Verwaltungsrecht

Homosexualität als Fluchtgrund eines bangladeschischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  AN 9 K 17.34478

Datum:
4.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24389
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1, Abs. 4, § 3b Abs. 1 Nr. 4

 

Leitsatz

Wegen des im Flüchtlingsrecht typischen Beweisnotstands kann sich der Kläger zum Beweis des begehrten Anspruchs des Mittels der Glaubhaftmachung bedienen, womit ihn jedoch auch die Obliegenheit trifft, die Anspruchsvoraussetzungen glaubhaft zu machen. Bei dieser Obliegenheit bleibt es auch beim Vortrag der Homosexualität als Fluchtgrund, der rechtlich überprüfbar sein muss. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, weil der Kläger zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf die begehrten Schutzgegenstände hat (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Der Kläger hat hinsichtlich seines Vortrages, wegen seiner Homosexualität Verfolgung zu befürchten, keinen Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gem. § 3 Abs. 1, 4 AsylG, was die begründete Furcht vor Verfolgung wegen Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe voraussetzt.
Denn er hat den behaupteten Verfolgungsgrund der Homosexualität (vgl. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG) nicht glaubhaft gemacht.
Es kommt daher nicht darauf an, ob Homosexuelle generell bzw. der Kläger im speziellen, wäre er homosexuell, Verfolgungen in Bangladesch ausgesetzt ist, wenngleich nach der Auskunftslage Anhaltspunkte für Verfolgungsmaßnahmen von staatlichen Behörden gegenüber Homosexuellen bestehen und einiges auf eine asylrechtlich relevante Verfolgung von Homosexuellen durch Familie und Gesellschaft in Bangladesch hindeutet. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob, wie das Bundesamt meint, ein diskretes Ausleben der Homosexualität ein zumutbares Vermeidungsverhalten ist, auch wenn einiges dafür spricht, dass dies nicht der Fall ist. Die Beklagte vermochte selbst nicht zu sagen, was unter diskretem Ausleben zu verstehen ist und nach der Auskunftslage ist eher nicht davon auszugehen, dass ein solches Verhalten vor Entdeckung schützt. Nachdem der Europäische Gerichtshof entschieden hat, dass nicht nur die Geheimhaltung der Homosexualität, sondern auch die Zurückhaltung beim Ausleben der Homosexualität von Flüchtlingen nicht erwartet werden kann (EuGH, U.v. 7.11.2013, C-199-201/12) ist eher davon auszugehen, dass Homosexuelle dem Grunde nach nicht auf diskretes Ausleben verwiesen werden dürfen. Die Auffassung der Beklagten zur Gesetzesauslegung mag sich aus der Furcht vor dem Zustrom einer Vielzahl von Flüchtlingen mit diesem Vortrag erklären. Zum einen erscheint diese Furcht nicht begründet, zum anderen ist dies kein Gesichtspunkt, der im Rahmen von § 3 AsylG zu prüfen ist. Das Flüchtlingsrecht hat zwar einen weiten Regelungsbereich, der eine Vielzahl von Fällen und Umständen (resultierend von staatlicher und auch gesellschaftlicher Seite) im Ausland, die aus der Sicht des Gesetzgebers menschenrechtswidrig sind, erfasst. Das Flüchtlingsrecht kommt jedoch nur zur Anwendung, wenn Ausländer sich im Inland darauf berufen und vermittelt Schutz nur, wenn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.
Der Kläger hat jedoch eine Verfolgung aufgrund Homosexualität nicht glaubhaft gemacht.
