Verwaltungsrecht

Grundsätzliches Fehlen einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Verfolgung in Äthiopien bei Vorverfolgung und exilpolitischer Betätigung

Aktenzeichen  B 7 K 17.30304

Datum:
25.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 2792
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 28 Abs. 1 lit. a, § 30 Abs. 3, § 37 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
RL (EG) 95/2011 Art. 4 Abs. 4

 

Leitsatz

1 Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG ist im Hinblick auf Äthiopien aufgrund der gegenwärtigen Auskunftslage und der aktuellen politischen Veränderungen, insbesondere im Jahr 2018, derzeit als widerlegt anzusehen. (Rn. 41 – 49) (redaktioneller Leitsatz)
2 Äthiopische Asylbewerber, die sich zu einer Exilorganisation bekennen, erwartet für den Fall der Rückkehr nach Äthiopien nicht generell mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG; das gilt unabhängig davon, ob sie dort bloße “Mitläufer”, durchschnittlich engagierte Mitglieder oder in herausgehobener Art und Weise tätig waren. (Rn. 50 – 64) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt ist in Äthiopien nicht erkennbar. (Rn. 70 – 71) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid des Bundesamtes für … vom 24. Januar 2017 wird in den Ziffern 1 bis 3 insoweit aufgehoben, als die darin ausgesprochenen Antragsablehnungen als „offensichtlich unbegründet“ erfolgt sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat lediglich Erfolg, soweit die Antragsablehnung in Ziffern 1-3 des angefochtenen Bescheides als „offensichtlich unbegründet“ erfolgte. Im Übrigen, insbesondere hinsichtlich der begehrten Schutzgewährungen, war die Klage dagegen abzuweisen.
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere wurde die Ablehnung der Asylanerkennung, des Flüchtlingsschutzes und des subsidiären Schutzes als „offensichtlich unbegründet“ – nach sachgerechter Auslegung gem. § 88 VwGO (vgl. Schriftsatz vom 02.02.2017) – ebenfalls in zulässigerweise zum Gegenstand der Klage gemacht. Die „Offensichtlichkeitsentscheidung“ der Beklagten nach § 30 Abs. 3 AsylG ist nämlich mit einer eigenen materiell-rechtlichen Beschwer verbunden und kann daher auch insoweit zum Gegenstand einer isolierten Anfechtungsklage gemacht werden (BVerwG, U.v. 21.11.2006 – 1 C 10.06 – juris; VG Ansbach, U.v. 2.10.2018 – AN 3 K 17.34111 – juris; Schröder in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 30 AsylVfG Rn. 45). Dementsprechend ist auch unerheblich, dass im Klageverfahren kein weitergehender Verpflichtungsantrag auf Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten i.S.d. Art. 16a GG gestellt wurde, sondern die Verpflichtungsanträge insoweit auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzes „beschränkt“ wurden (vgl. VG Berlin, U.v. 28.11.2018 – 6 K 745.16 A – juris).
II.
Die Klage ist jedoch nur teilweise begründet. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind nicht zu beanstanden. Der Bescheid vom 24.01.2017 ist dagegen rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Ablehnung des Asylantrags und des Antrags auf Zuerkennung des internationalen Schutzes als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG erfolgt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt Folgendes:
Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 – Au 5 K 16.30604 – juris).
Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris).
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht folgt diesbezüglich zunächst den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist auf folgendes hinzuweisen:
a) Dem Kläger ist es auch in der mündlichen Verhandlung nicht gelungen, einen schlüssigen und widerspruchsfreien Sachvortrag abzuliefern, so dass das Gericht dem Vorfluchtgeschehen keinen Glauben schenkt.
Widersprüchlich sind bereits die klägerischen Angaben zu den Opfern anlässlich der Demonstration am 06.02.2013. Der Kläger erklärte im Rahmen der persönlichen Anhörung beim Bundesamt am 06.09.2016 wiederholt – und auch auf Nachfrage des Entscheiders – es seien zwei Demonstranten von den Sicherheitskräften erschossen worden. Angesprochen hierauf in der mündlichen Verhandlung, war plötzlich hiervon keine Rede mehr. Der Kläger erklärte hingegen dem Gericht, die zwei Personen (Schüler) seien lediglich angeschossen worden, ohne dass er auch nur ansatzweise darlegen konnte, wie er nunmehr zu der Erkenntnis gekommen ist, dass die Personen lediglich angeschossen worden sind bzw. warum bei beim Bundesamt die Rede vom Tod der Personen war.
Der Kläger konnte auch nicht schlüssig zur Überzeugung des Gerichts darlegen, wie er den Sicherheitskräften bei der Demonstration entkommen konnte. Nach eigenen Angaben ist der Kläger – zusammen mit den Mitorganisatoren und den anderen Gruppenmitgliedern – an der Spitze des Zuges gelaufen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden bei derartigen Demonstrationen vorrangig die Organisatoren und die Rädelsführer festgenommen. Der Kläger war jedoch nicht in der Lage, dem Gericht zu erklären, warum andere festgenommen worden seien, er jedoch nicht. Er erklärte lediglich pauschal, Schüsse in die Luft hätten den Zug auseinandergetrieben. Daher habe ihn die Polizei nicht festnehmen können. Diese Einlassung erscheint wenig glaubwürdig, da die Polizei den Demonstrationszug bereits mehrere Stunden beobachtet und zusätzlich das Militär zur Verstärkung angefordert hat. Daher ist davon auszugehen, dass die Sicherheitskräfte auf den Kläger – falls er tatsächlich den Zug (mit) angeführt hätte – ein besonderes Augenmerk gehabt hätten, sodass er nicht ohne weiteres hätte entkommen können.
Zumindest missverständlich bzw. undurchsichtig sind auch die klägerischen Angaben zum Aufenthalt nach dem Verlassen der Demonstration. Der Kläger erklärte beim Bundesamt einerseits, er habe nach dem Auflösen der Demonstration die Stadt schnell verlassen und sei in das Dorf Amida geflüchtet. Als er nach drei Tagen im Dorf wieder in die Stadt zurückkehren wollte, habe man ihn gewarnt, dass sein Bild überall in der Stadt aufgehängt worden sei, sodass er sich entschlossen habe, am 09.02.2013 von Amida zu Fuß nach Ali zu gehen. Im weiteren Verlauf der Anhörung beim Bundesamt bzw. auf Nachfrage des anhörenden Entscheiders trug der Kläger hingegen vor, als er mitbekommen habe, dass sein Foto in der Stadt ausgehängt wurde, habe er mit zwei anderen die Stadt verlassen. Von daher ist schon nicht nachvollziehbar bzw. widersprüchlich, wann der Kläger die Stadt überhaupt verlassen hat.
Ferner ist der klägerische Vortrag im Zusammenhang mit den in der Stadt aufgehängten Bildern äußerst vage und oberflächlich. Der Kläger konnte schon im Ansatz nicht plausibel darlegen, warum gerade Bilder von vier Organisatoren bzw. Demonstranten aufgehängt worden sein sollen, obwohl die Demonstration von fünf Personen organisiert worden sei. Daneben hat der Kläger auch keine weiteren Angaben zu den Bildern machen können. Vielmehr berief er sich nur auf Erzählungen „vom Hörensagen“. Insoweit hat das Gericht den Eindruck gewonnen, dass die Geschichte mit den Bildern, die immer wieder in Verfahren äthiopischer Asylbewerber zur Sprache kommen, im Fall des Klägers kaum der Wahrheit entsprechen dürfte.
Letztlich sind auch die Angaben zur Ausreise des Klägers aus Äthiopien unstimmig bzw. widersprüchlich. Er erklärte auf Frage des Gerichts zunächst, er habe bereits am 13.02.2013 Äthiopien verlassen und die Grenze zum Sudan überschritten. Auf Vorhalt des Gerichts, wonach er beim Bundesamt angegeben hat, er sei nach der Demonstration noch elf Tage im Land gewesen, korrigierte der Kläger sodann seine Aussage und trug vor, er sei am 13.02.2013 zwar schon an der Grenze zum Sudan in Metema gewesen, habe aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausreisen können. Auch dieser Versuch einer Rechtfertigung der Unstimmigkeiten überzeugt das Gericht nicht. Insoweit bestehen nämlich wiederrum massive Widersprüche zu den Angaben beim Bundesamt. Im Rahmen der Anhörung erklärte der Kläger einerseits, er sei schon am 10.02.2013 in Metema gewesen und habe eine Woche lang versucht, die Grenze zu überschreiten. Andererseits erklärte er dem Bundesamt im weiteren Verlauf der Anhörung, er sei am 09.02.2013 von Amida*zu Fuß in die Stadt Ali*gelaufen, von dort aus mit dem Auto nach Robe gefahren und von Robe aus nach Addis Abeba.*Anschließend habe er eine Nacht in Addis Abeba verbracht, bevor er weiter nach Bahir Dar gefahren sei, wo er eine weitere Nacht verbracht habe, bevor er am nächsten Tag nach Metema gefahren sei. Dementsprechend ist es – wenn der Kläger schon auf derart exakte Daten beharrt – nicht nachvollziehbar, wie der Kläger – angesichts der beschriebenen Reiseroute bzw. Reisedauer – bei einem Aufbruch am 09.02.2013 in Amida*schon am 10.02.2013 in Metema gewesen sein will.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass dem Vorfluchtgeschehen des Klägers kein Glauben geschenkt werden kann. Obwohl der Kläger auf den ersten Blick eine schlüssige und zusammenhängende Fluchtgeschichte abgeliefert hat, haben sich bei Nachfragen – offensichtlich außerhalb des auswendig Einstudierten – doch teilweise massive Widersprüchlichkeiten und Unstimmigkeiten aufgetan, die im Gesamtergebnis dazu führen, dass der Kläger seine Fluchtgeschichte nicht glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen konnte.
b) Lediglich ergänzend – und ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankommt -weist das Gericht noch daraufhin, dass jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) – selbst wenn das geschilderte Vorfluchtgeschehen der Wahrheit entsprechen würde – die geschilderte Fluchtgeschichte nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen einer Verfolgung aus politischen Gründen führen würde. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG, wonach bei einem wegen politischer Oppositionstätigkeit vorverfolgten Asylbewerber die Verfolgungsfurcht weiterhin begründet ist bzw. er tatsächlich Gefahr läuft, bei einer Rückkehr ernsthaften Schaden zu erleiden, ist aufgrund der gegenwärtigen Auskunftslage und der aktuellen politischen Veränderungen, insbesondere in Jahr 2018, gegenwärtig als widerlegt anzusehen (VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 – B 7 K 17.33349 – juris; VG Bayreuth, U.v. 31.10.2018 – B 7 K 17.32826 – juris; VG Bayreuth, U.v. 7.12.2018 – B 7 K 17.31304 – juris; vgl. auch VG Regensburg, U.v. 13.11.2018 – RN 2 K 17.32132 – juris). Anlässlich der aktuellen Entwicklungen ist nämlich grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass es bei Rückkehrern, die insbesondere anlässlich der Massenproteste der letzten Jahre verhaftet bzw. verfolgt wurden und dann geflohen sind, beachtlich wahrscheinlich zu Verfolgungshandlungen kommt (so auch VG Regensburg, U.v. 13.11.2018 – RN 2 K 17.32132 – juris).
Als Folge des im Frühjahr 2018 eingeleiteten Umbruchs hat sich die Situation für Oppositionelle in Äthiopien grundlegend geändert. In Äthiopien wurden im Jahr 2018 zahlreiche Häftlinge, die anlässlich der Unruhen in Äthiopien verhaftet worden waren, wieder freigelassen (vgl. Auswärtiges Amt, Adhoc Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018, S. 6). Unter dem neuen Premierminister Abiy Ahmed wurde zudem die Einstufung der OLF, ONLF und Ginbot 7 als terroristische Organisationen am 5.7.2018 durch das Parlament aufgehoben (vgl. Auswärtiges Amt, Adhoc Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018, S. 9 und 11; Schweizer Flüchtlingshilfe vom 26.9.2018, Äthiopien: Exilpolitische Aktivitäten, staatliche Überwachung, neuere Entwicklungen, S. 5; vgl. auch https://www.aljazeera.com/news/2018/06/ethiopia-olf-onlf-ginbot-7-terrorlist 180630110501697.html). Das Kabinett wurde umgebildet. Die Hälfte der Ministerposten ist zwischenzeitlich mit Frauen besetzt (http://www.africanews.com/2018/10/16/female-appointees-form-half-of-ethiopia-s-new-cabinet-reports/). Im Hinblick auf die im Jahr 2020 anstehenden Wahlen wurden bereits erste Veränderungen angestoßen (http://www.africanews.com/2018/11/23/ethiopia-pm-opposition-to-discuss-electoral-reforms). Eine frühere – oppositionelle – Richterin wurde vom Parlament zur Vorsitzenden der nationalen Wahlkommission bestellt, um Transparenz und Gleichbehandlung der Parteien zu gewährleisten (http://www.africanews.com/2018/11/22/ethiopia-parliament-approves-birtukan -mideksa-as-elections-boss/). Es ist gegenwärtig nicht ersichtlich, dass diese Neuerungen alsbald – durch „alte Strukturen im Hintergrund“ – wieder rückgängig gemacht werden (können).
Mit Gesetz vom 20.7.2018 wurde ferner allen Äthiopiern, die wegen Verrats, Verbrechen gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder bewaffneten Widerstands verurteilt wurden oder Objekt von Ermittlungen sind, die Möglichkeit der Amnestie eingeräumt (vgl. Auswärtiges Amt, Adhoc Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018, S. 11; Schweizer Flüchtlingshilfe vom 26.9.2018, Äthiopien: Exilpolitische Aktivitäten, staatliche Überwachung, neuere Entwicklungen, S. 5/6). Durch die Amnestie für alle politische Vergehen soll den Oppositionellen ermöglicht werden, eine friedliche politische Karriere in Äthiopien zu verfolgen (vgl. https://www.aljazeera.com/ news/2018/07/ethiopian-grants-amnesty-political-prisoners-180720191811460.html). Daneben hat die äthiopische Regierung am 7.8.2018 in Asmara ein „Friedensabkommen“ mit der OLF geschlossen. Die OLF will ihre politischen Ziele danach künftig mit friedlichen Mitteln durchsetzen (https://www.aljazeera.com/news/africa/2018/08/ethiopia-signs-deal-oromo-rebels-hostilities-180807184317117.html und http://www.africanews.com/2018/08/07/ ethiopia-govt-agrees-peace-deal-with-ex-terror-group-based-in-eritrea).
Am 15.09.2018 wurde schließlich die OLF offiziell in Äthiopien begrüßt und willkommen geheißen (vgl. http://www.africanews.com/2018/09/16/like-pg7-ethiopia-govt-welcomes-oromo-liberation-front -back-home/).
Auch die Ginbot 7 ist zwischenzeitlich von ihrem Stützpunkt im benachbarten Eritrea nach Äthiopien zurückgekehrt, weil deren Kämpfern und Unterstützern in Äthiopien keine Verfolgung mehr droht (http://www.africanews.com/2018/09/03/ethiopia-s-ex-rebel-group-ginbot-7-returns-from-eritrea-base/).
Selbst die früheren Rebellen der ONLF sind aus Eritrea nach Jijiga, der Hauptstadt der Somali-Region, zurückgekehrt, nachdem Mitte November 2018 in Asmara ein Friedensabkommen mit der Regierung geschlossen wurde (http://www.africanews.com/ 2018/11/21/ogaden-rebels-return-to-ethiopia-from-eritrea-jijiga-celebrates/).
Auch die jüngsten Meldungen von Mitte Januar 2019, die Fronten zwischen der Regierung und der OLF hätten sich (wieder) verhärtet, insbesondere die äthiopische Armee habe Luftangriffe auf Gebiete gestartet, die von der OLF besetzt bzw. dominiert waren, haben sich als „fake news“ erwiesen (https://www.africanews.com/2019/01/16/ethiopia-army-airstrikes-on-olf-is-fake-news-oromia-govt/).
Die Zahl der Oppositionellen, die nach Äthiopien zurückkehren, steigt daher stetig und rasant (vgl. http://www.africanews.com/2018/09/03/photos-exiled-oromia-regional-president-returns-to-fanfare/). In Anbetracht dessen besteht für den Kläger, der im Jahr 2013 lediglich eine Schülerdemonstration organisiert haben will, jedenfalls gegenwärtig keinerlei beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus politischen Gründen (mehr). Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Arbeit des neuen Premierministers mit Rückschlägen und Gegenwind verbunden ist (vgl. hierzu auch VG Regensburg, U.v. 13.11.2018 – RN 2 K 17.32132 – juris) Die weiterhin vereinzelten Anschläge und Gewaltakte in Äthiopien vermögen jedoch an der Einschätzung des Gerichts zur politischen Verfolgung nichts zu ändern. Die Gewaltakte finden zum einen im Wesentlichen in der „Somali-Region“ statt. Zum anderen wird vorwiegend von andauernden bzw. schwelenden ethnischen Konflikten zwischen den Bevölkerungsgruppen berichtet (vgl. http://www.africanews.com/2018/09/16/brutal-ethnic-attacks-on-outskirts-of-ethiopia-capital-addis-ababa/; Auswärtiges Amt, Adhoc Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018, S. 6; Schweizer Flüchtlingshilfe vom 26.9.2018, Äthiopien: Exilpolitische Aktivitäten, staatliche Überwachung, neuere Entwicklungen, S. 6), aber nicht von konkret-individuellen Verfolgungshandlungen i.S.d. § 3a AsylG wegen politischer Aktivitäten Einzelner (VG Regensburg, U.v. 13.11.2018 – RN 2 K 17.32132 – juris).
Aufgrund der jüngsten Gesetze, Maßnahmen und Vereinbarungen, verbunden mit der Rückkehr namhafter Exilpolitiker, kann daher nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die (angeblichen) oppositionellen Tätigkeiten des Klägers in Äthiopien zu flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen bei einer Rückkehr führen (VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 – B 7 K 17.33349 – juris; VG Bayreuth, U.v. 31.10.2018 – B 7 K 17.32826 – juris; vgl. auch VG Regensburg, B.v. 19.6.2018 – RO 2 E 18.31617 – juris**VG Regensburg, B.v. 31.7.2018 – RO 2 K 17.33894 – juris; VG Regensburg, U.v. 13.11.2018 – RN 2 K 17.32132 – juris). Es liegen insbesondere auch keinerlei Anhaltspunkte davor vor, dass die vom Parlament beschlossenen Veränderungen zugunsten der politischen Opposition in der (Vollzugs-) Praxis ignoriert würden.
c) Auf den Nachfluchtgrund der exilpolitischen Betätigung kann sich der Kläger ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Zwar ermöglicht § 28 Abs. 1a AsylG die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch dann, wenn die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG auf Ereignisse beruht, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer sein Herkunftsland verlassen hat. Nach Überzeugung des Gerichts ist es aber auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien eine Verfolgung wegen exilpolitischer Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland drohen würde.
In der äthiopischen exilpolitischen Szene gibt es zahlreiche Gruppierungen. Den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen ist zweifelsohne zu entnehmen, dass die äthiopische Regierung die Aktivitäten der äthiopischen Exilorganisationen in der Vergangenheit genau beobachtet hat bzw. durch die Auslandsvertretungen hat beobachten lassen. Ob diese Beobachtungen auch unter dem Regime des seit Anfang April 2018 amtierenden Premierminister Abiy Ahmed und der vorstehend dargestellten politischen Veränderungen genauso fortgeführt werden, ist gegenwärtig nicht ersichtlich. Das erkennende Gericht ist jedoch bereits vor dem politischen Umbruch in Äthiopien im Jahr 2018 davon ausgegangen, dass nicht jede, wie auch immer geartete, Form der Betätigung für eine der zahlreichen exilpolitischen Gruppen in der äthiopischen exilpolitischen Szene im Ausland bei einer Rückkehr nach Äthiopien zu einer beachtlichen Verfolgungsgefahr führt. Vielmehr kommt bzw. kam es für die Feststellung des relevanten Gefährdungsgrades grundsätzlich darauf an, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen etwa als terroristisch eingestuft wird und in welcher Art und in welchem Umfang der oder die Betreffende sich im Einzelfall exilpolitisch tatsächlich und wahrnehmbar betätigt hat (VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; VG Regensburg U.v. 8.3.2018 – RO 2 K 16.30643 – juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 – AN 3 K 16.31836 – juris; VG Bayreuth, U.v.20.11.2017 – B 2 K 16.31139 – juris; vgl. auch VG Kassel, U.v. 22.2.2018 – 1 K 302/17.KS.A – juris; VG Kassel, U.v. 5.9.2017- 1 K 2320/17.KS.A – juris; a.A. VG Würzburg, U.v. 15.9.2017 – W 3 K 17.31180 – juris). Bloßen „Mitläufern“ droht(e) bei einer Rückkehr grds. keine beachtliche Verfolgungsgefahr.
Der aktuellen Auskunftslage – unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Stellungnahmen aufgrund des Beweisbeschlusses des BayVGH vom 26.3.2018 (Az. 8 B 17.31645 u.a.) – ist ebenfalls nicht zu entnehmen, dass bloßen Mitläufern mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung bei Rückkehr droht.
Dem Auswärtigen Amt (AA) lagen schon nach dem Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien vom 22.3.2018 keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Partei im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Maßgeblich sei vielmehr der konkrete Einzelfall, also beispielsweise, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen werde oder um welche politische Tätigkeit es sich handle (z.B. nachweisliche Mitgliedschaft, führende Position, Organisation gewaltsamer Aktionen). Von Bedeutung sei auch, ob und wie sich die zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätige. Die bloße Asylantragstellung im Ausland bleibe – soweit bekannt – ohne Konsequenzen (AA, Lagebericht Äthiopien vom 22.3.2018, S. 18; VG Gießen, U.v. 11.7.2017 – 6 K 4787/15.GI.A – juris; VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; VG Regensburg U.v. 8.3.2018 – RO 2 K 16.30643 – juris). Der Lagebericht vom 22.3.2018 geht insbesondere auch auf die innenpolitischen Entwicklungen im Frühjahr 2018 und auf den am 16.2.2018 ausgerufen (neuerlichen) Ausnahmezustand ein (AA, Lagebericht Äthiopien vom 22.3.2018, S. 6). Unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen hält das Auswärtige Amt hinsichtlich der Gefährdungseinschätzung bei Rückkehr von im Ausland exilpolitisch tätigen Äthiopiern an den Ausführungen im Lagebericht vom 6.3.2017 fest (vgl. AA, Lagebericht Äthiopien vom 6.3.2017, S. 16; AA, Lagebericht Äthiopien vom 22.3.2018, S. 18).
Aufgrund des Beweisbeschlusses des BayVGH vom 26.3.2018 (Az. 8 B 17.31645 u.a.) teilte das Auswärtige Amt mit Stellungnahme vom 14.6.2018 mit, es sei zwar davon auszugehen, dass äthiopische Stellen exilpolitische Organisationen in Deutschland beobachten und die Mitgliedschaft bzw. die Unterstützungshandlungen für eine solche Organisation bekannt werde. Allerdings müsse auch davon ausgegangen werden, dass das Interesse an der Beobachtung von Personen/Aktionen und die Weitergabe der Informationen vom Grad der Involvierung bzw. der konkreten Aktivität der betreffenden Person abhänge. Zudem geht auch das AA von einem Wandel der innenpolitischen Lage seit dem Amtsantritt des neuen Premierministers aus. Der im Februar 2018 für sechs Monate verhängte Ausnahmezustand sei Anfang Juni 2018 vorzeitig beendet worden. Seit Januar 2018 sei eine größere Anzahl vom politisch Gefangenen, darunter auch Mitglieder der bislang als terroristisch eingestuften Ginbot 7, entlassen worden. Ob eine Unterstützung einer Exilorganisation oder eine einfache Mitgliedschaft in einer in Deutschland exilpolitisch tätigen, von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuften oder einer ihr nahestehenden Organisation (ohne in dieser Organisation eine herausgehobene Stellung innezuhaben) bei einer Rückkehr negative Auswirkung nach sich zieht, kann vor dem innenpolitischen Hintergrund vom AA nicht beurteilt werden. Sollte es Auswirkungen geben, sei jedoch davon auszugehen, dass die Art der Auswirkung vom Grad der Involvierung bzw. der konkreten Aktivitäten der betreffenden Person abhänge. Es sind lt. AA auch keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier, die in Deutschland exilpolitisch tätig waren, wegen der exilpolitischen Tätigkeit durch äthiopische Behörden inhaftiert oder misshandelt wurden.
Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr wegen der einfachen Mitgliedschaft und/oder einem durchschnittlichen Engagement in einer exilpolitischen Organisation, kann der neusten Auskunft des Auswärtigen Amtes damit schon im Ansatz nicht entnommen werden.
Nichts Abweichendes ergibt sich auch aus dem Adhoc Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien vom 17.10.2018. Der Bericht greift zwar zu Beginn die aktuellen politischen Veränderungen in den wesentlichen Grundzügen auf (vgl. S. 6/7), bei der Bewertung exilpolitischer Tätigkeiten in Deutschland wiederholt das Auswärtige Amt jedoch nahezu wortgleich seine Ausführungen aus dem Lagebericht vom 22.03.2018, sodass dem neuesten Ad-hoc-Bericht ebenfalls nicht entnommen werden kann, dass auch untergeordnete exilpolitische Betätigung in Deutschland zu einer beachtlichen Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr nach Äthiopien führt.
Die Auskunft des Leibniz-Instituts (GIGA an VG Gießen vom 30.1.2017 in der Sache 6 K 4787/15.GI.A) – zum Fall einer exilpolitischen Tätigkeit für die EPPFG – stellt ebenfalls nur fest, dass eine Verhaftung für den Fall der Rückkehr nicht ausgeschlossen werden könne. Diese Feststellung erreicht aber schon nicht den Maßstab der notwenigen beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit (VG Regensburg, U.v. 8.3.2018 – RO 2 K 16.30643 – juris).
Nichts anderes folgt aus der Auskunft des Leibniz-Instituts vom 19.5.2018 (GIGA an den BayVGH in der Sache 8 B 17.31645 u.a.). In der aktuellen Auskunft wird lediglich ausgeführt, dass die äthiopische Regierung über ihre Auslandsvertretungen und einem Netz von Informanten die Aktivitäten der exilpolitischen Organisationen verfolge sowie dass davon auszugehen sei, dass sowohl die Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung als auch Unterstützungshandlungen einzelner Personen der äthiopischen Regierung bekannt werden würden. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person als einer Exilorganisation zugehörig eingestuft wird, dürfte lt. der Stellungnahme vom 19.5.2018 mit der Häufigkeit der entsprechenden Aktivitäten wachsen. Auch das Leibnitz-Institut konnte keine Angaben zu Vernehmungen, Inhaftierungen und Misshandlungen zurückgekehrter Äthiopier, die keine herausgehobene Funktion in der Exilpolitik hatten, machen. Die Stellungnahme verweist auf Seite 8/9 nur auf zwei prominente und hochrangige Exilpolitiker, die nach Auffassung des Gerichts kein Beispiel und Maßstab für die Behandlung der breiten Masse von exilpolitisch tätigen Äthiopiern sind. Im Übrigen wird lediglich davon ausgegangen, dass es vor dem volatilen Hintergrund der politischen Veränderungen „keinesfalls auszuschließen ist“, dass einfachen Mitgliedern oder Unterstützern von politischen Exilorganisationen, die von der Regierung als Terrororganisation eingestuft werden, die Verfolgung und Verhaftung drohe (S. 2 und 3 der Stellungnahme).
AMNESTY INTERNATIONAL (AI) führte mit Stellungnahme vom 11.7.2018 an den BayVGH (Az. 8 B 17.31645 u.a.) aus, dass sich die politische Lage in Äthiopien seit Anfang 2018 deutlich verändert hat. Trotz begrüßenswerter Veränderungen in Äthiopien bleibe abzuwarten, wie sich die menschenrechtliche Situation vor Ort entwickeln werde. Vor dem Hintergrund der neuen und sich ständig ändernden Situation sei es AI nach eigenen Angaben nicht möglich, eine Aussage über die aktuelle Situation bzw. über zukünftige Entwicklungen zu treffen. Daher legte AI dem Gutachten die politische Situation in Äthiopien der letzten Jahrzehnte bis Anfang 2018 zugrunde. Die Ausführungen von AI zur politischen Situation in Äthiopien und zur Behandlung von exilpolitisch tätigen Personen bis Anfang 2018 sind jedoch nicht geeignet, eine verlässliche Auskunft über die gegenwärtige Situation, die nach § 77 Abs. 1 AsylG im Asylverfahren maßgeblich ist, zu liefern. Bemerkenswert ist zudem, dass die Auskunft vom 11.7.2018 nicht einmal den Beschluss des äthiopischen Parlamentes vom 5.7.2018 aufgreift, mit dem die Einstufung der OLF, ONLF und Ginbot 7 als terroristische Organisationen aufgehoben wurde. Vielmehr wird – unter Bezugnahme auf veraltete Quellen – weiterhin davon ausgegangen, dass die OLF von der Regierung als terroristische Organisation eingestuft wird (S. 3 und 4 der Stellungnahme).
Günter Schröder geht in seiner Stellungnahme vom 15.2.2017 an das VG Gießen in der dortigen Streitsache 6 K 4787/15.GI.A davon aus, dass eine Verfolgungsprognose anhand bestimmter Merkmale nicht abgegeben werden könne, weil das Handeln der äthiopischen Sicherheits- und Justizbehörden gegenüber allen wirklichen und putativen Gegnern von einem hohen Maß an Willkürlichkeit geprägt sei. Unter diesem Gesichtspunkt sei generell die Unterscheidung zwischen unbedeutender und exponierter Stellung in einer Oppositionsorganisation als nicht relevant für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr anzusehen. Dies gelte in besonderem Maß seit dem Erlass der Anti-Terrorismusgesetze und gerade auch unter dem Ausnahmezustand. Weiter führt er aus, dass mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ eine längere Inhaftierung – verbunden mit intensiver Befragung – auch unter dem jetzigen Ausnahmezustand als Minimum anzunehmen sei. Es bleibt jedoch offen, wie Schröder trotz der Prognoseunsicherheit zu dieser Annahme kommt. So belegt er diese Annahme nicht mit konkreten Beispielen für ein Einschreiten äthiopischer Stellen gegen Rückkehrer, obwohl er angibt, dass diese häufig verhaftet würden (Rn. 214 der Stellungnahme vom 15.2.2017). Dies dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass kaum Abschiebungen nach Äthiopien stattfinden, was die Grundlage dieser Aussage allerdings fraglich erscheinen lässt. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es seit Mitte 2015 im Zusammenhang mit dem „Masterplan“ der Regierung vor allem in der Provinz Oromia zu Massenprotesten kam und es im Zusammenhang mit diesen Protesten und dem Einschreiten der Sicherheitskräfte zu Todesfällen und Verhaftungen gekommen ist. So sollen nach dem Gutachten von Günter Schröder im Rahmen der Unruhen 2016 unter Geltung des Ausnahmezustandes über 11.000 Menschen verhaftet worden sein. Diese Verhaftungen fanden jedoch im Zusammenhang mit – zumindest teilweise – gewaltsamen Protesten in Äthiopien statt. Sie sind kein Beleg dafür, dass auch Rückkehrer alleine wegen ihrer exilpolitischen Betätigung nun einem beachtlichen Verfolgungsrisiko ausgesetzt sind. Dies belegen auch die Ausführungen in der Stellungnahme Schröders nicht hinreichend. Dieser führt zwar nachvollziehbar aus, dass im Zusammenhang mit den Unruhen in Äthiopien selbst die äthiopische Diaspora – auch im Hinblick auf eine Strafbarkeit nach dem äthiopischen Anti-Terrorismusgesetz von 2009 – verstärkt überwacht wird (Rn. 134 der Stellungnahme vom 15.2.2017). Ein konkretes Beispiel für eine Verfolgung allein auf Grund einer exilpolitischen Tätigkeit unterbleibt jedoch. Auffällig ist hierbei auch, dass Schröder zum einen zwar deutliche Aussagen trifft (Bestrafung jedes Mitglieds einer exilpolitischen Gruppe, die mit einer als terroristisch eingestuften Gruppe zusammenarbeitet [Rn. 232 der Stellungnahme vom 15.2.2017]; häufige Verhaftungen [Rn. 214 der Stellungnahme vom 15.2.2017]; längere Inhaftierung verbunden mit intensiver Befragung und mit hoher Wahrscheinlichkeit inhumaner Haftbedingungen [Rn. 237 der Stellungnahme vom 15.2.2017]), gleichzeitig aber äußert, dass sich angesichts der Willkürlichkeit die konkreten Verfolgungshandlungen im Einzelnen schwer vorhersagen ließen und er an anderer Stelle (Rn. 226 der Stellungnahme vom 15.2.2017) angibt, dass im heutigen Äthiopien, die eine staatliche Verfolgung auslösenden Momente in der Regel vielschichtig seien und sich nur selten auf ein bestimmtes Merkmal reduzieren ließen (vgl. ausführlich: VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; VG Gießen, U.v. 11.7.2017 – 6 K 4787/15.GI.A – juris).
Auch unter Einbeziehung der Stellungnahme Günter Schröders vom 18.2.2018 in der Streitsache W 3 K 16.30383 an das VG Würzburg ist das Gericht nicht von einer beachtlichen Verfolgungsgefahr für Rückkehrer alleine wegen jeder – wie auch immer gearteter – Form der exilpolitischen Betätigung überzeugt. Zwar kommt Günter Schröder zu dem Ergebnis, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass unter dem wiedereingeführten Ausnahmezustand exilpolitisch tätige Äthiopier bei einer Rückführung einem sehr hohen Risiko ausgesetzt seien, als Unterstützer einer „terroristischen Organisation“ verfolgt und äußerst bestraft zu werden (Rn. 83 der Stellungnahme vom 18.2.2018), während in der Stellungnahme vom 15.2.2017 an das VG Gießen noch ausgeführt wurde, angesichts der Willkürlichkeit im Handeln der Sicherheitsorgane und der mangelnden Rechtsstaatlichkeit in Äthiopien lasse sich im Einzelnen nicht vorhersagen, was Rückkehrer zu befürchten hätten. Eine längere Inhaftierung verbunden mit intensiver Befragung und mit hoher Wahrscheinlichkeit inhumanen Haftbedingungen sei jedoch als Minimum anzunehmen (Rn. 237 der Stellungnahme vom 15.2.2017; dieser Passus befindet sich im Übrigen auch noch unter Rn. 82 der Stellungnahme vom 18.2.2018). Anderseits führt Schröder in Rn. 17 der Stellungnahme vom 18.2.2018 aus, aufgrund es neuerlichen Ausnahmezustandes vom 16.2.2018 scheinen die gleichen Bestimmungen wie beim Ausnahmezustand 2016 zu gelten. Für das Gericht ist daher weder nachvollziehbar noch plausibel dargelegt, warum nunmehr (allein) aufgrund des Ausnahmezustand 2018 exilpolitisch tätige Äthiopier bei einer Rückführung einem sehr hohen Risiko ausgesetzt sein sollen, als Unterstützer einer „terroristischen Organisation“ verfolgt und äußerst bestraft zu werden, wenn keine anderen Bestimmungen wie beim Ausnahmezustand 2016 gelten. Im Übrigen sind die Ausführungen Schröders durch die aktuellen politischen Entwicklungen in den letzten Wochen und Monaten teilweise überholt. Der im Februar 2018 für sechs Monate anberaumte Ausnahmezustand wurde – wie bereits ausgeführt – am 5.6.2018 wegen der „relativen Stabilität und Ruhe im Land“ vorzeitig wiederaufgehoben. Daneben wurden vom Parlament im Juli 2018 grundlegende Änderungen bei den „Anti-Terrorgesetzen“ sowie eine Amnestie für politische Vergehen/Verbrechen beschlossen.
Der vom Klägerbevollmächtigten wiederholt zitierte Stellungnahme der Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH) vom 26.09.2018 (Äthiopien: Exilpolitische Aktivitäten, staatliche Überwachung, neuere Entwicklungen) vermag das erkennende Gericht ebenfalls nicht zu entnehmen, dass „exilpolitischen Mitläufern“ bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen drohen. Die SFH greift zunächst zutreffend die politischen Reformen in Äthiopien, insbesondere das zivile und militärische Amnestie-Gesetz, auf (S. 5/6) und geht auf die weiterhin anhaltenden ethnisch-religiösen Konflikte, insbesondere im Osten und Süden des Landes, ein (S. 6/7). Bezüglich der Rückkehrgefährdung für politisch oppositionelle Personen und abgelehnte Asylbewerber bezieht sich die SFH sodann auf S. 9/10 der Stellungnahme im Wesentlichen auf „eine Person mit Expertenwissen zu Äthiopien“. Diese – wiederholt zitierte und nicht näher bezeichnete Kontaktperson – stützt sich hinsichtlich der Überwachung in der Diaspora wiederum auf eine „hochrangige Quelle“ im Sicherheitsdienst, die bis 2017 im Auslandsnachrichtendienst tätig gewesen sei. Soweit der äthiopische Geheimdienst danach weiterhin im Ausland überwachen lasse, ob dort regierungsfeindliche Politik betrieben werde oder ob sich neue Gruppierungen in Opposition zur Regierung Abiy Ahmeds formieren (vgl. S. 9 der Stellungnahme), folgt daraus jedoch noch nicht, dass jegliche Art von exilpolitischer Betätigung zu einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr führt. Eine solche Verfolgungsgefahr bei bloßen Mitläufern kann auch nicht den weiteren Ausführungen zur Rückkehrgefährdung Oppositioneller entnommen werden. Die SFH greift insoweit auf Quellen zurück, wonach es „möglich sei, dass Mitglieder von als terroristisch eingestuften Gruppen verhaftet oder misshandelt werden“ (S. 9) bzw. dass „es schwierig vorauszusehen sei, was eine Person bei einer Rückkehr konkret zu befürchten habe“ (S. 10). Dementsprechend kann auch der Stellungnahme der SFH vom 26.09.2018 keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung aufgrund untergeordneter exilpolitischer Betätigung in Deutschland entnommen werden.
Bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Auskunftslage nimmt das Gericht daher nicht an, dass äthiopischen Asylbewerbern, die sich zu einer Exilorganisation bekennen, für den Fall der Rückkehr nach Äthiopien generell mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG erwartet (vgl. auch VG Bayreuth, U.v. 15.08.2018 – B 7 K 17.31116 – juris; VG Regensburg, B.v. 31.7.2018 – RO 2 K 17.33894 – juris). Erforderlich für einen beachtlichen Nachfluchtgrund aufgrund exilpolitischer Betätigung ist nämlich eine „beachtliche Wahrscheinlichkeit“ der Verfolgung im Falle einer Rückkehr. Nicht ausreichend ist hingegen, dass eine solche möglich ist oder nicht ausgeschlossen werden kann. Bei einer Rückkehr nach Äthiopien mussten schon bislang allenfalls solche Personen mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen rechnen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland exponiert politisch betätigt haben (VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; VG Regensburg U.v. 8.3.2018 – RO 2 K 16.30643 – juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 – AN 3 K 16.31836 – juris; VG Bayreuth, U.v. 6.3.2018 – B 7 K 17.32889 – juris; vgl. auch VG Bayreuth, U.v. 20.11.2017- B 2 K 16.31139 – juris; VG Gießen, U.v. 25.4.2018 – 6 K 116/17.GI.A – juris; VG Kassel, U.v. 5.9.2017 – 1 K 2320/17.KS.A – juris; VG Gießen, U.v. 11.7.2017 – 6 K 4787/15.Gl.A – juris; vgl. auch BayVGH, B.v. 14.7.2015 – 21 B 15.30119 – juris; BayVGH, U.v. 25.2.2008 – 21 B 07.30363 und 21 B 05.31082 – juris; a.A. VG Würzburg, U.v. 15.9.2017- W 3 K 17.31180 – juris). Gerade wegen der intensiven Beobachtung exilpolitischer Auslandsaktivitäten durch äthiopische Stellen musste davon ausgegangen werden, dass auch diesen nicht verborgen geblieben sein kann, dass bei einer Vielzahl von äthiopischen Asylbewerbern weniger politische Interessen maßgeblich sind als vielmehr das Bemühen, sich im Asylverfahren eine günstigere Ausgangsposition zu verschaffen. Im Hinblick darauf war es schon bislang nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die äthiopischen Behörden „Mitläufer“ als für das Regime gefährlich erachten und gegen diese – im Falle ihrer Rückkehr – in einer Art und Weise vorgehen, dass die für eine Schutzgewährung anzulegende Schwelle erreicht wird.
Die aktuellen Entwicklungen in Äthiopien sprechen sogar dafür, dass nunmehr selbst solchen Äthiopiern, die sich in herausgehobener Art und Weise exilpolitisch in Deutschland engagieren, nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr droht, sondern dass dies allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen (noch) beachtlich wahrscheinlich erscheint (VG Bayreuth, U.v. 7.12.2018 – B 7 K 17.31304 – juris; VG Bayreuth, U.v. 15.08.2018 – B 7 K 17.31116 – juris; vgl. VG Regensburg, B.v. 19.6.2018 – RO 2 E 18.31617 – juris, VG Regensburg, B.v. 31.7.2018 – RO 2 K 17.33894 – juris).
Gemessen hieran ist eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit wegen der exilpolitischen Betätigung des Klägers ersichtlich.
Der Kläger besuchte ausweislich der vorgelegten Bescheinigung der TBOJ/UOSG vom 03.09.2016 im Zeitraum vom 11.04.2015 bis zum 02.09.2016 insgesamt 18 exilpolitische Veranstaltungen. Gegenüber dem Bundesamt erklärte er am 06.09.2016 zudem, eine besondere Funktion habe er in der Exilpolitik nicht. Sein Beitrag beschränke sich auf die Beteiligung an Demonstrationen sowie auf gelegentliche Spenden. An diesem spärlichen Engagement des Klägers hat sich seit der Anhörung beim Bundesamt auch nichts geändert. Im Gegenteil, der Kläger hat inzwischen sein exilpolitisches Engagement komplett eingestellt. Er erklärte dem Gericht in der mündlichen Verhandlung, die letzte exilpolitische Veranstaltung, die er besucht habe, sei im Jahr 2016 in Berlin gewesen. Seitdem habe er keinerlei Aktivitäten für die TBOJ/UOSG oder für eine andere Exilorganisation mehr ausgeübt. Weiterhin habe er seitdem auch keine Mitgliedsbeiträge mehr bezahlt. Ferner stellte das Gericht in der mündlichen Verhandlung fest, dass der Kläger auch keinen gültigen Mitgliedsausweis der TBOJ/UOSG mehr hat. Der dem Kläger zuletzt ausgestellte Mitgliedsausweis der TBOJ/UOSG ist bereits zum 09.01.2017 abgelaufen. Den Einlassungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist weiterhin zu entnehmen, dass er selbst in den Jahren 2015/16 kein gesteigertes exilpolitisches Engagement an den Tag gelegt hat. Der Kläger hat selbst zugegeben, dass sich seine Rolle auf die eines bloßen Mitläufers beschränkt hat. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass er die – zunächst durchaus gehäuft wahrgenommene – exilpolitische Tätigkeit im September 2016 abrupt abgebrochen hat, ohne hierfür auch annähernd einen plausiblen Grund zu nennen. Dem Gericht erklärte er vielmehr lediglich pauschal, ihm hätten „die Termine nicht mehr gepasst“. Er habe zu diesen Zeitpunkten immer etwas anderes vorgehabt. Von daher liegt es auf der Hand, dass der Kläger zu Beginn der Einreise nach Deutschland besuchten exilpolitischen Veranstaltungen offensichtlich aus rein asyltaktischen Gründen besucht hat, wie es die überwiegende Anzahl äthiopischer Asylbewerber – meist erst auf Anraten ihrer Landsleute – tut.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass für das Gericht schon im Ansatz keine beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Kläger aufgrund seiner exilpolitischen Tätigkeiten in Deutschland in flüchtlingsrechtlich relevanter Weise verfolgt werden wird.
2. Dem Kläger steht kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zu. Er kann sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG berufen.
a) Es gibt – insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz – keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht.
b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen, wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen, hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465.7 – juris).
Ein innerstaatlicher Konflikt im obigen Sinne ist im Herkunftsland – und insbesondere in Herkunftsregion – des Klägers nicht ersichtlich (vgl. nur VG Ansbach, U.v. 19.9.2017 – AN 3 K 16.30505 – juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 – AN 3 K 16.31836 – juris; VG Bayreuth, U.v. 7.12.2018 – B 7 K 17.31304 – juris; VG Bayreuth, U.v. 5.9.2018 – B 7 K 17.33349 – juris; VG Bayreuth, U.v. 7.12.2018 – B 7 K 17.31304 – juris).
3. Die in den Ziffern 1-3 des Bescheides ausgesprochene „Offensichtlichkeitsentscheidung“ nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG kann hingegen nicht aufrechterhalten werden, da die notwendigen Voraussetzungen nicht vorliegen. Auch weitere Offensichtlichkeitstatbestände nach § 30 Abs. 1 oder Abs. 2 AsylG sind nicht gegeben.
Nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird. Hiermit soll – wie mit den anderen in § 30 Abs. 3 AsylG geregelten Fällen (Nr. 2 bis 7) – ein Missbrauchstatbestand sanktioniert werden (vgl. Berlin, U.v. 28.11.2018 – 6 K 745.16 A – juris; VG Ansbach, U.v. 2.10.2018 – AN 3 K 17.34111 – juris).
Die Beklagte hat zum einen an keiner Stelle die Tatbestandsvoraussetzungen des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG geprüft oder das Vorliegen derer auch nur ansatzweise begründet. Es wird lediglich behauptet, die Voraussetzungen lägen vor. Zum anderen sind – in Anbetracht des Sachvortrags des Klägers beim Bundesamt und gegenüber dem Gericht sowie der vorstehenden Ausführungen des Gerichts zum Flüchtlingsschutz – auch in der Sache die Voraussetzungen des Gesetzgebers bzw. der Rechtsprechung an eine Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ augenscheinlich nicht gegeben. Dementsprechend war der insoweit rechtswidrige Bescheid durch das Gericht aufzuheben.
4. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 VwGO).
a) Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Äthiopien führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Der Kläger ist jung, gesund und erwerbsfähig. Er hat die Schule bis zur 10. Klasse besucht. Er hat zwar keinen Beruf erlernt, dennoch ist er auf sämtliche Erwerbstätigkeiten – auch auf schlichte Hilfstätigkeiten – zu verweisen. Daneben verfügt er nach eigenen Angaben beim Bundesamt über verwandtschaftlichen Rückhalt in Äthiopien sowie über eine wohlhabende Familie im Herkunftsland, so dass der Kläger im Bedarfsfall mit familiären Hilfeleistungen zur Sicherung seines Existenzminimums rechnen kann. Die hohen Anforderungen an ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG sind daher schon im Ansatz nicht erfüllt.
b) Dem Kläger droht auch wegen seines Gesundheitszustandes keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Anhaltspunkte hierfür sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
5. Die Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung (Ziffer 5 des Bescheides) ist ebenfalls rechtmäßig. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Flüchtling anzuerkennen. Ihm steht auch kein subsidiärer Schutz oder ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu. Er besitzt zudem keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG). Auch die im Bescheid festgesetzte Ausreisefrist begegnet keinen rechtlichen Bedenken (mehr). Durch den Erfolg des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO (vgl. B.v. 07.02.2017 i. d. S. B 2 S 17.30303) wird gemäß § 37 Abs. 2 AsylG die einwöchige Ausreisefrist (§ 36 Abs. 1 AsylG) der Regelung des § 38 Abs. 1 AsylG angepasst und auf 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens verlängert. Die Abschiebungsandrohung bleibt damit wirksam, ihr Regelungsgehalt wird lediglich kraft Gesetzes im Hinblick auf die Ausreisefrist modifiziert. Der Kläger ist daher durch die im angefochtenen Bescheid bestimmte kürzere Ausreisefrist nicht mehr beschwert. Ein Anspruch auf isolierte Aufhebung der Fristbestimmung besteht daher nicht (BVerwG U.v. 21.11.2006 – 1 C 10.06 – juris; Pietzsch in: BeckOK, AuslR, Stand 01.08.2018, § 37 AsylG Rn. 7 und 10; Müller in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 37 AsylVfG Rn. 6).
6. Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, liegen nicht vor.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben