Verwaltungsrecht

Fristlose Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen fehlender persönlicher Eignung

Aktenzeichen  6 CS 21.587

Datum:
13.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9512
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBG § 37 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4, § 146 Abs. 1, Abs. 4
BPolBG § 2
StPO § 153a
EMRK Art. 6 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Im Falle einer Entlassung eines Widerrufsbeamten wegen fehlender charakterlicher und damit persönlicher Eignung ist die verwaltungsgerichtliche Kontrolle darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat (ebenso BayVGH, BeckRS 2021, 1717). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Begründete Zweifel an der charakterlichen und damit persönlichen Eignung konnten vorliegend bei dem Widerrufsbeamten ohne Rechtsfehler angenommen werden, da er mittels diverser Nachrichten über „WhatsApp“ und „Snapchat“ sowie zum Teil mehrfacher täglicher Anrufe und persönlicher Kontaktsuche zu der im Polizeidienst befindlichen ehemaligen Freundin dieser unbefugt nachgestellt und sie mit dem Begriff „Fotze“ bezeichnet hat. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Absehen von der Strafverfolgung durch Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO verbietet es nicht, in Verfahren mit anderer Zielsetzung – hier der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine persönliche Ungeeignetheit eines Widerrufsbeamten – die im Strafverfahren getroffenen Feststellungen im erforderlichen Umfang als Grundlage für die daran anknüpfenden außerstrafrechtlichen Rechtsfolgen zu verwerten (ebenso BVerfG BeckRS 9998, 48056). (redaktioneller Leitsatz)
4. Auch Geschehnisse im privaten Bereich sind geeignet, Rückschlüsse auf Charakterzüge und Persönlichkeit eines Beamten für die Bewertung zu ziehen, ob er die Anforderungen seines Amtes in fachlicher und persönlicher Hinsicht erfüllt, denn Eignungszweifel können sich auch aus dem außerdienstlichen Verhalten ergeben. (Rn. 21)(Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 5 S 20.1488 2021-02-03 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 3. Februar 2021 – B 5 S 20.1488 – wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.806,97 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine fristlose Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf.
Er trat mit seiner Ernennung zum Beamten auf Widerruf mit Wirkung zum 1. März 2018 in den Dienst als Polizeimeisteranwärter in die Bundespolizei ein. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2020 entließ ihn die Antragsgegnerin gemäß § 2 BPolBG i.V.m. § 37 Abs. 1 BBG wegen mangelnder persönlicher (charakterlicher) Eignung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf und ordnete nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Feststellungen und Ermittlungsergebnisse in dem gegen den Antragsteller geführten Strafverfahren hätten deutlich aufgezeigt, dass es ihm an Selbstbeherrschung und Zurückhaltung fehle und der Antragsteller Konflikte durch psychische Gewaltanwendung zu lösen versuche. Das von ihm gezeigte Verhalten ließe daran zweifeln, ob der Antragsteller seine Emotionen im Griff habe und in schwierigen Situationen besonnen und deeskalierend agieren würde. Vielmehr scheine für den Antragsteller eher ein angsteinflößendes Auftreten gepaart mit beleidigenden Worten das Mittel zur Konfliktlösung zu sein. Dies widerspreche der polizeilichen Arbeit jedoch vollkommen; ein Polizeivollzugsbeamter solle vielmehr beschützend agieren und nicht Angst und Schrecken verbreiten. Sein bekannt gewordenes Verhalten überschreite die Grenze des noch Tolerierbaren, weshalb er für die Laufbahn als Polizeivollzugsbeamter als charakterlich ungeeignet erscheine. Zwar sei bei Ausübung des Entlassungsermessens die gesetzliche Vorgabe zu berücksichtigen, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst die Gelegenheit gegeben werden solle, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Eine Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst komme aber dann in Betracht, wenn ernsthafte Zweifel bestünden, dass der Beamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes, nämlich den Erwerb der Befähigung für die angestrebte Beamtenlaufbahn, erreichen könne. Davon sei auszugehen.
Über den mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2020 erhobenen Widerspruch des Antragstellers ist bisher noch nicht entschieden worden. Den gleichzeitig gestellten Antrag, die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung aufzuheben, hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2020 abgelehnt.
Am 23. Dezember 2020 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht daraufhin beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 22. Dezember 2020 wiederherzustellen. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 3. Februar 2021 abgelehnt. Nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergäben sich keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der für sofort vollziehbar erklärten Entlassungsverfügung. Die Bundespolizeiakademie sei auf der Grundlage eines weder unzureichend noch unzutreffend ermittelten Sachverhalts ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass begründete Zweifel an der persönlichen (charakterlichen) Eignung des Antragstellers für ein Amt als Polizeivollzugsbeamter bestünden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er seinen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz weiterverfolgt.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig (§ 146 Abs. 1, 4 VwGO), aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Entlassungsverfügung vom 15. Dezember 2020 wiederherzustellen. Die Gründe, die der Antragsteller mit seiner Beschwerde fristgerecht dargelegt hat und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i.V.m. Satz 1 und 3 VwGO), führen unter keinem Gesichtspunkt zu einer anderen Beurteilung.
Die fristlose Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf durch Bescheid vom 15. Dezember 2020 ist – bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angezeigten summarischen Prüfung – rechtmäßig, so dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird.
1. Gemäß § 2 BPolBG in Verbindung mit § 37 Abs. 1 BBG können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Es genügt jeder sachliche, d.h. nicht willkürliche Grund (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – juris Rn. 20; OVG NW, B.v. 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 5).
Fehlende persönliche Eignung ist ein sachlicher Grund für die Entlassung (vgl. BayVGH, B.v. 9.7.2013 – 3 CS 13.302 – juris Rn. 27). Die charakterliche Eignung ist ein Unterfall der persönlichen Eignung (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2021 – 6 CS 21.111 – juris Rn. 16; B.v. 2.5.2019 – 6 CS 19.481 – juris Rn. 20; B.v. 9.7.2013 – 3 CS 13.302 – juris Rn. 27). Hierfür ist die prognostische Einschätzung entscheidend, inwieweit der Beamte der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Dies erfordert eine – dem Dienstherrn vorbehaltene und von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt überprüfbare – wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Beamten, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen. Geboten ist danach eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände. Insoweit genügen bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte auf Widerruf die persönliche Eignung für sein Amt besitzt (vgl. BVerwG, B.v. 25.11.2015 – 2 B 38.15 – juris Rn. 9; B.v. 20.7.2016 – 2 B 17.16 – juris Rn. 26; OVG LSA, B.v. 7.5.2020 – 1 M 51/20 – juris Rn. 5; OVG NW, B.v. 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris; OVG SH, B.v. 5.11.2018 – 2 MB 17/18 – juris Rn. 11).
Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist aus diesem Grund nicht von dem Nachweis eines konkreten Dienstvergehens abhängig, ebenso wenig ist von entscheidender Bedeutung, ob der Beamte eine nachweisbare Straftat begangen hat oder ob er deswegen verurteilt wird (vgl. OVG LSA, B.v. 7.5.2020 – 1 M 51/20 – juris Rn. 5 und 8 m.w.N.). Eine Entlassung kann vielmehr schon dann gerechtfertigt sein, wenn bestimmte Verhaltensweisen charakterliche Mängel des Beamten hinreichend deutlich zu Tage treten lassen, die begründete Zweifel an seiner persönlichen Eignung für die angestrebte Beamtenlaufbahn wecken (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – juris Rn. 21; OVG NW, B.v. 27.9.2017 – 6 B 977/17 – juris Rn. 4; OVG LSA, B.v. 7.5.2020 – 1 M 51/20 – juris Rn. 8). Eignungszweifel können sich dabei sowohl aus dem dienstlichen als auch dem außerdienstlichen Verhalten ergeben (vgl. OVG SH, B.v. 5.11.2018, – 2 MB 17/18 – juris Rn. 13; OVG Bremen, B.v. 13.7. 2018 – 2 B 174.18 – juris Rn. 10).
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat (BayVGH, B.v. 8.2.2021 – 6 CS 21.111 – juris Rn. 14; OVG NW, B.v. 27.9.2017 – 6 B 977/17 – juris Rn. 4).
2. In Anwendung dieser Maßstäbe ist die Entlassung des Antragstellers rechtlich nicht zu beanstanden. Die Bundespolizeiakademie ist weder von einem unzureichend oder unzutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen noch hat sie mit der Annahme von begründeten Zweifeln an der persönlichen Eignung des Antragstellers für ein Amt als Polizeivollzugsbeamter die Grenzen ihres Beurteilungs- und Ermessensspielraums überschritten. Den entsprechenden zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts setzt die Beschwerde nichts Durchgreifendes entgegen.
a) Ohne Erfolg bleibt der Einwand, aus der endgültigen Einstellung des gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens nach § 153a StPO ergebe sich eine Unschuldsvermutung zugunsten des Antragstellers. Das Strafverfahren dürfe deshalb nicht (mehr) dazu dienen, einen sachlichen Grund im Sinn von § 37 BBG für die Entlassung zu unterstellen.
Zwar trifft es zu, dass die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK bei der Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 a StPO nicht widerlegt wird. Die Unschuldsvermutung schützt den Beschuldigten jedoch nur vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafzumessung vorausgegangen ist, nicht jedoch vor Rechtsfolgen, die keinen Strafcharakter haben (BVerfG, B.v. 29.5.1990 – 2 BvR 254/88, 1343/88 – juris; Kammerbeschlüsse vom 16.5.2002 – 1 BvR 2257/01 – juris Rn. 9 ff. und vom 29.10.2015 – 2 BvR 388/13 – juris Rn. 31 m.w.N.). Auf Verfahren, die nach ihrer Zielsetzung nicht auf die Feststellung und Ahndung strafrechtlicher Schuld gerichtet sind, sondern die außerhalb der eigentlichen Strafrechtspflege eine Entscheidung über andere Rechtsfolgen eines (auch) strafrechtlich relevanten Sachverhalts zum Gegenstand haben, erstreckt sich die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht (BVerwG, B.v. 24.1.2017 – 2 B 75.16 – juris Rn.14 m.w.N.). Die Beurteilung der charakterlichen Eignung eines Beamten auf Probe im Rahmen des § 37 BBG hat keinen Strafcharakter, sondern dient der Sicherung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung (BVerwG, B.v. 24.1.2017 – 2 B 75.16 – juris Rn.16).
b) Die Bundespolizeiakademie ist auf der Grundlage der von ihr durchgeführten Sachverhaltsermittlung ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass begründete Zweifel an der persönlichen (charakterlichen) Eignung des Antragstellers bestehen. Dabei hat sie in nicht zu beanstandender Weise den im Rahmen des Strafermittlungsverfahrens festgestellten Sachverhalt verwertet. Danach hat der Antragsteller seiner ehemaligen Freundin, PMAin R., im Zeitraum vom 6. Januar bis 8. März 2020 mittels diverser Nachrichten über „WhatsApp“ und „Snapchat“ sowie zum Teil mehrfacher täglicher Anrufe und persönlicher Kontaktsuche unbefugt nachgestellt, und damit deren Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt. In einer Sprachnachricht bezeichnete der Antragsteller PMAin R. darüber hinaus als „Fotze“. Bei der Beurteilung der charakterlichen Eignung eines (angehenden) Polizeivollzugsbeamten darf die Antragsgegnerin Selbstbeherrschung und Zurückhaltung sowie die Fähigkeit und Bereitschaft des Beamten zu besonnenem und deeskalierendem Verhalten voraussetzen (vgl. OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 – 2 B 174/18 – juris Rn. 18). Dass sie angesichts der dargelegten Verhaltensweisen Zweifel daran hat, dass der Antragsteller diese Eigenschaften nicht in dem erforderlichen Maß besitzt, ist nicht zu beanstanden. Dass der Antragsteller sich laut dem am 11. März 2020 erhobenen Persönlichkeits- und Leistungsbild – nach einer missbilligenden Äußerung vom 17. Dezember 2018 – innerdienstlich vorbildlich verhalten hat, spricht nicht gegen die Annahme charakterlicher Ungeeignetheit, da sich Eignungszweifel auch aus dem außerdienstlichen Verhalten ergeben können.
aa) Mit der Beschwerde macht der Antragsteller geltend, dass er sich nicht strafbar gemacht habe und nach endgültiger Einstellung des Strafverfahrens kein Tatverdacht mehr bestehe, der Zweifel an seiner Eignung rechtfertigen könne. Dieser Einwand greift nicht durch.
Für die Annahme von Zweifeln an der charakterlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst ist es nicht erforderlich, dass es zu einer strafrechtlichen Verurteilung kommt (vgl. OVG NW, B.v. 30.12.2020 – 6 B 827/20 – juris Rn. 47; OVG LSA, B.v. 7.5.2020 – 1 M 51/20 – juris Rn. 8; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 – 2 B 174/18 – juris Rn. 17 m.w.N.). Zwar darf allein aus der Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO, die nur mit Zustimmung des Angeklagten möglich ist, nicht auf die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der angeklagten Straftaten geschlossen werden (vgl. BVerfG, B. v. 16.1.1991 – 1 BvR 1326/90 – juris Rn. 20). Andererseits bringt die Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO aber keineswegs zum Ausdruck, dass der Tatverdacht gegen den Betroffenen ausgeräumt wäre (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2014 – 11 CE 14.11 – juris Rn. 16). Daher verbietet das Absehen von der Strafverfolgung es nicht, in Verfahren mit anderer Zielsetzung die im Strafverfahren getroffenen Feststellungen in dem für die dortige Entscheidung erforderlichen Umfang als Grundlage für die daran anknüpfenden außerstrafrechtlichen Rechtsfolgen zu verwerten (vgl. BVerfG, B. v. 16.1.1991 – 1 BvR 1326/90 – juris Rn. 21; BayVGH, B. v. 5.3.2009 – 11 CS 09.228 – juris). Den Verwaltungsbehörden und den Gerichten ist daher nicht verwehrt, die im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und im strafgerichtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel einer eigenständigen Überprüfung etwa im Hinblick darauf zu unterziehen, ob sich daraus hinreichende Schlussfolgerungen für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine persönliche Ungeeignetheit eines Beamten ergeben. Eine solche eigenständige Prüfung haben vorliegend sowohl die Antragsgegnerin als auch das Verwaltungsgericht vorgenommen, ohne jedoch dabei die Frage zu klären, ob der Antragsteller schuldhaft eine Straftat begangen hat.
bb) Die mit der Beschwerde erhobene Rüge, das Verwaltungsgericht sei seiner Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nicht ausreichend nachgekommen, ist unberechtigt, weil weitere Ermittlungen nicht erforderlich waren. Das Verwaltungsgericht hat in nicht zu beanstandender Weise sowohl die Strafakte als auch die Akten des beim Verwaltungsgericht Ansbach anhängigen Disziplinarverfahrens beigezogen und ausgewertet. Dass das Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Nachstellung in Tateinheit mit Beleidigung gemäß § 153a StGB eingestellt wurde und das Disziplinarverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, steht – wie oben dargelegt – der Verwertung der dabei gewonnenen Erkenntnisse bei der – summarischen – Überprüfung der Entlassungsentscheidung nicht entgegen (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2019 – 6 CS 19.481 – juris Rn. 17).
Auf der Grundlage der in den beigezogenen Unterlagen enthaltenen Feststellungen ist das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Schluss gelangt, dass sich die dem Antragsteller vorgeworfenen Handlungen neben den Äußerungen der PMAin R. auch durch jeweils mindestens eine weitere Quelle bestätigen lassen und Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den Zeugenaussagen um Falschaussagen handeln könnte, nach summarischer Prüfung nicht vorlägen. Bei seiner Beweiswürdigung hat das Verwaltungsgericht maßgeblich auf die Aussagen der im Ermittlungsverfahren angehörten Zeugen, die die Vorfälle bestätigt haben, sowie auf das Ergebnis der Auswertung der aufgezeichneten (Voice-)Nachrichten abgestellt. Das ist nicht zu beanstanden.
Soweit der Antragsteller alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestreitet und wiederholt behauptet, er habe sich gegenüber PMAin R. keineswegs in irgendeiner Form „manipulativ, bedrängend, einschüchternd und aggressiv“ verhalten, er habe sich auch gegenüber der Ermittlungsbeamtin POKin S. nicht „laut und unbeherrscht“ gezeigt, und sich – für den Fall, dass er sich tatsächlich unangemessen verhalten haben sollte – sogleich entschuldigt, ist dies angesichts der dem widersprechenden Zeugenaussagen und der nachgewiesenen Chatverläufe nicht geeignet, die Vorwürfe zu entkräften und damit Zweifel an der darauf beruhenden Prognoseentscheidung des Dienstherrn zu wecken.
Mit seinem Einwand, es habe sich bei der Beziehung mit PMAin R. um eine Privatangelegenheit gehandelt, dringt der Antragsteller ebenfalls nicht durch. Auch Geschehnisse im privaten Bereich sind geeignet, Rückschlüsse auf Charakterzüge und Persönlichkeit eines Beamten für die Bewertung zu ziehen, ob er die Anforderungen seines Amtes in fachlicher und persönlicher Hinsicht erfüllt.
c) Entgegen der Auffassung des Antragstellers steht § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG seiner Entlassung vor Beendigung des Vorbereitungsdienstes nicht entgegen.
Das dem Dienstherrn bei einem Beamtenverhältnis auf Widerruf allgemein eingeräumte weite Entlassungsermessen ist durch § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG dahin eingeschränkt, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Diese Sollvorschrift erlaubt allerdings Ausnahmen im Einzelfall. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entlassungsgründe mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang stehen (BVerwG, B.v. 26.1.2010 – 2 B 47.09 – juris Rn. 6). Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der Laufbahn – mit Blick auf den Antragsteller also des (mittleren) Polizeivollzugsdienstes – nicht gerecht wird. Insoweit genügen bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung (i.S.v. § 9 Satz 1 BBG) für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – juris; BayVGH, B.v. 13.11.2014 – 3 CS 14.1864 – juris Rn. 22; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 – 2 B 174/18 – juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 22).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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