Verwaltungsrecht

Gewährung von Eingliederungshilfe für eine Schulbegleitung

Aktenzeichen  7 CE 19.1696

Datum:
7.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27494
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VSO-F § 81
VwGO § 80 Abs. 5, § 123, § 146 Abs. 4 S. 6, § 152 Abs. 1

 

Leitsatz

Ist aufgrund des Suspensiveffekts der Klage der Antragsteller berechtigt, eine schulvorbereitende Einrichtung bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren weiter zu besuchen, so ist der Träger der schulvorbereitenden Einrichtung verpflichtet, eine Stellungnahme zum Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Eingliederungshilfe für eine Schulbegleitung abzugeben. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 2 E 19.883 2019-08-14 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsgegnerin wendet sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. August 2019, mit dem sie im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wurde, eine Stellungnahme zum Antrag der Antragsteller auf Gewährung von Eingliederungshilfe für eine Schulbegleitung für den Sohn L. der Antragsteller gegenüber dem Bezirk Unterfranken abzugeben und zudem festgestellt wurde, dass die Klage der Antragsteller gegen den Bescheid der St. K. Schule vom 8. Mai 2019 aufschiebende Wirkung hat.
Der 2014 geborene Sohn L. der Antragsteller besucht seit dem Schuljahr 2017/2018 die schulvorbereitende Einrichtung und heilpädagogische Tagesstätte der St. K. Schule, deren Trägerin die Antragsgegnerin ist. Für die Schuljahre 2017/2018 und 2018/2019 gewährte der Bezirk Unterfranken L. Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für eine Schulbegleitung in der Einrichtung. Mit Schreiben vom 8. Mai 2019 teilte die Schule den Antragstellern mit, dass L. aus fachlicher Sicht dringend pädagogische Maßnahmen benötige, die an der St. K. Schule nicht vorgehalten werden könnten und deshalb der Besuch ihres Sohnes in der schulvorbereitenden Einrichtung gemäß § 81 VSO-F zum 25. Juli 2019 beendet werde.
Hiergegen erhoben die Antragsteller Klage mit dem Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihrem Sohn L. „über den 25. Juli 2019 hinaus den Besuch der schulvorbereitenden Einrichtung und heilpädagogischen Tagesstätte der St. K. Schule zu ermöglichen“. Am 22. Juli 2019 ließen die Antragsteller im zugrundeliegenden Verfahren einstweiligen Rechtsschutz begehren, worauf der nunmehr mit der Beschwerde angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 14. August 2019 erging.
In der Beschwerdebegründung bezieht sich die Antragsgegnerin auf sozialmedizinische und sonderpädagogische Gutachten sowie auf einen Entwicklungsbericht der St. K. Schule. Deren Inhalt habe das Verwaltungsgericht völlig ignoriert soweit es zwar der St. K. Schule einen Beurteilungsspielraum zugestanden habe, was die weitere Aufnahme und Betreuung von L. anbelange, jedoch dennoch dem Eilantrag stattgegeben habe. Nach § 81 Satz 2 VSO-F ende der Besuch eines Kindes an der Schulvorbereitenden Einrichtung (SVE), wenn nach den Feststellungen der Förderschule eine weitere Förderung nicht möglich sei. Die Schule könne aufgrund ihrer fachspezifischen Kompetenz und aufgrund ihrer detaillierten Kenntnis des Verhaltens und der Entwicklung von L. über zwei Jahre hinweg am besten beurteilen, dass die SVE der St. K. Schule nicht mehr als geeigneter Förderort angesehen werden könne. Die Antragsteller hätten im Hauptsacheverfahren eine Verpflichtungsklage eingereicht, der keine aufschiebende Wirkung zukomme.
Die Antragsgegnerin beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. August 2019 die Anträge der Antragsteller zurückzuweisen.
Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragsteller zu Recht im tenorierten Umfang stattgegeben. Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe, auf die sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen das Beschwerdebegehren der Antragsgegnerin, das sich ersichtlich nur gegen die stattgebenden Ziffern des Beschlusses richtet, nicht.
1. Nach § 81 Satz 1 VSO-F endet der Besuch der schulvorbereitenden Einrichtung mit Eintritt in eine Schule oder auf Antrag der Erziehungsberechtigten. Nach Satz 2 der Regelung endet der Besuch ferner, wenn nach den Feststellungen der Förderschule eine weitere Förderung an der schulvorbereitenden Einrichtung nicht möglich oder nicht erforderlich ist. Allein die Entscheidung der schulvorbereitenden Einrichtung – hier das Schreiben der Schule vom 8. Mai 2019 – führt somit zur Beendigung des Besuchs einer schulvorbereitenden Einrichtung eines einmal aufgenommenen Kindes. Soll der betroffene Schüler nach dem Willen seiner Erziehungsberechtigten weiterhin die schulvorbereitende Einrichtung besuchen, ist es nötig, aber auch ausreichend, den die Berechtigung zum Besuch der Schule beendenden Verwaltungsakt anzugreifen, eine Klage auf Erlass eines den Schüler den (weiteren) Besuch gestattenden Verwaltungsakts ist folglich nicht erforderlich. Entsprechend hat das erstinstanzliche Gericht das Rechtsschutzbegehren der Antragsteller, die Antragsgegnerin zu verpflichten „vorläufig, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache dem Sohn der Antragsteller den weiteren Besuch des SVE-Kindergartens der St. K. Schule für das kommende Kindergartenjahr 2019/2020 unter Zurverfügungstellung aller in der Vergangenheit gewährten Dienstleistungen zu ermöglichen“, zutreffend gemäß § 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO als Antrag ausgelegt, festzustellen, dass die Anfechtungsklage der Antragsteller gegen den Bescheid der St. K. Schule vom 8. Mai 2019 aufschiebende Wirkung hat. Denn über den Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO hinaus kommt die Regelung in entsprechender Anwendung auch in den Fällen der faktischen Vollziehung in Betracht. Dies betrifft Fälle, in denen die Behörde die rechtlich bestehende aufschiebende Wirkung missachtet und einen belastenden Verwaltungsakt unter Verstoß gegen § 80 Abs. 1 VwGO vollziehen will. In diesen Fällen ist der Rechtsschutz auf Feststellung des Bestehens der aufschiebenden Wirkung gerichtet (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 69). Da die Schule mit Bescheid vom 8. Mai 2019 das Ende des Besuchs des Sohnes der Antragsteller zum 25. Juli 2019 anordnete, die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts jedoch weder gesetzlich vorgesehen ist noch durch die Schule angeordnet wurde, kommt der Klage der Antragsteller gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung zu mit der Folge, dass bis zur Entscheidung in der Hauptsache der Besuch des Sohnes der Antragsteller in der Einrichtung nicht beendet ist, ohne dass es auf den Erlass eines Verwaltungsakts, der L. den weiteren Besuch ermöglicht, ankäme. An diesem Befund ändern auch nichts die von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren vorgelegten Gutachten sowie die im Schriftsatz vom 7. Oktober 2019 erfolgten Ausführungen, die die Feststellungen der Schule, dass eine weitere Förderung von L. nicht möglich ist, untermauern sollen, da es für das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht entscheidungserheblich darauf ankommt, ob diese Feststellungen einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Darüber wird im anhängigen Hauptsacheverfahren zu entscheiden sein.
2. Aus alledem ergibt sich auch, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, eine Stellungnahme zum Antrag der Antragsteller auf Gewährung von Eingliederungshilfe für eine Schulbegleitung für L. gegenüber dem Bezirk Unterfranken abzugeben. Denn aufgrund des Suspensiveffekts der Klage ist L. berechtigt, die schulvorbereitende Einrichtung bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren weiter zu besuchen. Da der Einsatz einer Schulbegleitung in einer schulvorbereitenden Einrichtung in privater Trägerschaft gemäß § 82 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 3 Satz 2 VSO-F der Genehmigung des Schulträgers bedarf, lässt sich daraus eine grundsätzliche schulische Mitwirkungspflicht in Form der Stellungnahme zu Anträgen auf Gewährung von Eingliederungshilfe für eine Schulbegleitung ableiten. Auch hierauf hat das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 unter Zugrundelegung von zwei Anträgen, denen im mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss stattgegeben wurde.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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