Verwaltungsrecht

Gebühr für die Inanspruchnahme einer staatlichen Unterkunft

Aktenzeichen  AN 19 K 20.00466

Datum:
29.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32227
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylbLG § 1 Abs. 3
DVAsyl § 22
AufnG Art. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Bescheid der Regierung … vom 10. Februar 2020 hinsichtlich der Kostenfestsetzung für den Abrechnungszeitraum November 2016 (BKZ: …*) wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. 
3. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Gründe

Aufgrund des schriftsätzlich erklärten Verzichts der Beteiligten konnte auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werden, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die Klage ist zulässig und begründet, weil der Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 2020, soweit er den Monat November 2016 betrifft, rechtswidrig ist und den Kläger in eigenen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
So ist der Kläger nach Auffassung der hier erkennenden Einzelrichterin nicht Kostenschuldner im Sinne von § 22 DVAsyl für den Monat November 2016. Denn der Kläger unterfiel in dem hier noch streitgegenständlichen Zeitraum dem Personenkreis des Art. 1 des Gesetzes über die Aufnahme und Unterbringung der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG (Aufnahmegesetz AufnG). Insoweit bestimmt § 22 Abs. 2 DV Asyl, dass Gebührenschuldner, die dem Personenkreis des Art. 1 AufnG zuzurechnen sind von der Gebührenerhebung befreit sind.
Art. 1 AufnG umfasst diejenigen Ausländer, welche nach § 1 AsylbLG leistungsberechtigt sind.
Das Gericht hält an seiner bereits im Eilverfahren unter dem gerichtlichen Az. AN 19 S 20.00473 vertretenen Auffassung fest, dass sich die Leistungsberechtigung des Klägers nicht gemäß § 1 Abs. 3 AsylbLG in der hier anwendbaren, bis 20. August 2019 gültigen Fassung geändert hat, mithin ein Rechtskreiswechsel im hier maßgeblichen Zeitraum eingetreten ist.
Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG a.F. endet die Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz mit der Ausreise oder mit Ablauf des Monats, in dem
1. die Leistungsvoraussetzung entfällt oder
2. das Bundesamt für … den Ausländer als Asylberechtigten anerkannt oder ein Gericht das Bundesamt zur Anerkennung verpflichtet hat, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar ist.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist im vorliegenden Fall des Klägers im Monat November 2016 kein sogenannter Rechtskreiswechsel vom Asylbewerberleistungsgesetz hin zu den Regelungen des Sozialgesetzbuches eingetreten.
1. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG a.F. ist nicht direkt anwendbar. Dies entspricht auch der Rechtsauffassung des Beklagten.
Denn dort ist geregelt, dass entweder das Bundesamt den Ausländer als Asylberechtigten anerkannt oder ein Gericht das Bundesamt zur Anerkennung verpflichtet hat. Der Kläger ist jedoch unstreitig vom Bundesamt zunächst nur als subsidiär Schutzberechtigter im Sinne des § 4 AsylG durch Bescheid vom 1. Juni 2016 anerkannt worden. Dieser Fall findet im Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG a.F. jedoch keinen Niederschlag.
Es mag zwar richtig sein, dass das Asylbewerberleistungsgesetz ursprünglich ohne die internationalen Schutzstatus konzipiert wurde, so dass folgerichtig nur die Asylanerkennung tatbestandlich existierte. Allerdings haben der Flüchtlingsschutz und der subsidiäre Schutz bereits durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I, S. 1970) bzw. durch das Gesetz zur Umsetzung der Neufassung der Qualifikationsrichtlinie (RL 2011/95/EG) vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474) Eingang in das nationale Gesetz gefunden. Eine Anpassung des Wortlauts des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG a.F. erfolgte zunächst nicht, obwohl es bereits mehrere Änderungsgesetze, welche das Asylbewerberleistungsgesetz betrafen, gegeben hatte.
Zwischen den Beteiligten ist mittlerweile unstreitig, dass der Bundesamtsbescheid dem Kläger erst am 31. Oktober 2016 im Rahmen einer Vorsprache beim Landratsamt … bekannt gegeben worden ist. Eine Anerkennung als Flüchtling erfolgte erst im Jahre 2018. Der Kläger ist jedoch zu keinem Zeitpunkt als Asylberechtigter anerkannt worden, und auch ein Gericht hat das Bundesamt insoweit nicht zur Anerkennung verpflichtet. Eine direkte Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG a.F. scheidet damit aus.
2. Allerdings ist die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG a.F. für den vorliegenden Fall der (zunächst allein erfolgten) Gewährung des subsidiären Schutzes durch das Bundesamt nicht analog anwendbar, wie der Beklagte annimmt.
2.1 Dabei kommt es für den hier streitgegenständlichen Monat November 2016 nicht darauf an, dass das Bundesamt zwei Jahre später durch ein Gericht zur Anerkennung des Klägers als Flüchtling verpflichtet worden ist.
Es ist vorliegend zudem nicht entscheidungserheblich, ob die Entscheidung des Bundesamtes hinsichtlich der Gewährung subsidiären Schutzes für den Kläger im Rahmen einer sogenannten gespaltenen Behördenentscheidung unmittelbar, d. h. mit Bekanntgabe des Bescheides, in Bestandskraft erwächst oder, wie der Klägervertreter annimmt, gerade nicht, weil der Bundesamtbescheid etwa nur in Gänze angefochten werden kann bzw. auch der subsidiäre Schutz Gegenstand eines Rechtsmittels sein könnte. Für eine Erweiterung des gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG a.F. leistungsberechtigten Personenkreises auf zunächst nur subsidiär Schutzberechtigte im hier streitgegenständlichen Zeitraum, nämlich November 2016 als den Monat, der auf den Monat folgen würde, in dem die Leistungsberechtigung dann geendet hätte, ist unabhängig von dieser Frage kein Raum. Ob die Leistungsberechtigung im Monat Dezember 2016 bestanden hätte, folgte man der Auffassung, dass die Gewährung subsidiären Schutzes erst nach Ablauf einer etwaigen Rechtsmittelfrist bestandskräftig würde, wie der Klägervertreter meint, ist vorliegend nicht streitgegenständlich und somit nicht entscheidungserheblich.
2.2 Voraussetzung für eine zulässige Analogie ist das Vorliegen einer planwidrigen Reglungslücke, wovon nach Auffassung der hier erkennenden Einzelrichterin nicht ausgegangen werden kann. Zwar mag das Gesetz in § 1 Abs. 3 Satz1 Nr. 2 AsylbLG a.F. aus Sicht des Beklagten lückenhaft gewesen sein, weil ein Fall wie in der hier streitgegenständlichen Konstellation darin nicht ausdrücklich geregelt worden ist. Und wie bereits oben ausgeführt, mag die ursprüngliche Konzeption des Asylbewerberleistungsgesetzes in Ermangelung der erst später eingeführten internationalen, auf der Genfer Flüchtlingskonvention beruhenden Schutztatbestände folgerichtig nur auf die Asylanerkennung gemäß Art. 16a GG abgestellt haben. Allerdings hat auch der subsidiäre Schutzstatus bereits zum 1. Dezember 2013 (s.o.) Eingang in das AsylG gefunden, ohne dass dies den Gesetzgeber – bis zum hier streitgegenständlichen Zeitraum – zu einer Änderung des § 1 Abs. 3 AsylbLG veranlasst hätte, obwohl ein entsprechender Gesetzesentwurf bereits vorlag.