Aufgrund des im Flüchtlingsrecht typischen Beweisnotstands kann sich der Kläger zum Beweis des begehrten Anspruchs des Mittels der Glaubhaftmachung bedienen. Ihn trifft damit jedoch auch die Obliegenheit der Glaubhaftmachung der Anspruchsvoraussetzungen. Er muss hierfür unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, der den Anspruch lückenlos trägt (BVerwG, U.v. 22.3.1983, 9 C 68.81). Der Vortrag muss das geschilderte Verfolgungsschicksal als wahr und nicht lediglich als möglich erscheinen lassen (BVerwG, U.v. 30.4.1985, 1 C 33/81). In der Regel liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wenn im Laufe des Verfahrens verschiedene Angaben gemacht werden, das Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, die Darstellung der Lebenserfahrung oder Kenntnissen entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe widerspricht sowie wenn das Vorbringen im Laufe des Verfahrens gesteigert wird, ohne dass hierfür eine plausible Erklärung vorliegt bzw. ersichtlich ist (OVG NRW, U.v. 12.3.2003, 8 A 3189/01.A).
Bei dieser Obliegenheit bleibt es auch beim Vortrag der Homosexualität als Fluchtgrund, der rechtlich überprüfbar sein muss, wenngleich detaillierte Befragungen zu sexuellen Praktiken unzulässig sind, das Vornehmen homosexueller Handlungen oder von Tests bzw. die Vorlage von entsprechenden Bild- oder Tonaufnahmen nicht verlangt werden darf bzw. berücksichtigt werde kann und allein hinsichtlich des Zögerns, sich zu offenbaren nicht auf die Unglaubwürdigkeit geschlossen werden darf; gleichzeitig muss dem Antragsteller bzw. Kläger bei der Prüfung, auch durch entsprechende, zulässige Fragen, Gelegenheit gegeben werden, seinen Fluchtgrund darzulegen.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat der Kläger den behaupteten Fluchtgrund nicht glaubhaft gemacht, obgleich der Kläger hierzu, auch auf gebotene und zulässige Fragen hin bei der Bundesamtsanhörung und der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit hatte. Das Gericht stützt diese Beurteilung maßgeblich auf zwei Gesichtspunkte. Es ist zum einen davon überzeugt, dass der Kläger aus anderen Gründen sein Heimatland verlassen und in die Bundesrepublik eingereist ist. Die Geschichte zu dem Ziel seiner Reise bzw. dem Reiseweg ist nicht stimmig und unglaubhaft; wegen der Verknüpfung zum Ausreisegrund (Bedrohungen aufgrund Homosexualität) ist die Glaubhaftigkeit der diesbezüglichen Aussagen bereits erschüttert. Der Kläger trägt vor, die Dorfältesten hätten verlangt, dass er sein Land verlässt, um niemanden „mit der Krankheit anzustecken“. Sein tiefgläubiger muslimischer Vater, zu dem er immerhin noch einen – distanzierten – Kontakt hätte, hätte dann gewollt, dass er in ein muslimisches bzw. arabisches Land geht, wo er arbeiten könne, aber nicht auf dumme Gedanken komme. Saudi-Arabien sei zu teuer gewesen, deswegen wäre es nach Libyen gegangen. Erst in Libyen hätte er sich dann zur Weiterreise nach Europa bzw. Deutschland entschieden, wo er mit seinem Schicksal Chancen hätte. Nach dieser Schilderung kann die Wahl von Libyen nicht nachvollzogen werden. Denn es gibt wesentlich nähere Länder wie Pakistan oder Indonesien, die ebenfalls muslimisch sind und in denen Homosexualität wenig akzeptiert wird. Libyen dagegen ist derzeit nicht stabil und von einer Wirtschaftskrise betroffen, es gibt Kämpfe um die politische Vorherrschaft und Migranten werden in Haft genommen. Es drängt sich auf, dass Libyen als Transitland für eine Weiterreise nach Europa gewählt wurde. Warum insoweit nicht wahrheitsgemäß ausgesagt wurde, erschließt sich nicht. Der Kläger ist daher unglaubwürdig.
Zum zweiten ist auch der Vortrag zum Geschehen im Heimatland des Klägers nicht glaubhaft. Der Kläger hat sein Vorbringen zum Geschehen um die Entdeckung des sexuellen Verhältnisses mit seinem Freund Anfang 2015, was letztlich Auslöser für die Ausreise gewesen sei, in der mündlichen Verhandlung erheblich gesteigert. Er gab erstmals an, beim Verkehr durch die Leute im Dorf entdeckt worden zu sein, man hätte sogar Fotos geschossen. Nachdem man den Kläger und seinen Freund nach den Angaben des Klägers auch vorher zusammen gesehen haben will, das Geschehen Anfang 2015 jedoch Auslöser für die Versammlung der Dorfältesten gewesen sein soll, muss die Entdeckung der Beziehung bzw. des homosexuellen Verkehrs 2015 so wesentlich für die Leute im Dorf und auch den Kläger gewesen sein, dass es zu den beschriebenen Folgen kam. Es erschließt sich nicht, warum der Kläger diesen Sachverhalt nicht bereits bei der Bundesamtsanhörung erzählt hat, auch wenn man dem Kläger zu Gute hält, dass er sehr jung war und dass es schwer ist, sich hinsichtlich intimer Erlebnisse im Allgemeinen, hinsichtlich Homosexualität bei Personen aus Ländern, in denen dieses Thema ein Tabu darstellt im Speziellen, zu öffnen. Der Vorfall der Entdeckung beim Verkehr mag schambesetzt sein, berührt jedoch im Schwerpunkt eher leichter wiedergebbare, weniger intime Umstände wie das Gesehenwerden durch andere und das Schießen von Fotos beim Verkehr und nicht Details zu den vorgenommenen Praktiken. Schließlich hat sich der Kläger auch eingangs der Bundesamtsanhörung zu seiner Homosexualität bekannt, war sich also der Relevanz dieser Thematik für das Flüchtlingsrecht bewusst. Der Kläger hat sich bei der Bundesamtsanhörung in nicht vorwerfbarer Weise zu Details der Beziehung zu seinem Freund zurückgehalten, aber auf Frage zur Bewusstwerdung seiner sexuellen Orientierung immerhin angegeben, dies gemerkt zu haben, als er bei seinem Freund übernachtet hatte. Der Vortrag bei der Bundesamtsanhörung, Anfang 2015, als man sie entdeckt habe, zusammen gesehen worden zu sein, gibt auch bei großzügiger Auslegung etwas anderes wider als das, was in der mündlichen Verhandlung erzählt wurde. Angesichts dieser Umstände ist davon auszugehen, dass der Vortrag wegen der Ablehnung des Asylantrags gesteigert wurde und nicht aus anderen Gründen.
Angesichts der Unglaubhaftigkeit der Schilderung zur Motivation der Einreise nach Deutschland und des Geschehens um die Entdeckung der Homosexualität im Heimatland geht das Gericht von einer Unglaubwürdigkeit des Klägers und damit von einem im Übrigen unglaubhaften Vortrag und einer mangelnden Glaubhaftigkeit hinsichtlich des Fluchtgrundes Homosexualität aus. Ohnehin sind die übrigen Angaben des Klägers zu seiner Homosexualität zu vage und detailarm, um den begehrten Anspruch stützen zu können. Da damit in der Sache nicht von einer Homosexualität des Klägers auszugehen ist, besteht bei einer Rückkehr in sein Heimatland keine begründete Furcht vor Verfolgung deswegen. Ein anderer Fluchtgrund wurde nicht vorgetragen.
Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG liegen nicht vor, da der Vortrag zum Flucht- bzw. Verfolgungsschicksal unglaubhaft ist.
Hinsichtlich der Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wird gem. § 77 Abs. 2 AsylG auf die einschlägige Begründung des streitgegenständlichen Bundesamtsbescheids verwiesen.
Die Abschiebungsandrohung gem. § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ist daher rechtmäßig ergangen.
Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ist rechtmäßig und ermessensfehlerfrei.
Damit war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83b AsylG.


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