Verwaltungsrecht

Genesenennachweis, Normergänzung

Aktenzeichen  20 CE 22.226

Datum:
7.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2388
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146
IfSG § 28c
SchAusnahmV § 2 Nr. 4 und 5

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 9 E 21.2548 2021-12-30 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Ergebnis ohne Rechtsfehler abgelehnt. Die vom Antragsteller zur Begründung seiner Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Grundsatz beschränkt ist, rechtfertigen nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Der Antragsteller begehrt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im Hauptantrag die Ausstellung eines Genesennachweises von der Antragsgegnerin, obwohl er unstreitig unter die Vorschrift des § 2 Nr. 5 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen – Ausnahmenverordnung – SchAusnahmV) vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 08.05.2021 V1), die zuletzt durch Artikel1 der Verordnung vom 14. Januar 2022 (BAnz AT 14.01.2022 V1) geändert worden ist, fällt. Mit den – im Streitgegenstand keinen Unterschied aufweisenden – Hilfsanträgen macht er in der Form eines Feststellungsbegehrens im Kern einen Anspruch auf Normergänzung des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV geltend, weil er im Rahmen eines Feststellungsantrags die Aufnahme einer weiteren Fallkonstellation in die Definition des Genesenennachweises im Sinne der SchAusnahmV begehrt.
Die Beschwerde ist im Hauptantrag unbegründet, weil der Antragsteller keinen Anspruch auf Ausstellung eines Genesenennachweises gegenüber der Antragsgegnerin hat (1.). Die Hilfsanträge sind bereits unzulässig, weil zwischen den Beteiligten kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO besteht. Die Feststellungsanträge sind deshalb nicht statthaft (2.).
1. Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller keinen Anspruch gegenüber der Antragsgegnerin auf Ausstellung des begehrten Genesenennachweises hat. Die Ausstellung einer landesbehördlichen Bescheinigung sehen weder die bundes- noch landesrechtliche Regelungen vor. Die 15. BayIfSMV verweist vielmehr zur Privilegierung von Genensenen ausschließlich auf die Vorschrift des § 2 Nr. 4 und 5 der SchAusnahmV. Ein Anspruch ergibt sich weder aus § 2 Nr. 5 SchAusnahmV unmittelbar noch aus einer analogen Anwendung der Norm. Einer Analogie stehen der klare Wortlaut der Norm und das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke entgegen, da unter a) unter Verweis auf die RKI-Seite festgelegt ist, dass die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt sein muss, über welche der Antragsteller unstreitig nicht verfügt. Auch aus § 22 Abs. 6 IfSG oder aus Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 der VO (EU) 2021/953 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2021 (ABl. L 211/13) lässt sich der begehrte Anspruch nicht ableiten (vgl. insoweit VG Köln, B.v. 8.11.2021 – 7 L 1768/21 – BeckRS 2021, 39786; VG Stade, B.v. 22.12.2021 – 6 B 1445/21 – BeckRS 2021, 42856; VG Berlin, B.v. 2.9.2021 – VG 14 L 512/21 – BeckRS 2021, 27268).
Somit ist festzustellen, dass nach derzeit gültiger Rechtslage die Antragsgegnerin zur Ausstellung des begehrten Dokuments nicht befugt ist. Die Feststellung/das Bestehen des Genesenenstatus bedarf keines behördlichen Vollzugs- oder Umsetzungsaktes. Dieser ergibt sich vielmehr allein und unmittelbar aus § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV. Auch der Normgeber der 15. BayIfSMV verfügt nicht über die Befugnis, den Status des Antragstellers abweichend von den Festlegungen des § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV zu gestalten, weil es sich um eine auf Grundlage des § 28c IfSG erlassenen Rechtsverordnung des Bundes handelt, auf die die Regelungen der 15. BayIfSMV Bezug nehmen.
2. Die Feststellungsanträge sind bereits nicht statthaft. Zwar kann grundsätzlich im Wege eines Feststellungsantrags eine Normergänzung begehrt und gerichtlich geltend gemacht werden. Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 16. April 2015 – 4 CN 2.14 – NVwZ 2015, 984 Rn. 11 ff. ausgeführt:
„Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h., es muss „in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig“ sein. Das setzt voraus, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können (BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 – BVerwGE 136, 75 Rn. 32). Das kann auch ein Streit über die Änderung oder Ergänzung einer Rechtsnorm im Range unterhalb eines förmlichen Gesetzes sein. Die untergesetzliche Rechtsnorm wird zwar als abstrakt-generelle Regelung im Interesse der Allgemeinheit erlassen. Das schließt jedoch nicht aus, dass der einzelne durch die Norm Begünstigte einen Anspruch auf ihren Erlass oder ihre Änderung haben kann. Ein solcher Anspruch kann sich aus höherrangigem Recht ergeben. Besteht ein Anspruch auf Erlass oder Änderung einer Rechtsvorschrift, kann er auch gerichtlich durchgesetzt werden (BVerwG, Urteil vom 28. November 2007 – BVerwGE 130, 52 Rn. 13). Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet Rechtsschutz nicht nur gegen höherrangiges Recht verletzende Rechtssetzungsakte, sondern auch gegen ein mit höherrangigem Recht unvereinbares Unterlassen des Normgebers (BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2002 – 2 C 13.01 – Buchholz 240 § 49 BBesG Nr. 2 S. 2. In diesem Fall liegt ein der Klärung zugängliches konkretes Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2007 – BVerwGE 130, 52 Rn. 17).“
Vorliegend besteht jedoch zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin kein Rechtsverhältnis, das dem Antragsziel, im Wege einer Normergänzung Aufnahme in den Katalog des § 2 Nr. 4 und 5 SchAusnahmV zu erreichen, dienlich sein kann. Denn dieses besteht für die vorliegende Fallkonstellation allein zwischen dem Antragsteller als Normadressat und der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträgerin des Normgebers. Streitgegenstand ist vorliegend nicht die Frage der Feststellung der Rechtswidrigkeit der SchAusnahmV, sondern die Frage, ob der Antragsteller aufgrund höherrangigen Rechts (Art. 3 GG) mit Erfolg einen Anspruch auf Normänderung bzw. – ergänzung geltend machen kann. Dies ist nur gegenüber dem zur Änderung oder Ergänzung der Norm berufenen Normgeber möglich (vgl. auch OVG Berlin, B.v. 16.4.2021 – OVG 1 S 43/21 – LKV 2021, 264)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Nachdem mit dem Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt wurde, erübrigt sich eine Ermäßigung des Streitwertes nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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