Verwaltungsrecht

Frist für den Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens

Aktenzeichen  M 4 S 16.32371

Datum:
25.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 34, § 36 Abs. 3, § 71 Abs. 1, Abs. 4
VwVfG VwVfG § 51 Abs. 1-3
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Wird der Antrag auf Wiederaufgreifen nicht innerhalb von 3 Monaten ab Kenniserlangung gestellt, ist ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen. Ein Versäumnis seines Bevollmächtigten muss sich der Antragsteller zurechnen lassen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger. Er beantragte erstmals am 8. November 2011 im Bundesgebiet Asyl. Dabei gab er im Wesentlichen an, er habe zwei Jahre lang im Rang eines Unterleutnants für den afghanischen Geheimdienst gearbeitet. Da er an Kursen beim deutschen Nachrichtendienst teilgenommen habe und mehrfach bei der deutschen Botschaft gewesen sei, habe ihm sein Chef vorgeworfen, für die Ausländer zu spionieren. Im Rahmen dieses Verfahrens legte der Kläger eine auf den (umgerechnet) … März 2011 datierte Urkunde des Bundesnachrichtendienstes (BND) über die erfolgreiche Teilnahme an einem Computerlehrgang vor. Dieses Verfahren (M 2 K 13.30351) wurde durch Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 10. März 2014 abgeschlossen, Rechtskraft trat am 2. Mai 2014 ein. In diesem Urteil hat das Verwaltungsgericht München die vorgelegte Urkunde des BND als Fälschung angesehen.
Am 28. Oktober 2014 stellte der Antragsteller persönlich bei der zuständigen Außenstelle in … einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Bei der Begründung bezog er sich wiederum auf seine Tätigkeit für den Geheimdienst in Afghanistan. Bei der Frage nach neuen Beweismitteln oder Dokumenten bezog er sich wiederum auf die genannte Urkunde des Bundesnachrichtendienstes.
Bereits mit Schriftsatz vom 20. August 2014 an das „Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in …“ übersandte der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers dem Bundesamt ein Schreiben des Bundesnachrichtendienstes vom 16. Mai 2014, ohne dabei förmlich einen Asylfolgeantrag zu stellen. Diesem Schreiben zufolge hatte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 15. April 2014 um Bestätigung der Echtheit der mitübersandten Urkunde (des Bundesnachrichtendienstes vom …03.2011) gebeten. Der BND teilte mit, da die Urkunde lediglich als Kopie zur Verfügung gestellt worden sei, könne hier lediglich der Inhalt überprüft werden. Im Ergebnis könne mitgeteilt werden, dass der Antragsteller dem Bundesnachrichtendienst bekannt sei und derlei Urkunden anlassbezogen durch den Bundesnachrichtendienst ausgegeben würden.
Mit Bescheid vom 10. August 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab (Ziff. 1) und lehnte auch den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 25. März 2013 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab (Ziff. 2). Dem Antragsteller wurde für den Fall nicht fristgerechter Ausreise innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung die Androhung nach Afghanistan oder in einen anderen Aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat an (Ziff. 3). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, in der Folgeantragsbegründung vom 28. Oktober 2014 würden vom Antragsteller keine neuen Gründe bezüglich der Durchführung eines weiteren Verfahrens vorgetragen.
Mit Schriftsatz vom 22. August 2016, am 23. August 2016 beim Verwaltungsgericht München eingegangen, erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 10. August 2016 (AZ.: M 4 K 16.32370). Gleichzeitig beantragte er,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. August 2016 anzuordnen.
Zur Begründung bezog sich der Bevollmächtigte auf das Schreiben des BND vom 16. Mai 2014, welches dem Antragsschriftsatz beigefügt war.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakte, insbesondere auch auf die Gerichtsakte im Asylerstverfahren verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung bleibt erfolglos.
1. Es spricht schon vieles dafür, dass der Antrag verfristet eingereicht wurde.
Nach § 71 Abs. 4 AsylG i. V. m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO im Falle der Ablehnung des Asylfolgeantrags innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Es spricht bereits vieles dafür, dass diese Frist durch Einreichung des Schriftsatzes am 23. August 2016 nicht eingehalten wurde, da ausweislich der Akte des Bundesamtes den Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom 13. August 2016 zugestellt wurde. Da sich der Akte des Bundesamtes jedoch kein Zustellnachweis entnehmen lässt, wird zugunsten des Antragstellers davon ausgegangen, dass sein Bevollmächtigter den Bescheid erst zu einem späteren Zeitpunkt zugestellt bekommen hat und dementsprechend die Antragsfrist von einer Woche eingehalten wurde. Die materielle Beweislast trifft in diesem Fall die Antragsgegnerin.
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist jedoch unbegründet. Das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt nicht das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Abschiebungsandrohung.
Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat dabei abzuwägen zwischen dem gesetzlich bestimmten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage offensichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse eines Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei der Interessenabwägung.
Nach diesen Maßstäben überwiegt das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Abschiebungsandrohung, die Interessen des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, weil er im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolglos bleiben wird, da der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 10. August 2016 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegen.
In diesem Sinne stellt das neuerliche Schreiben des Bundesnachrichtendienstes vom … Mai 2014, in dem es Aussagen über die Urkunde vom … März 2011 macht, zwar eine neue Tatsache im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG bzw. ein neues Beweismittel nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG dar. Der Antrag wurde jedoch nicht binnen drei Monaten, beginnend mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat, gestellt, § 51 Abs. 3 i. V. m. § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG.
Ausweislich der Bundesamtsakten erhielt der Bevollmächtigte des Antragstellers bereits am … Mai 2014 die Stellungnahme des BND zur Frage der Echtheit der Urkunde. Ein Antrag auf Durchführung eines Asylfolgeverfahrens hätte demnach spätestens am 19. August 2014 bei der zuständigen Stelle des Bundesamtes vom Antragsteller persönlich (§ 71 Abs. 2 Satz 1 AsylG) unter Vorlage des BND-Schreibens gestellt werden müssen. Tatsächlich datiert der Asylfolgeantrag jedoch erst vom 28. Oktober 2014, ohne dass Gründe dafür erkennbar wären, weshalb der Asylfolgeantrag nicht bereits früher hätte gestellt werden können. Das Schreiben des Bevollmächtigten vom 20. August 2014 ist nicht als Asylfolgeantrag anzusehen. Weder wird es als solcher bezeichnet noch ist es als solcher auszulegen, da der Antragsteller von einem rechtskundigen Bevollmächtigten vertreten wurde. Der Antragsteller hat sich diesbezüglich das Versäumen seines Bevollmächtigten zurechnen zu lassen.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass sich dem Schreiben des BND vom 16. Mai 2014 gerade nicht entnehmen lässt, dass die Urkunde vom … März 2011 echt sei. Dementsprechend ist der Ansicht des Bevollmächtigten des Antragstellers in der Antragsbegründung, es sei festgestellt, dass die BND-Urkunde sinngemäß als echt anerkannt worden sei, nicht zu folgen. Es wurde vom BND lediglich mitgeteilt, dass der Antragsteller dem BND bekannt ist und derlei Urkunden anlassbezogen durch den BND ausgegeben werden. Die vom entscheidenden Gericht im Asylerstverfahren vorgebrachten Zweifel hinsichtlich der Echtheit dieser Bestätigung über die erfolgreiche Teilnahme an einem Computerlehrgang (insbesondere Nennung nur des Vornamens) konnten durch das neuerliche Schreiben des BND gerade nicht ausgeräumt werden. Um die Echtheit der Urkunde vom … März 2011 zu prüfen, ist die Vorlage des Originals unerlässlich. Auf diese Erwägungen kommt es jedoch, da der Antrag nicht innerhalb der drei Monatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG gestellt wurde, nicht entscheidungserheblich an.
Hinsichtlich der weiteren Begründung folgt das Gericht der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids.
Damit ist die nach § 34 AsylG erlassene Abschiebungsandrohung rechtmäßig. Ein überwiegendes öffentliches Vollzugsinteresse vor Entscheidung in der Hauptsache liegt daher vor.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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