Verwaltungsrecht

Gerichtsbescheid, Anfechtungsklage, Bayerisches-10.000-Häuser-Programm, PV-Speicher-Programm, vorzeitiger Maßnahmebeginn, maßgebliche Behördenvollzugspraxis, kein Vertrauensschutz wegen Angabe unrichtiger Angaben, fehlerfreie Ausübung des Rücknahmeermessens

Aktenzeichen  W 8 K 21.535

Datum:
31.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11132
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 84
BayVwVfG Art. 48
BayHO Art. 23
BayHO Art. 44

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden vorher gehört (§ 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
Der Aufhebungsbescheid vom 19. März 2021, mit dem die Regierung von Unterfranken ihren Zuwendungsbescheid vom 5. Oktober 2020 in voller Höhe aufhob, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 19. März 2021 ist Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, weil der Zuwendungsbescheid vom 5. Oktober 2020 zum Zeitpunkt seines Erlasses bereits rechtswidrig war. Die Klägerin durfte auch nicht auf schutzwürdige Weise auf den Bestand des Verwaltungsaktes, der eine einmalige Geldleistung gewährte, vertrauen (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayVwVfG). Die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG wurde gewahrt.
Nach Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Sofern es sich – wie hier – um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, ist bei der Rücknahme die Vertrauensschutzregelung des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 2 bis 4 BayVwVfG zu berücksichtigen. Ein Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Das Vertrauen ist dabei in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht und eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Auf Vertrauen kann sich der Betroffene nicht berufen, wenn die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 BayVwVfG vorliegen, insbesondere wenn der begünstigte Verwaltungsakt durch im Wesentlichen unrichtige Angaben erwirkt wurde (Nr. 2) oder der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3). In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG).
(VG München, U.v. 27.1.2020 – 31 K 19.4697 – juris Rn. 19; VG München, U.v. 10.4.2019 – 31 K 17.5785 – juris Rn. 21; VG Augsburg, U.v. 02.10.2020 – 8 19.1340 – juris Rn. 30; VG München, U.v. 16.2.2021 – 31 K 20.5502 – juris Rn. 19).
Die Maßnahme, für die die Klägerin bei der nach Nr. 7 Satz 1 der Förderrichtlinien zur Durchführung des Bayerischen 10.000-Häuser-Programms vom 24. Juli 2019 zuständigen Regierung von Unterfranken eine Förderung beantragt, ist zwar dem Grunde nach förderfähig. Aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 23 und 44 Abs. 1 Satz 1 BayHO i.V. m. der vorgenannten Förderrichtlinien jedoch rechtswidrig.
Bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige Maßnahmen des Freistaates Bayern. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO). Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 BV) verletzt worden ist oder ggfs. ein sonstiger Verstoß gegen materielle Rechtsnormen vorliegt. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht, wie Gesetze oder Rechtsverordnungen, gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechenden Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 17.11.2010 – 4 ZB 07.1132 – juris Rn.13). Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (BayVGH U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26). Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist.
Die rechtliche Prüfung im vorliegenden Fall hat demnach nicht daran anzusetzen, wie die für den Zuwendungsbescheid vom 5. Oktober 2020 maßgeblichen Förderrichtlinien, die hierzu erstellten Merkblätter und andere Unterlagen auszulegen wären, sondern daran, welche Förderpraxis des Beklagten dem Zuwendungsbescheid zugrunde lag.
Der Förderbescheid vom 5. Oktober 2020 war deshalb rechtswidrig, weil die Klägerin entgegen Nr. 6.1 Satz 4 und 5 der Förderrichtlinien bereits vor der Bestätigung des Eingangs des elektronischen Förderantrags durch die Bewilligungsstelle, mit der die Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmebeginn verbunden ist, mit der beantragten Maßnahme begonnen hat. Als Maßnahmebeginn gilt nach der Vollzugspraxis zu Nr. 6.3 Satz 4 und 5 der Richtlinie die Erteilung eines der Ausführung zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsauftrages. Maßgeblicher Zeitpunkt ist grundsätzlich die bindende Willenserklärung des Antragstellers zum Vertragsschluss.
Das Verbot des vorzeitigen Maßnahmebeginns entspricht der Vorgabe des Art. 23 BayHO und stellt einen allgemeinen förderrechtlichen Grundsatz dar, der auch in den Förderrichtlinien zum Bayerischen 10.000-Häuser-Programm ausdrücklich Niederschlag gefunden hat. Sinn und Zweck des Verbots des vorzeitigen Maßnahmebeginns ist zum einen der Schutz des Antragstellers vor finanziellen Nachteilen sowie zum anderen insbesondere die Sicherung einer ausreichenden Einwirkungsmöglichkeit der Bewilligungsstelle. Sie soll nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Ein Antragsteller, der vor Erlass des Förderbescheides bzw. vor der Zustimmung der Bewilligungsstelle zum vorzeitigen Maßnahmebeginn mit der Realisierung der zur Förderung beantragten Maßnahme beginnt, gibt zu erkennen, dass er das Projekt ungeachtet einer möglichen staatlichen Förderung realisieren will und kann (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 39; BayVGH U.v. 6.12.2016 – 22 ZB 16.2037 – juris Rn. 18).
