Verwaltungsrecht

Fortschreibung des Melderegisters – Verhältnis von Melderecht und Personenstandsrecht

Aktenzeichen  5 ZB 15.142

Datum:
23.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 53214
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2
BayMeldeG Art. 3, Art. 10
PStG § 1, § 55
PassG § 1
PAuswG § 1

 

Leitsatz

1. Art. 10 Abs. 1 S. 1 BayMeldeG gibt der Meldebehörde die Befugnis, unrichtige oder unvollständige Melderegisterdaten durch Bescheid zu berichtigen (vgl. VGH München BeckRS 9998, 82005).  (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Meldebehörde ist hinsichtlich des Familiennamens die Schreibweise bzw. Eintragung des Namens in den Personenstandsurkunden maßgebend. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

9 K 14. 1377 2014-11-19 GeB VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Kläger begehrt, die im Melderegister des Beklagten vorgenommene Löschung des Namenszusatzes „Graf von Ro.“ betreffend seinen Familiennamen aufzuheben. Dieser Namenszusatz wurde für den Kläger am 28. Dezember 2009, offenbar aufgrund der Vorlage des Dokuments „Sovereign Letters Patent of Recognition and Confirmation of Noble Title“, in das Melderegister eingetragen. Als Unterzeichnerin der Urkunde war „HRM Queen Salvacion A. L.-K., President-United Humanitarian Organization, Queen of the South, Queen Power of Filipino Faith for Salvation“ genannt. In der Folgezeit stellte der Beklagte dem Kläger einen Reisepass und einen Personalausweis mit dem Namenszusatz „Graf von Ro.“ aus. Eine Personenstandsurkunde des Klägers, die den genannten Namenszusatz enthält, existiert ausweislich der Verfahrensakten nicht. In der Eheurkunde und in der Geburtsurkunde des Klägers ist als Familienname der Name „Ra.“ ohne jeden Zusatz eingetragen.
Mit Schreiben vom 18. November 2013 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Adelsbezeichnung von Amts wegen aus den Meldeunterlagen gelöscht worden sei, weil sie unter falschen und unzureichenden Tatsachen irrtümlich eingetragen worden sei. Der Kläger wurde zur Vorlage seiner Ausweispapiere zwecks kostenfreier Neuausstellung aufgefordert. Die gegen den Bescheid erhobene Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten mit Gerichtsbescheid vom 19. November 2014 ab. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegengetreten ist.
II. Der nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 VwGO statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe, soweit sie in der nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gebotenen Weise dargelegt worden sind, nicht vorliegen.
1. An der Richtigkeit des Gerichtsbescheids, der als Urteil wirkt (§ 84 Abs. 3 Hs. 1 VwGO), bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Solche Zweifel sind nur gegeben, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B. v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642 m. w. N.). Dies ist hier nicht der Fall.
a) Soweit der Kläger das Fehlen einer Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid bemängelt, begründet dies keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Löschung des Namenszusatzes „Graf von Ro.“ eine Fortschreibung des Melderegisters darstellt, die sich auf Art. 10 Abs. 1 Satz 1 des (zum damaligen Zeitpunkt geltenden) Gesetzes über das Meldewesen (Meldegesetz – MeldeG vom 8.12.2006) stützen kann. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits zur Vorgängerregelung entschieden hat, gibt Art. 10 Abs. 1 Satz 1 MeldeG der Meldebehörde die Befugnis, unrichtige oder unvollständige Melderegisterdaten durch Bescheid zu berichtigen (BayVGH, U. v. 9.12.1988 – 5 B 87.04031 – VGH n. F. 42, 72/73 = BayVBl 1989, 499 zu Art. 10 des Bayerischen Gesetzes über das Meldewesen vom 24.3.1983). Der Beklagte hat in seiner Eigenschaft als Meldebehörde einen solchen Verwaltungsakt erlassen, den der Kläger mit der Anfechtungsklage angegriffen hat. Die Berichtigung der Melderegisterdaten kann auf Antrag des Betroffenen oder, wie hier, von Amts wegen auch gegen den erklärten Willen des Betroffenen erfolgen, wenn die Daten als unzutreffend erkannt werden.
b) Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel daran, dass das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der behördlichen Maßnahme die zutreffende Systematik von melde- und personenstandsrechtlichem Verfahren zugrunde gelegt hat. Der nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 MeldeG im Melderegister zu speichernde Familienname ist Teil des Personenstands im Sinn des § 1 Abs. 1 PStG, der von den Standesämtern beurkundet wird (§ 1 Abs. 2 PStG). Wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, ist für die Meldebehörde die Schreibweise bzw. Eintragung des Namens in den Personenstandsurkunden maßgebend (vgl. auch VG Augsburg, U. v. 23.7.2013 – Au 1 K 13.90 – juris Rn. 12 m. w. N.). Der Beklagte ist zur Feststellung des rechtmäßigen Familiennamens im melderechtlichen Verfahren weder berechtigt noch verpflichtet. Dies ergibt sich aus systematischen und teleologischen Erwägungen. Nach Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 MeldeG wird das Melderegister im öffentlichen Interesse geführt, um die Aufgabenerfüllung der Meldebehörden zu ermöglichen (BayVGH, B. v. 9.12.2014 – 5 ZB 13.1937 – juris Rn. 11 m. w. N.). Das Melderecht ist nach der Natur der Sache auf einen einfachen und zügigen Vollzug angelegt und deshalb vom Gesetzgeber von Fragestellungen freigehalten worden, die angesichts der Vielfalt der Lebensgestaltungen zu komplizierten und streitträchtigen Erwägungen Anlass geben (BVerwG, U. v. 20.3.2002 – 6 C 12.01 – NJW 2002, 2579; BayVGH, U. v. 30.1.2013 – 5 B 12.1661 – NJW 2013, 1979/1980). Dementsprechend erfolgt die Klärung der teils komplexen rechtlichen Fragen des (internationalen) Namens- und Familienrechts nicht im melderechtlichen Verfahren, sondern in den hierfür einschlägigen spezialgesetzlichen Verfahren etwa nach dem Personenstandsgesetz oder dem Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen. Nur so kann im Interesse der Einheit der Rechtsordnung und der Rechtssicherheit eine für alle Rechtsgebiete einheitliche Beantwortung der namens- bzw. personenstandsrechtlichen Fragen durch die zuständige und sachkundige Behörde gewährleistet und ein Auseinanderfallen der Eintragungen in verschiedenen Registern vermieden werden (vgl. VG Ansbach, U. v. 19.10.2012 – AN 5 K 12.01731 – juris Rn. 14).
Die hiergegen erhobenen Einwände des Klägers, die sich weitgehend in der Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags erschöpfen, greifen nicht durch. Wenn der Kläger rügt, dass das Verwaltungsgericht die personenstandsrechtliche Zulässigkeit des Namenszusatzes bzw. die Unrichtigkeit des Personenstandsregisters nicht geprüft habe, verkennt er weiterhin die Regelungswirkung des angegriffenen Bescheids und die darauf bezogene gerichtliche Überprüfung des melderechtlichen Vorgangs. Für das Verwaltungsgericht war eine Klärung der personenstandsrechtlichen Frage im melderechtlichen Verfahren – ausgehend von seinem soeben dargelegten zutreffenden Rechtsstandpunkt – gerade nicht angezeigt. Der Beklagte hat im Rahmen seiner bestehenden melderechtlichen Zuständigkeit (vgl. BayVGH, B. v. 9.12.2014 – 5 ZB 13.1937 – juris Rn. 14) und zur Erfüllung seiner im öffentlichen Interesse liegenden Ordnungsaufgaben (vgl. BVerwG, U. v. 20.3.2002 – 6 C 12.01 – NJW 2002, 2579/2580) eine melderechtliche und keine personenstandsrechtliche Entscheidung getroffen. Für personenstandsrechtliche Entscheidungen wären, wie der Kläger im Übrigen selbst vorträgt, nicht der Beklagte, sondern das Standesamt L. sowie gegebenenfalls die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig. Ausschließlich die melderechtliche Bewertung ist Gegenstand des Verfahrens und der angefochtenen Gerichtsentscheidung.
c) Auch aus dem übrigen Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass für die Berichtigung des Melderegisters die vom Standesamt ausgestellten Personenstandsurkunden im Sinn des § 55 PStG wie beispielsweise Geburts-, Ehe- und Sterbeurkunden maßgeblich sind. An diesen hat sich der Beklagte bei der Fortschreibung des Melderegisters zu Recht orientiert. Trotz Aufforderung des Verwaltungsgerichts hat der Kläger keine Personenstandsurkunden vorgelegt, aus denen sich der von ihm begehrte Namenszusatz ergeben würde. Vielmehr ist sowohl in der Eheurkunde vom 22. August 2014 über die im Jahr 1983 erfolgte Eheschließung als auch in der Geburtsurkunde vom 9. Dezember 1959 der Familienname „Ra.“ ohne Namenszusatz eingetragen. Der Umstand, dass der Beklagte zwischenzeitlich Ausweispapiere mit dem streitgegenständlichen Namenszusatz ausgestellt hatte, führt zu keiner anderen Beurteilung. Bei den vom Kläger angeführten Personaldokumenten wie Personalausweis und Reisepass handelt es sich nicht um Personenstandsurkunden im Sinn des Personenstandsgesetzes. Die Ausweisdokumente stellen den Namen des Betroffenen nicht verbindlich fest, sondern ermöglichen diesem die Erfüllung seiner Pass- bzw. Ausweispflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PassG, § 1 Abs. 1 Satz 1 PAuswG (vgl. VG Augsburg, U. v. 23.7.2013 – Au 1 K 13.90 – juris Rn. 13). Bei unzutreffenden Namenseintragungen ist ein Reisepass nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 PassG, ein Personalausweis nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 PAuswG ungültig. Dementsprechend hat der Beklagte den Kläger zur Vorlage der Ausweispapiere zwecks Neuausstellung aufgefordert.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang Vertrauensschutzgesichtspunkte geltend macht, greift sein Hinweis auf einen Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, B. v. 11.4.2001 – 1 BvR 1646/97 – EuGRZ 2001, 340) nicht durch. Nach diesem Beschluss kann ein über lange Jahre hinweg tatsächlich geführter Name am Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG teilnehmen, sofern der Betroffene auf die Richtigkeit der Namensführung vertrauen durfte. Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, erging der Beschluss nicht in einem melderechtlichen, sondern in einem namensrechtlichen Verfahren. Dieses spezialgesetzliche Verfahren anlässlich eines beim Standesamt gestellten Antrags auf Eintragung eines Familiennamens in das Familienbuch ist mit dem hiesigen melderechtlichen Verfahren nicht vergleichbar. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht keinen generellen Vorrang des tatsächlich geführten Namens ausgesprochen, sondern (lediglich) unter bestimmten Voraussetzungen eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Richtigkeit von Eintragungen in Personenstandsurkunden mit dem schutzwürdigen Vertrauen des Betroffenen gefordert. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Anders als das dortige Ausgangsgericht hat das Verwaltungsgericht hier (vorsorglich) eine solche Abwägung – wenn auch mit anderem Ergebnis als vom Kläger gewünscht – durchgeführt. Dagegen ist nichts zu erinnern.
2. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger auch nicht dargetan, dass die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Kläger macht hierzu keine eigenständigen Ausführungen, sondern sieht die besonderen rechtlichen Schwierigkeiten allein darin begründet, dass er eine andere Rechtsauffassung als das Verwaltungsgericht vertritt. Diese begegnet jedoch, wie unter 1. dargelegt, keinen ernstlichen Zweifeln. Die aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich ohne weiteres anhand der anzuwendenden Rechtsvorschriften und der dazu ergangenen Rechtsprechung beantworten.
3. In Bezug auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO genügt das Vorbringen des Klägers ebenfalls nicht den Darlegungserfordernissen. Es erschöpft sich in der Aussage, dass „höchstvorsorglich“ auch „Verfahrensmängel“ geltend gemacht würden, weil das Verwaltungsgericht den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt habe. Worin die mangelhafte Aufklärung des Sachverhalts liegen soll, wird nicht ausgeführt. Zudem hat der anwaltliche vertretene Kläger seinerseits die Möglichkeiten zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung nicht genutzt. Insbesondere hat er im Rahmen der Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung hingewirkt und auch keine Beweisanträge gestellt bzw. angekündigt, die das Verwaltungsgericht zu einer Beweiserhebung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätten veranlassen müssen. Substantiiertes Vorbringen, warum sich dem Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsaufassung weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen, enthält die Antragsbegründung nicht. Einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 VwGO hat der Kläger nicht gestellt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben