Verwaltungsrecht

Fristlose Entlassung eines Polizeimeisteranwärters aufgrund des Verdachts rechter Gesinnung

Aktenzeichen  6 CS 21.111

Datum:
8.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1717
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BPolBG § 2
BBG § 37 Abs. 1, Abs. 2, § 61 Abs. 1 S. 3
VwGO § 146 Abs. 1, Abs. 4

 

Leitsatz

1. Gemäß § 2 BPolBG in Verbindung mit § 37 Abs. 1 BBG können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ hat nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. Es genügt zur Rechtfertigung der Entlassung jeder sachliche, das heißt nicht willkürliche Grund. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der Laufbahn nicht gerecht wird. Insoweit genügen bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt. (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist daher nicht von dem Nachweis eines Dienstvergehens abhängig. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat.  (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 5 S 20.1240 2020-12-18 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
II. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 18. Dezember 2020 – B 5 S 20.1240 – wird zurückgewiesen.
III. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.806,97 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine fristlose Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf.
Er trat mit seiner Ernennung zum Beamten auf Widerruf am 30. September 2019 als Polizeimeisteranwärter in den Vorbereitungsdienst für den mittleren Polizeivollzugsdienst bei der Antragsgegnerin ein. Mit Bescheid vom 1. Oktober 2020 entließ die Bundespolizeiakademie den Antragsteller nach § 2 BPolBG i.V.m. § 37 Abs. 1 BBG unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen mangelnder persönlicher (charakterlicher) Eignung.
Seinen Widerspruch wies die Bundespolizeiakademie mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2020 als unbegründet zurück. Über die daraufhin erhobene Klage ist bislang nicht entschieden.
Den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Dezember 2020 abgelehnt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde, mit der der Antragsteller seinen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz weiterverfolgt.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig (§ 146 Abs. 1, 4 VwGO), aber unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entlassungsverfügung vom 1. Oktober 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2020 wiederherzustellen. Die Gründe, die der Antragsteller mit seiner Beschwerde fristgerecht dargelegt hat und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i.V.m. Satz 1 und 3 VwGO), führen unter keinem Gesichtspunkt zu einer anderen Beurteilung.
Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es sich mit dem glaubhaft gemachten Vortrag des Antragstellers unzureichend auseinandergesetzt und deshalb zu einer fehlerhaften Entscheidung gelangt sei, ist von vornherein nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO kann mit der Behauptung von Verfahrensfehlern des Verwaltungsgerichts grundsätzlich nicht geführt werden. Denn es eröffnet im Rahmen der durch § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO gezogenen Grenzen eine umfassende Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof als zweite Tatsacheninstanz, so dass ein etwaiger erstinstanzlicher Gehörsverstoß durch die nachholende Berücksichtigung des Vorbringens im Beschwerdeverfahren geheilt werden könnte.
Das Beschwerdevorbringen greift aber auch der Sache nach nicht durch. Der Senat teilt die überzeugenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts, denen der Antragsteller nichts Stichhaltiges entgegensetzt. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet. Die streitige Entlassungsverfügung ist bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angezeigten summarischen Prüfung unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens rechtmäßig, sodass der Rechtsbehelf in der Hauptsache voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (1.). Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug dieser Maßnahme überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers; die Begründung, welche die Bundespolizeiakademie hierfür gegeben hat, genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (2.).
1. Die fristlose Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf durch Bescheid vom 1. Oktober 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2020 ist (wohl) rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage ist § 2 BPolBG in Verbindung mit § 37 Abs. 1 BBG. Danach können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ hat nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. Es genügt zur Rechtfertigung der Entlassung jeder sachliche, das heißt nicht willkürliche Grund (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – BVerwGE 62, 267/268).
Das dem Dienstherrn bei einem Beamtenverhältnis auf Widerruf allgemein eingeräumte weite Entlassungsermessen ist durch § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG dahin eingeschränkt, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Diese Vorschrift schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinn von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren ist (etwa OVG RhPf, B.v. 30.7.2004 – 2 B 11152/04 – NVwZ-RR 2005, 253 zur Entlassung eines Studienreferendars aus dem Vorbereitungsdienst), sondern auch dort, wo ein Vorbereitungsdienst – wie hier – für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht (z.B. OVG NW, B.v. 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 17 ff. m.w.N. zur Entlassung eines Kommissaranwärters). Die Sollvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG erlaubt allerdings Ausnahmen im Einzelfall. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entlassungsgründe mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang stehen (BVerwG, B.v. 26.1.2010 – 2 B 47.09 – juris Rn. 6).
Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der Laufbahn – mit Blick auf den Antragsteller also des (mittleren) Polizeivollzugsdienstes – nicht gerecht wird. Insoweit genügen bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung (i.S.v. § 9 Satz 1 BBG) für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – BVerwGE 62, 267/268; BayVGH, B.v. 13.11.2014 – 3 CS 14.1864 – juris Rn. 22; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 – 2 B 174/18 – juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 22). Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist daher nicht von dem Nachweis eines Dienstvergehens abhängig (vgl. Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, § 23 BeamtStG Rn. 209).
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat (OVG NW, B.v. 27.9.2017 – 6 B 977/17 – juris Rn. 4).
b) In Anwendung dieser Maßstäbe ist die Entlassung des Antragstellers rechtlich nicht zu beanstanden. Die Bundespolizeiakademie ist weder von einem unzureichend oder unzutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen noch hat sie mit der Annahme von begründeten Zweifeln an der persönlichen Eignung des Antragstellers für ein Amt als Polizeivollzugsbeamter die Grenzen ihres Beurteilungs- und Ermessensspielraums überschritten.
Ein Unterfall der persönlichen Eignung ist die charakterliche Eignung. Hierfür ist die Einschätzung entscheidend, inwieweit der Beamte der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Das erfordert eine – dem Dienstherrn vorbehaltene und von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt überprüfbare – wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Beamten, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen (BVerwG, B.v. 20.7.2016 – 2 B 17.16 – juris Rn. 26; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 – 2 B 174.18 – juris Rn. 10). Die Zweifel können sich sowohl aus dienstlichem als auch aus außerdienstlichem Verhalten ergeben.
Die Bundespolizeiakademie ist auf der Grundlage der von ihr getroffenen Feststellungen bei einer Gesamtschau einer Vielzahl von einzelnen Umständen und Vorfällen ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass begründete Zweifel an der persönlichen (charakterlichen) Eignung des Antragstellers bestehen. Das Verwaltungsgericht hat dem zwei verschiedene Sachverhaltskomplexe entnommen, nämlich einerseits den vom Antragsteller durch sein Gesamtauftreten bewusst gesetzten Anschein, mit dem Nationalsozialismus jedenfalls zu sympathisieren, andererseits insbesondere das Verhalten gegenüber dem Ausbildungspersonal, die jeweils für sich hinreichende Zweifel an der charakterlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst begründen und damit die Entlassung selbstständig (unabhängig voneinander) tragen (S. 20 oben des Beschlusses).
Mit der Beschwerde bemängelt der Antragsteller die unzureichende Sachverhaltsaufklärung und greift die aus seiner Sicht unberechtigte und unzutreffende Würdigung einer Reihe einzelner Umstände zu den beiden Sachverhaltskomplexen an. Er sieht mit Blick auf seine Bekleidung, seine musikalischen Interessen und seinen Medienkonsum in der Freizeit kein bedenkliches Verhalten, das die Annahme einer rechten Gesinnung rechtfertige. Der vermeintliche Hitlergruß sei auch aus Sicht der Kollegen nur zum Spaß ausgeführt worden. Es erschließe sich auch nicht, weshalb seine Bitte, das Ergebnis seiner arbeitsmedizinischen Untersuchung nur in Absprache mit seinem Rechtsanwalt weiterzuleiten, zu Zweifeln an seiner charakterlichen Eignung führe. Gegen das aggressive Verhalten seines Ausbilders habe er sich zur Wehr gesetzt und dieses zur Anzeige gebracht. Er müsse sich ein solches ggfs. strafrechtliches Verhalten nicht gefallen lassen. In der Anzeige sei kein Misstrauen gegenüber dem Dienstherrn zu sehen. Er habe auch erläutert, weshalb eine Kontaktaufnahme mit ihm erschwert gewesen sei.
Die Einwände führen nicht zu einer anderen gerichtlichen Bewertung im Eilverfahren. Weder einzeln noch in der Gesamtschau begründen sie beachtliche Zweifel an der Sachverhaltsermittlung des Dienstherrn und seiner darauf beruhenden Prognoseentscheidung.
Soweit dem Antragsteller mangelnde charakterliche Eignung vorgeworfen wird, weil er den Anschein erweckt habe, der „rechten Szene“ zuzugehören, gilt folgendes: Einem Beamten obliegt, wie bereits vom Verwaltungsgericht ausgeführt, nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG die Pflicht, sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten. Ein Beamter ist im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Beamtenschaft gehalten zu vermeiden, dass der durch sein öffentliches außerdienstliches Verhalten in vorhersehbarer und ihm damit zurechenbarer Weise den Anschein setzt, sich mit dem Nationalsozialismus zu identifizieren oder auch nur mit ihm zu sympathisieren. Denn im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns ist er verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut und mit Vereinigungen zu vermeiden, die sich zu einem solchen Gedankengut bekennen. Schon das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins stellt eine Dienstpflichtverletzung dar. Dies ist ausnahmsweise, ohne Verstoß gegen die Unschuldsvermutung dann möglich, wenn das den „bösen Schein“ begründende Verhalten in besonderer Weise geeignet ist, die Akzeptanz oder Legitimation staatlichen Handelns in bedeutsamer Weise zu beeinträchtigen. Pflichtwidrig handelt auch der, der zwar kein Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist, durch konkretes Verhalten aber diesen Rechtsschein hervorruft. Dies gilt in besonderem Maße für Polizeibeamte (BVerwG, B.v. 17.5.2001 – 1 DB 15.01 – juris Rn. 36). Zwar erfolgte das dem Antragsteller vorgeworfene Verhalten außerdienstlich und nicht öffentlich. Jedoch stützen sich die Vorwürfe auf Verhalten in der dienstlichen Unterkunft und Anlage, die von Kollegen und Vorgesetzten wahrgenommen wurden. Dies rechtfertigt grundsätzlich die Einordnung in eine Verletzung der Wohlverhaltenspflicht des Antragstellers, die berechtigte Zweifel an seiner charakterlichen Eignung begründen können.
Das insoweit in Rede stehende Verhalten des Antragstellers begründet nach der Aktenlage berechtigte Zweifel an seiner charakterlichen Eignung. Der Anschein, sich mit dem Nationalsozialismus zu identifizieren oder auch nur mit ihm zu sympathisieren, stützt sich auf folgende Umstände: Tragen schwarzer Stiefel, schwarzer Cargo-Hose, Kapuzenshirt und Bomberjacke; häufiges Anhören von Dokumentationen und Reportagen über den Zweiten Weltkrieg; Hören von Musik der „Böhsen Onkelz“; Äußerung, dass der Großvater für die SS als Scharfschütze tätig gewesen sei und er sehr stolz hierauf sei; Zeigen des Hitlergrußes und Imitieren des Hitlerbarts; Bedauern, dass beim Anschlag in Halle die Tür zur Synagoge abgeschlossen gewesen sei; fasziniertes Zeigen eines Videos, in dem einer Frau auf der Straße vor der Synagoge in Halle in den Rücken geschossen wurde; Äußerung, dass der Attentäter in Halle mehr Sprengstoff hätte nehmen sollen.
Die hiergegen erhobenen Einwände mögen bei einem (einzigen) Vorwurf durchgreifen, ändern jedoch in der Gesamtschau der vielfältigen, in dieselbe Richtung deutenden Umstände nichts am Ergebnis. Dabei kommt auch zum Tragen, dass der Antragsteller von seinem Seminarleiter am 6. November 2019 darauf hingewiesen wurde, dass sein Bekleidungsstil den Anschein erwecke, dass er dem rechten Spektrum zuzuordnen sei. Gleichwohl änderte der Antragsteller seinen Bekleidungsstil nur vorübergehend. Seine Behauptung, er sei sich über die Wirkung seiner Kleidung nicht im Klaren gewesen, ist nicht glaubhaft, da er bei einer Anhörung am 16. Januar 2020 angab, dass solche Vorwürfe bereits früher, auch in der Schule, gegen ihn wegen seiner Stiefel erhoben worden seien. Das Zeigen eines Videos vom Attentat in Halle und seine Äußerungen hierzu gegenüber zwei Kollegen (D./Sch.) bestreitet der Antragsteller damit, dass er das genannte Video nie besessen habe. Auch dies ist nicht glaubhaft, weil er in seiner Anhörung vom 16. Januar 2020 angegeben hat, er habe das Video einem Kollegen aus einer anderen Klasse gezeigt. Der Antragsteller bestreitet alle Vorwürfe, die auf den Aussagen der Zeugen D. und Sch. beruhen. Trotz der unterschiedlichen zeitlichen Angaben der Zeugen hinsichtlich der Äußerung zu seinem Großvater sieht der Senat keine Anhaltspunkte für Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Zeugenaussagen. Es sind keinerlei Motive der Zeugen ersichtlich, die derart schwerwiegende Aussagen begründen könnten. Im Gegenteil spricht gerade die zeitliche Verzögerung zwischen den Vorfällen und den Aussagen gegen einen irgendwie gestalteten Belastungseifer der Zeugen. Es erscheint bei lebensnaher Betrachtung ohne weiteres plausibel, dass Anwärter nicht sofort mit solchen Vorwürfen gegen Kollegen auffallen wollen. Die Aussagen zweier Zeugen überwiegen die insoweit abgegebene eidesstattliche Versicherung des Antragstellers.
Mit Blick auf den zweiten Sachverhaltskomplex des aggressiven Verhaltens gegenüber dem Ausbildungspersonal hat der Senat nach Aktenlage ebenfalls keine beachtlichen Zweifel an den tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Bewertung durch den Dienstherrn.
Der Ausbildungsleiter (Herr W.) schildert in seiner Aktennotiz vom 14. Januar 2020 sachlich und ohne erkennbaren Belastungseifer die Wesensveränderung des Antragstellers seit Dienstantritt. Der Antragsteller habe in der 37. Kalenderwoche familiäre Probleme geäußert und sich in psychologische Betreuung begeben. Seit dem 16. September 2019 sei er mit wenigen Ausnahmen fortlaufend krankgeschrieben. In dieser Zeit habe der Antragsteller engen Kontakt zum Kernteam und zur Seminarleitung gehalten. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sich der Antragsteller höflich, interessiert und mitarbeitend verhalten. Bei einer arbeitsmedizinischen Untersuchung am 8. Januar 2020 habe er den PÄD angewiesen, die Weitergabe seiner medizinischen Unterlagen nur in Absprache mit seinem Rechtsanwalt an das SG Personal zu übermitteln. Zu diesem Zeitpunkt sei er auch wieder zu seinem alten Kleidungsstil zurückgekehrt und habe sich in der Wohngemeinschaft noch mehr abgeschottet. Bei der Aushändigung eines Schreibens des SG Personal am 13. Januar 2020 sei eine merklich aggressive Haltung gegenüber dem Ausbildungspersonal festzustellen gewesen. Im Anschluss an die Aushändigung dieses Schreibens habe der Antragsteller gegen die drei anwesenden Beamten Strafanzeige wegen Nötigung (Aushändigung des Schreibens) erhoben.
Dem hält der Antragsteller entgegen, dass Herr W. ihn in aggressiver Form genötigt habe und er sich als Auszubildender das nicht gefallen lassen müsse. Für eine solche die Rolle des Antragstellers entlastende Sichtweise bestehen nach Aktenlage keine Anhaltspunkte:
Von der Einleitung eines Strafverfahrens wegen Nötigung gegen Herrn W. wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 26. Februar 2020 nach § 152 Abs. 2 StPO abgesehen, da nach dem vom Antragsteller vorgetragenen Sachverhalt kein strafbares Verhalten vorliege. Zuvor war der Antragsteller am 28. Januar 2020 bei der Staatsanwaltschaft vorstellig geworden und hatte angegeben, die KPI weigere sich seine Anzeige entgegenzunehmen. Am 12. April 2020 erhob er Beschwerde beim Deutschen Bundestag, Ausschuss für Petitionen, mit schwerwiegenden Vorwürfen u.a. gegen die Beamten der Bundespolizeiakademie. Darin gab er u.a. erstmalig an, dass ihm bereits im ersten Monat seiner Ausbildung sein Seminarleiter, Herr. W., negativ durch seine rechten Umtriebe aufgefallen sei. So habe Herr W. die Seminarmitglieder energisch gebeten, die NPD zu wählen und bei mehreren Gelegenheiten den Hitlergruß gezeigt. Viele seiner Ausbildungskollegen hätten sich hinter Herrn W. gestellt und begonnen, ihn systematisch zu mobben. Die Ermittlungsbeamtin habe versucht, ihn bei seiner Vernehmung unter Androhung gewaltsamer Schritte sowie diverser Erpressungsversuche zu einem Geständnis oder zur Rücknahme seiner Strafanzeige gegen den Seminarleiter, Herrn W., zu zwingen. Seit dieser Verhaftung verstehe er den Begriff Folter erst wirklich richtig.
Dieses nicht nachvollziehbare Verhalten mit wechselnden, schwerwiegenden Vorwürfen belegt aus Sicht des Senats eindeutig, dass die Wahrnehmung des Antragstellers Anfang 2020 stark eingeschränkt war. Es bestehen daher keine Zweifel an der Darstellung seines Ausbildungsleiters. Das Verhalten des Antragstellers verletzt auch insoweit die Wohlverhaltenspflicht eines Beamten und begründet berechtigte Zweifel an seiner charakterlichen Eignung.
Die Antragsgegnerin durfte aus diesen Gründen ohne Rechtsfehler von begründeten Zweifeln an der persönlichen (charakterlichen) Eignung des Antragstellers für den Polizeivollzugsdienst ausgehen, die seiner Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe oder Lebenszeit entgegenstehen würden. Deshalb war es gerechtfertigt, ihn in Ausnahme zu der Sollvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf zu entlassen, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen.
2. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der angefochtenen, voraussichtlich rechtmäßigen Entlassungsverfügung überwiegt das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Das ist von der Bundespolizeiakademie, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet worden. Der Einwand, die Antragsgegnerin habe zu Unrecht auf – im Tatbestand begangene – Straftaten abgestellt, greift nicht. Die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft stellt auf drei Tatvorwürfe ab, deren Verfolgung jeweils mangels Öffentlichkeit der Tatbegehung nicht strafbar sei. Im Übrigen kommt es auf die inhaltliche Richtigkeit der Begründung nicht an (Hoppe in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage, § 80 Rn. 55).
Aufgrund der die fristlose Entlassung rechtfertigenden Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers für die angestrebte Laufbahn wird der Sofortvollzug insbesondere gerechtfertigt durch das öffentliche Interesse an einem ungestörten Dienstbetrieb und durch das fiskalische Interesse, einen wohl ungeeigneten Anwärter nicht bis zum rechtskräftigen Anschluss des voraussichtlich erfolglosen Hauptsacheverfahrens zu alimentieren.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren ist unbegründet. Die Beschwerde hatte, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, bereits von vornherein keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO, § 114 Satz 1 ZPO).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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