Verwaltungsrecht

Fristlose Entlassung eines Zeitsoldaten wegen Konsums eines LSD-ähnlichen „Legal High“-Produkts

Aktenzeichen  M 21 K 15.2902

Datum:
16.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SBG § 20 S. 1, S. 3
WDO WDO § 32 Abs. 4, Abs. 5, § 97 Abs. 2
VwGO VwGO § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1, § 114 S. 1, § 124, § 124a Abs. 4, § 154 Abs. 1
RDGEG RDGEG § 3, § 5
GKG GKG § 52 Abs. 6 S. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Die Pflicht zur Unterrichtung der Vertrauensperson nach § 20 S. 1 SBG bezieht sich nur auf Gegenstände, die für die Entscheidung auch erheblich sind. Ein verfahrensrechtlicher Anspruch der Vertrauensperson auf Erörterung besteht zudem nur, wenn er gegenüber der anhörenden Stelle auch geltend gemacht wird. (Rn. 32 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
2 Durch den außerdienstlichen Konsum eines LSD-ähnlichen „Legal High“-Produkts verletzt ein Soldat auf Zeit seine Dienstpflichten und kann deshalb fristlos entlassen (§ 55 Abs. 5 SG) werden. Die vom Bundesverwaltungsgericht (BeckRS 2011, 54741) für den Cannabis-Konsum entwickelten Grundsätze können auf diesen Fall übertragen werden. (Rn. 41 – 45) (redaktioneller Leitsatz)
3 Durch den Konsum eines „Legal High“-Produkts verletzt der Soldat die Pflicht zum treuen Dienen im militärischen Kernbereich, weil dieser Konsum unmittelbar die Einsatzbereitschaft der Truppe gefährdet. Das Verbleiben im Dienst stellte somit regelmäßig eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung dar. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung über die Klage entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Kommandeurs der 10. Panzerdivision vom 6. Mai 2014 und der Beschwerdebescheid des Kommandeur Einsatz und stellvertretender Inspekteur des Heeres vom 29. Oktober 2014 sind sowohl formell (1.) als auch materiell (2.) rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die fristlose Entlassung des Klägers ist formell rechtmäßig.
Nach § 20 Satz 1 SBG in der Fassung vom 15. April 1997 (kurz: SBG 1997) ist die Vertrauensperson über beabsichtigte Maßnahmen und Entscheidungen, zu denen sie anzuhören ist, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Der Vertrauensperson ist zu den beabsichtigten Maßnahmen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 20 Satz 2 SBG 1997). Diese ist mit ihr zu erörtern (§ 20 Satz 3 SBG 1997).
Diesen Erfordernissen des § 20 SBG 1997, aus denen der Kläger selbst im Falle von Verstößen keine Verletzungen in eigenen Rechten ableiten könnte, ist genügt worden.
§ 20 Satz 1 SBG gibt der Vertrauensperson – nicht aber dem Kläger – einen verfahrensrechtlichen Anspruch, der gegenüber der anhörenden Stelle, hier also dem nächsten Disziplinarvorgesetzten (§ 23 Abs. 1 Satz 1 SBG) geltend zu machen und von diesem zu erfüllen ist (vgl. nur BVerwG, B.v. 17.2.2009 – 1 WB 37/08 – juris Rn. 24 m.w.N.).
Hier sollte – was in der Sache auch erfolgt ist – die Vertrauensperson von Rechts wegen durch den nächsten Disziplinarvorgesetzten auf den offenbar gestellten Antrag des Klägers nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SBG in der Fassung vom 27. Dezember 2004 (kurz: SBG 2005) angehört werden, weil es um die vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses, für die nach § 55 Abs. 5 SG ein Ermessensspielraum eingeräumt ist, gegangen ist. Gesichtspunkte, die den vorliegenden Fall als atypisch hätten erscheinen lassen und deshalb eine Ausnahme von der nach der Soll-Vorschrift in der Regel gebotenen Beteiligung in Form der Anhörung rechtfertigen würden (vgl. BVerwG, B. v. 27.2.2003 – 1 WB 57.02 – juris), sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Eine Anhörungspflicht hat sich ebenfalls aus § 27 Abs. 1 SBG 1997 ergeben, demzufolge die Vertrauensperson dann, wenn der Disziplinarvorgesetzte Disziplinarmaßnahmen verhängen will, vor der Entscheidung zur Person des Soldaten, zum Sachverhalt und zum Disziplinarmaß zu hören ist, sofern der Soldat nicht widerspricht.
Die Vertrauensperson ist auch rechtzeitig und umfassend unterrichtet worden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind nach § 20 Satz 1 SBG 1997 sämtliche Informationen zu übermitteln, die im Hinblick auf die Aufgaben und Befugnisse der anzuhörenden Stelle innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs für eine sachgerechte Beurteilung der beteiligungspflichtigen Maßnahme und des dieser zugrundeliegenden Sachverhalts von Bedeutung sind. Der genaue Gegenstand und Umfang der mitzuteilenden Informationen richten sich nach den Umständen des Einzelfalles. Nicht von der Pflicht zur rechtzeitigen und umfassenden Information erfasst sind damit Umstände, die sich nicht auf die konkret zu treffende Maßnahme beziehen, dafür ohne jede Relevanz sind oder lediglich die (vorbereitende) interne Entscheidungsfindung auf Seiten des Dienstherrn betreffen. Maßgebend ist dabei ein objektiver Maßstab (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2015 – 1 WB 37/14 – juris Rn. 36 m.w.N.).
Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten war es danach im konkreten Einzelfall schon deshalb nicht erforderlich, der Vertrauensperson die dienstliche Erklärung des Klägers vom 1. April 2014 zu übermitteln, weil die darin enthaltenen Informationen zu der Substanz, die der Kläger nach ihr zu sich genommen haben will, nicht entscheidungserheblich (gewesen) sind.
Auch die Pflicht zur Erörterung ihrer Stellungnahme mit der Vertrauensperson (§ 20 Satz 3 SBG 1997) ist entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten nicht verletzt worden.
Ebenso wie § 20 Satz 1 SBG gibt § 20 Satz 3 SBG der Vertrauensperson – nicht aber dem Kläger – hinsichtlich der Erörterung einen verfahrensrechtlichen Anspruch, der gegenüber der anhörenden Stelle geltend zu machen und von dieser zu erfüllen ist (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2015 – 1 WB 37/14 – juris Rn. 36 m.w.N.).
An der Geltendmachung dieses verfahrensrechtlichen Anspruchs auf Erörterung fehlt es, so dass die vom Klägerbevollmächtigten gerügte Verletzung des § 20 Satz 3 SBG schon deshalb nicht vorliegt.
2. Die fristlose Entlassung des Klägers ist auch materiell rechtmäßig.
Nach § 55 Abs. 5 SG kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt (a). Die fristlose Entlassung des Klägers ist auch ermessensfehlerfrei (b).
a) Der Kläger ist unstreitig während seiner ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen worden.
Insbesondere durch den von ihm eingeräumten, außerdienstlichen Konsum eines LSD-ähnlichen „Legal High“-Produkts hat er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann eine fristlose Entlassung aus dem Soldatenverhältnis auf der Grundlage von § 55 Abs. 5 SG auch nach einmaligem Betäubungsmittelkonsum in Betracht kommen (vgl. BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 28/10 – juris Rn. 9 ff.). Ein Soldat, der auch nur einmal Haschisch konsumiert, sei es im oder außer Dienst, verletzt selbst dann, wenn er nicht gegen seine Pflicht zur Gesunderhaltung (§ 17 Abs. 4 Satz 1 und 2 SG) verstößt, stets seine Kernpflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG. Denn die Einsatzbereitschaft des Soldaten wird auf jeden Fall in Frage gestellt, und zwar nicht nur während der Wirkung des einzelnen Rausches, da ein Soldat auch außerhalb der Dienststunden jederzeit mit seinem Einsatz rechnen muss, sondern auch deshalb, weil der Konsum der Cannabis-Droge wegen seiner nicht vorhersehbaren und damit nicht berechenbaren Auswirkungen anders und schwerer zu bewerten ist als etwa ein Rausch, der auf den übermäßigen Konsum von Alkohol zurückzuführen ist (vgl. BVerwG, U.v. 10.8.1994 – 2 WD 24/94 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Das muss erst recht für den Fall des vom Kläger eingeräumten, außerdienstlichen Konsums eines LSD-ähnlichen „Legal High“-Produkts gelten.
Neue psychoaktive Stoffe (kurz: NPS), zu deren Bekämpfung am 26. November 2016 ein neues, auf den vorliegenden Fall allerdings zeitlich nicht anwendbares Bundesgesetz zum Schutz der Gesundheit insbesondere von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Kraft getreten ist (Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz, BGBl I 2016, 2615), sind meist synthetische Stoffe, die gelegentlich auch als „Designerdrogen“, „Research Chemicals“ oder auch als „Legal Highs“ bezeichnet werden. In den letzten Jahren ist eine ständig zunehmende Anzahl derartiger Stoffe aufgetaucht: Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (kurz: EBDD) hat im Rahmen des europäischen Frühwarnsystems mehr als 560 NPS ermittelt. In den Jahren 2012, 2013, 2014 und 2015 sind Rekordzahlen von 73, 81, 101 bzw. 100 erstmals in der Europäischen Union aufgetretenen Stoffen gemeldet worden. In der Regel ist bei diesen Stoffen die chemische Struktur der den jeweiligen Suchtstoffgesetzen der Mitgliedstaaten bereits unterstellten Stoffe gezielt so verändert worden, dass der neue Stoff nicht mehr diesen Regelungen unterliegt, aber die für Missbrauchszwecke geeignete Wirkung auf die Psyche erhalten bleibt oder sogar verstärkt wird. Da die meisten dieser Stoffe vorher noch nicht in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben wurden, werden Erkenntnisse zu Wirkungen und Nebenwirkungen eines neuen Stoffs erstmalig über den Konsum zu Rauschzwecken erhalten. Die Verbreitung und Verfügbarkeit immer neuer chemischer Varianten psychoaktiver Stoffe stellen daher grundsätzlich, insbesondere aber in solchen Fällen nicht vorhersehbarer Wirkung, eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung dar. Der Konsum von NPS zieht teilweise schwere Folgen nach sich: Die Symptome reichen von Übelkeit, heftigem Erbrechen, Herzrasen und Orientierungsverlust über Kreislaufversagen, Ohnmacht, Lähmungserscheinungen und Wahnvorstellungen bis hin zum Versagen der Vitalfunktionen. Betroffene hatten künstlich beatmet oder sogar reanimiert werden müssen. In Deutschland und dem übrigen Europa sind auch Todesfälle aufgetreten, bei denen der Konsum einer oder mehrerer dieser Stoffe hat nachgewiesen werden können (vgl. zu all dem BT-Drs. 18/8579 S. 15).
Vor diesem Hintergrund ist die Übertragung der Wertungen, die das Bundesverwaltungsgericht in seinen beiden vorgenannten Entscheidungen zum Konsum von Cannabis entwickelt hat, mit der Folge auf den vorliegenden Fall übertragbar, dass der Kläger insbesondere seine Kernpflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG schuldhaft verletzt hat, nachdem er am 3. Januar 2011 gemäß ZDv 10/5 „Leben in der militärischen Gemeinschaft“, Nr. 404, Abs. 4 über den Missbrauch von Betäubungsmitteln belehrt worden war und er die Tablette am 14. Februar 2014 eingenommen hatte, nachdem ihm dazu gesagt worden war, dass es sich hierbei um etwas Ähnliches wie LSD handelt. Für die angebliche Schuldunfähigkeit des Klägers spricht nichts Greifbares.
Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten sind die Ergebnisse der Beschuldigtenvernehmungen des Klägers verwertbar. Das behauptete Beweisverwertungsverbot besteht nicht.
Insbesondere das vom Klägerbevollmächtigten insoweit herangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Mai 2012 – 2 WD 8.11 – juris ist nicht für den Kläger anwendbar, weil es eine wesentlich andere Fallkonstellation betrifft. Es bezieht sich auf die Situation der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens, zu der es beim Kläger nie gekommen ist. Schon deshalb ist insbesondere § 97 Abs. 2 Satz 5 WDO, auf den sich der Klägerbevollmächtigte wohl im Kern beruft und der bei einem entsprechenden Belehrungsfehler ein disziplinarrechtliches Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen kann, nicht auf den Fall des Klägers nicht anwendbar.
Das Verbleiben des Klägers in seinem Dienstverhältnis würde jedenfalls die militärische Ordnung ernstlich gefährden.
§ 55 Abs. 5 SG soll die personelle und materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gewährleisten. Die fristlose Entlassung stellt ein Mittel dar, um eine Beeinträchtigung der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft zu vermeiden. Bereits aus dem Wortlaut des § 55 Abs. 5 SG ergibt sich, dass diese Gefahr gerade als Auswirkung einer Dienstpflichtverletzung des Soldaten drohen muss. Dies ist von den Verwaltungsgerichten aufgrund einer nachträglichen Prognose zu beurteilen (vgl. nur BVerwG, B.v. 28.1.2013 – 2 B 114/11 – juris Rn. 8 m.w.N.).
Mit dem Erfordernis, dass die Gefährdung der militärischen Ordnung ernstlich sein muss, entscheidet das Gesetz selbst die Frage der Angemessenheit der fristlosen Entlassung im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck und konkretisiert so den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zwar können Dienstpflichtverletzungen auch dann eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung herbeiführen, wenn es sich um ein leichteres Fehlverhalten handelt oder mildernde Umstände hinzutreten. Jedoch ist im Rahmen der Gefährdungsprüfung zu berücksichtigen, ob die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr durch eine Disziplinarmaßnahme abgewendet werden kann (vgl. nur BVerwG, B.v. 28.1.2013 – 2 B 114/11 – juris Rn. 9 m.w.N.).
Auf dieser Grundlage haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, bei denen eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung im Sinne des § 55 Abs. 5 SG regelmäßig anzunehmen ist. Dies gilt vor allem für Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigen. Bei Dienstpflichtverletzungen außerhalb dieses Bereichs kann regelmäßig auf eine ernstliche Gefährdung geschlossen werden, wenn es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handelt, wenn die begründete Befürchtung besteht, der Soldat werde weitere Dienstpflichtverletzungen begehen (Wiederholungsgefahr) oder es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftritt oder um sich zu greifen droht (Nachahmungsgefahr). Jedenfalls die beiden letztgenannten Fallgruppen erfordern eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzung, um die Auswirkungen für die Einsatzbereitschaft oder das Ansehen der Bundeswehr beurteilen zu können (vgl. nur BVerwG, B.v. 28.1.2013 – 2 B 114/11 – juris Rn. 10 m.w.N.). Unter Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich können schon begrifflich nur (schwere) innerdienstliche Dienstpflichtverletzungen fallen, oder außerdienstliches Verhalten, das unmittelbar hierauf gerichtet ist (vgl. nur BVerwG, B.v. 28.1.2013 – 2 B 114/11 – juris Rn. 12).
Durch den vom Kläger eingeräumten, außerdienstlichen Konsum eines LSD-ähnlichen „Legal High“-Produkts hat er nach der referierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) im militärischen Kernbereich schuldhaft verletzt, weil dieser Konsum nach den vorstehenden Darlegungen zu NPS unmittelbar die Einsatzbereitschaft der Truppe gefährdet. Das Verbleiben des Klägers im Dienst stellte somit – entsprechend der insoweit in der Rechtsprechung etablierten Regelannahme – eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung dar. Es hätte negative Vorbildwirkung, die es der Bundeswehr erschweren würde, ihre Aufträge zu erfüllen.
Selbst wenn man zugunsten des Klägers eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung außerhalb des militärischen Kernbereichs annähme, wäre jedenfalls eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung im Sinne des § 55 Abs. 5 SG gegeben, weil es sich – was gerichtsbekannt ist und insbesondere auch mit Blick auf die erforderliche, einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzung in den Gründen des angefochtenen Beschwerdebescheids auch angesichts der vorstehenden Darlegungen zu NPS, die insbesondere junge Erwachsene gefährden, zutreffend ausgeführt wird – bei dem Fehlverhalten des Klägers um eine Disziplinlosigkeit handelt, die in der Truppe jedenfalls um sich zu greifen droht (Nachahmungsgefahr).
b) Die fristlose Entlassung des Klägers ist auch ermessensfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO).
Alleiniger Zweck der fristlosen Entlassung gemäß § 55 Abs. 5 SG ist es, eine – sich im Grunde bereits aus der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift ergebende – drohende Gefahr für die Bundeswehr abzuwenden. Demgegenüber handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme. Die Frage der Angemessenheit des Eingriffs im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck ist hier in Gestalt einer Vorabbewertung durch den Gesetzgeber jedenfalls im Wesentlichen bereits durch die Vorschrift selbst – und zwar auf der Tatbestandsebene – konkretisiert worden. Für zusätzliche Erwägungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist somit nach der Gesetzeskonzeption im Rahmen des § 55 Abs. 5 SG (grundsätzlich) kein Raum (vgl. OVG NW, B.v. 20.1.2005 – 1 B 2009/04 – juris Rn. 34 m.w.N.).
Dies zu Grunde gelegt, ist das Ermessen der zuständigen Behörde, beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG vom Ausspruch der fristlosen Entlassung absehen zu können, trotz des Wortlauts „kann“ im Sinne einer sogenannten „intendierten Entscheidung“ auf besondere (Ausnahme-)Fälle zu beschränken (vgl. OVG NW, B.v. 20.1.2005 – 1 B 2009/04 – juris Rn. 36 m.w.N.; BayVGH U.v. 25.7.2001 – 3 B 96.1876 – juris Rn. 58 ff. m.w.N.).
Nach den Umständen des Falles war die fristlose Entlassung des Klägers als „intendierte Entscheidung“ wie geschehen auszusprechen. Für eine atypische Sachverhaltskonstellation ist weder etwas vorgetragen, noch sonst etwas ersichtlich.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.


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