So ist zum einen zu berücksichtigen, dass bei der jüngsten Gesetzesneufassung des § 1 Abs. 3 AsylbLG die hier entscheidungserhebliche Ziffer 2 komplett gestrichen worden ist. § 1 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG lautet seitdem: „Die Leistungsberechtigung endet mit der Ausreise oder mit Ablauf des Monats, in dem die Leistungsvoraussetzung entfällt.“ Gemäß der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 18. April 2019 (BR-Drucksache. 178/19) dient die Änderung im Wesentlichen der Verwaltungsvereinfachung in denjenigen Fällen, in denen es aufgrund einer abändernden gerichtlichen Entscheidung in einer höheren Instanz zu Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung gekommen ist. Die Problematik des Rechtskreiswechsels im Zusammenhang mit sog. gespaltenen Behördenentscheidungen hat in der Gesetzesbegründung jedoch gerade keinen Widerhall gefunden.
Hinzu kommt, dass zuvor eine entsprechende, den subsidiären Schutzstatus berücksichtigende Gesetzesänderung, welche bereits in einer Beschlussempfehlung und einem Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 18/9985, 18/10351, 18/10444 Nr. 1.9) vorgelegen hat, zu guter Letzt nicht erfolgt ist. In der Beschlussempfehlung vom 30. November 2016 zum Entwurf des 3. Gesetzes zur Änderung des AsylbLG war in der Neufassung des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG vorgesehen, die Gewährung subsidiären Schutzes ausdrücklich mit aufzunehmen. Zur Begründung wurde ausgeführt: „Mit der im Gesetzentwurf enthaltenen Änderung in § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 wird die Rechtsstellung eines Ausländers, der als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) anerkannt wird, beim Rechtskreiswechsel vom AsylbLG in das Zweite Buche Sozialgesetzbuch (SGB II) und in das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) an diejenige eines anerkannten Asylberechtigten angeglichen. (…) Mit der Neufassung von Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzentwurfs wird diese Gleichstellung beim Rechtskreiswechsel auf Ausländer erstreckt, denen nach § 4 des Asylgesetzes (AsylG) subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist. Für die Gleichbehandlung dieser Personengruppe beim leistungsrechtlich relevanten Rechtskreiswechsel spricht, dass Entscheidungen des Bundesamtes für … (BAMF) über die Zuerkennung von subsidiärem Schutz – ebenso wie Entscheidungen des BAMF über die Anerkennung als Asylberechtigter oder Flüchtling nach § 3 AsylG mit ihrer Bekanntgabe an den Antragsteller unanfechtbar sind. Soweit in diesem Fall gegen einen Bescheid des BAMF Rechtsmittel mit dem Ziel eingelegt werden, als Flüchtlinge anerkannt zu werden, hat dies keine Auswirkungen auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzes. Dieser bleibt in jedem Fall erhalten. Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, dass auch diesen Personen die Leistungen nach dem AsylbLG zukünftig nur so lange gewährt werden, bis die erste positive – behördliche oder gerichtliche – Entscheidung über Zuerkennung von subsidiärem Schutz vorliegt.“
Die hier streitgegenständliche Konstellation wäre demnach – genau aus den vom Beklagten angeführten Gründen – Gesetzesinhalt geworden. Nachdem der Bundesrat in seiner Sitzung am 16. Dezember 2016 beschlossen hatte, dem vom Deutschen Bundestag am 1. Dezember 2016 verabschiedeten Gesetz nicht zuzustimmen, fand die Neuregelung jedoch keinen Eingang in das Gesetz.
Daran zeigt sich, dass es sich jedenfalls nicht um eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes handelt. Vielmehr ist dem Gesetzgebungsverfahren und dessen Ausgang zu entnehmen, dass sich der Gesetzgeber – bewusst – gegen eine Aufnahme des Falles, dass das Bundesamt (zunächst oder auch abschließend) den subsidiären Schutzstatus gewährt hat, entschieden hat.
Eine analoge Anwendbarkeit scheidet daher bereits in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke aus.
3. Aber auch verfassungsrechtliche oder europarechtliche Gesichtspunkte indizieren keine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG a.F.
Es mag zwar richtig sein, wie der Beklagte vorträgt, dass mit der Gewährung des subsidiären Schutzes grundsätzlich – jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Erteilung eines Aufenthaltstitels, vgl. auch § 1 Abs. 2 AsylbLG – ein Rechtskreiswechsel rechtssystematisch eigentlich vorgesehen ist, um der gewachsenen Qualität des Aufenthaltstitels Rechnung zu tragen, auch wenn dies keinen ausdrücklichen Niederschlag in § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG a.F. gefunden hat.
Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass sämtliche, seitens des Beklagten angeführten Aspekte, die aus seiner Sicht für einen Rechtskreiswechsel sprechen, Konstellationen betreffen, in denen es für den Leistungsempfänger nach SGB II oder XII günstigere Bedingungen zu schaffen gilt, um dem höherwertigeren Aufenthaltsstatus und damit auch europarechtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen. So beschäftigt sich der Erwägungsgrund 39 der RL 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (Qualifikationsrichtlinie) ausdrücklich mit der Gleichstellung von subsidiär Schutzberechtigten mit anerkannten Flüchtlingen, was „Rechte und Leistungen“ angeht. Auch die vom Beklagten herangezogene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v.18.7.2012, 1 BvL 10/10. BVerfGE 132, 134 – juris) thematisiert im Hinblick auf den vorliegenden Fall letztlich „nur“ das Erfordernis einer Prognoseentscheidung darüber, ob – auch aufgrund des Aufenthaltstitels – tatsächlich nur von einem kurzfristigen, Minderbedarfe rechtfertigenden Aufenthalt ausgegangen werden darf. Selbstverständlich kann der Entscheidung entnommen werden, dass im Hinblick auf das zu gewährleistende Existenzminimum etwaige Minderbedarfe verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein müssen. Dies ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens, mithin nicht streitgegenständlich.
Vorliegend handelt es sich vielmehr um einen Fall, bei dem sich eine Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 1 Abs. 3 AsylbLG nachteilig für den Leistungsempfänger auswirken würde.
Aus diesem Grund ist auch zu bedenken, dass es vorliegend nicht primär um die allgemeine Frage geht, ob und wann subsidiär Schutzberechtigte grundsätzlich vom Asylbewerberleistungsgesetz in das Regime des SGB II oder XII wechseln. Streitgegenständlich und damit allein entscheidungserheblich ist, ob und wann ein zunächst nur subsidiär Schutzberechtigter Gebührenschuldner im Sinne von § 22 DVAsyl wird. Der bayerische Verordnungsgeber hat sich insoweit dafür entschieden, auf Art. 1 AufnG und damit auf § 1 Abs. 3 AsylbLG zu verweisen.
Hinzu tritt der Umstand, dass es sich bei der Gebührenpflicht für die Inanspruchnahme von staatlichen Einrichtungen um einen Teil staatlichen Gebührenrechts handelt (Art. 21 Kostengesetz). Insoweit sind daher auch die allgemeinen Grundsätze der Gebührenerhebung zu berücksichtigen: Dies betrifft vorliegend vor allem den abgabenrechtlich geprägten Grundsatz der Normenklarheit. Für den Gebührenschuldner muss nicht nur abschätzbar sein, welche finanzielle Belastung auf ihn zukommt, sondern erst recht, ob er überhaupt Gebührenschuldner ist. Diese besondere Ausprägung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes gebietet von daher auch, dass der Kreis der Gebührenschuldner eindeutig bestimmbar ist. Dies wäre im Falle einer Erweiterung des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG a.F. contra legem nicht gewährleistet.
Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der für den Monat November 2016 noch vorhandene Bewilligungsbescheid erst mit Wirkung zum 1. Dezember 2016 aufgehoben worden ist (Bl. 58f. der Gerichtsakte). Zwar handelt es sich bei der hier streitgegenständlichen Gebühr, wie der Beklagte zu Recht betont, nicht um die Rückforderung etwa zu Unrecht bewilligter Sozialleistungen, sondern vielmehr um eine Abgabe in Form einer Gebühr für die Benutzung einer staatlichen Einrichtung auf der Grundlage von Art. 21 KG i.V.m. §§ 22 ff. DVAsyl. Dem Änderungsbescheid des Landratsamtes … vom 2. November 2016 ist aber in diesem Zusammenhang folgendes zu entnehmen: Zum einen ging die Sozialverwaltung des Landratsamtes … ebenfalls von dem Ende der Leistungsberechtigung nach § 1 AsylbLG erst zum 1. Dezember 2016 aus. Zum anderen entfaltet der Bescheid zumindest eine Art Rechtsschein, der jedenfalls im Hinblick auf das oben angesprochene Gebot der Normenklarheit zu berücksichtigen ist. Der Kläger durfte aufgrund des Änderungsbescheids im Zeitpunkt der Benutzung der Unterkunft davon ausgehen, dies – jedenfalls im Monat November 2016 – noch ohne Auslösen einer Gebührenpflicht tun zu können.
4. Die Leistungsberechtigung endete im vorliegenden Verfahren auch nicht aufgrund von § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG a.F., welcher der Neufassung in § 1 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG entspricht. Das Gericht hält insoweit ebenfalls an seiner bereits im Eilverfahren geäußerten Auffassung fest, dass der Kläger am 31. Oktober 2016, als er die Mitteilung über die Gewährung des subsidiären Schutzes erhielt und der maßgebliche Bundesamtsbescheid ihm gegenüber bekanntgemacht worden ist, noch im Besitz einer Aufenthaltsgestattung nach dem AsylG gewesen ist und deshalb die Leistungsvoraussetzung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG nicht entfallen war.
Denn selbst wenn die Entscheidung des Bundesamtes vom 1. Juni 2016 insoweit unanfechtbar geworden ist, als die Gewährung des subsidiären Schutzes unmittelbar mit Bekanntgabe, also am 31. Oktober 2016, bestandskräftig geworden ist, führt dies nicht zum Erlöschen der Aufenthaltsgestattung im Sinne von § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AsylG. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AsylG, wonach für das Erlöschen der Aufenthaltsgestattung (gemäß § 55 AsylG) „die Entscheidung“ des Bundesamtes unanfechtbar geworden sein muss (BeckOK AuslR/Neundorf, 26. Ed., 1.7.2020, AsylG, § 67, Rn. 9, BeckOK MigR/Röder, 5.Ed., 1.7.2020, AsylG § 67, Rn. 22 – beck-online).
Wenn, wie im Falle des Klägers, eine positive Entscheidung über die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegt, gilt der Aufenthalt des Ausländers wie im Falle der Asylanerkennung und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes als erlaubt, § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Dennoch wirkt die Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 AsylG fort, weil das Asylverfahren insgesamt noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist, so dass der Inhaber der Aufenthaltsgestattung weiterhin leistungsberechtigt bleibt (so Frerichs in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 1 AsylbLG, Rn.166). Die nicht eingreifende Titelerteilungssperre gemäß § 10 Abs. 1 AufenthG im Falle der Gewährung subsidiären Schutzes führt dazu, dass der Rechtskreiswechsel erst mit dem Folgemonat nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 1 Abs. 2 AsylbLG erfolgt (Frerichs, aaO, Rn. 168). Dies folgt bereits aus der Existenz der Vorschrift des § 1 Abs. 2 AsylbLG, der letztlich eine etwa bestehende Konkurrenz zwischen der bloßen Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz und einem qualitativ höherwertigen, den Aufenthalt verfestigenden Titel auflösen soll.
5. Nach alledem ist der Kläger jedenfalls im hier streitgegenständlichen Monat November 2016 nicht als Kostenschuldner im Sinne des § 22 Abs. 1 DVAsyl anzusehen. Die Frage, ob und wann, d. h. an welchem Tag, die Leistungsberechtigung endete, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Maßgeblich ist allein, dass der Rechtskreiswechsel jedenfalls nicht mit Wirkung für den Monat November 2016 in der Person des Klägers eingetreten ist.
Daher war der Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.


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