Verwaltungsrecht

Inländische Fluchtalternative in den kurdischen Autonomiegebieten

Aktenzeichen  20 ZB 18.30264

Datum:
12.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3087
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3e, § 4 Abs. 1 Nr. 3, § 78 Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

Für einen alleinstehenden männlichen irakischen Staatsangehörigen kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit besteht in den kurdischen Autonomiegebiete Dohuk/Erbil und Suleymania eine inländische Fluchtalternative. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 4 K 16.36367 2017-11-24 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 24. November 2017 ist unzulässig, da der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht in einer § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechenden Art und Weise dargelegt wurde.
Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist. Ferner muss dargelegt werden, weshalb der Frage eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). „Darlegen“ bedeutet schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch mehr als lediglich einen allgemeinen Hinweis. Etwas „darlegen“ bedeutet vielmehr so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, B.v. 2.10.1961 – 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90/91; B.v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – NJW 1993, 2825). Der Orientierungspunkt dieser Erfordernisse ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung, mit der sich die Begründung des Zulassungsantrags substantiiert auseinandersetzen muss (BVerfG, B.v. 2.3.2006 – 2 BvR 767/02 – NVwZ 2006, 683).
Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob in Hatare im Distrikt Alkosh in der Provinz Ninive, der Heimatprovinz des Klägers, im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein bewaffneter Konflikt im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG herrscht, dem praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung von Leib und Leben ausgesetzt ist und dass für alleinstehende männliche irakische Staatsangehörige kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit keine interne Fluchtalternative besteht, insbesondere auch nicht in den kurdischen Autonomiegebiete Dohuk/Erbil und Suleymania.
Das Verwaltungsgericht hat hierzu in seinem Urteil vom 24. November 2017 (S. 6) ausgeführt, zwar stamme der Kläger aus Ninive und habe nach eigenen Schilderungen dort zuletzt gelebt. Es sei aber auf die kurdischen Autonomiegebiete als sichere Fluchtalternative im Sinne von § 3e AsylG zu verweisen. Der Kläger habe bis kurz vor seiner Ausreise dort gearbeitet und teilweise auch gelebt. Es wäre ihm daher zuzumuten gewesen und sei ihm auch aktuell zuzumuten, dorthin zurückzukehren. Auch bei seiner Anhörung habe der Kläger geschildert, dass seine Familie bei Problemen zu Verwandten in die kurdischen Autonomiegebiete ginge. Er verfüge damit offensichtlich über die Möglichkeit, in die kurdischen Autonomiegebiete zu gelangen und sich dort aufzuhalten. Mit dieser Einschätzung des Verwaltungsgerichts setzt sich der Zulassungsantrag des Klägers nur insoweit auseinander, dass er aufgrund der aktuellen Entwicklung in den Autonomiegebieten behauptet, dort nicht sicher zu sein, sondern jederzeit die Möglichkeit bestünde, dass ein Bürgerkrieg ausbreche, wobei er um sein Leben fürchten müsse. Zur Begründung beruft sich der Kläger allerdings auf bewaffnete Auseinandersetzungen der irakischen Zentralregierung sowie schiitischer Milizen mit Peschmergaeinheiten in der Region Kirkuk außerhalb des kurdischen Autonomiegebietes. Weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus den dem Senat zugänglichen Quellen ist jedoch auch nur ansatzweise ersichtlich, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) ein bewaffneter Konflikt innerhalb des Autonomiegebietes herrscht oder unmittelbar droht, welcher die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dem Kläger stünde innerhalb der kurdischen Autonomiegebiete eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung, infrage stellen könnte.
Soweit der Kläger noch meint, dass auch hinsichtlich § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG die Frage klärungsbedürftig sei, dass für jeden aus dem europäischen Ausland zurückkehrenden irakischen Staatsangehörigen yezidischer Religionszugehörigkeit angesichts der aktuellen Lage in Ninive und den kurdischen Autonomiegebieten im allgemeinen jederzeit von einer extremen Gefahrenlage auszugehen sei, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde, so hat er dies nicht begründet und damit die Voraussetzungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Verwerfung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben