Verwaltungsrecht

Gewährung subsidiären Schutzes wegen des bewaffneten Konflikts in Somalia – unklarer Schutzstatus in Italien

Aktenzeichen  M 11 K 13.30992

Datum:
5.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 4
EMRK EMRK Art. 3
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

Ist die  Gewährung subsidiären Schutzes in Italien nicht nachgewiesen und aufklärbar, steht sie der Zuerkennung dieses Schutzstatus in der Deutschland nicht entgegen. (redaktioneller Leitsatz)
In Süd- und Zentralsomalia – und damit in der maßgeblichen Herkunftsregion des Klägers aus Mogadischu – herrscht ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, der die Zuerkennung subsidiären Schutzes auch ohne gefahrenerhöhende Umstände in der Person des Einzelnen rechtfertigt. Dabei kommt einem Schutzsuchenden, der bereits bei seiner Ausreise wegen des bewaffneten Konflikts unmittelbar bedroht war, eine Beweiserleichterung zugute.   (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Mai 2013 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger subsidiären Schutz (§ 4 Abs. 1 AsylG) zuzuerkennen.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat Erfolg.
Die Entscheidung kann ohne weitere mündliche Verhandlung ergehen, weil sich die Beteiligten damit individuell einverstanden erklärt haben (die Klägerseite) bzw. ein entsprechendes generelles Einverständnis vorliegt (die Beklagtenseite), § 101 Abs. 2 VwGO.
Die im Hauptantrag auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes gerichtete Klage ist zulässig und begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den subsidiären Schutz zuzuerkennen; der angefochtene Bescheid ist aufzuheben, da er dem Verpflichtungsausspruch entgegensteht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären unionsrechtlichen Schutzes, weil er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland Somalia ein ernsthafter Schaden droht, § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG.
Der Umstand der nach Aktenlage erfolgten Asylantragstellung in Italien steht der Zuständigkeit der Beklagten und ihrer Verpflichtung zur Zuerkennung subsidiären Schutzes ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass der Kläger nach Auskunft der Liaisonbeamtin in Italien einen Aufenthaltstitel bekommen habe, weil letzteres nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststeht, insbesondere nicht, auf welcher Rechtsgrundlage die behauptete Erteilung erfolgt sein soll.
Hinsichtlich der grundsätzlich bestehenden Zuständigkeit der Beklagten für den Kläger wird auf die entsprechenden Ausführungen im Beschluss des VG München vom 25. Oktober 2013 (M 11 S 13.30993, S. 5/6 des Entscheidungsumdrucks) Bezug genommen.
Hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung ergangenen Hinweises auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2014 (- 10 C 7/13 -, juris, insbesondere Ls. 3: Das Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz ist unzulässig, wenn dem Ausländer bereits im Ausland die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4 AsylVfG zuerkannt worden ist und Rn. 26 ff.; vgl. dazu auch Berlit, jurisPR-BVerwG 17/2014 Anm. 2; vgl. hierzu mittlerweile aber auch BVerwG, B. v. 23.10.2015 – 1 B 41/15 -, juris Rn. 5 ff.) und der beiden Entscheidungen des VG München und der damit verbundenen Problematik, inwieweit ein bereits in einem anderen Mitgliedstaat erhaltener Aufenthaltstitel bzw. Schutzstatus Auswirkungen auf dieses Verfahren hat, gilt folgendes: Die Annahme bzw. Vermutung, dass der Kläger in Italien bereits mindestens einen subsidiären Schutzstatus erhalten hat, liegt zwar weiterhin nahe, hat sich aber, insbesondere deswegen, weil die Beklagte trotz des Aufklärungsbeschlusses vom 8. Juli 2015 nichts entsprechendes vorgetragen hat, nicht erhärten, jedenfalls nicht belegen lassen. Der Akteninhalt reicht für einen entsprechenden Beleg definitiv nicht aus. Die Nachricht der Liaisonbeamtin mit E-Mail vom 23. Juli 2012 (Bl. 210 der Bundesamtsakten) besagt lediglich, dass der Kläger einen (italienischen) Aufenthaltstitel gültig bis zum 22. April 2012 besaß, jedoch nicht, um was für einen Aufenthaltstitel es sich dabei handelt, also insbesondere nicht, auf welchem Schutzstatus dieser Titel beruhen soll. Daraus lässt sich jedenfalls mit der für die gerichtliche Überzeugungsbildung notwendigen Gewissheit nichts ableiten. Die weiteren Aufklärungsversuche blieben, wie oben ausgeführt, fruchtlos. Da es aber, jedenfalls wenn man der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.10.2015 (1 B 41/15, a. a. O.) folgt, für „Altfälle“ im Sinne dieser Entscheidung darauf ankommt, ob der Kläger in Italien Flüchtlingsschutz oder „nur“, was ohnehin wahrscheinlicher ist, subsidiären Schutz zuerkannt bekommen hat, entscheidend darauf ankommt, welchen Schutzstatus der Kläger erhalten hat, eine weitere Aufklärung aber nicht zu erzielen ist, dann ist jedenfalls die Behandlung des Asylantrags als unzulässig fehlerhaft. Weitergehend ist aber auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu sagen, dass der Kläger bereits in Italien einen subsidiären Schutzstatus erhalten hat, da auch für den Nachweis insoweit erforderlich wäre, dass zumindest die Beklagte überhaupt sagen kann, welchen Schutzstatus er in Italien zuerkannt bekommen hat. Da aber nicht einmal diese Information zu erlangen war, obwohl dieser Umstand in anderen Verfahren sehr wohl in der Regel bereits aus der Behördenakte hervorgeht, geht das Gericht aufgrund der Unaufklärbarkeit davon aus, dass der Kläger auch nicht nachweisbar einen subsidiären Schutzstatus erhalten hat. Somit kann dieser Umstand dem Begehren des Klägers auch nicht entgegenstehen und der Kläger kann unter Berücksichtigung der folgenden Darlegungen die Zuerkennung subsidiären Schutzes beanspruchen:
Zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AsylG) besteht jedenfalls in Süd- und Zentralsomalia nach wie vor ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Der aktuelle Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 1. Dezember 2015 formuliert hinsichtlich Süd- und Zentralsomalias, wo auch die Hauptstadt Mogadischu liegt, als zentrale Aussagen zur allgemeinen politischen Lage, dass dort in vielen Gebieten Bürgerkrieg herrsche und die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die radikalislamistische, al-Quaida-affiliierte al-Schabaab-Miliz kämpfen (S. 5). Der Herkunftsort des Klägers ist die Hauptstadt Mogadischu.
Der Kläger wäre im Falle einer Rückkehr im Rahmen dieses Konflikts einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt.
Eine entsprechende Gefahr kann sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch aus einer allgemeinen Gefahr für eine Vielzahl von Zivilpersonen im Rahmen eines bewaffneten Konflikts ergeben, wenn sich die Gefahr in der Person des betreffenden Ausländers verdichtet. Eine solche Verdichtung bzw. Individualisierung kann sich zum einen aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann zum anderen ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, U. v. 14.07.2009 – 10 C 9/08 -, BVerwGE 134, 188). Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist dabei der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr, in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U. v. 31.01.2013 – 10 C 15/12 -, InfAuslR 2013, 241). Soweit sich eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr ausnahmsweise aus dem hohen Gefahrengrad für jede sich in dem betreffenden Gebiet aufhaltende Zivilperson ergibt, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich. Für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte bedarf es neben der quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos einer wertenden Gesamtbetrachtung, die auch die medizinische Versorgungslage würdigt. Der bei Bewertung der entsprechenden Gefahren anzulegende Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei der Prüfung der tatsächlichen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK (BVerwG, U. v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 – NVwZ 2012, 454).
Das Gericht glaubt dem Kläger, dass er somalischer Staatsangehöriger ist und vor seiner Ausreise in Mogadischu gelebt hat. Zureichende Hinweise darauf, dass er kein somalischer Staatsangehöriger sein oder vor seiner Ausreise in einer anderen Gegend Somalias gelebt haben könnte, sind den Akten nicht zu entnehmen. Das Gericht geht davon aus, dass Süd- und Zentralsomalia zwar überwiegend unter der Kontrolle der Regierung steht, was jedoch nicht bedeutet, dass es dort zu keiner die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft ziehenden willkürlichen Gewalt mehr kommt. Dafür, dass die al-Schabaab-Miliz dort nach wie vor in hohem Maße präsent ist, spricht, dass nach den Angaben des Auswärtigen Amtes auch Teile dieses Gebiets, in dem sich immerhin die Hauptstadt befindet, immer noch unter der Kontrolle dieser Organisation stehen (Lagebericht, S. 5). Der frühere Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12. Juni 2013 verweist darauf, dass nach übereinstimmenden Schätzungen diverser VN-Organisationen und internationaler Nichtregierungsorganisationen im somalischen Bürgerkrieg 2007 bis 2011 über 20.000 Zivilisten zu Tode gekommen sind, davon der größte Teil in Süd- und Zentralsomalia. Im Jahr 2012 seien allein in Mogadischu mindestens 160 Zivilisten getötet worden. Außerdem habe es mindestens 6.700 Verletzte durch Kampfhandlungen gegeben (S. 8).
Im Jahr 2013 war gegenüber dem Jahr 2012 in Mogadischu wieder eine Verschlechterung der Sicherheitslage festzustellen. Im April 2013 kamen bei einem Angriff auf ein Gerichtsgebäude und einer kurz danach gezündeten Autobombe 34 Zivilisten ums Leben; weitere 58 Menschen wurden bei dreistündigen Kämpfen im Gericht verletzt (vgl. Zeit Online vom 14.04.2013 – „Tote durch Anschläge in Mogadischu“). Es handelte sich um den Vorfall mit den meisten Todesopfern in Mogadischu im Jahr 2013 und den schwersten Terroranschlag seit Vertreibung der al-Schabaab-Miliz aus Mogadischu. Bei einem Selbstmordanschlag am 5. Mai 2013 wurden über 10 Personen getötet (vgl. Bericht des Generalsekretärs der VN an den Sicherheitsrat vom 31.05.2013, Nr. 11). Bei einem weiteren schweren Selbstmordattentat der al-Schabaab-Miliz am 19. Juni 2013 auf ein Gebäude des VN-Entwicklungsprogramms in Mogadischu wurden mindestens 18 Menschen getötet (Meldung der Deutschen Welle vom 19.06.2013 – „Keine Stabilität für Somalia“). Am 27. Juli 2013 kamen bei einem Selbstmordanschlag auf ein Wohngebäude der türkischen Botschaft in Mogadischu nach Polizeiangaben zwei Personen und der Attentäter ums Leben, weitere Personen wurden verletzt (Süddeutsche.de vom 28. Juli 2013 „Schabaab-Miliz verübt Anschlag auf türkische Botschaft“). Insgesamt hat die Zahl der Bombenanschläge im Jahr 2013 gegenüber dem Jahr 2012 zugenommen (vgl. Bericht des Generalsekretärs der VN an den Sicherheitsrat vom 31.05.2013). Dass die al-Schabaab-Miliz relativ leicht prominente und theoretisch gut bewachte Ziele in der Hauptstadt angreifen kann, stellt nach Einschätzung von Beobachtern eine schwerwiegende Besorgnis für die Regierung dar und schwächt ihre Hoffnungen auf eine schnelle Rückkehr zu „Normalität“ in Somalia (vgl. Länderbericht der UK Border Agency zu Somalia vom 05.08.2013, dort Ziffer 1.28, S. 23). Das Auswärtige Amt wies auf seiner Internetseite in der dort eingestellten Reisewarnung vom 24. September 2013 ausdrücklich darauf hin, dass die Zahl der Selbstmordattentate in den letzten Jahren zugenommen habe, wovon vor allem auch der Großraum Mogadischu betroffen sei.
Für den Zeitraum von 2014 bis heute lässt sich noch keine grundlegende Veränderung der Sicherheitslage feststellen. Die vom Auswärtigen Amt herausgegebene Reisewarnung vom 27. Mai 2014 wies weiterhin darauf hin, dass die Zahl der Selbstmordattentate in den letzten Jahren zugenommen habe, wovon vor allem auch der Großraum Mogadischu betroffen sei. Da der aktuelle Lagebericht vom 1. Dezember 2015 (Stand November 2015) diesbezüglich keine näheren Angaben enthält, ist zwar die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass die Zahl der Attentate durch die al-Schabaab-Miliz und das Ausmaß der Kämpfe zwischen den somalischen Sicherheitskräften und den sie unterstützenden Einheiten einerseits und der al-Schabaab-Miliz andererseits abgenommen haben. Gleichwohl sind jedoch auch für das Jahr 2015 noch Terroranschläge in erheblichem Umfang zu verzeichnen. So gab es im Juli 2015 wohl mindestens 28 Tote bei Anschlägen auf drei Hotels (Meldungen der Deutschen Welle vom 10.07.2015 – „Tote bei Anschlägen auf Hotels in Somalia“ und vom 27.07.2015 – „Tote bei Bombenexplosion in Mogadischu“). Wohl Ende August 2015 überrannten Kämpfer der al-Schabaab-Miliz gut 75 Kilometer südlich von Mogadischu einen Militärstützpunkt der AMISOM-Friedensmission der Afrikanischen Union, und richteten ein Blutbad an (Meldung der Deutschen Welle vom 01.09.2015 – „Viele Tote bei Anschlag auf AU-Soldaten in Somalia“). Bei einem Selbstmordanschlag auf den Amtssitz des somalischen Präsidenten im September 2015 gab es mindestens 12 Tote (Meldung von Focus Online vom 22.09.2015 – „Zwölf Tote nach Anschlag auf Präsidentensitz in Somalia“). Wohl Ende Oktober 2015 gab es im Südwesten des Landes zahlreiche Tote bei Kämpfen zwischen Regierungstruppen und der al-Schabaab-Miliz (Meldung vom Deutschlandfunk vom 01.11.2015 – „Viele Tote bei Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Al-Shabaab“). Ebenfalls wohl Ende Oktober attackierten wohl Mitglieder der al-Schabaab-Miliz in Mogadischu unter Zündung von Autobomben ein Hotel, wobei nach Polizeiangaben wohl mindestens acht Menschen ums Leben kamen (Meldung von Spiegel online vom 01.11.2015 – „Angreifer zünden zwei Bomben – und stürmen Hotel“; Meldung der FAZ vom 02.11.2015 – „Terrorangriff auf Hotel in Mogadischu“).
Angesichts des Umstands, dass die vorhandenen staatlichen Strukturen nach wie vor sehr schwach sind und wesentliche Staatsfunktionen von ihnen nicht ausgeübt werden können (aktueller Lagebericht, S. 5), muss die erforderliche wertende Betrachtung aber hier in Betracht ziehen, dass eine erneute Verschlechterung der Lage nach aktuellem Stand nicht weniger wahrscheinlich ist als eine weitere Stabilisierung. Eine grundlegende Verbesserung der Sicherheitslage kann daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht festgestellt werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass gerade das Umfeld der Hauptstadt Mogadischu, in dem sich Hunderttausende von Binnenvertriebenen befinden, ein Brennpunkt der insgesamt angespannten Lage ist (Lagebericht, S. 14).
Dem Kläger kommt auch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337, S. 9) zugute, wonach die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von einem solchen Schaden bedroht wird. Zur Zeit seiner Ausreise aus Somalia im Jahr 2008 war der Kläger als Zivilperson unmittelbar einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne der jetzigen Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG – damals § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG – ausgesetzt. Das ergibt sich retrospektiv ohne weiteres aus dem früheren Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 12. Juni 2013, in dem ausgeführt wird, dass nach übereinstimmender Schätzung diverser VN-Organisationen und internationaler Nichtregierungsorganisationen im somalischen Bürgerkrieg in den Jahren 2007 bis 2011 über 20.000 Zivilisten zu Tode gekommen sind, davon der größte Teil in Süd- und Zentralsomalia, also in der Region, aus der der Kläger stammt.
Zwischen den dem Kläger vor seiner Ausreise unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden besteht hier ein enger Zusammenhang, weil die Hauptursache der damals drohenden und der jetzt dem Kläger drohenden Gefahr dieselbe ist, nämlich die seit Jahren bestehende Bürgerkriegssituation.
Insgesamt sprechen im vorliegenden Fall im Sinne des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU keine stichhaltigen Gründe dagegen, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr erneut von einem solchen Schaden bedroht wäre.
Der Kläger hat deshalb Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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