Verwaltungsrecht

Gewährung von Prozesskostenhilfe, Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Aufschiebende Wirkung, Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse, Verwaltungsgerichte, Antragsgegner, Rückwirkende Bewilligung, Befähigung zum Richteramt, Prozeßkostenhilfeverfahren, Antragstellers, Obdachlosigkeit, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Beschwerdeschrift, Beschwerde gegen, Wert des Beschwerdegegenstandes, Bevollmächtigter, Einweisungsbescheid, Räumungsverfügung, Hinreichende Aussicht auf Erfolg, Vorläufiger Rechtsschutz

Aktenzeichen  W 5 S 21.294

Datum:
4.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6973
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 114
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3
BayVwVfG Art. 40
ZPO § 121
ZPO § 114
VwGO § 166

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids der Stadt H. vom 17. Februar 2021 wird wiederhergestellt, die aufschiebende Wirkung gegen Ziffer 4 dieses Bescheids wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Räumungsbescheid der Antragsgegnerin vom 17. Februar 2021.
1.
Der Antragsteller wurde mit Einweisungsbescheid der Antragsgegnerin vom 3. März 2020 zur Beseitigung unfreiwilliger Obdachlosigkeit in die Notunterkunft in H., …, eingewiesen. In der Folgezeit wurde die Einweisung immer wieder verlängert, zuletzt mit Bescheid vom 23. November 2020 bis zum 28. Februar 2021. In sämtlichen Bescheiden wurde er aufgefordert, sich fortlaufend auf dem Wohnungsmarkt um Wohnraum zu bemühen und Nachweise hierfür vorzulegen.
Mit Bescheid vom 17. Februar 2021, dem Antragsteller zugestellt am 24. Februar 2021, verpflichtete die Antragsgegnerin den Antragsteller, die ihm zugewiesene Notunterkunft in H., … bestehend aus einem Zimmer zu räumen und den Schlüssel im Bürgerbüro, M2.platz …, … H2. abzugeben (Ziffer 1). Für die Räumung wurde eine Frist bis spätestens 1. März 2021 um 12:00 Uhr festgesetzt (Ziffer 2). Die sofortige Vollziehung der Maßnahme nach Ziffer 1 wurde angeordnet (Ziffer 3) und dem Antragsteller für den Fall der nicht fristgerechten Räumung unmittelbarer Zwang (Zwangsräumung) angedroht (Ziffer 4).
In den Gründen des Bescheids wurde unter anderem ausgeführt, dass der Antragsteller keinerlei Nachweise über eine Wohnungssuche erbracht habe, obwohl er bereits im ersten Einweisungsbescheid aufgefordert worden sei, sich fortlaufend auf dem freien Wohnungsmarkt um Wohnraum zu bemühen und wöchentlich Nachweise vorzulegen. Er verfüge über Einkommen aus der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und somit über eigene Mittel, um sich selbst eine Wohnung zu beschaffen. Außerdem erhalte er in der Unterkunft regelmäßig Besuch von verschiedenen Personen. Frau … L. halte sich nach Zeugenaussagen dauerhaft bei ihm auf. Des Weiteren lägen Aussagen vor, dass sich der Antragsteller unberechtigter Weise Zutritt zu anderen Zimmern der Obdachlosen verschafft habe und körperlich gewalttätig geworden sei. Durch sein Verhalten habe er grob fahrlässig gegen die Bestimmungen des Einweisungsbescheids verstoßen. Aus diesen Gründen sei eine Unterbringung in der Obdachlosenunterkunft nicht mehr tragbar und für die Stadt Haßfurt nicht mehr zumutbar (Schutz des Eigentums). Die beim Erlass des Einweisungsbescheids angenommene Gefahr für die öffentliche Sicherheit sei daher seit längerem nicht mehr gegeben. Die Stadt Haßfurt sei nicht mehr verpflichtet, den Antragsteller notdürftig unterzubringen. Weil sich der Antragsteller ohne Rechtsgrund in der Unterkunft aufhalte, gefährde sein weiterer Aufenthalt die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung. Die Stadt Haßfurt sei verpflichtet, diesen rechtswidrigen Zustand umgehend zu beenden, damit die Notunterkunft wieder ihrer eigentlichen Zweckbestimmung zugeführt werden könne. Da der Antragsteller nicht freiwillig bereit sei, die Unterkunft zu räumen, habe nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG die Räumung der Notunterkunft angeordnet werden müssen. Die sofortige Vollziehung der Maßnahme werde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im besonderen Interesse angeordnet. Da sich der Antragsteller unberechtigt in der Notunterkunft aufhalte, bestehe schon aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vermeidung von Berufungsfällen ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse. Darüber hinaus würden die Räume für die Einweisung unfreiwillig obdachloser Personen benötigt. Da sich der Antragsteller rechtswidrig in den Räumen aufhalte, ergebe die vorzunehmende Abwägung, dass das öffentliche Interesse überwiege.
2.
Am 26. Februar 2021 ließ der Antragsteller Klage (W 5 K 21.293) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Februar 2021 erheben und im hiesigen Verfahren den Antrag stellen:
Die aufschiebende Wirkung wird wiederhergestellt, soweit der genannte Bescheid für sofort vollziehbar erklärt wurde.
Ferner stellte er einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Zur Begründung trug der Bevollmächtigte des Antragstellers vor, dass die in dem Bescheid gesetzte Räumungsfrist, 1. März 2021 um 12 Uhr, für den Antragsteller unzumutbar kurz sei. Des Weiteren seien die in der Verfügung vorgetragenen Gründe unzutreffend. Der Antragsteller sei auf Wohnungssuche, was durch seine Mutter bezeugt werden könne. Dass er regelmäßig Besuche verschiedener Personen in der Unterkunft erhalte, sei nicht zutreffend. Auch Frau L. wohne nicht dauerhaft bei ihm. Richtig sei, dass es einmal eine Auseinandersetzung mit einem Mitbewohner, Herrn Z., gegeben habe. Diese sei allerdings längst beigelegt. Der Antragsteller habe derzeit keine Möglichkeit, kurzfristig anderweitig unterzukommen. Der angegriffene Bescheid sei daher rechtswidrig und wie beantragt aufzuheben.
3.
Die Antragsgegnerin stellte den Antrag,
den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzuweisen.
Zur Begründung wurde vorgetragen: Der Antragsteller befinde sich im Bezug von Leistungen in Form von Grundsicherung im Alter und bei voller Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Er verfüge somit über eigene Mittel, sich selbst eine Wohnung zu verschaffen. Ein Anspruch auf ordnungsrechtliches Einschreiten bestehe nur, soweit und solange die Gefahr nicht selbst aus eigenen Kräften oder mit Hilfe der Sozialleistungsträger behoben werden könne. Die Selbsthilfe habe daher Vorrang vor ordnungsrechtlichen Maßnahmen. Außerdem sei die Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft auf kurze Zeit begrenzt. Es liege hier daher keine unfreiwillige Obdachlosigkeit mehr vor. Des Weiteren seien bis zum heutigen Tage keinerlei Nachweise über eine Wohnungssuche erbracht worden. Der Antragsteller erhalte regelmäßig Besuch verschiedener Personen in der Unterkunft. Frau … L. halte sich dauerhaft bei ihm auf. Auch lägen Aussagen vor, dass sich der Antragsteller in unberechtigter Weise Zutritt zu dem Zimmer eines anderen Obdachlosen verschafft habe und diesem gegenüber körperlich gewalttätig geworden sei. Es sei zu mehreren Polizeieinsätzen gekommen. Der Antragsteller habe durch sein Verhalten grob fahrlässig gegen die Bestimmungen des Einweisungsbescheids verstoßen. Eine vorherige Anhörung sei aufgrund der Gefahr im Verzug unterblieben. Die Stadt Haßfurt könne körperliche An- und Übergriffe in der Obdachlosenunterkunft nicht zulassen.
4.
Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Behördenakte Bezug genommen.
II.
Nach sachgerechter Auslegung (§ 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO) ist der Antrag des anwaltlich vertretenen Antragstellers, der sich gegen die Räumungsverfügung vom 17. Februar 2021 wendet und explizit einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stellt, dahingehend zu verstehen, dass einstweiliger Rechtsschutz hinsichtlich dieses Räumungsbescheids, mithin ein Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 17. Februar 2021 begehrt wird.
Ein darüber hinaus gehendes Rechtsschutzbegehren hinsichtlich einer einstweiligen Anordnung i.S.v. § 123 VwGO gerichtet auf die weitere vorläufige Unterbringung kann dem Antrag mithin nicht entnommen werden. Auch die Begründung des Antrags enthält keinen Hinweis darauf, dass der Antragsteller die Durchsetzung eines Anspruchs auf Verlängerung der Überlassung der zugewiesenen Notunterkunft geltend macht.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig und begründet.
1.
Der Antrag ist zulässig, soweit der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 17. Februar 2021 wiederherzustellen. Denn die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die insoweit von der Antragsgegnerin getroffene Anordnung entfällt, weil diese in Ziffer 3 des Bescheids die unter Ziffer 1 getroffene Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt hat. In diesem Fall kann das Gericht der Hauptsache nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung wiederherstellen.
Soweit der Antrag gegen die in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Androhung unmittelbaren Zwangs gerichtet ist, ist er ebenfalls zulässig und insbesondere statthaft. Denn nach Art. 21a Satz 1 VwZVG haben Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden. Gemäß Art. 21a Satz 2 VwZVG gelten § 80 Abs. 4, 5, 7 und 8 der VwGO entsprechend. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in einem solchen Fall auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen.
2.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist auch begründet.
Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. seines Widerspruchs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 68 und 73 ff.). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
2.1.
Es bestehen schon Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach hat die Behörde das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Die Begründungspflicht hat eine Warn- und Unterrichtungsfunktion. Die Begründung soll nachvollziehbar machen, warum nach Auffassung der Behörde mit dem Vollzug des Verwaltungsaktes nicht bis zu seiner Bestandskraft bzw. bis zu dem Zeitpunkt zugewartet werden kann, in dem der Verwaltungsakt gemäß § 80b Abs. 1 VwGO kraft Gesetzes vollziehbar wird. Ferner soll die Begründungspflicht der Behörde den Ausnahmecharakter von Entscheidungen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO vor Augen führen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Interesse im Raum steht, das es rechtfertigt, das Prinzip der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen nach § 80 Abs. 1 VwGO zu durchbrechen. Nicht zuletzt soll die Begründungspflicht nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO dem Gericht die Prüfung der Überlegungen der Behörde ermöglichen. Soll die Begründung diesen Zielsetzungen gerecht werden, muss sie das überwiegende Vollzugsinteresse grundsätzlich anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles nachvollziehbar darlegen. Pauschale, formelhafte und für eine beliebige Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare Formulierungen genügen deshalb den gesetzlichen Anforderungen grundsätzlich nicht (Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 80 Rn. 84 f.).
Die Antragsgegnerin stellt im streitgegenständlichen Bescheid diesbezüglich auf Gründe der Rechtssicherheit und auf die Vermeidung von „Berufungsfällen“ ab, ferner auf wirtschaftliche Gründe. Dies sind Argumente, die in jedem Fall zutreffen und nicht eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses, wie es in § 80 Abs. 3 VwGO gefordert wird, darstellen. Die privaten Interessen des Antragstellers werden mit keinem Wort erwähnt.
2.2.
Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob diese Begründung noch den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entspricht, da eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, anhand der Sach- und Rechtslage zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung ergibt, dass diese Klage voraussichtlich Erfolg haben wird. Es spricht einiges dafür, dass die in Ziffer 1 des Bescheids vom 17. Februar 2021 getroffene Regelung rechtswidrig ist und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Im Einzelnen:
2.2.1.
Es ist schon fraglich, ob hier die Voraussetzungen für den Erlass einer Räumungsverfügung vorliegen. Die zuständige Gefahrenabwehrbehörde kann u.a. dann eine Räumungsverfügung erlassen, wenn nach Ablauf der Einweisungsfrist der Eingewiesene die ihm zugewiesene Unterkunft, nicht freiwillig räumt (vgl. Ruder/Bädge, Obdachlosigkeit, S. 151, 153 f.). Dies ist hier der Fall, denn die mit bestandskräftigem Bescheid vom 23. November 2020 erfolgte Zuweisung war bis zum 28. Februar 2021 befristet (vgl. Ziffer 2 dieses Bescheids). Eine weitere Verlängerung der Zuweisung ist nicht erfolgt. Der Antragsteller hat nach Ablauf der Frist die Unterkunft auch nicht freiwillig geräumt.
Die Räumungsanordnung kann dann auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG (wie vorliegend geschehen, vgl. Begründung des Bescheids vom 17.2.2021, S. 2) gestützt werden, wonach die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen können, um Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder Sachwerte, deren Einhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen. Allerdings ist die Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG nachrangig gegenüber der Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG (vgl. Holzner in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 15. Ed. 1.11.2020, LStVG, Art. 7 Rn. 47), nach der die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen können, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, oder verfassungsfeindliche Handlungen zu verhüten oder zu unterbinden. Insoweit hat die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid angedeutet – ohne dies allerdings näher darzulegen – dass sie auch zur Unterbindung rechtswidriger Taten tätig geworden ist. Letztlich muss hier die Frage der dem streitgegenständlichen Bescheid zugrunde zu legenden Ermächtigungsgrundlage nicht abschließend entschieden werden, da der Bescheid an einem Ermessensfehler leidet.
2.2.2.
Der Erlass von Anordnungen für den Einzelfall nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 – 3 LStVG liegt im Ermessen der Behörde. Die von dieser zu treffende Entscheidung umfasst sowohl die Frage, ob sie handeln will (Entschließungsermessen) als auch die Frage, wie sie handeln will (Auswahlermessen). Dabei hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Ein Ermessensfehler liegt zunächst dann vor, wenn die Behörde überhaupt kein Ermessen ausgeübt hat (sog. Ermessensnichtgebrauch oder -ausfall), wenn sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschreitet (sog. Ermessensüberschreitung), wenn sie nicht alle nach Lage des Falles betroffenen Belange in ihre Ermessensentscheidung eingestellt, sie ihre Entscheidung also auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen hat (sog. Ermessensdefizit) und schließlich wenn von dem durch die Befugnisnorm eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist, die Behörde sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder ein Belang willkürlich falsch gewichtet (sog. Ermessensfehlgebrauch) worden ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 114 Rn. 14 ff.).
Ob die Ermessensausübung im Einzelfall pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, lässt sich nur anhand der nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG erforderlichen Begründung des Bescheids ermitteln (Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 14 ff.). Eine bezüglich der Ermessensausübung fehlende oder unzureichende Begründung indiziert einen Ermessensnicht- oder -fehlgebrauch, sofern sich nicht aus den Umständen anderes ergibt. Die von Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG verlangten Ermessensbegründungen haben verfahrensrechtlichen Charakter, geben also für die materielle Frage, ob Ermessen überhaupt oder missbräuchlich ausgeübt worden ist und seine Grenzen eingehalten worden sind, nur Anhaltspunkte, denen andere Belege, z.B. aus Aktenvermerken, gleichstehen (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 39 Rn. 29 m.w.N.). Fehlt in einer gegebenen Begründung ein wesentlicher Gesichtspunkt, so spricht dies für die Annahme, dass dieser Punkt auch tatsächlich übersehen wurde (Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 23). Das Fehlen einer Ermessensbegründung ist ein starkes Indiz für einen materiellen Ermessensausfall (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39 Rn. 29 m.w.N.).
Insbesondere leidet der Bescheid vom 17. Februar 2021 an einem Ermessensfehler in Form des Ermessensausfalls (§ 114 S. 1 VwGO i.V.m. Art. 40 BayVwVfG), soweit die Antragsgegnerin feststellt, dass nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG die Räumung der Notunterkunft angeordnet werden „musste“, da der Antragsteller nicht freiwillig bereit sei, die Notunterkunft zu räumen. Irgendwelche Ermessengründe werden nicht genannt. Weitergehende Überlegungen zu der Räumungsverfügung und den konkreten Umständen des Einzelfalles finden sich im Bescheid nicht. So finden die Einkommenssituation des Antragstellers, die Möglichkeit der Wohnungsbeschaffung, die ersatzlose Beendigung des bisherigen Benutzungsverhältnisses bzw. eine etwaige Verlegung des Antragstellers in eine andere Unterkunft keinen Eingang in eine Ermessensprüfung, was auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Räumungsmaßnahme an Bedeutung gewinnt.
In diesem Zusammenhang ist der Antragsgegnerin auch ein weiterer Ermessensfehler unterlaufen, wenn aus der Begründung des Bescheids sich die Vorstellung der Antragsgegnerin entnehmen lässt, den Antragsteller bis auf weiteres gar nicht mehr unterbringen zu müssen.
Droht nämlich einer Person unmittelbar nach der Räumung der Notunterkunft die unfreiwillige Obdachlosigkeit, so hat die zuständige Gefahrenabwehrbehörde die dadurch drohende Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch den Erlass einer Einweisungsverfügung zu beseitigen (vgl. Ruder/Bätge, Obdachlosigkeit, S. 156). Denn nach Art. 6 und Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG sind die Gemeinden als untere Sicherheitsbehörden verpflichtet, Gefahren abzuwehren und Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen bedrohen oder verletzen. Dazu gehört die Unterbringung unfreiwillig Obdachloser.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und anderer Obergerichte ändert auch die aus einem unangepassten, sozialschädlichen Verhalten des Obdachlosen folgende „Unterbringungsunfähigkeit“ in einer Gemeinschaftseinrichtung an der grundsätzlichen Verpflichtung der Sicherheitsbehörde zur Gefahrenabwehr nichts (BayVGH, B.v. 27.12.2017 – 4 CS 17.1450 – juris Rn. 13 f.; VGH Mannheim, B.v. 27.11.2019 – 1 S 2192/19 – juris Rn. 15 f.; OVG Münster, B.v. 10.7.2019 – 9 B 882/19 – juris Rn. 3; zu der Problematik der „nicht unterbringungsfähigen Obdachlosen“ vgl. ausführlich und m.w.N. zur Rspr. sowie weiterführenden Hinweisen, Ehmann, Obdachlosigkeit in Kommunen, 3. Aufl. 2019, S. 42 ff.). Bei festgestellter Selbst- oder Fremdgefährdung kommt allerdings in Ausnahmefällen eine Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz in Betracht (BayVGH, B.v. 27.12.2017 – 4 CS 17.1450 – juris Rn. 13 f.; a.A. OVG Münster, B.v. 10.7.2019 – 9 B 882/19 – juris Rn. 3).
Nach den gegenwärtig vorliegenden Informationen droht dem Antragsteller, wenn er die Notunterkunft in Haßfurt verlassen muss, wohl die Obdachlosigkeit. Dann müsste die Antragsgegnerin nach einer Räumung erneut sicherheitsrechtlich gegen die eintretende Obdachlosigkeit des Antragstellers einschreiten. Denn dem Antragsteller steht nach der derzeitigen Erkenntnislage anhand der vorgelegten Akten keine anderweitige Wohnmöglichkeit oder Unterkunft zur Verfügung. Es ist ihm kurzfristig wohl auch nicht möglich, die Wohnungslosigkeit aus eigener Kraft zu beseitigen. Die Antragsgegnerin hat in dem streitgegenständlichen Bescheid jedenfalls keine tragfähigen Gründe dafür genannt, um eine andere Beurteilung der Situation rechtfertigen zu können. Die Einkommenssituation des Antragstellers hat sich ausweislich der Begründung im streitgegenständlichen Bescheid, die von Bezügen nach dem SGB XII ausgeht, nicht geändert. Nähere Informationen hierzu enthält weder der Bescheid noch die vorgelegte Behördenakte. Daneben kann anhand des Akteninhalts und der Bescheidbegründung nicht davon ausgegangen werden, dass die erforderliche Unterbringung des Antragstellers nach sicherheitsrechtlichen Maßstäben und den Anforderungen des Obdachlosenrechts nicht mehr zu bewältigen ist. Unter diesen Gesichtspunkten sind die konkreten Anhaltspunkte in der Behördenakte und folglich auch im streitgegenständlichen Bescheid sehr dürftig, soweit dort die Vorsprache des Antragstellers am 6. Juli 2020 sowie von zwei Mitbewohnern am 10. Februar 2021 und über einen Polizeieinsatz dokumentiert sind.
Des Weiteren bleibt noch darauf hinzuweisen (ohne dass dies entscheidungserheblich wäre), dass die nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erforderliche Anhörung nicht durchgeführt wurde. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin liegt hier auch kein Fall des Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 BayVwVfG vor. Gefahr im Verzug i. S. des Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 BayVwVfG setzt voraus, dass durch die vorherige Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass der Zweck der zu treffenden Regelung nicht erreicht wird. Abzustellen ist darauf, ob die Maßnahme selbst bei mündlicher, eventuell telefonischer Anhörung zu spät käme (Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 28 Rn. 51 m.w.N.). Dies war hier jedoch nicht der Fall. Es wäre der Antragsgegnerin ohne Weiteres möglich gewesen, vor Erlass des Bescheides am 17. Februar 2021 den Antragsteller kurzfristig anzuhören. Es kann hier aber wohl von einer Heilung i.S.v. Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG ausgegangen werden.
Abschließend bestehen rechtliche Bedenken hinsichtlich der von Seiten der Antragsgegnerin eingeräumten Frist zur Durchführung der Räumung von wenigen Tagen (Zustellung des Bescheids erst am 24. Februar 2021).
Im Ergebnis ist die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers wiederherzustellen. Dies hat zur Folge, dass der Antragsteller bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache in der Unterkunft verbleiben kann. Eine Verlängerung der Einweisung ist damit jedoch nicht verbunden. Es bleibt der Antragsgegnerin belassen, ein neues Verwaltungsverfahren einzuleiten mit dem Ziel, eine neue Anordnung zu erlassen. Dabei ist insbesondere eine genauere Darlegung der aktuellen Einkommens- und Vermögenverhältnisse des Antragstellers einer Inpflichtnahme des Antragstellers bei der Nachweiserbringung zur Wohnungssuche sowie ggflls. eine genaue Dokumentation der Vorkommnisse in der Einrichtung Rechnung zu tragen.
2.3.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 4 des Bescheids vom 17. Februar 2021 ist ebenfalls begründet. Nach summarischer Prüfung hält die Kammer die in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids ausgesprochene Androhung des unmittelbaren Zwangs für rechtswidrig, da sie der Durchsetzung einer rechtswidrigen Maßnahme dienen würde (vgl. oben 2.2.2.). Mithin war dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu entsprechen und die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO anzuordnen.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1 und 2, 52 Abs. 2 und 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 35.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs 2013.
4.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war trotz der Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage abzulehnen. Nach § 166 Abs. 1 VwGO i.V. mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe nur dann, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers wurde weder mit Einreichung des Antrags bei Gericht vorgelegt noch – entgegen der Ankündigung im Schriftsatz vom 26. Februar 2021 – nachgereicht. Auch lassen sich diese dem Vortrag des Bevollmächtigten des Antragstellers und den Angaben in der Behördenakte nicht entnehmen.
I.
Mit Beschluss vom 4. März 2021 stellte das Verwaltungsgericht Würzburg die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen Ziffer 1. des Bescheids der Stadt Haßfurt vom 17. Februar 2021 wieder her und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 4. dieses Bescheids an. Der vom Bevollmächtigten des Antragstellers gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde unter Ziffer IV. des Beschlusses jedoch abgelehnt, da dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nicht vorlag.
Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 5. März 2021 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 12. März, bei Gericht eingegangen am 16. März 2021, legte der Bevollmächtigte des Antragstellers Beschwerde gegen Ziffer IV. des Beschlusses vom 4. März 2021 ein mit der Begründung, dass die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen inzwischen mit Schriftsatz vom 8. März 2021 nachgereicht worden sei. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe seien somit gegeben.
II.
Der Beschluss vom 4. März 2021 war in Ziffer IV. abzuändern und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten rückwirkend zu gewähren, da die Voraussetzungen des § 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 ZPO nunmehr vorliegen.
1.
Der Antragsteller kann nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen, und die erhobene Klage bietet hinreichend Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig. Des Weiteren erscheint die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich.
Die Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse nach § 117 ZPO wurde vom Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom 8. März 2021 vorgelegt. Damit hat der Antragsteller sein Unvermögen, die zu erwartenden Kosten des Prozesses aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu bestreiten, dargelegt. Der Antragsteller bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach SGB XII. Bezieher von Sozialhilfe nach dem SGB XII sind im Regelfall nicht zu Ratenzahlungen im Prozesskostenhilfeverfahren heranzuziehen, obwohl auch Sozialleistungen Einkommen im Sinne von § 115 ZPO darstellen (vgl. OLG München, B.v. 18.5.1995 – 2 WF 764/95 – FamRZ 1996, 42). Im konkreten Fall ist aufgrund der dargelegten Einkünfte auch keine von diesem Grundsatz abweichende Beurteilung angezeigt.
Bezüglich der Erfolgsaussichten des Antrags im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird vollumfänglich auf die Ausführungen im Beschluss vom 4. März 2021 verwiesen.
Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war daher stattzugeben und Ziffer IV. des Beschlusses vom 4. März 2021 dementsprechend abzuändern.
2.
Es kann daher im Übrigen dahinstehen, ob vorliegend aufgrund der Regelung in § 146 Abs. 2 VwGO eine Beschwerde überhaupt zulässig ist. Nach § 146 Abs. 2 VwGO ist die Beschwerde bei einer Ablehnung der Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, soweit das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint. Jedenfalls konnte der Antrag des Bevollmächtigten als Antrag auf eine neue, den ursprünglichen Beschluss abändernde Entscheidung hinsichtlich der Gewährung von Prozesskostenhilfe verstanden werden (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO), über den vorliegend entschieden wurde.
3.
Der Abänderung des Beschlusses vom 4. März 2021 in Ziffer IV. steht nicht entgegen, dass das Verwaltungsgericht damit bereits abschließend über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu Gunsten des Antragstellers entschieden hat.
Es handelt sich nicht um einen Fall der rückwirkenden Bewilligung, da das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen und beendet ist, sondern die Frist für die Einlegung einer möglichen Beschwerde durch die Antragsgegnerin noch läuft. Eine rückwirkende Bewilligung wäre dagegen nur dann anzunehmen, wenn die (weitere) Rechtsverfolgung im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr beabsichtigt oder nicht mehr möglich ist, eine Förderung des Rechtsstreits mithin nicht mehr in Betracht kommt (Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 166 Rn. 132). Davon ist allerdings nicht auszugehen, da eben noch kein rechtskräftiger Abschluss der kostenverursachenden Instanz mit Beendigung der Rechtshängigkeit (§ 90 VwGO) vorliegt. Selbst dann aber wird aus Billigkeitsgründen eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Betracht gezogen, wenn der Betroffene Prozesskostenhilfe in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Maßnahme beantragt hat, die sich auf eine kurze Zeitspanne bezieht. In diesem Fall ist eine auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Antrags zurückwirkende Gewährung von Prozesskostenhilfe selbst für die rechtskräftig abgeschlossene Instanz möglich (Posser/Wolff BeckOK VwGO, Stand: 1.1.2021, § 166 Rn. 48). Eine ähnliche Konstellation bzw. zumindest gleich zu behandelnde Situation ist hier gegeben, da die Entscheidung des Gerichts aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die vollständigen Unterlagen zu den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen des Antragstellers noch nicht vorlagen und dies dem Bevollmächtigten des Antragstellers nicht anzulasten ist.


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