Verwaltungsrecht

Inländische Schutzalternative in pakistanischen Großstädten

Aktenzeichen  Au 3 K 17.33506

Datum:
6.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1771
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3e, § 4 Abs. Abs. 1 S. 2, Abs. 3, § 12 Abs. 2 S. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Vor allem in den pakistanischen Großstädten steht für einen gesunden, volljährigen jungen Mann, der arbeitsfähig ist, eine die Gewährung subsidiären Schutzes ausschließende zumutbare inländische Schutzalternative zur Verfügung.(Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit die Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtet war, wird das Verfahren eingestellt.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Soweit die Klage zurückgenommen wurde, war das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
II.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1. Die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes liegen nicht vor. Der Kläger hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm nach einer Rückkehr in Pakistan ein ernsthafter Schaden im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG droht. Sein diesbezügliches Vorbringen ist nicht glaubhaft.
Der Kläger hat beim Bundesamt und beim Verwaltungsgericht unterschiedliche Versionen seines angeblichen Verfolgungsschicksals geschildert. Einerseits sollen die Bedrohungen der örtlichen Mafia gegen seine Familie entweder Ende 2014 oder Anfang 2015 angefangen haben, andererseits Anfang des Jahres 2014. Einerseits soll seine Ausreise aus Pakistan im Juni 2015 gewesen sein, andererseits im Jahr 2014. Einerseits sollen die Mafiamitglieder bei der ersten Bedrohung des Vaters einen Teil des Landes übernommen haben, andererseits sollen sie das erste Mal (nur) ein normales Gespräch mit seinem Vater geführt haben und der Vater ihnen das Land erst überlassen haben, nachdem sie ihn zu Hause bedroht hätten.
Gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers spricht auch nachdrücklich, dass er sowohl im Asylverfahren als auch im Vormundschaftsverfahren über seine Identität getäuscht hat. Selbst als zu Beginn der Anhörung beim Bundesamt am 2. Mai 2017 seine Personalien abgeglichen und ergänzt wurden, hat er daran festgehalten, dass der Kastenname „…“ (Bauer) sein Familienname bzw. Nachname sei. Er zeigte zwar eine Handykopie seines Schülerausweises mit dem Nachnamen „…“ vor, wies das Bundesamt aber weder auf diesen Namen noch darauf hin, dass sein korrekter Nachname „…“ laute. Beim Bundesamt gab er als letzte offizielle Anschrift im Heimatland das Dorf … an, während er in der mündlichen Verhandlung einräumte, dies sei das Dorf … gewesen. Der erst im zweiten Halbjahr 2018 vorgelegten Geburtsurkunde kann entnommen werden, dass die Familie des Klägers bereits bei seiner Geburt in dem Dorf … lebte. Bei seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung, im Vorschulalter zwei bis drei Jahre in … bzw. … gelebt zu haben, handelt es sich um eine klare Schutzbehauptung.
Der Kläger hat beim Bundesamt auch den Namen seiner Mutter unrichtig angegeben, nämlich mit „…“ statt – wie in der vorgelegten Geburtsurkunde vermerkt – „…“. Zudem dürfte der Kläger nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck mehrere Jahre älter sein als von ihm angegeben. Dieser Einschätzung steht die vorgelegte Geburtsurkunde nicht entgegen. Die Beschaffung standesamtlicher Dokumente unwahren Inhalts ist in Pakistan problemlos möglich. Angesichts weit verbreiteter Korruption und des unzureichenden Zustands des Zivilstandswesens ist es einfach, einen fiktiven Standesfall (Geburt, Tod, Eheschließung) in ein echtes Personenstandsregister eintragen zu lassen und auf der Basis dieser Eintragung eine formal echte Urkunde ausgestellt zu bekommen. Ebenso leicht lassen sich Verfälschungen einzelner Fakten tatsächlicher Personenstandsfälle (z.B. Geburtsdatum) in den Personenstandsregistern erreichen, um damit echte standesamtliche Urkunden zu erhalten, deren Inhalt der tatsächlichen Faktenlage nur teils entspricht (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Pakistan vom 21.8.2018, V.1.1. S. 25 f. Echte Dokumente unwahren Inhalts).
Abgesehen davon stand und steht dem Kläger vor allem in den pakistanischen Großstädten eine die Gewährung subsidiären Schutzes ausschließende zumutbare inländische Schutzalternative zur Verfügung (vgl. § 4 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 3e AsylG). Insoweit wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des angefochtenen Bescheids Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend wird ausgeführt:
Beim Kläger handelt es sich um einen gesunden jungen Mann, der arbeitsfähig ist (vgl. Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit vom 2.11.2017 für eine Tätigkeit als Küchenhilfskraft im Umfang von 12,5 Stunden/Woche vom 2.11.2017 bis 1.11.2020; Berufsausbildungsvertrag vom 3.8.2018 für eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige sozialpädagogisch betreut wird. Ist – wie im streitgegenständlichen Verfahren – das Asylgesetz anzuwenden, sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs dafür maßgebend, ob ein Ausländer als minderjährig oder volljährig anzusehen ist (§ 12 Abs. 2 Satz 1 AsylG). Im Übrigen enthält das pakistanische internationale Privatrecht insoweit eine Rückverweisung auf das deutsche Recht, so dass der Kläger auch nach dem Recht seines Herkunftsstaats seit Vollendung des 18. Lebensjahrs volljährig ist (vgl. OLG Stuttgart, B.v. 3.1.2018 – 17 WF 76/17 – juris). Die dazu im Widerspruch stehende Praxis des Familiengerichts … ist rechtlich nicht haltbar.
2. Demnach liegen auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vor.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).


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