Verwaltungsrecht

Für alleinstehende männliche Staatsangehörige besteht in Afghanistan keine extreme Gefahrenlage

Aktenzeichen  W 1 K 16.31536

Datum:
1.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3a, § 3e, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1 Volkszugehörige der Hazara unterliegen in Afghanistan zwar noch einer gewissen Diskriminierung, sie sind derzeit und in überschaubarer Zukunft aber weder einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung ausgesetzt (ebenso BayVGH BeckRS 2017, 101006; BeckRS 2016, 112329;  BeckRS 2012, 54740). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Grundsätzlich ist Kabul im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan als Fluchtalternative geeignet. (Rn. 36 – 39) (redaktioneller Leitsatz)
3 Für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende, alleinstehende, männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige besteht in Afghanistan keine extreme Gefahrenlage (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, jedoch nicht begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der Bescheid des Bundesamtes vom 24. August 2016 ist – soweit er noch Gegenstand dieser Klage ist – einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i.S.d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der ab 6. August 2016 geltenden, durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl I S. 1939 ff.) geschaffenen Fassung anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG – wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG – die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) – Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
Dies zugrunde gelegt hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG.
1. a) Der Kläger macht im Hinblick auf seine Verfolgung zunächst geltend, dass er aufgrund einer Beziehung zu einem Mädchen von deren Familie bedroht und geschlagen worden sei. Dieser Vortrag knüpft an keinen der in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe an. Insbesondere existiert in Afghanistan keine bestimmte soziale Gruppe derer, welche einer Ehrverletzung beschuldigt werden. Eine solche Gruppe besitzt keine deutlich abgegrenzte Identität in Afghanistan; sie wird von der umgebenden Gesellschaft auch nicht als andersartig betrachtet, wie dies § 3b Abs. 1 Nr. 4. b) AsylG voraussetzt. Eine derartige Gruppe ist bereits nicht durch Dritte durch ein bestimmtes Erscheinungsbild, Verhalten o.ä. erkennbar, so dass diese schon vom Ansatz her nicht als andersartig betrachtet werden und keine abgegrenzte Identität aufweisen kann. Eine solche Abgrenzung erscheint auch vor dem Hintergrund nicht möglich, dass völlig offen ist, welcher Personenkreis von dieser Gruppe umfasst sein soll. Dies könnten diejenigen, die die Ehrverletzung begehen, selbst sein oder aber auch deren nähere oder weitere Verwandtschaft und gegebenenfalls weitere Personen, was wiederum von Dritten in Afghanistan – je nach Herkunft und Prägung – in jedem Einzelfall zusätzlich unterschiedlich eingeschätzt würde, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt von einer „deutlich abgegrenzten Identität“ keine Rede sein kann. Soweit der Kläger darüber hinaus erklärt hat, dass er nach seiner Rückkehr aus dem Iran nach Afghanistan von mehreren Leuten bedroht und auch verprügelt worden sei, so knüpft auch dieses Vorbringen nicht an einen der Verfolgungsgründe nach § 3b AsylG an. Der Kläger konnte insoweit auch auf Nachfrage nicht angeben, warum diese Leute ihn verfolgten; „sie hätten einfach gezeigt, dass sie Macht ausüben könnten und dies auch getan“, so der Kläger in der mündlichen Verhandlung. Hieraus lässt sich in keiner Weise erkennen, dass diese Handlungen auf einem der Verfolgungsgründe des § 3b AsylG beruhen.
b) Soweit der Kläger vor dem Bundesamt einen Vorfall geschildert hat, bei dem er und andere mitreisende Personen von Taliban aufgehalten worden seien und sie hierbei kontrolliert und ihnen das Geld weggenommen worden sei, so ergibt sich auch daraus keine Anknüpfung an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal nach § 3b AsylG. Zwar hat der Kläger insoweit angeführt, dass die Taliban nicht zugelassen hätten, dass die Hazara Busse und Verkehrsmittel benutzen und die Mitreisenden zu ihnen gesagt hätten, dass sie nicht sagen sollten, dass sie Hazara seien, jedoch haben die vermeintlichen Taliban nach dem Vortrag des Klägers nichts dazu verlautbaren lassen, dass die beschriebene Aktion gerade aufgrund der Volkszugehörigkeit des Klägers oder etwaiger weiterer anwesender Hazara stattfinde. Vielmehr haben die vermeintlichen Taliban offensichtlich alle Personen kontrolliert und ihnen das Geld weggenommen. Es handelt sich insoweit um eine allgemeine kriminelle Handlung, die an kein Merkmal nach § 3b AsylG anknüpft.
c) Der Kläger hat weiterhin vor dem Bundesamt angegeben, der Volksgruppe der Hazara sowie der Religionsgruppe der Schiiten anzugehören.
Unabhängig davon, dass der Kläger aufgrund dieser Merkmale – abgesehen von dem zuvor beschriebenen Einzelfall, den der Kläger mit seiner Volkszugehörigkeit in Verbindung gebracht hat – nach seinem Vortrag keiner individuellen Verfolgung in seinem Heimatland ausgesetzt war, führen diese Merkmale auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu der Annahme einer Gruppenverfolgung. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BVerwG, U.v. 18.7.2006 – 1 C 15/05 – juris; U.v. 21.4.2009 – 10 C 11/08 – juris) voraus, dass eine bestimmte Verfolgungsdichte vorliegt, die die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr einer Betroffenheit besteht. Zudem gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, wenn also auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar ist.
Dies zugrunde gelegt droht dem Kläger wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur Religionsgruppe der Schiiten nicht die Gefahr einer landesweiten Verfolgung.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, unterliegen Hazara und Schiiten in Afghanistan zwar einer gewissen Diskriminierung; sie sind derzeit und in überschaubarer Zukunft jedoch keiner an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung ausgesetzt (BayVGH, U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris; U.v. 1.2.2013 – 13a B 12.30045 – juris; B.v. 1.12.2015 – 13a ZB 15.30224 – juris; B.v. 19.12.2016 – 13a ZB 16.30581 – juris; B.v. 20.1.2017 – 13a ZB 16.30996 – juris). Auch durch den neuesten Lagebericht des Auswärtigen Amtes wird diese Einschätzung nicht erschüttert. Zwar wird darin berichtet, dass die Hazara in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert seien. Auch gesellschaftliche Spannungen bestünden fort und lebten in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf. Zudem sei es im Jahre 2015 zu Entführungen von Hazara mit Todesfällen gekommen. Insgesamt habe sich jedoch die Lage der insbesondere unter der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara grundsätzlich verbessert. Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten seien in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsbelehrten (Ulema) als auch im hohen Friedensrat seien auch Schiiten vertreten; beide Gremien betonten, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe. Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den IS angegriffen. Dabei seien 85 Menschen ums Leben gekommen und rund 240 verletzt worden. Dieser Schlag habe sich fast ausschließlich gegen Schiiten gerichtet (vgl. zum Ganzen: Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2016, S. 9 ff.). Auch unter Berücksichtigung dessen sowie der jüngsten Anschläge im Zusammenhang mit dem Aschura-Fest in 2016 sowie gegen eine Moschee im Laufe des November 2016, die sich gegen Schiiten richteten und zu denen sich der islamische Staat bekannt hat, verfügen die Verfolgungshandlungen, denen die Hazara und die Schiiten in Afghanistan ausgesetzt sind, nach Auffassung des Gerichts nicht über die dargestellte für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der jüngsten Entwicklung im Laufe des Jahres 2017.
2. a) Soweit der Kläger angegeben hat, dass er sich trotz eines Verbots durch deren Eltern mit einem Mädchen getroffen habe und er aufgrund dessen von der Familie öfters bedroht und sogar geschlagen worden sei, so kann dies zwar als glaubhaft zu Grunde gelegt werden. Abgesehen davon aber, dass hier bereits fraglich erscheint, ob die Voraussetzungen des § 3a Abs. 1 AsylG hierdurch bereits verwirklicht worden sind, sprechen jedoch zumindest stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger erneut von einer solchen Verfolgung nach seiner Rückkehr bedroht würde, Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU. Den klägerischen Angaben zufolge bestand der Kontakt zu dem Mädchen vor dem Zeitpunkt, als er mit 17 Jahren Afghanistan in den Iran verlassen hat. Nach seiner Rückkehr nach Afghanistan hat er die Beziehung nicht wieder aufgenommen. Der Kläger hat zudem auch nichts dahingehend vorgetragen, dass die Familie des Mädchens nach seiner Ausreise in den Iran nach ihm gesucht hätte, um sich über das Ziel der Beendigung des Kontakts, welches vollständig erreicht worden ist, hinaus an dem Kläger zu rächen. Dies wäre jedoch für den Fall zu erwarten gewesen, dass die andere Familie des Klägers tatsächlich wegen einer Ehrverletzung hätte habhaft werden wollen. Auch haben der Vater und der Bruder nach der Ausreise des Klägers offensichtlich unbehelligt weiterhin am Herkunftsort leben können, ohne dass diese Familienmitglieder ihrerseits von der Familie des Mädchens Forderungen oder Racheaktionen im Hinblick auf die nicht gewollte Beziehung ausgesetzt gewesen wären (vgl. insoweit ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan vom 27. Dezember 2012: Sanktionen gegen unverheiratetes Paar, das untertaucht (Rolle von Volkszugehörigkeit und Religion?); Sanktionen gegen Familienangehörige des Mannes). Auch nach der Rückkehr des Klägers nach Afghanistan nach fünfjährigem Aufenthalt im Iran ist nichts dafür ersichtlich, was objektiv darauf hindeuten würde, dass die Familie des Mädchens den Kläger weiterhin verfolgt hätte. Zwar mutmaßt der Kläger vor dem Bundesamt – allerdings ohne jede Substanz -, dass die Streitigkeiten, denen er nach der Rückkehr ausgesetzt gewesen sei, sowie der Vorfall, bei dem er verprügelt worden sei, mit der vergangenen Liebschaft zu tun haben müssten. Dies erscheint jedoch bereits aus dem Grunde nicht lebensnah und nachvollziehbar, dass die Bedrohungen wegen der Beziehung vor seiner Ausreise jeweils offen durch die Familie vorgenommen wurden und es ist nichts dafür ersichtlich, warum dies nun durch dem Kläger unbekannte Personen erfolgen sollte. Dies erscheint auch deshalb nicht erklärbar, da es bei einer Rache wegen einer Ehrverletzungshandlung gerade darauf ankommt, dass gerade die in ihrer Ehre verletzte Familie selbige wiederherstellt. Der Kläger hat dann in der mündlichen Verhandlung eine derartige Mutmaßung hinsichtlich des Hintergrundes für die Vorfälle nach seiner Rückkehr nach Afghanistan auch nicht wiederholt, sondern nur angegeben, dass er diese Leute nicht erkannt habe bzw. diese ihm keinen Grund für die Bedrohung genannt hätten, was nach Überzeugung des Gerichts nicht der Fall gewesen wäre, wenn diese Handlungen als Rache für die frühere nicht gewollte Beziehung ausgeführt worden wären. Auch der Kläger kann selbst keinerlei objektive Anhaltspunkte für seine Mutmaßung vor dem Bundesamt benennen und weist in der mündlichen Verhandlung nunmehr darauf hin, dass es in Afghanistan viele Leute gebe, die sich versteckt hielten und dann anderen Schaden zufügten oder diese sogar töteten. Er nimmt damit letztlich auf die in Afghanistan bestehende allgemeine Kriminalität Bezug. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass zwischenzeitlich rund zehn Jahre seit der Beendigung der Beziehung des Klägers zu dem Mädchen vergangen sind; dieser lange Zeitraum steht nach Überzeugung des Gerichts – unter Berücksichtigung der oben geschilderten Zusammenhänge und Abläufe im vorliegenden Falle – einer erneuten Verfolgung entgegen.
Dieser Einschätzung steht auch nicht die vom Kläger benannte Anfragebeantwortung von ACCORD vom 5. April 2011 (Afghanistan: Sanktionen des Pashtunwali bei einer vorehelichen sexuellen Beziehung und Heirat ohne Zustimmung des Brautvaters; Zugang zu polizeilichem Schutz) entgegen. Darin wird beschrieben, dass es bei außerehelichen Beziehungen in Afghanistan aufgrund der über die Familie der Frau gebrachten Schande zu Racheaktionen bis hin zum Ehrenmord kommen kann. Hieran bestehen auch von Seiten des Gerichts keine Zweifel. Hieraus lässt sich jedoch im Umkehrschluss nicht der Schluss ziehen, dass dies in jedem Falle so sein muss. Dies hängt letztlich von vielerlei Faktoren des Einzelfalls ab, etwa ob es zu außerehelichem Geschlechtsverkehr gekommen ist und ob die Frau bereits einem anderen Mann versprochen gewesen ist bzw. verheiratet war, wofür vorliegend nichts ersichtlich ist, und letztlich auch von den Moral- und Wertvorstellungen jeder einzelnen Familie. So lässt sich etwa einer weiteren Anfragebeantwortung von ACCORD vom 27. Dezember 2012 (Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Sanktionen gegen unverheiratetes Paar, das untertaucht (Rolle von Volkszugehörigkeit und Religion?); Sanktionen gegen Familienangehörige des Mannes) entnehmen, dass dann, wenn die Frau einer gebildeten Familie entstammt, diese den Mann zuerst warnen und auffordern werde, die Frau nicht länger zu treffen. Sollte die Beziehung dennoch anhalten, werde die Familie den Mann zusammenschlagen lassen. Vorliegend hat die Familie des Mädchens den Kläger bedroht und geschlagen und ihm dadurch die einzuhaltenden Grenzen aufgezeigt. Der Kläger hat daraufhin – wie ausgeführt – Afghanistan für fünf Jahre verlassen und die Beziehung auch nach seiner Rückkehr nicht wieder aufgenommen. Eine zwischenzeitliche Suche nach ihm oder eine Gefährdung anderer Mitglieder seiner Familie sind in keiner Weise erfolgt. Weitere Maßnahmen gegenüber dem Kläger nach seiner Rückkehr sind durch die Familie des Mädchens ihm gegenüber nicht vorgenommen worden (s.o.). In dieser Situation erscheint es damit nicht lebensnah nachvollziehbar – insbesondere nicht nach zehn Jahren seit der Beendigung der Beziehung -, dass es im vorliegenden Einzelfall nach einer Rückkehr nach Afghanistan noch zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen gegenüber dem Kläger oder gar zu einem Ehrenmord an diesem kommen würde.
b) Wenn der Kläger darüber hinaus vorträgt, dass ihm nach seiner Rückkehr nach Afghanistan im beruflichen Kontext Aufträge streitig gemacht worden seien, einmal sein Werkzeug entwendet worden sei, ihn sein Auftraggeber einmal nicht entlohnt habe und ihn Leute auf der Straße angehalten und mit ihm gestritten hätten, so stellen all diese Vorkommnisse keine Handlungen dar, die auch nur annähernd die erforderliche Qualität einer Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 1 AsylG erreichen würden, auch nicht in ihrer Kumulierung. Es handelt sich vielmehr um unredliches Geschäftsgebaren, schlechtes Benehmen und allgemeine kriminelle Handlungen, die vorliegend an die Schwelle des § 3a Abs. 1 AsylG nicht heranreichen.
Auch der bereits erwähnte Vorfall, bei dem der Kläger zusammen mit einer Gruppe Mitreisender von vermeintlichen Taliban kontrolliert und ihnen das Geld abgenommen worden sei, erreicht gleichfalls nicht das Ausmaß einer Verfolgungshandlung nach § 3a AsylG im Sinne einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung. Auch hierbei handelt es sich um eine kriminelle Verhaltensweise, die jedoch noch nicht flüchtlingsrechtlich relevant ist.
c) Darüber hinaus hat der Kläger vor dem Bundesamt angegeben, dass er einmal von ihm unbekannten Leuten verprügelt und verletzt worden sei. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger diesen Vorfall erneut beschrieben. Er hat jedoch darüber hinaus angegeben, dass dies öfters passiert sei, zum Beispiel auf Feierlichkeiten. Auch hat er im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er immer wieder beschimpft und bedroht worden sei. Hinsichtlich dieser weiteren körperlichen Übergriffe sowie der benannten Beschimpfungen und Bedrohungen kann dem Kläger nicht geglaubt werden. Dies rührt bereits daher, dass der Kläger insoweit seinen Sachvortrag gegenüber dem Vorbringen vor dem Bundesamt in erheblicher Weise gesteigert hat, ohne hierfür nachvollziehbare Gründe zu benennen; solche sind auch nicht ersichtlich. Das Gericht ist vielmehr davon überzeugt, dass der Kläger seinen Vortrag nach der Ablehnung seines Begehrens im Verwaltungsverfahren insoweit aus prozesstaktischen Gründen erweitert hat. Zudem ist der diesbezügliche Vortrag ohne jede Substanz geblieben; der Kläger war vielmehr nicht in der Lage, hierzu weitere Details zu nennen. So hat er auf die Frage seines Bevollmächtigten, was mit Beschimpfen gemeint sei, erklärt, dass die Leute versucht hätten, ihn zu schlagen, gesagt hätten sie dabei aber nichts. Dass darin keine Beschimpfung zu erblicken ist, bedarf keiner weiteren Erklärung. Es erscheint darüber hinaus auch völlig lebensfremd, dass der Kläger ständigen Nachstellungen ausgesetzt gewesen sein will, ohne dass ein Verfolger sich jemals zu erkennen gibt oder seine Ziele und Motive benennt. Der diesbezügliche Vortrag erscheint konstruiert.
Soweit der Kläger einen Vorfall skizziert, bei dem er von anderen Personen verprügelt und verletzt worden sei, so liegt auch hierin keine Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 1 AsylG. Eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte ist hierin nicht zu erblicken. Insbesondere liegt darin keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK. Denn es ist vorliegend nicht ersichtlich, dass es sich um eine Handlung gehandelt hat, die bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht hat, und die geeignet gewesen wäre, das Opfer zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise dessen psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Bd. 3, § 4 AsylG Rn. 23). Hierzu hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nichts vorgetragen. Vor dem Bundesamt hat er vielmehr darauf hingewiesen, dass er keine sichtbaren Wunden gehabt habe und selbständig nach Hause gegangen sei. Dauerhafte Schäden hat der Kläger von diesem einmaligen Ereignis offensichtlich ebenfalls nicht zurückbehalten. Es handelte sich zudem offensichtlich um ein zufälliges Ereignis, da der Kläger nicht hat darlegen können, dass dieses einen bestimmten Hintergrund gehabt habe. Der Vortrag, dass er sich so schlecht gefühlt habe, dass ihn seine Familie für drei Tage ins Krankenhaus gebracht habe, erscheint vor dem vorgenannten Hintergrund bereits fragwürdig, führt jedoch gleichwohl nicht zu einem anderen Ergebnis; vielmehr bestätigt der Kurzaufenthalt im Krankenhaus, dass der Kläger nicht ernsthaft verletzt war.
Nach alledem ist der Kläger nicht vorverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist bzw. es sprechen stichhaltige Gründe dagegen, dass er bei seiner Rückkehr nach Afghanistan erneut von einer Verfolgung der vorgetragenen Art bedroht wäre (Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU).
3. Wenn man jedoch entgegen vorstehender Ausführungen davon ausginge, dass der Kläger vorverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist ist bzw. an seinen Herkunftsort nicht zurückkehren könnte, so würde der Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unabhängig von vorstehenden Ausführungen gleichwohl auch daran scheitern, dass der Kläger internen Schutz nach § 3e AsylG in Kabul in Anspruch nehmen kann.
Einem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 e AsylG nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort auch aufgenommen wird und vernünftiger Weise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Hierbei sind die allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsland und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 der Qualifikationsrichtlinie (QRL) zu berücksichtigen.
Das Gericht geht – auch unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 4 QRL – davon aus, dass der Kläger in der afghanischen Hauptstadt Kabul internen Schutz erlangen kann und dort keine Verfolgungsgefahr zu befürchten hat. Der Kläger hat von der Familie des Mädchens, das er seinerzeit geliebt habe, bei einer Rückkehr nach Afghanistan – wie bereits ausgeführt – weder an seinem Herkunftsort und erst recht in Kabul nichts zu befürchten. Es wird insoweit vollumfänglich auf die Ausführungen unter 2.a) verwiesen. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass sich die Stadt Kabul mehrere 100 km vom Heimatort des Klägers – der Stadt Mazar-e Sharif – entfernt befindet, so dass ein Wiedertreffen des Mädchens unter Beachtung der Verhältnisse in Afghanistan schon an dieser räumlichen Entfernung scheitert. Was den Vorfall angeht, bei dem der Kläger verprügelt worden sei, so ist nichts dafür ersichtlich, dass sich dieses singuläre Ereignis andernorts wiederholen würde, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger etwaige Gründe für diesen Vorfall nicht hat benennen können. Es hat sich demzufolge offensichtlich um ein zufälliges Ereignis gehandelt, wobei keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich ein solches erneut wiederholen würde. Unabhängig davon würde ein solcher Vorfall – wie bereits dargelegt – die Voraussetzungen des § 3a Abs. 1 AsylG nicht erfüllen. Schließlich hat der Kläger auf Nachfrage vor dem Bundesamt, ob er sich vorstellen könne in einem anderen Landesteil Afghanistans zu leben, keine individuellen Sicherheitsprobleme benannt, sondern allein auf die allgemein schlechte Sicherheitslage in allen Landesteilen hingewiesen.
Der Kläger könnte darüber hinaus sicher und legal nach Kabul reisen. Schließlich kann von ihm vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in Kabul niederlässt. Erforderlich ist hierfür, dass am Ort des internen Schutzes die entsprechende Person durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt erforderliche erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf den allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zweiweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor ausgeübt werden können. Nicht zumutbar sind hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Der Zumutbarkeitsmaßstab geht im Rahmen des internen Schutzes über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 6.62016 – 13 A 18182/15.A – juris).
Die diesbezügliche aktuelle Lage in Afghanistan und in der Hauptstadt Kabul stellen sich wie folgt dar:
Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (a.a.O. S. 21 ff.) aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2015 lediglich Rang 171 von 187 im Human Development Index belegt habe. Die afghanische Wirtschaft ringe in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90%. So seien ausländische Investitionen in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen, zumal sich die Rahmenbedingungen für Investoren in den vergangenen Jahren kaum verbessert hätten. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe durch die schwache Investitionstätigkeit geprägt. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 36% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Ent-wicklung des Landes dar. Zwischen den Jahren 2012 und 2015 werde das Bevölkerungswachstum auf rund 2,4% pro Jahr geschätzt, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkomme. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familien- bzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage vom 30. September 2016, Seite 24 ff.) führt aus, Afghanistan bleibe weiterhin eines der ärmsten Länder weltweit. Die bereits sehr hohe Arbeitslosenrate sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte Ende 2014 wegen des damit zusammenhängenden Nachfrageschwundes rasant angestiegen, das Wirtschaftswachstum betrage nur 1,5%. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Die Landwirtschaft beschäftige bis zu 80% der Bevölkerung, erziele jedoch nur etwa 25% des Bruttoinlandprodukts. Vor allem in Kabul gehöre wegen des dortigen großen Bevölkerungswachstums die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen. Auch die Beschäftigungsmöglichkeiten hätten sich dort rapide verschlechtert. Nur 46% der afghanischen Bevölkerung verfüge über Zugang zu sauberem Trinkwasser und lediglich 7,5% zu einer adäquaten Abwasserentsorgung. Unter Verweis auf den UNHCR sähen sich Rückkehrende beim Wiederaufbau einer Lebensgrundlage in Afghanistan mit gravierenden Schwierigkeiten konfrontiert. Geschätzte 40% seien verletzlich und verfügten nur über eine unzureichende Existenzgrundlage sowie einen schlechten Zugang zu Lebensmitteln und Unterkunft. Außerdem erschwere die prekäre Sicherheitslage die Rückkehr. Gemäß UNHCR verließen viele Rückkehrende ihre Dörfer innerhalb von zwei Jahren erneut. Sie wichen dann in die Städte aus, insbesondere nach Kabul.
Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen ist von dem Kläger vernünftigerweise zu erwarten, dass er sich in Kabul niederlässt. Der Kläger hat 6 Jahre lang die Schule besucht; er verfügt damit über einen Bildungsstand, mit dem er gegenüber den vielen Analphabeten in Afghanistan im Vorteil ist. Auch aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen und Sprachkenntnisse befindet sich der Kläger in einer vergleichsweise guten Position. Mit diesen Erfahrungen und Kenntnissen ist davon auszugehen, dass der Kläger auch ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, zumindest durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines ausreichendes Einkommen zu erzielen. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR – auf den die Schweizerische Flüchtlingshilfe hinsichtlich der Situation der Rückkehrenden Bezug nimmt -, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern – wie dem 27- jährigen Kläger – eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016, S. 9). An dieser Einschätzung des Gerichts ändert sich auch durch die Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 nichts. Der UNHCR weist zwar in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich die Sicherheitslage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert habe, was damit einher gehe, dass sich der Konflikt in Afghanistan im Laufe des Jahres 2016 weiter ausgebreitet habe und die Zahl der zivilen Opfer im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um weitere 4% gestiegen sei. Die Zahl der intern Vertriebenen habe im Jahr 2016 auf Rekordniveau gelegen; zudem sei auch aus den Nachbarländern Pakistan und Iran eine große Zahl von Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt, was zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten in den wichtigsten Städten der Provinzen und Distrikte in Afghanistan geführt habe. Dies gelte auch für die Stadt Kabul, wo nur begrenzte Möglichkeiten der Existenzsicherung, eine extrem angespannte Wohnraumsituation sowie mangelnder Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen bestehe, sodass die Verfügbarkeit einer internen Schutzalternative im Umfeld eines dramatisch verschärften Wettbewerbs um den Zugang zu knappen Ressourcen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes einzelnen Antragstellers geprüft werden müsse. Abgesehen davon, dass der UNHCR für die beschriebene Einschätzung seine eigenen Maßstäbe zugrunde legt, hält dieser auch gleichzeitig ausdrücklich an seinen Richtlinien von April 2016 fest, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt, wovon das Gericht auch bei dem hiesigen Kläger ausgeht.
Der Kläger kann vorliegend darüber hinaus bereits auf langjährige berufliche Erfahrungen im Iran sowie in Afghanistan zurückgreifen; er hat jahrelange Erfahrungen als Schweißer und hat überdies im Iran auf Baustellen verschiedene Tätigkeiten ausgeübt. Er hat demzufolge erfolgreich Strategien für das wirtschaftliche Überleben in Afghanistan entwickeln können, auf die er nach seiner Rückkehr würde gewinnbringend zurückgreifen können. Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse seines Heimatlandes sind dem Kläger, der sich bis zu seinem 17. Lebensjahr und nach seiner Rückkehr aus dem Iran erneut rund 9 Monate in Afghanistan aufgehalten hat, damit gut bekannt und vertraut. Er war nach seiner Rückkehr nach Afghanistan offensichtlich ohne besondere Schwierigkeiten in der Lage, wieder Arbeit zu finden; er habe als Schweißer genügend Aufträge gehabt (welche ihm jedoch zum Teil von Konkurrenten streitig gemacht worden seien). Auch durch seinen fünfjährigen Aufenthalt im Iran, in den sich der Kläger bereits mit 17 Jahren alleine begeben hat, hat er erfolgreich gezeigt, dass er selbständig in der Lage ist, für seinen Lebensunterhalt Sorge zu tragen; dasselbe gilt auch für den Zeitraum nach seiner Rückkehr nach Afghanistan. Neben seiner eigenen Erwerbsfähigkeit könnte der Kläger darüber hinaus nach Überzeugung des Gerichts auch auf die Unterstützung durch seinen Bruder zurückgreifen, zu dem er Kontakt hält. Dieser ist Berufssoldat, so dass es durchaus realistisch erscheint, dass er dem Kläger im Bedarfsfalle finanzielle Mittel zukommen lässt, wie er dies auch bereits getan hat, als er den Kläger bei der Finanzierung der Fluchtkosten unterstützt hat. Denn es ist im Kulturkreis des Klägers absolut üblich, dass in Notsituationen über derartige Kontakte Unterstützung geleistet wird und es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies vorliegend nicht geschehen würde. Darüber hinaus kann der Kläger seine finanzielle Situation zusätzlich auch dadurch verbessern, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt. So können afghanische ausreisewillige Personen seit dem Jahr 2016 Leistungen aus dem REAG-Programm sowie aus dem GARP-Programm erhalten, die Reisebeihilfen im Wert von 200 EUR und Starthilfen im Umfang von 500 EUR beinhalten. Darüber hinaus besteht seit Juni 2016 das Reintegrationsprogramm ERIN. Die Hilfen aus diesem Programm umfassen z.B. Service bei Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei einer Geschäftsgründung. Die Unterstützung wird weitgehend als Sachleistung gewährt. Der Leistungsrahmen für rückgeführte Einzelpersonen beträgt dabei ca. 700 EUR (vgl. Auskunft des Bundesamts vom 12.8.2016 an das VG Ansbach; VG Augsburg, U.v. 18.10.2016 – AU 3 K 16.30949 – juris). Der Kläger könnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris). Dementsprechend ist es dem Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Afghanistan freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen. Ebenfalls nicht entgegenstehend für die Annahme internen Schutzes ist der Umstand, dass der Kläger längere Zeit in Europa verbracht hat. Vielmehr wirkt sich dies eher begünstigend auf seine Erwerbsperspektive in Afghanistan aus (vgl. auch OVG NRW, B.v. 20.7.2015 – 13 A 1531/15 A – juris). Eine Rückkehr nach Afghanistan scheitert nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa BayVGH, B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris), der sich das Gericht anschließt, grundsätzlich auch nicht an einem langjährigen Aufenthalt in Europa oder Drittländern. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht, was vorliegend der Fall ist. Auch steht der Annahme, dass der Kläger in Afghanistan keiner unzumutbaren Gefahrensituation ausgesetzt sein wird, nicht die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und der Religionsgruppe der Schiiten entgegen. Denn es ist nicht anzunehmen, dass der Kläger als Angehöriger dieser ethnischen bzw. religiösen Minderheit keine Chance hätte, sich etwa als Tagelöhner zu verdingen. Die vorliegenden Gutachten und Berichte enthalten hierfür keine entsprechenden Hinweise (vgl. BayVGH, B.v. 17.1.2017 – 13a ZB 16.30929 – juris). Vor diesem Hintergrund folgt das Gericht auch nicht der Einschätzung von Frau Friederike Stahlmann, wonach die Annahme, dass alleinstehende junge gesunde Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend infrage gestellt sei (vgl. Friederike Stahlmann, Überleben in Afghanistan, Asylmagazin 3/2017, S. 73 ff. (77 f.). Denn nach Überzeugung des Gerichts bieten die geschilderten persönlichen Verhältnisse und Ressourcen des Klägers ausreichende und realistische Möglichkeiten dafür, zumindest für den hiesigen Kläger ein Leben in Kabul zumutbar erscheinen zu lassen.
Die Zumutbarkeit internen Schutzes in Kabul scheitert schließlich auch nicht daran, dass der Kläger mittels Vorlage eines ärztlichen Befundberichts vorgetragen hat, nicht gesund zu sein und aufgrund der schlechten medizinischen Versorgungslage in Afghanistan und auch in der Hauptstadt Kabul nicht dorthin zurückkehren zu können. Der Kläger hat insoweit einen Bericht der … Klinik vom 18. November 2016 vorlegen lassen, aus dem sich als Diagnose ein Zustand nach zurückliegender tuberkulostatischer Therapie im Heimatland ergibt. Es finde sich eine Pleuraschwiele und narbige pulmonale Residuen rechts, jedoch aktuell kein Nachweis florider pulmonaler Infiltrate. Es liege ein kultureller Nachweis von Mycobacterium intracellulare vor (Kolonisation ohne Krankheitswert). Der Kläger hat diesbezüglich anamnetisch angegeben, im Heimatland wegen einer schweren Lungenerkrankung (TBC) über mehrere Monate mit Tabletten behandelt worden zu sein; er klage gegenwärtig nicht über subjektive Beschwerden. Zusammenfassend wurde ärztlicherseits festgestellt, dass aktuell keinerlei Anhalt für eine aktive Mykobakteriose bestehe. Vermutlich liege zwar eine Kolonisation mit Mycobacterium intracellulare vor, dieser werde jedoch aktuell kein Krankheitswert beigemessen. Es würden zunächst nochmals halbjährliche radiologische Verlaufskontrollen empfohlen.
Hieraus lässt sich in keiner Weise die Unzumutbarkeit einer Rückkehr nach Afghanistan oder ein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen entnehmen. Die behandelnden Ärzte haben vielmehr festgestellt, dass der Kläger offenbar im Heimatland eine Tuberkulose durchgemacht hat, welche dort jedoch offensichtlich erfolgreich medikamentös behandelt worden ist. Desweiteren wird eindeutig dargelegt, dass dem kulturellen Nachweis des der Erkrankung zugrundeliegenden Bakteriums aktuell kein Krankheitswert zukomme. Schon gar nicht wird festgestellt, dass sich die Erkrankung durch eine Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, wie dies nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme eines Abschiebungsverbotes erforderlich wäre. Vielmehr hat der Kläger seinerzeit selbst vorgetragen, beschwerdefrei zu sein. Auch in der mündlichen Verhandlung hat er lediglich angegeben, manchmal husten zu müssen. Dies stellt ganz offensichtlich keine Änderung der Sachlage dar. Der Kläger hat auch in keiner Weise angegeben, hierdurch in irgendeiner Weise beeinträchtigt zu sein; vielmehr hat er erklärt, dass er aktuell einen Deutschkurs besuche, was Voraussetzung dafür sei, um hier in Deutschland arbeiten zu können. Nachdem sich der Kläger offensichtlich in der Lage sieht, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, steht auch seiner Erwerbsfähigkeit in Afghanistan nichts entgegen, was sich mit der objektiven Befundlage deckt. Es bedarf nach dem ärztlichen Befundbericht auch keiner Medikation, sodass sich bereits grundsätzlich nicht die Frage nach deren Erreichbarkeit oder Finanzierbarkeit im Heimatland stellt. Überdies hat der Kläger im Rahmen seiner überstandenen Tuberkuloseerkrankung in Afghanistan eine mehrmonatige Medikation erhalten und es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese ihm bei einer etwaigen Wiedererkrankung nicht erneut zugänglich wäre oder diese nunmehr nicht finanzierbar wäre; allerdings bestehen für eine solche Wiedererkrankung vorliegend bereits keinerlei Anhaltspunkte; dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Rezidivrate nach einer durchgeführten sechsmonatigen Therapie nur bei 5% liegt (vgl. https://www.doctopia.de/wissen/infektiologie/tbc/tbc-100.html). Die weiterhin vom Klägerbevollmächtigten benannten Kontrolluntersuchungen erscheinen angesichts des vorgelegten Befundberichts bereits nicht notwendig, da insoweit von einer „Empfehlung“ die Rede ist. Jedenfalls ergibt sich auch insoweit aus der Nichtdurchführung derartiger Kontrolluntersuchungen – schon aus der Natur der Sache heraus – keine wesentliche Verschlechterung der Erkrankung. Zusammenfassend ergibt sich daraus, dass der Kläger als arbeits- und leistungsfähiger Mann nach Afghanistan zurückkehren würde und dort zusätzlich keiner Medikamente oder weiterer Untersuchungen bedürfte oder solche finanzieren müsste. Aus dem Gesamteindruck der mündlichen Verhandlung hat sich kein Anlass ergeben, in eine weitere Sachaufklärung bezüglich der gesundheitlichen Situation des Klägers einzutreten.
Nach alledem kann der Kläger internen Schutz in der Hauptstadt Kabul in Anspruch nehmen, so dass auch aus diesem Grunde ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausscheidet.
II.
1. Der Kläger hat weiterhin auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihm ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Diesbezüglich kann vollumfänglich auf die obigen Ausführungen zu § 3 AsylG verwiesen werden einschließlich des Bestehens einer internen Schutzmöglichkeit in Kabul, § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG; soweit das Bestehen einer Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 1 AsylG verneint worden ist, so gilt dies in gleicher Weise für das Vorliegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG i.V.m. Art. 3 EMRK. Die Gefahr eines diesbezüglichen ernsthaften Schadens ist nicht ersichtlich.
2. Dem Kläger droht auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion, der Provinz Balkh. Dasselbe gilt für die Hauptstadt Kabul als inländischer Fluchtalternative entsprechend obiger Ausführungen. In der Nordregion, zu der die Provinz Balkh gehört, wurden im Jahre 2016 1.362 Zivilpersonen getötet oder verletzt und in der Zentralregion, zu der die Provinz Kabul zählt, 2.348 Zivilpersonen (vgl. UNAMA, Annual Report 2016 Afghanistan, Februar 2017, S. 11 f.). Die Anschlagswahrscheinlichkeit sowohl für die Nordregion als auch für die Zentralregion lag damit im Jahr 2016 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/13 – juris). Damit ist derzeit nicht davon auszugehen, dass bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre. Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind darüber hinaus nicht erkennbar. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Auch wenn es in der jüngeren Vergangenheit zu mehreren Anschlägen auf Hazara und Schiiten in Afghanistan gekommen ist – wie oben beschrieben –, so hat sich die Gefahr für den Kläger nach Überzeugung des Gerichts mit Blick auf die vorliegenden Erkenntnismittel und die Zahl der gezielten Anschläge noch nicht in einer Weise verdichtet, dass er aufgrund seiner Volks- oder Religionszugehörigkeit bereits eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG befürchten müsste (vgl. BayVGH, B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris).
III.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Auch in diesem Zusammenhang wird auf die obigen Ausführungen zu den §§ 3, 4 AsylG vollinhaltlich verwiesen. Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt darüber hinaus ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S. des Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen eine Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernsthaft einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK angenommen werden kann, weist dies ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris). Eine solche ist bei dem Kläger vorliegend nicht gegeben; besondere Umstände, die vorliegend eine andere Beurteilung gebieten würden, sind nicht ersichtlich.
2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Dem Kläger droht auch aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan keine extreme Gefahr infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 16; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. A. 2016, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintre-ten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte, der sich das erkennende Gericht anschließt, ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (st.Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 6.4.2017 – 13a ZB 17.30254 – juris; BayVGH, B.v. 23.1.2017 – 13a ZB 17.30044 – juris; B.v. 27.7.2016 – 13a ZB 16.30051 – juris; B.v. 15.6.2016 – 13a ZB 16.30083 – juris; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 17 m.w.N..; B.v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 – juris; OVG NW, U.v. 3.3.2016 – 13 A 1828/09.A – juris Rn. 73 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 21.10.2015 – 1 A 144/15.A – juris; NdsOVG, U.v. 20.7.2015 – 9 LB 320/14 – juris).
Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Insoweit kann auf die Ausführungen unter I.3. verwiesen werden. Nachdem das Gericht davon ausgeht, dass für den Kläger eine interne Schutzmöglichkeit in Kabul besteht und deren Voraussetzungen über diejenigen im Rahmen des Vorliegens einer extremen Notlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinausgehen, ist auch ein Anspruch auf ein Abschiebungsverbot nach dieser Vorschrift abzulehnen. Was ein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen angeht, so liegt ein solches ebenfalls nicht vor; auch insoweit wird auf die Ausführungen unter I.3. vollinhaltlich verwiesen.
Schließlich bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO ab-zuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben