylvorbringen der Klägerin bis zum Erlass der streitgegenständlichen Entscheidung noch zu keinem Zeitpunkt – weder in Deutschland noch in Italien – entschieden worden war. Insoweit ist lediglich eine Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands im Rahmen der sog. Dublin-IIIRegelungen ergangen; diese ist jedoch nicht mit einer „unanfechtbaren Ablehnung“ des ersten Asylantrages gleichzusetzen (vgl. in diesem Sinne auch Dickten in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 27. Edition, Stand: 01.10.2020, Rn. 4-6a; BeckOK MigR/Camerer, 6. Ed. 1.10.2020, AsylG § 71; aA Bergmann/Dienelt/Bergmann, 13. Aufl. 2020, AsylG § 71 Rn. 7 – jeweils beck-online). Eine andere Auffassung würde dazu führen, dass die Gründe, die für den Asylantrag geltend gemacht werden, unter Umständen von keinem Staat geprüft würden und die nationalen sowie die internationalen Schutzgarantien ins Leere liefen. Dies gilt insbesondere, wenn keine Wiederaufnahmegründe geltend gemacht werden können.
Allerdings führt die unrichtige Sachbehandlung des Asylantrags nicht zu einer Rechtsverletzung der Klägerin, weil das Bundesamt durch die Bejahung der Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrages in eine vollumfängliche Sachprüfung eingetreten ist. Zudem ist hier maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt die letzte mündliche Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG, so dass die Klägerin ausreichend Gelegenheit hatte, ihr Asylbegehren darzutun.
Daher war nicht zu prüfen, ob die weiteren Voraussetzungen für einen Wiederaufnahmeantrag gemäß § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 VwVfG vorliegen. Allerdings sieht das Gericht – anders als das Bundesamt – keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes, weil sich die Klägerin insbesondere nicht auf eine geänderte Sach- oder Rechtslage berufen kann. Letztlich macht sie im Rahmen ihres Asylverfahrens, welches nach dem Scheitern der Überstellung nach Italien, im nationalen Verfahren fortgeführt wird, dieselben Gründe geltend, die sie bereits vor ihrer Überstellung dargelegt hat. Allerdings ist das Vorbringen der Klägerin hier im Rahmen des Asylerstverfahrens zu würdigen (s.o.), so dass aus der unrichtigen verfahrensmäßigen Behandlung des Antrags der Klägerin keine Rechtsverletzung resultiert.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Asylanerkennung gemäß Art. 16a GG (2.1) und ist kein Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG (2.2).
2.1 Da die Klägerin von Italien aus und somit aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, kann sie sich nicht auf das Grundrecht der Asylanerkennung berufen, Art. 16a Abs. 2 GG.
2.2 Die Klägerin ist kein Flüchtling im Sinne von § 3 AsylG.
Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Als Fluchtgrund führt die Klägerin allein den sexuellen Missbrauch durch den Bruder und dessen Drohung, das Video zu veröffentlichen, an.
Allgemein ist zur Glaubhaftmachung folgendes auszuführen: Bei der Glaubhaftmachung im Asylverfahren und im anschließenden Verwaltungsgerichtsverfahren kommt dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden hinsichtlich der vor Ausreise entstandenen Fluchtgründe naturgemäß eine besondere Bedeutung zu. Hinsichtlich der objektiven Nachprüfbarkeit dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.
Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VwGO i.V.m. § 25 Abs. 1 AsylG muss der Ausländer zunächst selbst die Tatsachen vorbringen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Asylsuchende unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, U.v. 29.11.1977 – I C 33.71 -, BVerwGE 55, 82-86).
Selbst wenn die Missbrauchshandlungen durch den Bruder und Dritte, ermöglicht und gefilmt durch den Bruder, so stattgefunden haben, wie es die Klägerin gegenüber dem Bundesamt ausgeführt hat, stellen diese keine asylrelevanten Tatsachen dar. Insoweit wird auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 77 Abs. 2 AsylG abgesehen. Diesem wurde im gesamten gerichtlichen Verfahren nichts Wesentliches entgegengesetzt.
An dieser Stelle sei lediglich noch einmal hervorgehoben, dass es für Frauen, die Opfer von (sexuellen) Gewalttaten werden, nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln durchaus Hilfsangebote im Iran gibt. Die Klägerin hat sich jedoch darüber offenkundig nicht einmal informiert, sondern sich stattdessen und ausschließlich um ihre Ausreise bemüht. So verständlich der Wunsch nach Sicherheit und Schutz im Falle erlebter häuslicher sexueller Gewalt auch erscheinen mag, ist die Klägerin dennoch auf innerstaatliche Schutzangebote zu verweisen, zumal sie keine verfahrensrelevante Verfolgung – hinreichend konkret und substantiiert – dargelegt hat.
3. Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG besteht ebenfalls nicht.
Denn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer nur dann subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß Satz 2: Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Das Gericht bezieht sich insoweit auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids, da die Klägerin auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens keine darüber hinausgehenden, maßgeblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat und das Gericht den Ausführungen des Bundesamtes folgt, § 77 Abs. 2 AsylG.
4. Dasselbe gilt für die begehrte Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
5. Die in Ziffer 5 des Bescheids vom 24. Juni 2020 angedrohte Abschiebung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, weil die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die im Rahmen von § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (hier festgesetzt auf 30 Monate) ist nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).
Nach alledem ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO als unbegründet abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
6. Ein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe besteht nicht, da keine hinreichenden Erfolgsaussichten vorliegen. Über den Antrag konnte mangels Entscheidungsreife nicht vor der mündlichen Verhandlung entschieden werden, weil zwar die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben, jedoch keine Klagebegründung eingereicht wurde, so dass die Frage, ob hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, nicht beurteilt werden konnte.


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