Verwaltungsrecht

Gewährung der bayerischen Eigenheimzulage

Aktenzeichen  12 ZB 20.2694

Datum:
21.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41404
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 25, Art. 32
EMRK Art. 6
BayEigenheimzulagen-Richtlinie Ziff. 9.2

 

Leitsatz

1. Die Beantragung der Gewährung einer Eigenheimzulage nach der BayEigenheimzulagen-Richtlinie durch einen Online-Antrag reicht zur Fristwahrung aus. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK beinhaltet für das Verwaltungsverfahren, dass eine Behörde aus eigenen oder ihr zuzurechnenden Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile für die Beteiligten ableiten darf. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Führt die unvollständige oder unzutreffende Auskunft der Behörde auf eine Sachstandsanfrage zur Fristversäumnis, ist dem Antragsteller nach Art. 32 BayVwVfG gegebenenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren bzw. ist der Antragsteller im Wege des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs so zu stellen, als hätte er den verspäteten Antrag rechtzeitig gestellt. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
4. Zwar bezieht sich die Regelung des Art. 32 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG zunächst nur auf gesetzliche Fristen, sie ist aber als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens auch auf Fristen in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, an die die bearbeitende Behörde gebunden ist, entsprechend anzuwenden; handelt es sich bei einer versäumten Antragsfrist der Sache nach um eine materielle Ausschlussfrist, käme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG hingegen nicht in Betracht, was allerdings dann nicht gilt, wenn die Fristversäumung auf einer falschen Auskunft durch die Behörde beruht oder wenn die Behörde zu einer Ausschlussfrist fehlerhaft eine Fristverlängerung gewährt hat, auf die der Betroffene vertraut hat. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 4 K 20.655 2020-09-30 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. September 2020 (Az.: Au 4 K 20.655) wird wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

Gründe

Der Kläger verfolgt mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung seinen klageweise geltend gemachten Anspruch auf Gewährung der bayerischen Eigenheimzulage weiter.
I.
1. Er erwarb gemeinsam mit seiner Ehefrau mit notariellem Kaufvertrag vom 18. Oktober 2018 eine Doppelhaushälfte in der T.-Straße 2a in A.. Ausweislich der erweiterten Meldebescheinigung der Verwaltungsgemeinschaft A. bezog das Ehepaar die Doppelhaushälfte am 10. Dezember 2018. Unstreitig wurde daraufhin durch den vom Kläger beauftragten Steuerberater am 15. Mai 2019 online ein Antrag auf Gewährung der Bayerischen Eigenheimzulage bei der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt (BayernLabo) unter der Abrechnungsnummer 502834114513713 und der Referenznummer 9500080536 gestellt.
Nach Aussage der Steuerfachangestellten S. der Steuerkanzlei M. in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hatte sie sich im Juni 2019 aber auch schon vorher mehrfach bei der BayernLabo nach dem Stand des Verfahrens des Klägers erkundigt und dabei die Auskunft erhalten, dass der Antrag bearbeitet würde und man sich gedulden müsse. Sie selbst habe das Antragsverfahren für den Kläger online abgewickelt, dabei in die jeweiligen Eingabemasken die erforderlichen Daten eingetragen und die Antragsunterlagen ausgedruckt. Der Antrag sei komplett fertiggestellt und alle erforderlichen Unterlagen dem Kläger ausgehändigt worden, damit dieser den Antrag unterschreibt und mit den vollständigen Unterlagen per Post an die BayernLabo übermittelt. Bei einem Telefonat am 14. November 2019 habe dann ein Mitarbeiter der BayernLabo, Herr O., ihr gegenüber erklärt, dass zwar ein am 15. Mai 2019 gestellter Online-Antrag des Klägers vorliege, aber noch kein Posteingang zu verzeichnen gewesen sei. Daraufhin reichte der Kläger unter dem Datum 15. November 2019 die Unterlagen für die Gewährung der Eigenheimzulage – nach seinen Angaben nochmals – bei der BayernLabo ein. Der dortige Posteingang erfolgte gemäß Eingangsstempel am 18. November 2019.
2. Mit Bescheid vom 11. März 2020 lehnte die BayernLabo den Antrag auf Gewährung der Eigenheimzulage nach Ziffer 9.2 der Eigenheimzulagen-Richtlinie ab, da die Antragstellung später als sechs Monate ab dem Bezug der Immobilie erfolgt sei. Hiergegen ließ der Kläger zunächst durch seinen Steuerberater am 26. März 2020 „Widerspruch“ einlegen. Der Antrag auf Gewährung der bayerischen Eigenheimzulage sei am 15. Mai 2019 elektronisch bei der BayernLabo gestellt worden. Zeitgleich habe der Kläger die Unterlagen mit Legitimation bei der Post eingereicht. Die Antragstellung sei fristgerecht erfolgt, da der Kläger die Doppelhaushälfte am 10. Dezember 2018 bezogen habe. Trotz mehrerer Nachfragen bei der BayernLabo hätte er keine Auskunft erhalten, ob alles ordnungsgemäß eingegangen sei. Stattdessen sei nur die allgemeine Aussage erfolgt, dass die Bearbeitung dauere. Erst bei einem Telefonat am 14. November 2019 sei von Herrn H. (wohl richtigerweise Herrn O.) mitgeteilt worden, dass der elektronische Antrag bei der BayernLabo eingegangen sei, jedoch die schriftlichen Unterlagen fehlten. Ob diese auf dem Postweg oder bei der BayernLabo untergegangen seien, könne nicht mehr festgestellt werden. Daraufhin habe der Kläger die Unterlagen schnellstmöglich nochmals an die BayernLabo gesandt. Es werde daher um Prüfung der Sachlage und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gebeten.
Daraufhin teilte die BayernLabo dem Kläger mit Schreiben vom 31. März 2020 mit, dass nach Ziffer 9.2 und 9.3 der bayerischen Eigenheimzulage-Richtlinie die Antragstellung bis spätestens sechs Monate ab Bezug des Wohnraums erfolgen müsse. Als Nachweis hierfür würde das Bezugsdatum gemäß der erweiterten Meldebescheinigung in Verbindung mit dem Eingang des vollständigen und unterschriebenen Antrags bei der BayernLabo dienen. Im Mai 2019 seien jedoch keine Unterlagen des Klägers und auch keine Legitimationsinformationen seitens der Deutschen Post bei der BayernLabo eingegangen. Es werde um Verständnis dafür gebeten, dass im Zuge der Gleichbehandlung keine Ausnahme gewährt werden könne.
3. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 14. April 2020 ließ der Kläger daraufhin Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erheben. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Eigenheimzulage lägen vor. Er habe den Antrag am 15. Mai 2019 gestellt. Dies sei von einem Mitarbeiter der BayernLabo, Herrn H. (wohl: Herrn O.), im Rahmen des Telefonats mit einer Mitarbeiterin des Steuerberaters des Klägers am 14. November 2019 bestätigt worden. Die Auffassung der BayernLabo, dass ein Antrag ohne Anlagen als nicht eingegangen zu gelten habe, werde durch die gesetzliche Regelung nicht gedeckt. Nach Ziffer 9.3 der Eigenheimzulagen-Richtlinie sei der Antrag bei der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt zu stellen. Diese informiere und unterstütze den Zuwendungsempfänger bei der Antragstellung und prüfe die Zuwendungsvoraussetzungen. Hieraus ergebe sich nicht, dass es Voraussetzung für die rechtzeitige Einreichung des Antrags sei, dass dieser auch mit Anlagen zu versehen wäre. Zumindest fehle im Online-Formular der BayernLabo ein Hinweis darauf, dass der Antrag nur dann als rechtzeitig eingereicht gelte, wenn er mit Anlagen versehen sei. Der Kläger habe des Weiteren die notwendigen Anlagen in Form der Meldebescheinigung, des Einkommensteuerbescheids, des Grundbuchauszugs und der Bestätigung der Meldebehörde rechtzeitig zur Post gebracht. Wie sich aus der Bestätigung seines Steuerberaters ergebe, habe dieser die Unterlagen am 15. Mai 2019 dem Kläger übergeben. Der Kläger habe sich daraufhin noch am selben Tag zur Poststelle Illertissen, Filiale 526, im R.-Markt Illertissen begeben und die Unterlagen dort zur Post gebracht. Dabei sei sein Ausweis gescannt worden, sodass der Vorgang abgespeichert sein dürfte. Auf persönliche Nachfrage bei der Poststelle Illertissen sei ihm eine diesbezügliche Bestätigung jedoch verweigert worden. Auch könne die Ehefrau des Klägers bestätigen, dass dieser die Unterlagen im Monat Mai zur Post gebracht habe. Unabhängig davon wäre die BayernLabo im Hinblick auf ihre Beratungs- und Unterstützungspflicht verpflichtet gewesen, den Kläger noch vor Fristablauf auf die fehlenden Unterlagen hinzuweisen, zumal eine Mitarbeiterin des Steuerberaters sich mehrfach innerhalb der Frist nach dem Bearbeitungsstand des Antrags erkundigt habe, von der BayernLabo aber zu keinem Zeitpunkt die Auskunft erhalten habe, dass die Unterlagen des Klägers dort nicht eingegangen seien.
Mit Schreiben vom 4. Mai 2020 ersuchte die BayernLabo die Regierung von Schwaben um Übernahme der Prozessvertretung und führte in diesem Zusammenhang aus, dass die BayernLabo auf ihrer Internetseite eine „Onlineantragstellung“ anbiete. Bei Erstellung des „Onlineantrags“ werde eine eindeutige Referenznummer vergeben (hier: 9500080536). Ob der Kläger am 15. Mai 2019 den „Onlineantrag“ ausgeführt habe, lasse sich „aus technischen Gründen“ nicht mehr nachvollziehen. Nach Absenden der Daten aus dem Onlineportal werde der Antragsteller aufgefordert, den Antrag mit einem PostIdent-Formular auszudrucken, sich damit bei der Post zu legitimieren sowie den Antrag zu unterzeichnen und mit den erforderlichen Unterlagen auf dem Postweg zur BayernLabo zu senden. Nach Mitteilung des Steuerberaters des Klägers habe dieser am 15. Mai 2019 den Antrag elektronisch bei der BayernLabo gestellt und zeitgleich die Unterlagen mit der Legitimation bei der Post eingereicht. Die Referenznummer werde vom Mitarbeiter der Post bei der Legitimation an die BayernLabo übermittelt. Leider habe sich der Mitarbeiter hier in der Nummer vertippt, nämlich 950000080536 statt 9500080536 eingegeben. Die Legitimation bei der Post sei „damit“ jedoch nachweislich am 15. November 2019 durchgeführt worden. Dies widerspreche der Aussage des Steuerberaters, wonach der Kläger die Legitimation im Mai 2019 durchgeführt habe.
Die Regierung von Schwaben machte in ihrer Klageerwiderung geltend, dass das genaue Antragsverfahren für die Gewährung der Eigenheimzulage nicht in der Eigenheimzulagen-Richtlinie festgelegt sei. Dies werde hingegen von der zuständigen Verwaltungsbehörde, hier der BayernLabo, festgelegt und „das Verfahren allgemeingültig für Antragsteller veröffentlicht“. In den allgemein zugänglichen Antragsunterlagen sei eindeutig vorgeschrieben, dass der online eingereichte Antrag auszudrucken sei und per Post eingereicht werden müsse. Der online-Antrag bilde daher nur einen Teil des vollständigen Antrags. Folglich sei der vollständige Antrag des Klägers nicht innerhalb der Sechs-Monats-Frist bei der zuständigen Behörde eingegangen. Demzufolge besitze der Kläger auch keinen Anspruch auf Förderung. Das rechtzeitige Nachsenden des Ausdrucks in Papierform sei insbesondere zur Legitimation des Antragstellers erforderlich. Fehler hierbei fielen in seinen Risikobereich („Tippfehler bei der Post“). Im vorliegenden Fall hätte der Kläger „den Postbediensteten kontrollieren müssen“. Die korrekte Legitimation sei erst am 15. November 2019 erfolgt und damit nicht innerhalb der Sechs-Monats-Frist.
Aus einem Aktenvermerk des Verwaltungsgerichts über eine telefonische eingeholte Auskunft ergibt sich weiter, dass die BayernLabo nach dem Stellen eines online-Antrags einen Datensatz mit dem vom Antragsteller eingegebenen Informationen erhält, die dann mit dem schriftlichen Antrag im Original verknüpft werden könnten. Unter normalen Umständen könne nachvollzogen werden, welcher Antragsteller wann einen Onlineantrag gestellt habe. Dies funktioniere jedoch dann nicht mehr, wenn der Antragsteller zweimal einen online-Antrag stelle, da in diesem Fall der alte Antrag „überschrieben“ werde. So liege der Fall wohl hier. In der Akte des Verwaltungsgerichts findet sich ferner eine dem Kläger erteilte Meldebescheinigung, die vom 29. Januar 2019 stammt, ferner verschiedene Ausdrucke aus dem Internetportal der BayernLabo, die das Verfahren der Online-Antragstellung beschreiben, schließlich ein „Merkblatt zur Antragstellung“.
Mit Schreiben vom 11. August 2020 zum Geschäftsvorfall „101005 Vermerk/Telefonnotiz“ führte eine Mitarbeiterin der BayernLabo zur Ladung eines Zeugen aus, dass angesichts der Vielzahl von Verfahren die Erinnerung eines Sachbearbeiters an einen einzelnen Anruf nicht möglich sei. Allgemeine Nachfragen zum Bearbeitungsstand würden nicht fallspezifisch dokumentiert. Dies sei im Zuge des Massengeschäfts „nicht darstellbar“. Aus dem Kontext ergebe sich, dass im vorliegenden Fall der Anruf der Steuerkanzlei M. erfolgt sei, ob der Antrag eingegangen sei. Dies werde der Mitarbeiter Herr O. wohl bestätigt haben, da der Online-Datensatz im System ersichtlich gewesen sei. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe Herr O. jedoch nicht gesagt, dass die schriftlichen Unterlagen eingegangen seien. Eine solche Aussage zu machen, wenn im System nichts Derartiges ersichtlich sei, wäre unlogisch. Es sei daher zu vermuten, dass die Steuerkanzlei M. nicht zwischen dem Online-Datensatz und dem Papierantrag mit den dazugehörigen schriftlichen Unterlagen differenziert habe. Wahrscheinlich sei auch die übliche Nachfrage nach der Bearbeitungszeit gekommen. Diese habe Ende 2019 bei rund 16 Wochen ab Eingang des Papierantrags bei der BayernLabo gelegen. Es werde nicht bestritten, dass die Steuerkanzlei M. bei der BayernLabo angerufen und dort die Auskunft erhalten habe, der Antrag sei eingegangen. Mit Nichtwissen werde hingegen bestritten, dass dabei gesagt worden sei, dass die Papierunterlagen eingegangen seien. Dies wäre „weltfremd“ gewesen. Auf der Internetseite der BayernLabo würden sich Hinweise an die Antragsteller finden, dass ein „rechtsgültiger“ Antrag nur zustande komme, wenn die Antragsteller ein unterzeichnetes Antragsformular zusammen mit den benötigten Unterlagen einreichen würden. Zur Fristwahrung sei das alleinige Ausfüllen des Online-Antrags nicht ausreichend. Zum Zeitpunkt des Telefonats am 14. November 2019 habe kein rechtsgültiger Antrag des Klägers vorgelegen. Dies sei nach Ansicht der BayernLabo von der Steuerkanzlei M. falsch aufgefasst worden. Soweit nach dem Telefonat am 14. November 2019 die Unterlagen „nochmals schnellstmöglich“ per Post an die BayernLabo gesandt worden seien, ergebe sich aus der den Unterlagen beigefügten Meldebescheinigung, dass diese am 23. Juli 2019 ausgestellt worden sei. Diese habe also nicht bereits, wie vorgetragen, im Mai 2019 an die BayernLabo übermittelt werden können. Die Legitimation des Klägers sei nachweislich erst am 15. November 2019 in A. erfolgt.
4. Mit Urteil vom 30. September 2020 wies das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet ab.
4.1 Der Antrag auf Gewährung der Eigenheimzulage sei nach Ziffer 9.2 Satz 1 der Eigenheimzulagen-Richtlinie vom Kläger zu spät gestellt worden, da das unterschriebene Originalformular erst nach Ablauf der sechsmonatigen Frist beim Beklagten eingegangen sei. Laut der erweiterten Meldebescheinigung sei der Bezug der Doppelhaushälfte am 10. Dezember 2018 erfolgt, sodass die Frist zur Antragstellung bis einschließlich 10. Juni 2019 gelaufen sei. Die insoweit unbestrittene Einreichung des Online-Antrags durch den Kläger sei am 15. Mai 2019 und damit noch innerhalb der Frist erfolgt. Jedoch komme es nach der ständigen Förderpraxis des Beklagten darauf an, wann der unterschriebene Antrag im Original beim Beklagten eingehe. Der Originalantrag sei jedoch ausweislich der Behördenakte erst am 18. November 2019 und damit zu spät eingegangen. Die Schriftform ergebe sich zwar nicht aus der Förderrichtlinie selbst, da diese keine entsprechenden Vorgaben für die Antragstellung enthalte. Die Förderpraxis des Beklagten folge jedoch aus einem Merkblatt, in dem es heiße:
„Damit ihr Antrag rechtsgültig gestellt wird, benötigen wir ein von Ihnen unterzeichnetes Exemplar des ausgedruckten Antragsformulars.“
Die gleiche Information erhalte ein Antragsteller auch beim Ausfüllen des Onlineantrags selbst. Ein nicht „rechtsgültig“ gestellter Antrag könne somit auch nicht fristwahrend gestellt werden. Soweit bei Abgabe des Online-Antrags weiter darauf hingewiesen werde, dass der Antrag erst dann vollständig bearbeitet werde, „sobald das ausgedruckte und unterzeichnete Antragsformular zusammen mit allen Antragsunterlagen und ihre Legitimation“ vorliege, sei dies nicht widersprüchlich, sondern weise darauf hin, dass eine Bearbeitung erst dann erfolgen könne, wenn sämtliche Anlagen zusammen mit dem Originalantrag eingegangen seien. Daraus ergebe sich, dass zumindest der unterschriebene Antrag, wenn auch ohne Anlagen, vor Fristablauf beim Beklagten vorgelegt werden müsse. Zudem habe der Beklagte in der Klageerwiderung vorgetragen, dass er regelmäßig Anträge wegen Verfristung ablehnen würde, wenn diese nicht innerhalb der Frist in Papierform eingehen würden, was der Kläger nicht bestritten habe. Eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG liege daher nicht vor. Die Förderpraxis widerspreche auch nicht dem in der Richtlinie festgelegten Förderzweck, da es sich hier lediglich um eine Festlegung des Verwaltungsverfahrens handle, die die materiellen Voraussetzungen der Zulagengewährung unberührt lasse.
4.2 Dass der Kläger die Unterlagen bereits am 15. Mai 2019 zur Post gebracht habe, ändere an der Verfristung des Antrags nichts, da es nicht auf die Abgabe des Antrags, sondern auf den Zugang beim Beklagten ankomme. Das Übermittlungsrisiko der Postbeförderung trage hier der Kläger, sofern er diesen Überbringungsweg wähle. Er hätte eine Zustellungsart mit Nachweis wählen, zum Beispiel die Versendung als Einschreiben mit Rückschein, und so durch die Versendungsform Vorsorge für den rechtzeitigen Zugang treffen müssen. Hierauf weise der Beklagte bei der Online-Antragstellung im Übrigen hin.
4.3 Weiter habe der Beklagte auch nicht gegen seine Beratungspflicht aus Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG bzw. Ziffer 9.3 der Eigenheimzulagen-Richtlinie verstoßen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass sich eine Behörde nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidende oder die Anspruchsberechtigung vernichtende Ausschlussfrist berufen könne, wenn die Versäumung der Frist auf ein staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen sei, ohne deren konkrete Beachtung der Betroffene seine Rechte nicht wahren könne, und wenn durch die Berücksichtigung der verspäteten Handlung der Zweck des Gesetzes nicht verfehlt würde. Ein derartiges behördliches Fehlverhalten sei nach Beweisaufnahme nicht zu erkennen. Die Online-Antragstellung des Klägers sei am 15. Mai 2019 und damit knapp vier Wochen vor Ablauf der Frist erfolgt. Eine gesonderte, konkret-individuelle Aufforderung zur Übermittlung des Antrags in Papierform könne vom Beklagten angesichts der geringen Zeitspanne nicht gefordert werden., da es sich bei der Gewährung der Eigenheimzulage um ein Massenverfahren handle. Insoweit habe der Beklagte seiner Informationspflicht dadurch genügt, dass er sowohl durch Merkblätter wie auch direkt bei der elektronischen Antragstellung auf das Erfordernis der Antragstellung in Papierform hingewiesen habe. Im Übrigen werde auch bei der elektronischen Antragstellung darüber informiert, dass eine Eingangsbestätigung nach Erhalt des im Original unterzeichneten Online-Antrags versandt werde. Es wäre deshalb Sache des Klägers gewesen, den Antrag nochmals in Schriftform abzusenden, nachdem ihm zwei bis drei Wochen nach Übermittlung noch keine Eingangsbestätigung des Beklagten vorgelegen habe.
Zwar habe die für den Steuerberater des Klägers tätige Zeugin glaubhaft bestätigt, ab Juni 2019 mehrfach mit dem Beklagten telefoniert und sich nach dem Stand der Bearbeitung erkundigt zu haben. Nachdem sie jedoch nur die Auskunft erhalten habe, dass der Antrag bearbeitet würde und sie sich gedulden müsse, sie ferner den Eindruck gewonnen hatte, nur eine generelle Auskunft zu erhalten und nicht mit dem konkreten Sachbearbeiter verbunden gewesen zu seien, habe der Beklagte auch im Rahmen der telefonischen Anfragen keine seinen abstrakt generellen Hinweisen und Merkblättern widersprechende Auskünfte erteilt. Die Zeugin habe sich ferner nicht explizit danach erkundigt, ob der Antrag in Papierform mittlerweile beim Beklagten eingegangen sei, sodass der Beklagte hierüber keine unzutreffenden Informationen habe erteilen können.
5. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, mit dem ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemacht werden.
Das Verwaltungsgericht wende die Eigenheimzulagen-Richtlinie unzutreffend an. Entgegen seiner Auffassung habe der Kläger den Antrag rechtzeitig gestellt. Unabhängig davon, ob die Beweisaufnahme ergeben habe, dass der Kläger die Originalunterlagen so rechtzeitig abgeschickt habe, dass sie noch innerhalb der Sechsmonatsfrist bei der BayernLabo hätten eingehen müssen, werde die Ablehnung der Zulagengewähr mit dem Argument, die Originalunterlagen seien nicht rechtzeitig eingegangen, durch die Richtlinie nicht gestützt. Nach Ziffer 10 der Eigenheimzulagen-Richtlinie sei die Antragstellung auch online über die Homepage der BayernLabo möglich. Dass dieser Antrag die Sechsmonatsfrist nicht wahre, ergebe sich aus der Richtlinie nicht. Soweit sich das Verwaltungsgericht insoweit auf ein Merkblatt der Beklagten stütze, könne dies die gesetzlichen Anforderungen nicht ersetzen. Darüber hinaus erwiesen sich auch die Angaben auf dem Online-Antrag als widersprüchlich. Wenn es dort heiße, der Antrag könne erst dann „vollständig bearbeitet werden, sobald das ausgedruckte und unterzeichnete Antragsformular zusammen mit den Antragsunterlagen und [ihrer] Legitimation“ vorliege, folge daraus, dass lediglich die Bearbeitung vom Eingang der Originalunterlagen abhängig sei, nicht jedoch, dass der Eingang der Unterlagen die Voraussetzung für die Fristwahrung bilde. Soweit das Verwaltungsgericht sich weiter auf die Förderpraxis der Beklagten berufe, könne diese eine fehlende gesetzliche Regelung nicht ersetzen. Im Übrigen sei der Hinweis auf die Förderpraxis erst in der mündlichen Verhandlung erfolgt, ohne dass der Kläger hierzu hätte Stellung nehmen können.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe die Beklagte auch gegen ihre Beratungspflicht aus Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG bzw. Ziffer 9.3 der Richtlinie verstoßen. Unstreitig habe das vom Kläger beauftragte Steuerbüro mehrfach vor Fristablauf bei der BayernLabo angerufen, sich nach dem Stand der Bearbeitung erkundigt und dabei die Auskunft erhalten, der Antrag werde bearbeitet und man müsse sich gedulden. Wäre dies unzutreffend gewesen, hätte die BayernLabo jedenfalls auf die Unverbindlichkeit derartiger Auskünfte hinweisen oder die Auskunftserteilung ablehnen müssen. Offen bleibe in diesem Zusammenhang ferner, welche Möglichkeiten der Kläger besessen hätte, den Eingang seines Antrags tatsächlich festzustellen.
Nach der Beweisaufnahme stehe ferner fest, dass das beauftragte Steuerbüro für den Kläger die Antragsunterlagen zusammengestellt und ihm diese in einem Kuvert übergeben habe mit der Bitte, sie zur Post zu bringen. Dies habe der Kläger auch getan. Es erweise sich als absolut lebensfremd anzunehmen, er hätte die Unterlagen vernichtet bzw. nicht ordnungsgemäß in den Postlauf gebracht.
Könne sich der Kläger auf die mündliche Auskunft der BayernLabo nicht verlassen und würden zugleich keine Eingangsbestätigungen verschickt, bilde es kein zulässiges Verfahren, sich auf den fehlenden Eingang der Originalunterlagen zu berufen, ohne dass insoweit klar sei, dass diese nicht innerhalb der Behörde verloren gegangen seien. Insofern liege ein Verstoß gegen die Mithilfe- und Beratungspflichten der BayernLabo vor.
6. Demgegenüber beantragt die Landesanwaltschaft Bayern, den Zulassungsantrag abzulehnen.
Weder habe die BayernLabo die Eigenheimzulagen-Richtlinie falsch angewandt, noch habe das Verwaltungsgericht dies verkannt. Ein vom Kläger unterzeichneter Antrag auf Zulagengewährung habe der BayernLabo nicht innerhalb der Sechsmonatsfrist vorgelegen. Als unerheblich erweise sich insoweit die Frage, ob der Antrag rechtzeitig zur Post gegeben wurde. Entscheidend sei der Nachweis des unterschriebenen Antrags. Zu recht verweise das Verwaltungsgericht auf die Möglichkeit, eine Zustellungsart mit Nachweis zu wählen. Soweit das Verwaltungsgericht ferner festgestellt habe, dass die Ablehnung des Antrags der üblichen Verwaltungspraxis des Beklagten entspreche, trete der Zulassungsantrag dem nicht entgegen. Schließlich liege ein Verstoß gegen die Beratungspflicht aus Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG bzw. Ziffer 9.3 der Richtlinie nicht vor.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der Zulassungsantrag hat Erfolg, da ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Kläger mit der Einreichung des Online-Antrags am 15. Mai 2019 die Antragsfrist nach Ziffer 9.2. der Eigenheimzulagenrichtlinie gewahrt, sodass ihm, da die sonstigen Voraussetzungen der Zulagengewähr vorliegen, ein entsprechender Anspruch zusteht (1.) Darüber hinaus folgt aus einer Verletzung der behördlichen Informations- und Beratungspflicht nach Art. 25 BayVwVfG, dass sich der Beklagte auf eine Versäumung der Ausschlussfrist, läge sie denn vor, nicht berufen könnte (2.). Schließlich wäre dem Kläger, sofern man nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen des Anscheinsbeweises für den Zugang der Originalunterlagen bei der BayernLabo im Mai 2019 ausginge, jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (3.).
1. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Kläger mit der Einreichung des Online-Antrags auf Gewährung der Eigenheimzulage die in Ziffer 9.2. der Eigenheimzulagen-Richtlinie enthaltene sechsmonatige Ausschlussfrist gewahrt. Wie er zutreffend vortragen lässt, enthält die Eigenheimzulagenrichtlinie in Ziffer 9.3. Satz 1 keine näheren Vorgaben, in welcher Form die Antragstellung bei der BayernLabo zu erfolgen hat. Darüber hinaus eröffnet der Beklagte in Ziffer 10 der Eigenheimzulagen-Richtlinie durch Bereitstellung der erforderlichen Formblätter in elektronischer Form unter www.bayernlabo.de die Möglichkeit einer elektronischen (Online-)Antragstellung. Dass der Kläger am 15. Mai 2019 online den Antrag auf Gewährung der Eigenheimzulage gestellt hat, wird vom Beklagten zugestanden, obwohl es sich aus „technischen Gründen“ augenscheinlich im EDV-System nicht mehr nachvollziehen lässt. Ausweislich der in der Akte enthaltenen Beschreibung des Antragsverfahrens wird mit der Absendung des Online-Antrags an die BayernLabo ein entsprechender Datensatz mit den erforderlichen Daten des Antragstellers und des Förderobjekts übermittelt, der bei Eingang der Originalunterlagen lediglich mit den Angaben des Online-Antrags abgeglichen wird. Der BayernLabo sind mithin im Zeitpunkt des Eingangs des Online-Antrags alle für die Entscheidung über die Gewähr der Förderung wesentlichen Daten bekannt, sodass es sich nicht erschließt, weshalb dies zur Fristwahrung nicht ausreichen soll. Überdies gewährleistet ein Abstellen auf den Eingang des Online-Antrags auch die Funktion der Ausschlussfrist, dem Beklagten einen Überblick über die Anzahl der eingegangenen Förderanträge und damit das Ausreichen der bereitgestellten Fördermittel zu verschaffen. Dass es für das Auskehren der Fördermittel selbst mangels entsprechend verbreiteter digitaler Signaturmöglichkeiten noch eines unterschriebenen Originalantrags nebst Legitimationsprüfung bedarf, ändert an der Geeignetheit des Eingangs des Online-Antrags zur Wahrung der Sechsmonatsfrist nichts.
Soweit der Beklagte dem eine Verwaltungspraxis bei der Vergabe der Zulage entgegenhält, die maßgeblich auf den Eingang des unterschriebenen Originalantrags in Papierform abstellt, kann er damit nicht durchdringen. Erst recht trifft den Kläger keine Pflicht dahingehend, das Bestehen einer entsprechenden Verwaltungspraxis gewissermaßen durch „Gegenbeispiele“ zu entkräften, wie die Landesanwaltschaft meint. Denn jedenfalls fehlt es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts an für außenstehende Dritte erkennbaren Anhaltspunkten für das Bestehen einer entsprechenden Verwaltungspraxis. Worin die „allgemeingültige Veröffentlichung“ des vom Beklagten festgelegten Verfahrens betreffend die Wahrung der Sechsmonatsfrist liegen soll, erschließt sich dem Senat nicht, zumal die Eigenheimzulagen-Richtlinie – wie bereits ausgeführt – keine Vorgaben zum Verfahren macht. Soweit das Verwaltungsgericht insoweit das Merkblatt der BayernLabo heranzieht, das für eine „rechtsgültige“ Antragstellung den Eingang des unterzeichneten ausgedruckten Antragsformulars nebst Anlagen verlangt, lässt sich hieraus kein Schluss darauf ziehen, dass der Online-Antrag, der bereits die entscheidungsrelevanten Angaben enthält, nicht fristwahrend wirken soll. Überdies hat der Kläger bei der Beklagten ein unterschriebenes Antragsformular sowie die erforderlichen Anlagen eingereicht. Auch die im Zuge des Antragsverfahrens online übermittelten Hinweise, dass eine „vollständige“ Bearbeitung erst bei Eingang der Originalunterlagen nebst Legitimation erfolgen könne, lassen keinen Schluss darauf zu, dass die Online-Antragstellung die Sechsmonatsfrist nicht wahrt. Mithin fehlt es im vorliegenden Fall offenkundig an der Erkennbarkeit der Nichteignung des Online-Antrags zur Fristwahrung für die Antragsteller.
Selbst für den Fall, dass bei der Beklagten eine Verwaltungspraxis dahingehend, dass allein der Eingang der „Originalunterlagen“ zählt, bestünde, dürfte sie diese angesichts der fehlenden Verlautbarung nach außen aus Rechtsgründen dem Kläger nicht entgegenhalten. Dies folgt aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK. Dieser beinhaltet für das Verwaltungsverfahren, dass eine Behörde aus eigenen oder ihr zuzurechnenden Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile für die Beteiligten ableiten darf (vgl. Kallerhoff/Fellerberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 25 Rn. 20). Das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Gebot einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung und der sich daraus ergebende Grundsatz von Treu und Glauben fordern gerade in Fristfragen, dass für den Rechtssuchenden klar erkennbar sein muss, was er zu tun hat, um einen Rechtsverlust zu vermeiden. Dabei sind die Grenzen des Zumutbaren dann überschritten, wenn auf den Bürger die Verantwortung für Risiken und Unsicherheiten abgewälzt wird und die Ursache hierfür allein in der Sphäre der öffentlichen Gewalt zu finden ist. Unklare Formulierungen gehen dabei zu Lasten der Behörde (vgl. zu Erstattung von Schülerbeförderungskosten BVerwG, U.v. 22.10.1993 – 6 C 10/92 – NVwZ 1994, 575, 577). Im vorliegenden Fall finden sich, wie bereits dargestellt, in den Unterlagen der BayernLabo trotz Eröffnung der Möglichkeit der Online-Antragstellung keine Hinweise darauf, dass die Online-Antragstellung die Ausschlussfrist für die Gewähr der Eigenheimzulage nicht wahren soll. Eine Fristversäumnis kann dem Kläger daher nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht entgegengehalten werden.
2. Der Beklagte kann dem Kläger eine Versäumung der Antragsfrist auch deshalb nicht entgegenhalten, weil er, wie vom Kläger geltend gemacht, gegen die ihm nach Art. 25 Abs. 1 BayVwVfG (bzw. Ziffer 9.3 der Eigenheimzulagen-Richtlinie) obliegende Auskunfts- und Beratungspflicht verstoßen hat.
Nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG soll die Behörde die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten am Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten, Art. 35 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG. Art und Umfang der von der Behörde einem Verfahrensbeteiligten zu leistenden Beratung sind nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln. Zwar erfasst die Auskunfts- und Beratungspflicht nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG keine generelle Pflicht dahingehend, einen Antragsteller ohne gegebenen Anlass über den drohenden Ablauf einer Frist aufgrund fehlender Unterlagen hinzuweisen bzw. die Abgabe entsprechender Unterlagen anzuregen (vgl. hierzu Kallerhoff/Fellerberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 25 Rn. 39).
Anders verhält es sich jedoch dann, wenn ein Antragsteller sich explizit bei der Behörde nach dem Stand des Verfahrens erkundigt und so einen konkreten Anlass für eine entsprechende Beratung und Auskunftserteilung der Behörde setzt (vgl. Kallerhoff/Fellerberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 25 Rn. 12). Hier obliegt es dem um Auskunft ersuchten Bediensteten, sollten Unterlagen fehlen und der Ablauf einer Frist drohen, dem Antragsteller einen entsprechenden Hinweis zu erteilen und ihn damit bei der fristgerechten Antragstellung zu unterstützen (vgl. Hermann in BeckOK VwVfG, Stand 1.1.2021 § 25 Rn. 31; OVG Bautzen, B.v. 12.7.2018 – 2 B 15/18 – BeckRS 2018, 18105 Rn. 10; OVG Bremen, U.v. 24.10.2019 – 2 B 282/19 – BeckRS 2019, 25695 Rn. 15). Der antragstellende Bürger soll gerade nicht „sehenden Auges“ seines Rechtes verlustig gehen (Kallerhoff/Fellerberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 25 Rn. 5). Führt die unvollständige oder unzutreffende Auskunft der Behörde auf eine Sachstandsanfrage zur Fristversäumnis, ist dem Antragsteller nach Art. 32 BayVwVfG gegebenenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (Kallerhoff/Fellerberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 25 Rn. 20, 45) bzw. der Antragsteller im Wege des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs so zu stellen, als hätte er den verspäteten Antrag rechtzeitig gestellt (Hermann in BeckOK VwVfG, Stand 1.1.2021, § 25 Rn. 33).
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat sich im vorliegenden Fall die Angestellte S. des Steuerberaters des Klägers vor Ablauf der Sechsmonatsfrist mehrfach bei der BayernLabo nach dem Stand des Verfahrens erkundigt und dabei lediglich die „allgemeine“ Auskunft erhalten, der Antrag würde bearbeitet und man müsse sich gedulden. Hätten indes die für die „Bearbeitung“ erforderlichen Originalunterlagen der BayernLabo nicht vorgelegen, hätte es dem um Auskunft ersuchten Bediensteten oblegen, den Antragsteller bzw. im vorliegenden Fall die Steuerfachangestellte darauf hinzuweisen, dass die Originalunterlagen noch nicht eingegangen seien, so wie es augenscheinlich am 19. November 2019 nach Fristablauf auch erfolgt ist. Durch den unterbliebenen Hinweis bzw. die nur „generalisierende“ Auskunft hat der Beklagte damit eine Ursache für die Versäumung der Antragsfrist gesetzt, sodass diese dem Kläger vom Beklagten nicht entgegengehalten werden kann.
3. Auch im Übrigen wäre dem Kläger vorliegend nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG Wiedereinsetzung in die Antragsfrist nach Ziffer 9.2 der Eigenheimzulagen-Richtlinie zu gewähren gewesen, wie von seinem Steuerberater im „Widerspruch“ vom 26. März 2019 beantragt.
Zwar bezieht sich die Regelung des Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG zunächst nur auf gesetzliche Fristen; sie ist aber als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens auch auf Fristen in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, an die die bearbeitende Behörde gebunden ist, entsprechend anzuwenden (vgl. hierzu Kallerhoff/Stamm in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 32 Rn. 8). Handelt es sich bei einer versäumten Antragsfrist der Sache nach hingegen um eine materielle Ausschlussfrist, käme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG wiederum nicht in Betracht (Kallerhoff/Stamm in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 32 Rn. 10). Allerdings gilt dies dann nicht, wenn die Fristversäumung auf einer falschen Auskunft durch die Behörde beruht oder wenn die Behörde zu einer Ausschlussfrist fehlerhaft eine Fristverlängerung gewährt hat, auf die der Betroffene vertraut hat (Kallerhoff/Stamm in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 32 Rn. 9).
Jedenfalls von einer fehlerhaften bzw. unklaren Information durch die BayernLabo ist im vorliegenden Fall hinsichtlich der Wahrung der Antragsfrist nach Ziffer 9.2 der Eigenheimzulagen-Richtlinie bei der Einreichung des Online-Antrags auszugehen. Dass diese vom Beklagten ausdrücklich angebotene Form der Antragstellung nicht fristwahrend sein soll, ergibt sich, wie bereits dargelegt, weder aus der Richtlinie noch den sonstigen Begleitmaterialien. Von daher spricht viel für die Annahme, dass eine verspätete Übermittlung der Originaldokumente wie auch die Legitimation über das PostIdent-Verfahren – läge sie denn vor – nach fristgemäßer Einreichung des Online-Antrags jedenfalls im Sinne von Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG als unverschuldet anzusehen wäre, mit der Folge, dass dem Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zugebilligt werden müsste.
Soweit schließlich das Verwaltungsgericht davon ausgeht (Rn. 25 des Entscheidungsumdrucks), dass der Kläger – wie von ihm vorgetragen – zwar die (Original) Unterlagen am 15. Mai 2019 zur Post gebracht habe, dies aber an der Verfristung des Antrags nichts ändere, da es auf den Zugang der Unterlagen beim Beklagten ankomme, der Kläger hier das Risiko des Postversands trage und er durch die Wahl einer anderen Versandform – Einschreiben mit Rückschein – den Nachweis des Zugangs hätte erbringen können, erweist sich diese Auffassung jedenfalls als ernstlich zweifelhaft. Angesichts des Umstands, dass sich aus „technischen Gründen“, die in der Sphäre der BayernLabo liegen, im vorliegenden Fall Verfahrensschritte des Klägers nicht mehr nachvollziehen lassen, andererseits er nachvollziehbar vorgetragen hat, die Originalunterlagen am 15. Mai 2019 zu einer bestimmten Poststelle gebracht und dort das PostIdent-Verfahren durchgeführt zu haben, spricht Vieles dafür, dass hinsichtlich des Zugangs der Originaldokumente bei der BayernLabo die Grundsätze des Anscheinsbeweises zugunsten des Klägers eingreifen. Dies bedarf jedoch vorliegend angesichts des vorstehend Ausgeführten keiner Entscheidung.
Vielmehr erweist sich das angegriffene verwaltungsgerichtliche Urteil im Ergebnis als unzutreffend, sodass die Berufung des Klägers nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen war. Das Berufungsverfahren wird unter dem Aktenzeichen 12 B 21.3169 fortgeführt. Die Kostenentscheidung ist der Schlussentscheidung vorbehalten. Der Senat regt zugleich an, angesichts des vorstehend Ausgeführten den Kläger klaglos zu stellen und in der Folge eine prozessbeendende Erklärung abzugeben.


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