Die Online-Antragsstellung erfolgte vorliegend am 19. Mai 2020. Aus der mit dem Verwendungsnachweis eingereichten Rechnung für die PV-Anlage sowie aus der mit der Klageschrift eingereichten Rechnung vom 24. Juni 2020, ergibt sich, dass die Rechnung für die PV-Anlage auf den 7. Mai 2020 datiert ist. Die Auftragserteilung für die PV-Anlage erfolgte demnach vor dem bestätigten Eingang des elektronischen Förderantrags.
Für die Geltendmachung der beantragten Zuwendung kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass sie den Auftrag für den Einbau des Batteriespeichers erst nach dem bestätigten Eingang des elektronischen Förderantrags erteilt hat. Nicht allein der Batteriespeicher stellt den förderfähigen Gegenstand des 10.000-Häuser-Programms, Programmteil „PV-Speicher-Programm“ dar. Nach der vom Beklagten schriftsätzlich erläuterten und in der Sache von der Klägerin auch unbestritten gebliebenen maßgeblichen ständigen Verwaltungspraxis der Regierung von Unterfranken werden die Förderrichtlinien dahingehend verstanden und angewendet, dass sich der Fördergegenstand im Rahmen des 10.000-Häuser-Programms, Programmteil „PV-Speicher-Programm“ sowohl bei der Erst- als auch bei der Ergänzungsinstallation aus einer neuen PV-Anlage und einem neuen Batteriespeicher zusammensetzt. Diese maßgebliche ständige Verwaltungspraxis im Vollzug der Förderrichtlinie steht auch im Einklang mit dem Wortlaut der Förderrichtlinie. Aus Tz. 14 Satz 2 der Förderrichtlinien ergibt sich, dass die Erst-/ oder Ergänzungsinstallation eines neuen Batteriespeichers jeweils in Verbindung mit einer neuen PV-Anlage gefördert wird, während nach Tz. 14 Satz 4 der Förderrichtlinien der alleinige Einbau eines Batteriespeichers oder einer PV-Anlage nicht gefördert wird. Daraus wird deutlich, dass die Fördermaßnahme im Programmteil „PV-Speicher-Programm“ stets die (Erst- oder Ergänzungs-) Installation eines PV-Speicher-Systems“, bestehend aus einer neuen PV-Anlage und einem neuen Batteriespeicher ist (VG München, U.v. 16.2.20201 – M 31 K 20.5502 – juris Rn. 27).
Die vorzeitige Auftragsvergabe der Klägerin und der damit verbundene vorzeitige Maßnahmebeginn führen insgesamt zum Verlust der Förderfähigkeit. Einem Zuwendungsempfänger, der ein Vorhaben begonnen hat, ehe die Zuwendung bewilligt ist oder ehe der Zuwendungsgeber wenigstens dem vorzeitigen Maßnahmebeginn zugestimmt hat, gleichwohl noch Zuwendungen zu gewähren, verstößt gegen Art. 23, 44 Abs. 1 Satz 1BayHO i.V.m. den Förderrichtlinien.
Des Weiteren ist der Ausschluss der Klägerin von der Förderung auch sonst nicht willkürlich, weil sachgerechte und vertretbare Gründe vom Beklagten vorgebracht wurden. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 18). Geboten ist so eine bayernweit gleichmäßige und willkürfreie Mittelverteilung. Nicht erlaubt ist eine uneinheitliche und damit objektiv willkürliche Förderpraxis (BayVGH, U.v. 25.7.2013 – 4 B 13.727 – juris Rn. 41). Nach der Willkür-Formel des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 23.10.1951 – 2 BvG 1/51 – BVerfGE 1, 14-66 – juris Rn. 139) ist Willkür dann anzunehmen, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Ungleichbehandlung nicht finden lässt. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten. Der Zuwendungsgeber hat dabei einen weiten Gestaltungsspielraum, soweit er bei der Förderung nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten vorgeht. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen der öffentlichen Hand in weitem Umfang zu Gebote.
Hinreichende sachbezogene Gründe sind gegeben. Sinn und Zweck des Verbots des vorzeitigen Maßnahmebeginns ist zum einen der Schutz des Antragstellers vor finanziellen Nachteilen sowie die Sicherung einer Einwirkungsmöglichkeit der Bewilligungsbehörde. Die Behörde soll nicht bereits vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Ein Antragsteller, der vor Erteilung eines Förderbescheides mit der Realisierung beginnt, gibt zu erkennen, dass er das Projekt ungeachtet einer möglichen staatlichen Förderung realisieren will und kann (BayVGH, U.v. 6.12.2016 – 22 ZB 16.2037 – juris Rn. 18; BayVGH U. v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – BeckRS 2019, 27079 Rn. 39).
In der vorliegenden Konstellation ist weiter auch kein atypischer Ausnahmefall gegeben, der eine abweichende Entscheidung des Beklagten hätte gebieten müssen (OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris Rn. 29, 30), weil der konkrete Sachverhalt keine außergewöhnlichen Umstände aufweist, die von den Richtlinien und der darauf basierenden Förderpraxis nicht erfasst werden und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten.
Damit war der Zuwendungsbescheid vom 5. Oktober 2020 rechtswidrig.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz gem. Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG berufen, weil sie die Zuwendung durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG). Ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG ist, dass die Angaben, mit Hilfe derer der Begünstigte den Verwaltungsakt erwirkt hat, objektiv in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Ob der Begünstigte dies wusste, ist unerheblich. Auf ein Verschulden kommt es nicht an (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Auflage 2021, § 48 Rn. 119). Die Klägerin hat bei Antragsstellung unterschriftlich erklärt, dass zum Zeitpunkt der elektronischen Antragsstellung am 19. Mai 2020 mit dem Vorhaben noch nicht begonnen wurde, das heißt noch kein Auftrag für bauliche Maßnahmen am Gebäude vergeben wurde (Tz. 3.a. des Antragsformulars), obwohl sie, wie oben bereits ausgeführt, am 7. Mai 2020 die rechtlich bindende Bestellung für die PV-Anlage bereits bei der Firma Elektro Gerlach aufgegeben hat. Gleichzeitig wurde von der Klägerin bestätigt, dass sie die einschlägigen Richtlinien und Merkblätter zur Kenntnis genommen hat (Tz. 3.b. des Antragsformulars). Diese Angaben waren letztlich auch kausal für den Erlass des Förderungsbescheids, da das Vorhaben andererseits von dem Beklagten als nicht förderungsfähig erkannt worden wäre.
Vor diesem Hintergrund greift auch Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG ein. Danach kann sich der Begünstigte auf ein schutzwürdiges Vertrauen nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Der vorzeitige Maßnahmenbeginn fällt in den Verantwortungsbereich der Klägerin und begründet kein schutzwürdiges Vertrauen (BayVGH, U. v. 6.12.2016 – 22 ZB 16.2037 – juris Rn. 24). Bei Zweifeln hätte es der Klägerin oblegen, sich vor Antragsstellung bei der Bewilligungsbehörde Klarheit zu verschaffen, ob durch die Bestellung vom 7. Mai 2020 bereits ein förderschädlicher vorzeitiger Maßnahmebeginn vorgelegen hat. Die Obliegenheit, sich bei Unklarheiten über die konkreten Bedingungen der Auszahlung, der Verwendungen und der Abwicklung der Zuwendung bei der zuwendenden Stelle zu informieren, folgt aus der Eigenart des Zuwendungsverhältnisses. Diese ist dadurch geprägt, dass der Zuwendungsempfänger Steuergelder, die dem haushaltsrechtlichen Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit unterfallen, letztlich für eigene Zwecke ausgibt.
Der Beklagte hat schließlich auch ermessensfehlerfrei von seiner Rücknahmebefugnis Gebrauch gemacht. Das Gericht hat insoweit nur zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 114 Satz 1 VwGO). Die im Bescheid angeführten Erwägungen der Regierung von Unterfranken sind sonach nicht zu beanstanden. Sie hat bei der Entscheidung über die Rücknahme des Zuwendungsbescheids die auf die Durchsetzung des Haushaltsrechts gerichteten öffentlichen Interessen gegen die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin abgewogen und sich sonach im Lichte des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung sowie unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung dafür entschieden, den rechtswidrigen Zuwendungsbescheid zurückzunehmen und die Fördermittel nicht mehr auszuzahlen.
Nach Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG wird in den Fällen des Satzes 3 der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. In einem solchen Fall entfällt sodann nicht nur die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, sondern es greift zudem auch eine entsprechende Ermessenslenkung im Sinne einer regelmäßigen behördlichen Pflicht zur Rücknahme ein. Anders wäre es nur bei einem atypischen Ausnahmefall (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 48 Rn. 127b und 127c), für dessen Vorliegen allerdings nichts ersichtlich ist. Die Regierung von Unterfranken hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit der Haushaltsführung für die Rücknahme spricht. Diese Vorgehensweise entspricht der geübten Verwaltungspraxis des Beklagten im Vollzug der Förderrichtlinien und genügt auch insoweit dem Gleichheitssatz.
Der Beklagte hat nach Eingang des Verwendungsnachweises am 9. Oktober 2020 die für den Fristablauf nach Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG notwendige Tatsachenkenntnis erlangt, sodass der Erlass des Rücknahmebescheids am 19. März 2021 ohne weiteres innerhalb der Jahresfrist erfolgt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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